Das Glück zum Schluss - Mary Kay Andrews - E-Book

Das Glück zum Schluss E-Book

Mary Kay Andrews

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Beschreibung

Familie und andere Katastrophen – die spannende Vorgeschichte von »Kein Sommer ohne Liebe«, wunderbar erzählt von Bestsellerautorin Mary Kay Andrews Locationscout Greer Hennessy sitzt in der Tinte: Ihre Karriere ist am Ende, ihre Mutter ist krank und ihre rebellische Großmutter ist mal wieder aus dem Altersheim geflogen. Greer hat alle Hände voll damit zu tun, ihr Leben zusammenzuhalten. Da erhält sie eine gute und eine schlechte Nachricht, die ihr Leben für immer verändern werden …

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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Mary Kay Andrews

Das Glück zum Schluss

 

Aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer

 

Über dieses Buch

 

 

Greer Hennessy erkennt ihr Leben nicht wieder: Ihre Karriere als Locationscout ist buchstäblich in Rauch aufgegangen, ihre Mutter ist krank, und ihre rebellische Großmutter zieht bei ihr ein, denn sie ist mal wieder aus dem Altersheim geflogen. Während Greer versucht, einen neuen Job zu finden und sich gleichzeitig um ihre Mutter und Großmutter zu kümmern, erlebt sie so manche Überraschung. Dann erhält sie eine gute und eine schlechte Nachricht, die ihr Leben für immer verändern werden …

 

Familie und andere Katastrophen – die spannende Vorgeschichte von »Kein Sommer ohne Liebe«, wunderbar erzählt von Bestsellerautorin Mary Kay Andrews.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Mary Kay Andrews wuchs in Florida, USA, auf und lebt mit ihrer Familie in Atlanta. Im Sommer zieht es sie zu ihrem liebevoll restaurierten Ferienhaus auf Tybee Island, einer wunderschönen Insel vor der Küste Georgias. Seit ihrem Bestseller »Die Sommerfrauen« gilt sie als Garantin für die perfekte Urlaubslektüre.

 

Weitere Titel der Autorin:

»Die Sommerfrauen«, »Sommerprickeln«, »Sommer im Herzen«, »Ein Ja im Sommer«, »Kein Sommer ohne Liebe«, »Sommernachtsträume«, »Weihnachtsglitzern«, »Winterfunkeln«, »Zurück auf Liebe«, »Liebe kann alles«, »Mit Liebe gewürzt«, »Auf Liebe gebaut«, »Zweimal Herzschlag, einmal Liebe«, »Liebe und andere Notlügen«

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

1

Am Donnerstagmorgen stand Greer Hennessy, die Hände in die Hüften gestützt, vor der Methodistenkirche von Cayucos und beobachtete, wie die Kulissenmaler das Gotteshaus in eine Schule im roten Farbton einer Scheune verwandelten. Es war der vierte Drehtag von Moondancing in den Bergen an der Pazifikküste Kaliforniens.

In weißen Ganzkörperoveralls richteten die Maler ihre Spritzpistolen auf die verwitterte Holzverkleidung der Kirche. Für Passanten mochte es aussehen, als würden Aliens den Planeten Erde mit roter Farbe angreifen.

Greer drehte eine Runde um die Kirche und machte sechs, sieben Fotos, die sie dem Regisseur und seiner Art-Direktorin zur Kenntnisnahme schickte.

»Perfekt«, simste Hank Reitz, der Regisseur, zurück. »Hängen im Zeitplan, Kirchendreh wohl erst am Samstag.«

Samstag. Greer seufzte. Das bedeutete, dass sich der gesamte Terminplan einen Tag nach hinten verschieben würde. Noch mehr Papierkram. Noch mehr Arbeit. Ein ganz normaler Tag im Leben eines Locationscouts.

Ein weißer Toyota hielt neben Greers verstaubtem Ford Explorer auf dem Parkplatz vor der Kirche. Die Fahrerin, eine junge blonde Frau mit einer ungewöhnlich aufwendigen Hochsteckfrisur, sprang aus dem Auto und musterte die Kirche erschrocken.

»Was ist denn hier los?« Sie wies auf die Maler.

»Wir drehen am Wochenende einen Film.« Greer machte sich nicht die Mühe, von ihrem Handy aufzublicken. »Moondancing.«

»Dieses Wochenende? Also Sonntag, oder morgen?«

Greer schaute hoch. Die Frau hatte ein rotes Gesicht.

