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Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Gaslicht – Neue Edition In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! und ich führten eine glückliche Ehe. Welt einen guten Klang hatte. Agenturen rissen. die Zuhörer mit. Konzertreisen begleitet. entglitt? Boulogne in Paris immer wieder verlängerte? hingezogen. sehr gut ab. langen dunklen Wimpern. dir« erklärt. bekannte Violinistin werden wollen. in mein Leben getreten wäre. noch ihn. die Party bei den Garmonts ankleidete. Eltern geerbt hatten. wir zu viert ausgingen. gewesen. absagen müssen.
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Seitenzahl: 138
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Ich hatte immer geglaubt, Louis
und ich führten eine glückliche Ehe.
Louis Raspal war ein Name, der in der
Welt einen guten Klang hatte. Louis
Raspal, der Dirigent, um den sich die
Agenturen rissen. Sein Name bürgte
für volle Häuser, seine Konzerte rissen
die Zuhörer mit.
Zwei Jahre war ich nun mit ihm verheiratet
und hatte ihn auf all seinen
Konzertreisen begleitet. Wann hatte
ich erkannt, dass er mir allmählich
entglitt? Als meine Schwester Denise
uns besuchte und ihren Besuch in unserem
eleganten Haus am Bois de
Boulogne in Paris immer wieder verlängerte?
Jeder Mann fühlte sich zu Denise
hingezogen. Bei einem Vergleich mit
meiner Schwester schnitt ich nicht
sehr gut ab. Ich war mittelgroß, dunkelblond
und hatte graue Augen mit
langen dunklen Wimpern.
»Deine Augen sind das Schönste an
dir«, hatte Louis an unserem ersten
gemeinsamen Abend in einem Bistro
erklärt. Ich war damals Musikstudentin
gewesen und hatte eines Tages eine
bekannte Violinistin werden wollen.
Ich war begabt und hätte es vermutlich
auch geschafft, wenn Louis nicht
in mein Leben getreten wäre. Von diesem
Augenblick an gab es für mich nur
noch ihn.
Daran dachte ich, als ich mich für
die Party bei den Garmonts ankleidete.
Hélène und Gaston Garmont
schwammen im Geld, das sie von ihren
Eltern geerbt hatten. Stets waren
wir ausgelassener Stimmung, wenn
wir zu viert ausgingen. Damals war
meine Ehe mit Louis noch in Ordnung
gewesen.
Dann hatte Louis einen Zusammenbruch
erlitten und einige Konzerte
absagen müssen. Er trank viel zu
Das Haus am Fluss
Wer ist hier dein Feind, Nadine?
Roman von Judith Parker
Mitten in der Nacht fuhr ich aus meinem Schlaf hoch. Irgendetwas hatte mich
geweckt. Ich hörte das Rauschen des Regens, der gegen die Fensterscheiben
peitschte. Und dann hörte ich noch etwas anderes, das Tapsen von nackten Füßen.
Lautlos ging die Zimmertür auf, und herein schwebte der Geist von Denise.
Natürlich war es ein Traum. Es konnte nur ein Traum sein. Ich presste die
Hände gegen meine Schläfen, hinter denen das Blut pochte. »Nadine, du wirst
nie wieder von hier fortkommen. Nie wieder, solange du lebst. Erst im Sarg
wirst du Tante Doras Haus verlassen«, flüsterte die Erscheinung.
viel und war übermäßig reizbar geworden.
Als Denise eines Tages bei uns
auftauchte, nahm Louis sich zusammen.
Im Stillen hatte ich gehofft, dass
Denise nur wenige Tage bei uns bleiben
würde, aber nun war sie schon
über einen Monat anwesend und
schien nicht daran zu denken, sobald
abzureisen.
Denise betrat mein Schlafzimmer.
Schlagartig verschwand der gelangweilte
Ausdruck aus dem Gesicht meines
Mannes, und seine Züge hellten
sich auf. Denise war ein Biest; und
dass sie es auf Louis abgesehen hatte,
darüber bestand kein Zweifel.
Ihre Lippen kräuselten sich verächtlich,
als sie mich betrachtete.
»Nadine, das Kleid, das du trägst,
ist aus der Mode«, sagte sie und kokettierte
mit ihrem Spiegelbild. »So
etwas trägt man nicht mehr. Das Kleid
ist bestimmt drei Jahre alt.«
Denise hängte sich wie selbstverständlich
bei Louis ein. Meine Eifersucht
brannte wie ein nie zu löschendes
Feuer in mir.
Aber noch ahnte ich nichts von
dem kommenden Unheil. Unser Butler
William lächelte steif wie eine Marionette.