»Nein, Freitag und Samstag«, erwiderte Greer. »Vielleicht auch Sonntagnachmittag, falls es sich länger hinzieht.«

»Das kann nicht sein!« Die Stimme der Blondine überschlug sich. »Ich heirate am Samstag hier. Und zwar um zwei Uhr.«

»Hier? In dieser Kirche?« Greer runzelte die Stirn.

»Allerdings hier! In der Methodistenkirche von Cayucos. Das habe ich schon vor fast einem Jahr so vereinbart. Weiß Reverend Barrow, was Sie hier treiben?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, riss die Frau die Tür zum Kirchensekretariat auf und stapfte an der überraschten älteren Sekretärin vorbei. Greer folgte ihr dicht auf den Fersen.

Reverend Barrow saß in seinem Arbeitszimmer, wo er an der Predigt für Sonntag schrieb. Er schaute von seinem Computer hoch und lächelte Greer entgegen. Sobald er sah, wer neben ihr stand, verschwand sein Lächeln allerdings.

»Hallo, Carolyn«, sagte er freundlich und stand auf, um der blonden Frau die Hand zu geben. »Alles bereit für den großen Tag?«

»Bei mir schon. Aber die da« – Carolyn warf Greer einen mordlustigen Blick zu –, »die behauptet, hier würde Samstag ein Film gedreht. Was zufällig auch der Tag ist, an dem ich heirate.«

»O nein«, stöhnte der Pfarrer und sah mit gerunzelter Stirn an der Braut vorbei zu Greer. »Sie haben gesagt, Freitagabend wären Sie mit den Dreharbeiten fertig.«

Greer biss sich auf die Lippe. »Ja, das war der ursprüngliche Plan. Aber wir mussten umdisponieren. Ich brauche die Kirche auch am Samstag noch. Und zwar von morgens bis abends.«

Carolyns hübsches Gesicht verzog sich vor Wut. »Nun, das geht aber nicht. Das ist meine Kirche. Und meine Hochzeit. Sagen Sie ihr das, Reverend Barrow.«

Der Pfarrer schaute Greer hilflos an. »Tut mir leid, aber Carolyn hat recht. Sie haben gesagt, Sie bräuchten die Kirche nur am Freitag, höchstens vielleicht noch am Sonntagnachmittag nach dem Gottesdienst.«

Greer warf Carolyn einen langen, abschätzenden Blick zu. Das würde teuer werden. »Könnte ich Sie bitte kurz unter vier Augen sprechen? Entschuldigen Sie, Reverend!«

Carolyn war den Tränen nahe. Sie zeigte auf die Maler. »Was machen die da überhaupt? Warum sprühen sie diese schöne weiße Kirche rot an?« Anklagend wies sie auf Greer. »Warum machen Sie mir den schönsten Tag meines Lebens kaputt?«

Greer holte das Scheckheft aus ihrem Rucksack.

»Wie wär’s mit fünftausend?«, fragte sie.

»Fünftausend? Dollar? Wofür?«

»Fünftausend Dollar. Die zahlen wir Ihnen, wenn Sie Ihre Hochzeit in eine andere Kirche verlegen. Oder in das Haus Ihrer Eltern. Egal wohin, Hauptsache sie findet nicht am Samstag in dieser Kirche statt«, erwiderte Greer.

»Bilden Sie sich ein, Sie könnten meine Hochzeit einfach kaufen?« Wimperntusche lief über Carolyns Gesicht. »Das ist meine Kirche. Meine Eltern haben hier geheiratet. Meine Großmutter wurde hier beerdigt. Das ist ein heiliger Ort für meine Familie.«

»Ich weiß.« Greer reichte der Braut ein Taschentuch. »Sie ist ja auch wunderschön. Aber stellen Sie sich vor, was für Flitterwochen Sie sich mit fünftausend Dollar leisten können!«

Carolyn kniff die Augen zusammen und rechnete. »Sechstausend«, sagte sie. »Für sechstausend Dollar verlege ich die Hochzeit in den Garten meines Stiefvaters. Und außerdem sorgen Sie dafür, dass Channing Tatum zu meinem Junggesellinnenabschied ins Sweet Willy’s kommt!«

»Ich werd’s versuchen.« Greer stellte den Scheck aus. Channing Tatum spielte in diesem Film nicht mit. Greer kannte ihn nicht, wusste nicht mal, ob er in Kalifornien lebte. Sie wusste nur, dass sie dieser Braut glaubhaft versichern musste, dass er kommen würde.

***

Greer fuhr mit ihrem Explorer hinunter nach Paso Robles, als sie die Sirene eines Feuerwehrwagens hörte. Er kam ihr auf der schmalen, gewundenen Straße entgegen. Sie drückte sich so weit wie möglich an den rechten Rand, dennoch passierte der Einsatzwagen sie mit einem Abstand von nur wenigen Zentimetern, dicht gefolgt von zwei weiteren Löschfahrzeugen.

Die Feuerwehr? Greer nahm ihr Handy und rief Hank Reitz an. Keine Antwort. Sie versuchte es bei der Art-Direktorin, bei der Requisite und als letzte Rettung bei Blaine, Hanks Assistentin. Niemand ging ans Telefon. Also wendete Greer und fuhr wieder hoch in die Berge zum Anwesen der Millers, wo Moondancing gedreht wurde.

***

Sie roch das Feuer, bevor sie es sah. Als sie um die nächste Kurve bog, war es eindeutig zu erkennen: ölige schwarze Rauchwolken, die vom Berghang aufstiegen.

»O nein!«, stieß sie aus. »Alles, nur das nicht!« Trotz der sommerlichen Hitze lief ihr ein kalter Schauder über den Rücken.

Zwei weitere Feuerwehrwagen rasten an ihr vorbei, gefolgt von einem Krankenwagen.

»O nein, nein, nein«, flüsterte sie vor sich hin. Sie drückte das Gaspedal des neun Jahre alten Fords durch. Die Automatik schaltete runter.

Eine Meile weiter stand der Streifenwagen des stellvertretenden Sheriffs quer auf der Straße. Der Deputy machte ihr ein Zeichen, anzuhalten.

Greer beugte sich aus dem Fenster. »Was ist los, Officer?«

»Weiter oben brennt es. Es dürfen nur noch Rettungsfahrzeuge durch.«

»Können Sie mir sagen, wo genau es brennt?«, fragte sie sorgenvoll. »Ich arbeite für die Filmgesellschaft, die oben auf der Miller-Farm dreht.«

Der Deputy zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nur, dass das Feuer jetzt unter Kontrolle ist, aber der Sheriff will keine Schaulustigen, die den Helfern im Weg stehen.«

»Hat es denn auf der Miller-Farm gebrannt?«, hakte Greer nach. »Eben ist hinter der Feuerwehr auch ein Krankenwagen vorbeigefahren, wurde jemand verletzt?«

Der Deputy nahm seine verspiegelte Sonnenbrille ab. »Ich darf keine Informationen herausgeben. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir bei Bränden immer einen Rettungswagen mitschicken – reine Vorsichtsmaßnahme.«

»Könnten Sie mir denn nicht verraten, ob das Feuer auf der Miller-Farm war?«, bettelte sie. »Ich arbeite mit den Leuten da zusammen. Ich bitte Sie!«

Der Deputy sah sich um, als würde er belauscht. »Na gut. Ja, es fing bei Miller an. Irgendein Dummkopf ist auf die Idee gekommen, für den Film ein Feuerchen zu machen. Obwohl schon lange große Trockenheit herrscht und ein striktes Feuerverbot ausgegeben wurde.«

Greer biss sich auf die Lippe und wandte den Blick ab. Sie wusste genau, welcher Dummkopf auf diese Idee verfallen war.

»Heute Morgen gab es ziemlich kräftigen Wind. Der Brand geriet außer Kontrolle. So wie ich gehört habe, ist eine alte Scheune abgebrannt, dann hat das Feuer auf die Avocadoplantage übergegriffen.«

Ein Funkgerät an der Schulter des Deputys krächzte. Der Mann drehte Greer den Rücken zu, ging an den Straßenrand und sprach dort fast fünf Minuten.

Sie versuchte erneut, alle zu erreichen, die sie schon vorher angerufen hatte, doch mit demselben Ergebnis: Keiner ging ran.

Langsam kam der Deputy zum Streifenwagen zurück. »So, das war der Chef. Der Rettungswagen ist auf dem Rückweg. Einer von den Filmleuten hat Rauch eingeatmet, der muss zur Behandlung ins Krankenhaus, aber das ist alles. Keine Brandverletzungen.«

Langsam stieß Greer die Luft aus. »Gott sei Dank! Ist das Feuer gelöscht? Kann ich hochfahren?«

»Genaueres weiß ich auch nicht«, antwortete der Deputy missmutig. »Ich sperre lediglich die Straße ab und nehme jeden fest, der mir dumm kommt.« Nachdrücklich sah er Greer über den Rand seiner Sonnenbrille an, und sie begriff, dass sie besser keine weiteren Fragen stellte.