Ich hatte das Gefühl, der
Mann würde sich über mich lustig machen,
weil ich mir von Denise meinen
Mann ausspannen ließ.
Der Chauffeur Benjamin hielt
schon die hintere Tür des schwarzen
Rolls-Royce auf.
Ein greller Blitz zerriss die Dun -
kelheit, ein heftiger Donnerschlag
folgte.
Ich riskierte einen Blick aus den Augenwinkeln
und sah, dass Louis einen
Arm um die Schultern meiner
Schwester liegen hatte. Ich hätte
schreien mögen vor Empörung und
Wut, doch kein Wort kam über meine
Lippen.
Vor uns waren mehrere Autos, die
alle in den ansteigenden, schmalen
Weg zum Schloss einbogen. Die Angst
wollte mich nicht loslassen. Es war
eine grauenvolle Zukunftsvision.
Denises Stimme zerrte an meinen
Nerven. Einige Male lachte sie laut,
und Louis stimmte in ihr Gelächter
mit ein.
An Einzelheiten der Party kann ich
mich nicht mehr so genau erinnern;
außer dass Denise wie stets im Mittelpunkt
des Geschehens stand und
schamlos mit jedem Mann flirtete, ja,
und dass Louis unmäßig trank. Hélène
und ihr Mann Gaston waren angenehme
Gastgeber, die alles Außergewöhnliche
tolerierten. Ich hatte Hélène wegen
ihrer Aufrichtigkeit schon immer
bewundert.
»Sag, was ist mit dir und Louis los?
Früher habt ihr wie Tauben geturtelt.«
»In jeder Ehe gibt es Krisen.«
»Das ist wahr. Aber diese Krise
scheint gefährlich zu sein. An deiner
Stelle würde ich alles tun, um Denise
loszuwerden. Du bist viel zu gutmütig,
Nadine.«
»Glaubst du, das würde etwas ändern?
Dann würden sie sich heimlich
treffen, Hélène. Denise ist sehr
schön.«
»Schön und skrupellos. Eine gefährliche
Mischung. Sie führt etwas im
Schilde. Du musst dich wehren, Na -
dine.«
»Ich bringe es nicht fertig.«
4
Hélène wurde von jemandem gerufen
und ließ mich stehen.
Louis und Denise waren verschwunden.
Mir war jede Lust an der
Party vergangen. Plötzlich tauchte
Denise auf und sagte, dass Louis allein
heimgefahren wäre.
Gaston gesellte sich zu uns und
schlug uns vor, mit einem seiner Autos
nach Paris zurückzufahren.
»Ich habe zu viel getrunken, Gaston
«, sagte Denise. »Ich kann nicht
mehr fahren.«
»Nadine wird fahren. Wie ich sie
kenne, hat sie nur am Alkohol genippt
«, meinte Gaston und lachte gutmütig.
Kurz darauf saßen Denise und ich
in dem Wagen und fuhren los.
*
Denise brach das Schweigen zwischen
uns.
»Nadine, ich bin froh, dass wir endlich
Gelegenheit für eine Aussprache
haben«, begann sie. »Dir ist bestimmt
aufgefallen, dass Louis und ich viel
besser zusammen passen. Du bist für
deinen Mann nur eine Last.« Sie lachte
gefühlsroh. »Louis braucht eine
Frau wie mich, die durch ihre …«
»Was willst du damit sagen?«, unterbrach
ich sie scharf. »Ich liebe
Louis und denke nicht daran, ihn dir
zu überlassen. Ich möchte dich bitten,
uns morgen zu verlassen.«
Es war so, als hätte ich mich endlich
von der Zwangsjacke befreit. Ein unbändige
Wut erfasste mich.
»Ich will, dass du gehst.«
»Du führst dich so auf, als ob du zu
bestimmen hättest!«, rief Denise erbost.
»Glaubst du, man könnte einen
Menschen gewaltsam an sich fesseln?
Selbst in einer Ehe muss man den
Partner tolerieren und ihm seine persönliche
Freiheit lassen. Louis fühlt
sich bei dir eingeengt.«
»Das soll er mir selbst sagen.« Ich
fuhr schneller.
»Das wird er nicht tun, weil er viel
zu anständig ist, um dich einfach sitzenzulassen.
Ich will ihn haben. Verstehst
du?«
Ich wurde von einer schattenhaften
Bewegung dicht vor uns abgelenkt,
trat scharf auf die Breme und stieß erleichtert
die Luft durch die Nase aus,
als die Gefahr vorüber war.