***

Eine Stunde saß Greer vor der Absperrung im Auto, wütend und besorgt. Drei, vier weitere Wagen näherten sich der Straßensperre, die Fahrer sprachen ein paar Worte mit dem Deputy, wendeten und fuhren wieder nach unten.

Nachdem er ein weiteres Gespräch am Funkgerät geführt hatte, stieg er schließlich in seinen Streifenwagen und wollte losfahren.

»Hey!«, rief Greer und beugte sich so weit wie möglich aus dem Fenster ihres Fords. »Sind Sie jetzt weg? Heißt das, das Feuer ist gelöscht? Kann ich jetzt hoch?«

»Sie können bis zum Lager Ihrer Kollegen fahren, weiter nicht. Das Feuer ist gelöscht, ja, aber die Feuerwehr ist noch vor Ort, und ein Brandermittler ist unterwegs, also halten Sie sich von der Farm fern, verstanden?«

»Verstanden.« Greer nickte eifrig. »Ein Brandermittler? Wofür das denn?«

»Es gab keine Genehmigung für das Feuer«, antwortete der Deputy mit düsterer Miene. »Wir sind hier nicht in Hollywood. Dafür wird jemand den Kopf herhalten müssen.«

***

Obwohl die Klimaanlage im Ford auf Hochtouren lief, konnte sie den Rauch schon eine halbe Meile vorher riechen. Was bedeutete der Brand für die Dreharbeiten? Wenn sie abgebrochen würden, müsste Greer dann einen neuen Drehort suchen? Eins war sicher: So ein Zwischenfall rief Anwälte und Versicherungsleute auf den Plan. Nicht gut.

Ohne es zu merken, war Greer im Locationscout-Überlebensmodus. Sie prüfte, ob ihr Handy voll geladen war.

Mehrere Streifenwagen versperrten die Zufahrt zur Miller-Farm. Greer hielt neben einem weiblichen Deputy mit mürrischem Gesichtsausdruck. »Ich gehöre zur Crew von Moondancing«, erklärte sie. »Der Deputy unten an der Straße hat gesagt, ich könnte jetzt hochfahren.«

»Fahren Sie da rüber!« Die Frau wies auf den Weg, der zum Basislager führte. »Aber laufen Sie uns nicht vor den Füßen rum!«

Im Lager der Produktionsfirma herrschte eine unheimliche Stille. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter saß unter einem Pavillon vor dem Cateringwagen, Wasserflaschen vor sich. Sie unterhielten sich leise. Ansonsten wirkte der Platz, auf dem es normalerweise vor Hektik brummte, ungewöhnlich verlassen.

Greer fand Hank in seinem Wohnmobil. Er saß mit dem Rücken zu ihr am Tisch und telefonierte aufgeregt. Sie tippte ihm auf die Schulter, er wirbelte herum. Sein Gesicht und die Kleidung waren verschwitzt und rußverschmiert.

»Okay, ja. Sie ist gerade gekommen. Ich melde mich, sobald ich Genaueres weiß. Der Ermittler ist bei Dave Walker, unserem Spezialisten für Special Effects. Sobald er mit den Schauspielern gesprochen hat, schicke ich alle ins Hotel.«

Hank legte auf, rieb sich die Stirn und schmierte sich dabei Ruß in die Haare.

»Wie geht es dir?«, fragte Greer und fischte nach dem Handy, das sie in die Tasche ihrer Angelweste gesteckt hatte, die sie am Set immer trug.