»Bist du denn von allen guten Geistern
verlassen?«, fuhr mich Denise
empört an, die durch das scharfe
Bremsen nach vorn geflogen war.
»Warum hast du das getan? Um mich
zu erschrecken?«
»Jemand ist dicht vor dem Auto
über die Straße gelaufen.«
Das Auto wurde plötzlich schneller.
Ich versuchte, es abzubremsen, aber
die Bremsen funktionierten nicht.
Entsetzen lähmte mich. Wieder trat ich
aufs Bremspedal, und das Wunder geschah.
Die Bremsen funktionierten
diesmal. Mir war richtig schlecht geworden
vor Schreck.
»Was war denn das?«, fragte Denise
neben mir, als ich auf der rechten
Straßenseite stehen blieb. »Hast du
geschlafen?«
»Bestimmt nicht.« Ich blickte meine
schöne Schwester an. »Irgendetwas
mit den Bremsen scheint nicht in Ordnung
zu sein.«
5
Mit geschlossenen Augen lehnte sie
sich zurück. Wie ein Scherenschnitt
zeichnete sich ihr schönes Profil gegen
das helle Rechteck des Fensters ab. Es
blitzte und donnerte in immer kürzeren
Abständen, und der Regen prasselte
aufs Verdeck. Ich hatte Angst,
weiterzufahren und fuhr sehr langsam.
Ein Auto hinter uns hupte ungeduldig,
und die Scheinwerfer blinkten
unentwegt. Schließlich gelang es dem
Fahrer, sich an meinem Wagen vorbeizudrängen.
Die Schlusslichter verschwanden
schnell in der Nacht.
Plötzlich blockierten die Bremsen,
und das Auto blieb ruckartig stehen.
Obwohl ich eine gute Autofahrerin
war, hatte ich die Nase von diesem
Wagen voll. Denise schlief ruhig neben
mir. Ich war entschlossen, stehen
zu bleiben und einen ins Tal fahrenden
Wagen anzuhalten. Ich war sicher,
dass ich nicht lange warten musste,
denn alle Gäste, die das Schloss verließen,
konnten nur auf diesem Weg
zum Tal hinunterfahren.
Gerade wollte ich aussteigen, als
der Wagen ins Rollen kam. Ich trat
nochmals auf die Bremse, aber sie versagte.
Ich hatte aber doch die Handbremse
angezogen? Mein Atem stockte,
als ich feststellte, dass auch sie
nicht funktionierte. Eine unsichtbare
Macht schien das Auto von hinten anzustoßen.
Mit schweißfeuchten Händen
umklammerte ich das Lenkrad
und versuchte, den Wagen unter Kontrolle
zu bekommen. Das halsbrecherische
Tempo, in dem wir nun die Straße
hinunterrasten, entlockte mir einen
Schrei.
Denise fuhr auf und stützte sich mit
beiden Händen gegen das Armaturenbrett.
Ihre Augen weiteten sich vor
Entsetzen, als wir die Haarnadelkurve
erreichten und das Auto gegen die
Leitplanke knallte und dann auf die
andere Seite geschleudert wurde. Ich
hörte Denises gellenden Schrei. Oder
hatte ich geschrien? Der Wagen rutschte
den steilen Hang hinunter und
überschlug sich. Ich fiel in einen dunklen
Abgrund und war überzeugt, dass
die letzten Sekunden meines Lebens
gleich vorbei sein würden.
*
Gewaltsam kämpfte ich mich aus
dem Abgrund hoch, aber immer wieder
wurde ich zurückgestoßen. Ich
wollte schreien, aber kein Ton kam
über meine Lippen. Ich rang nach
Luft, keuchte und versuchte, mich aufzurichten.
Grelles Licht blendete
mich.
»Nadine, hörst du mich?«
Louis? Ja, es war Louis’ Stimme, die
mich aus meiner Ohnmacht riss. Ich
öffnete die Augen, um sie gleich wieder
zu schließen, weil mich das Licht
blendete. Alles um mich herum war
von einem erschreckenden grellen
Weiß, das mir in den Augen weh tat.
Doch dann gewöhnte ich mich daran.
»Nadine, endlich!« Louis beugte
sich vor. »Ich sitze schon lange bei dir.
Wie konntest du dich in deinem Zustand
ans Steuer setzen?«
»Was für ein Zustand?«, fragte ich.
»Du warst betrunken, meine Liebe.
«
»Betrunken? Ich habe kaum etwas
getrunken. Zwei Gläser Champagner,
nicht mehr.«
6
»Denise ist tot und …«
Ich glaubte, mich verhört zu haben
und blickte auf meinen bandagierten
Arm.
»Das glaube ich nicht«, flüsterte
ich.
»Auch Benjamin ist umgekommen.
Die beiden Toten gehen auf dein Konto,
Nadine.« Louis erhob sich und trat
ans Fenster des Krankenhauszimmers.
»Keine Sorge, ich habe alles getan, um
es als einen unverschuldeten Unglücksfall
hinzustellen. Benjamin sollte
Denise und dich abholen. Er erreichte
in dem Augenblick die Nadelkurve,
als euer Wagen in den Abgrund
geschleudert wurde. Benjamin muss
blitzartig reagiert haben. Er rannte
den Hang hinunter und zerrte dich aus
dem Wagen. Als er Denise holen wollte,
flog das Auto in die Luft. Der arme
Benjamin fand bei der Explosion den
Tod. Er war mir treu ergeben und wird
mir sehr fehlen.«
»Und Denise?«, fragte ich tonlos.
»Ihre Leiche ist bisher noch nicht
gefunden worden. Doch sicherlich
wird man sie bald finden.«
»Was soll das heißen?«
»Das Auto blieb am Ufer der Loire
liegen, die zurzeit Hochwasser führt.
An der Stelle, wo Denise womöglich
aus dem Auto geschleudert wurde, ist
der Fluss sehr tief. Sie ist bestimmt ertrunken
und mitgerissen worden. Seit
Stunden wird nach ihrer Leiche gesucht.
«
»Es ist nicht wahr! Nicht wahr!«,
schrie ich hysterisch.
Ich schrie und schrie. Dann spürte
ich einen Stich in meinem gesunden
Arm. Alles in mir wurde steif, und
meine Zunge schien gelähmt zu sein.
Mir schwanden die Sinne.
Ich wurde hochgehoben und auf
eine harte Pritsche gelegt. Dann wurde
ich gefesselt und bekam wieder
diese Injektion, die mich lähmte. Ich
lag in lodernden Flammen.
»Madame Raspal, hören Sie mich?«
Etwas Großes und Rundes schwebte
über mir, kam auf mich zu. Ich erkannte
ein fremdes Gesicht mit großen
dunklen Augen.
»Wer – sind – Sie?«
»Dr. Lorgnette. Wie fühlen Sie
sich?«
»Ich weiß es nicht.« Ich warf meinen
Kopf unruhig von einer Seite auf
die andere. Dabei fiel mein verschwommener
Blick auf ein Fenster.
Ich sah das Gitter davor und dann die
Gummiwände um mich herum. Ein
Gefängnis?
»Sie waren sehr krank, Madame
Raspal.«
»Krank? Ist das ein Krankenhaus?«
»Eine Nervenklinik.« Der Arzt umfasste
mein Handgelenk und zählte
meine Pulsschläge. »Wissen Sie, wer
Sie sind?«, fragte er dann.
»Sie kennen meinen Namen doch,
Doktor.«
»Aber ich möchte, dass Sie ihn mir
nennen.«
»Wie Sie wollen. Ich bin Nadine
Raspal und mit dem Dirigenten Louis
Raspal verheiratet. Wollen Sie noch
mehr wissen?«
»Können Sie sich an den Unfall erinnern?
«
Ich starrte ihn aus brennenden Augen
an. Im Schein der Sonnenstrahlen,
die durch das vergitterte Fenster fie-
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len, hatte sein schütteres Haar einen
rötlichen Schimmer. Auch seine Haut
war rosig. Unwillkürlich verglich ich
ihn mit einem riesigen Marzipanschwein
mit kohlschwarzen Knopfaugen.
Mich überfiel eine unbändige
Lachlust, der ich nicht länger widerstehen
konnte; und ich fing an zu lachen.
Laut und schrill. Ich konnte
nicht mehr aufhören. Hände packten
mich, und Finger bohrten sich in das
Fleisch meiner Arme, als ich mich zur
Wehr setzte. Dann spürte ich den Einstich
der Injektionsnadel. Die Wirkung
setzte blitzschnell ein. Mein Gelächter
ebbte zu einem tonlosen Lallen ab.
*
Louis besuchte mich in der geschlossenen
Abteilung des Nervensanatoriums,
sooft es ihm seine Zeit erlaubte.
Ich versuchte dann, ihm klarzumachen,
dass ich keineswegs wahnsinnig
war. Jedes Mal lächelte er dann
wehmütig und sagte betrübt: »Ich
wünschte, du wärest es, Nadine. Aber
deine Tobsuchtsanfälle wiederholen
sich in regelmäßigen Abständen. Du
leidest unter einem Schuldkomplex.