Hank zuckte mit den Schultern. »Bin völlig durch den Wind.«

»Wer war das, der ins Krankenhaus musste?«

»Ahmed, einer von den Spezialeffekten. Als das Feuer um sich griff, hat er versucht, es zu löschen. Ist ein bisschen zu nah drangegangen. Aber nichts Schlimmes. Eigentlich haben sie ihn nur zur Beobachtung mitgenommen.«

»Sonst ist keinem was passiert?«

Erneutes Schulterzucken. »Ich habe gerade mit einem der Studioanwälte in L.A. gesprochen. Die sagen der Versicherung Bescheid.«

Greer nickte. »Ich hab alle Genehmigungen in einem Ordner in meinem Hotelzimmer. Und Fotos von allem. Müssen wir den gesamten Dreh absagen?«

»Hoffentlich nicht.«

Hanks Gesicht erhellte sich. »Wir haben Wahnsinnsbilder bekommen. Kann es nicht erwarten, sie mir anzugucken. Das Feuer war der Hammer. Riesige Rauchwolken. Klar, Danielle ist richtig ausgeflippt, als sie merkte, dass es außer Kontrolle geriet. Ich hab die Kamera draufhalten lassen. Ihr Gesicht war ganz schwarz vor Ruß. Diese Avocadobäume sind total ölig. Konnte ja keiner ahnen! Sie war am Würgen und Husten. Richtig heftig. Ich sag dir, das war der Wahnsinn!«

Danielle hätte sterben können, dachte Greer. Wenn der Wind nicht nachgelassen hätte, wäre es zu einer Katastrophe gekommen. Doch Hank Reitz interessierte sich nur für seine Wahnsinnsbilder.

»Verlangen die zuständigen Stellen, dass der Dreh abgebrochen wird?«, hakte Greer nach.

»Hängt davon ab, zu welchem Ergebnis der Ermittler des Sheriffs kommt. Der Typ fängt immer wieder damit an, dass wir das Feuer ohne ausdrückliche Genehmigung gelegt haben. Angeblich hätten wir eine haben müssen.«

»Ich hab dir gesagt, dass wir eine brauchen«, erinnerte Greer den Regisseur.

»Tja, wir haben aber keine bekommen. Und jetzt sind wir am Arsch.« Hank zuckte mit den Schultern. »Hinterher ist man immer schlauer …«

»Wie ist das Feuer denn überhaupt außer Kontrolle geraten? Dave hatte mir versichert, dass alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen würden.«

Die Tür des Wohnmobils schwang auf, und einer der Produktionsassistenten kam herein, ein junger Mann namens Eric, dessen Arme von oben bis unten tätowiert waren. »Ähm, Hank, da ist jemand für dich.«

»Jetzt nicht«, fuhr der Regisseur ihn an. »Lass dir Namen und Telefonnummer geben. Ich habe eine Besprechung.«

»Ähm, also …«

»Einen Scheiß haben Sie!«, rief eine dunkle Stimme. Ein älterer Mann schob Eric zur Seite. Er war mindestens Ende siebzig, aber groß und schwer gebaut, hatte eine stark gebräunte Glatze und einen dichten weißen Bart. Der Alte trug ein kurzärmeliges Westernhemd, eine Jeans mit scharfen Bügelfalten und abgetretene Cowboystiefel. Er sah stinksauer aus.

»Wer ist das?«, fragte Hank seinen Produktionsassistenten.

»Das ist der Mann, dessen Farm Sie heute fast abgefackelt hätten«, antwortete der Alte und schlug sich auf die Brust. »Ich bin Mac Miller, der Typ, der Ihren Arsch wegen unerlaubten Betretens und wer weiß, was sonst noch, vor den Kadi zerren wird. Vielleicht sogar in den Knast! Ich denke, dass Sie vielleicht auch eine Besprechung mit mir haben möchten.«

»Mac Miller?« Hank warf Greer einen Blick zu. »Ist das der Mann, mit dem du den Vertrag gemacht hast?«

»Nein«, antwortete Greer scharf. »Der Besitzer der Farm heißt Garland Miller.«

»Garland?« Die Oberlippe des Alten kräuselte sich verächtlich. »Hat er Ihnen das erzählt? Hätte ich mir denken können, dass der Kerl dahinter steckt. Garland hat keine Farm!«

»Das kann nicht sein«, entgegnete Greer. »Alle Nachbarn haben mir gesagt, dass dieses Grundstück dem alten Miller gehört. Garland hat mich auf der Farm empfangen. Er hat mich rumgeführt und alle Genehmigungen unterschrieben. Er hat uns die Dreherlaubnis erteilt. Wir haben ihm fünfzehntausend Dollar Aufwandsentschädigung gezahlt.«

»Wenn Sie das getan haben, sind Sie noch dümmer, als Sie aussehen«, sagte Mac Miller.