Ich habe mit dem Chefarzt Dr.
Beaufort gesprochen. Er hat nichts dagegen,
dass du dich in dein Haus auf
der Halbinsel Guérande zurückziehst.
Natürlich muss ich eine Pflegerin für
dich einstellen, die dich anfangs noch
bewacht. Vielleicht bessert sich dein
Zustand.«
»Ich bin nicht verrückt. Ich hatte
nur ein Nervenfieber. Ich will nach
Hause, Louis. Bitte, nimm mich mit!«
»Ich bringe dich in die Bretagne. Du
wirst dich in der Abgeschiedenheit
deines Hauses erholen. Ich muss leider
eine Tournee durch die Vereinigten
Staaten antreten.«
»Dann soll ich ganz allein mit der
Pflegerin in dem Haus leben?«
»Die Fourdes’ sind da. Sie werden
sich um dein leibliches Wohl kümmern.
«
»Louis, es tut mir so leid«, sagte ich
und fing zu weinen an. »Versteh mich
doch! Ich wollte das alles nicht.«
»Es wird alles gut werden, meine
Kleine. Aber Denise können wir nicht
mehr lebendig machen.«
»Ich möchte vor meiner Abreise in
die Bretagne noch ihr Grab besuchen
«, bat ich erregt.
»Das kannst du später tun. Nach
deiner Genesung.«
»Nicht wahr, du hast sie sehr geliebt?
«, fragte ich impulsiv.
»Denise? Sie war die schönste Frau,
der ich je begegnet bin. Aber ich liebe
dich, Nadine. Das musst du doch spüren.
«
*
Auf der Fahrt von Paris hatten
Louis und ich kaum miteinander geredet.
Sein hartnäckiges Schweigen
zerrte an meinen Nerven. Ich hatte
vermieden, meinen Mann anzublicken.
Er sah so erschöpft und richtig
krank aus, als ob er nicht nur eine
schlaflose Nacht hinter sich hätte. Tiefe
Falten hatten sich auf seiner Stirn
eingegraben, und seine Haut war fahl.
»Das muss es sein«, unterbrach
Louis endlich das Schweigen zwischen
uns und hielt vor dem doppel-
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flügeligen, schmiedeeisernen Tor an.
»Moore House. Ja, dort steht es!«
»Ein Auto verfolgt uns«, stellte ich
nervös fest, als ich das grelle Licht der
Scheinwerfer bemerkte, das sich über
die Sträucher tastete, die den schmalen
Zufahrtsweg säumten.
»Du siehst wieder einmal Gespenster
«, sagte mein Mann seufzend.
»Aber du musst den Schein doch
auch gesehen haben! Ich bin doch
nicht wahnsinnig!«, rief ich erregt.
Sein beredtes Schweigen war mehr,
als ich ertragen konnte. Ich begann zu
weinen. Louis beachtete mich nicht.
Langsam schlich der Wagen den ansteigenden
Weg zum Haus hinauf.
Louis stieg aus, kam um das Auto
herum und öffnete mir die Wagentür.
Ich war entschlossen, einfach sitzen
zu bleiben. Nichts zog mich in dieses
unheimliche Haus mit den grauen
Wänden und kleinen Fenstern.
»Steig aus!«, befahl Louis gefährlich
leise. »Oder möchtest du den
Fourdes’ ein Schauspiel bieten? Wenn
du dich weigerst, sähe ich mich gezwungen,
dich mit Gewalt herauszuholen.
«
»Lass nur! Ich steige schon aus«,
sagte ich.
Holly Fourdes erwartete uns auf
der Schwelle. Ihre hagere Gestalt
zeichnete sich silhouettenhaft gegen
den hellen Hintergrund ab. Ihr Mann
Justus hatte in der großen Wohnstube
alle Lichter angeknipst. Die Frau flößte
mir Furcht ein. Ihr schmales Gesicht
mit den hohen Jochbeinen und den
tiefliegenden Augen war bleich. Das
schwarze Haar war straff aus der Stirn
und den Schläfen gezogen. Alles an ihr
wirkte streng und wenig vertraueneinflößend.
Unwillkürlich fröstelte ich,
als sie mir eine knochige Hand entgegenstreckte.
»Also, Sie sind Madame Melvilles
Erbin«, sagte sie unfreundlich. »Kommen
Sie herein!«
Justus Fourdes war um fast einen
Kopf größer als seine Frau. Alles an
ihm war eckig und wuchtig; und seine
schwieligen Hände schienen zupacken
zu können. Mit einem grimmigen
Lächeln begrüßte er uns. Genauso wie