»Ist Garland Ihr Sohn?«, fragte Greer. »Vielleicht ist er einfach davon ausgegangen, dass er für Sie …«

»Garland hat kein Recht zu gar nichts. Er ist mein Neffe. Als er sich das letzte Mal verdrückt hat, dachte ich, wir wären ihn endlich los, aber offenbar ist er zurückgekommen, während ich unterwegs war.«

»Sie sind der alte Miller?« Greers Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Übelkeit stieg in ihr auf. Sie schloss die Augen.

»Ich bin James McMahan Miller. Mir gehört das Grundstück und die Farm, die Ihre Leute so gut wie dem Erdboden gleichgemacht haben. Mir gehören die Rinder, die Ihre Leute von meiner Weide vertrieben haben, mir gehört der Ziegenstall, den Sie zerstört haben, und mir gehören die sieben Hektar Avocadowald, die Sie einfach verbrannt haben. Sieben Hektar erstklassiger Avocados, die nächste Woche gepflückt werden sollten. Sieben Hektar, die jetzt nur noch schwarze schwelende Asche sind. Ganz recht, der alte Miller bin ich.«

Greer musste an die Prophezeiung des Deputys denken, die dieser nur eine Stunde zuvor an der Straßensperre abgegeben hatte. Dafür würden sie jemanden drankriegen, hatte er gesagt. Und dieser Jemand war sie.

***

»Wir haben das im Griff«, hatte Dave Walker ihr versichert. Fast konnte sie noch seine Stimme in ihrem Ohr hören, als sie die Reste von Millers Gehöft hinter sich ließ. Der Gestank des Rauchs klebte an ihren Haaren und Klamotten.

Auf dem Rückweg zum Hotel in Paso Robles rief Greer Garland Miller auf dem Handy an, doch es gab nur eine Ansage vom Band: »Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vergeben oder ungültig.«

Sie fluchte leise vor sich hin und trat das Gaspedal durch.

»Das Zimmer von Garland Miller, bitte«, sagte sie zu der Rezeptionistin im Hilton. »Zweihundertvier.« Die junge Frau gab die Nummer ein, schaute auf den Bildschirm und runzelte die Stirn. »Ah, der. Der ist weg. Als unsere Hausmädchen heute Morgen zum Saubermachen reinwollten, waren beide Zimmer leer. Buchstäblich ausgeräumt. Kaffeemaschine, Handtücher, Duschvorleger, die gesamte Bettwäsche inklusive der Laken – alles weg.«

Die Rezeptionistin tippte auf ein Icon auf ihrem Monitor, und kurz darauf begann der Drucker zu arbeiten. Sie heftete die ausgedruckten Blätter zusammen und reichte sie Greer, deren Kopf heftig zu pochen begann.

Es waren acht Seiten mit Positionen auf das Zimmer von Garland Miller. Als hätte eine Horde Jugendlicher drei Nächte im Hilton gehaust. Allein die Rechnung für die Bar belief sich auf 600 Dollar, der Zimmerservice betrug 1300 Dollar, In-Room-Entertainment – im Klartext: der Pornokanal – schlug mit weiteren 300 Dollar zu Buche. Dazu kam ein Aufschlag von 500 Dollar, weil Garland mit seiner Begleitung im Gebäude geraucht hatte. Auf den letzten beiden Seiten des Ausdrucks waren all die Gegenstände aufgeführt, die Garland Miller aus der Suite hatte mitgehen lassen: Sektkühler, Gläser, Badehandtücher, Kopfkissen, Bettwäsche, Tagesdecken, Lampen …

Greer schaute die Rezeptionistin an. »Ein Klappbett? Er hat ein Klappbett geklaut?«

»Und einen Wäschewagen«, fügte die Angestellte hinzu. »Voll beladen.«

Insgesamt belief sich die Rechnung auf 9678,42 Dollar. Damit hatte die Produktionsfirma einem Mann knapp 25000 Dollar für die Nutzung eines Grundstücks in den Rachen geworfen, das diesem gar nicht gehörte.

2

Eine Woche zuvor war Greer in ihrem anthrazitgrauen Explorer über eine gefurchte Schotterpiste in den Bergen hinter Paso Robles gehoppelt und hatte die an ihr vorbeiziehende Landschaft inspiziert. Es hatte so lange nicht geregnet, dass sie sich gar nicht mehr daran erinnern konnte – in L.A., wo sie wohnte, war es fast ein Jahr her und an der zentralkalifornischen Küste ähnlich lange.

Staub wirbelte auf, legte sich auf ihre Windschutzscheibe, verklebte ihr Mund und Nase, doch sie fuhr tapfer weiter. Zu dieser Jahreszeit standen die Weiden hier oben eigentlich in sattem Grün, hatte sie gelesen. Stattdessen sah alles aus wie eine sepiafarbene Lithographie. Was sie hier machte, war sinnlos.

Wie das GPS ihr verriet, war sie genau 3,2 Meilen auf der alten Trading Post Road gefahren, so wie ihr es der Angestellte in dem kleinen Supermarkt im Ort beschrieben hatte. »Halten Sie Ausschau nach einer großen grauen Scheune und einer Rinderweide«, hatte er erklärt. Greer hatte vor einiger Zeit ein Feld mit zwei gelangweilt wirkenden Ziegen entdeckt, die über steinigen Boden kletterten, aber ansonsten keine lebende Seele, wenn man die beiden Bussarde nicht mitzählte, die hoch über ihrem Kopf kreisten.

Die Straße wand sich am Berghang entlang und führte immer höher. Wo war sie hier bloß? Mindestens dreißig Meilen außerhalb der Stadt, so viel stand fest.

Ihr Telefon meldete eine neue Nachricht, wahrscheinlich von Hank Reitz. Eine Schweißperle lief Greer den Rücken hinunter. Heute war Freitag. Die Hauptdreharbeiten von Moondancing hatten vor zwei Wochen begonnen, bis Montag sollten Schauspieler und Crew für die Außenaufnahmen weiter nach Norden gezogen sein. Obwohl Greer Hunderte von Meilen an der zentralkalifornischen Küste abgesucht und fotografiert hatte, war sie noch nicht auf das gestoßen, was dem Regisseur vorschwebte.

»GRÜN!«, hatte er in Großbuchstaben geschrieben, als wäre sie blöd oder begriffsstutzig. »Ich brauche eine grüne Wiese und Bäume mit grünen Blättern. Und eine Scheune.«

Scheunen gab es zuhauf. Von hier war es nur eine Stunde zu den steilen Klippen und der schäumenden Brandung des Pazifiks, dennoch war die Gegend eher landwirtschaftlich geprägt; es gab viele Weinberge und kleine Weingüter. Und jede Menge Kühe – oder sagte man hier »Rinder«? Greer wusste es nicht, und es war ihr auch egal. Sie war ein Stadtmensch, in L.A. geboren und aufgewachsen. Das mit dem Grün war ein Problem. Natürlich konnte man Jahreszeiten mit Farbspray, künstlichem Schnee und anderem Hollywood-Tamtam imitieren, doch diesmal waren Hank Reitz und seine Art-Direktorin Helena Freed unerbittlich: Für Moondancing bestanden sie auf echten grünen Bäumen.

Greer zerbrach sich gerade noch den Kopf über die Kuh-Rind-Frage, als sie das Anwesen erblickte, direkt vor ihr in einer Kurve, an die sich eine weitauslaufende Senke anschloss. Zaunpfähle mit Stacheldraht trennten das Grundstück von der Schotterstraße, doch die riesige graue Scheune war unübersehbar, und während Greer sie näher betrachtete, trotteten drei Rindviecher über eine leicht ansteigende Weide, die so wunderschön smaragdgrün leuchtete, wie sie es den ganzen Sommer über noch nicht gesehen hatte.

»Endlich!«, stieß Greer aus, bog von der Straße ab und parkte vor einem Metalltor, das eine breite Schotterzufahrt versperrte. Das Tor war mit einem Schloss gesichert; an einer hochaufragenden Kiefer rechts neben der Zufahrt hing ein Schild mit der Aufschrift Betreten verboten.

Bei Locationscouts, behauptete Greer gerne, war illegales Eindringen ein dehnbarer Begriff. Solange niemand am Ende dieser Zufahrt mit einer geladenen Flinte auf sie wartete, gab es für sie kein Problem.

Sie stieg aus dem Auto und ging zum Tor, eine schmale Gestalt in staubiger Jeans, dunkelblauem Tanktop und den roten Keds, die sie immer trug. Auf ihre schulterlangen blonden Locken hatte sie eine dunkelblaue Kappe der Dodgers gesetzt.

Ungefähr vierhundert Meter weiter konnte Greer ein rotverkleidetes, flaches Haus mit einer verwitterten Veranda ausmachen. Daneben stand ein verrosteter weißer Pick-up.