Das Haus am Fluss - Judith Parker - E-Book

Das Haus am Fluss E-Book

Judith Parker

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Gaslicht – Neue Edition In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! und ich führten eine glückliche Ehe. Welt einen guten Klang hatte. Agenturen rissen. die Zuhörer mit. Konzertreisen begleitet. entglitt? Boulogne in Paris immer wieder verlängerte? hingezogen. sehr gut ab. langen dunklen Wimpern. dir« erklärt. bekannte Violinistin werden wollen. in mein Leben getreten wäre. noch ihn. die Party bei den Garmonts ankleidete. Eltern geerbt hatten. wir zu viert ausgingen. gewesen. absagen müssen.

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Gaslicht - Neue Edition – 20 –

Das Haus am Fluss

Wer ist hier dein Feind, Nadine?

Judith Parker

Ich hatte immer geglaubt, Louis

und ich führten eine glückliche Ehe.

Louis Raspal war ein Name, der in der

Welt einen guten Klang hatte. Louis

Raspal, der Dirigent, um den sich die

Agenturen rissen. Sein Name bürgte

für volle Häuser, seine Konzerte rissen

die Zuhörer mit.

Zwei Jahre war ich nun mit ihm verheiratet

und hatte ihn auf all seinen

Konzertreisen begleitet. Wann hatte

ich erkannt, dass er mir allmählich

entglitt? Als meine Schwester Denise

uns besuchte und ihren Besuch in unserem

eleganten Haus am Bois de

Boulogne in Paris immer wieder verlängerte?

Jeder Mann fühlte sich zu Denise

hingezogen. Bei einem Vergleich mit

meiner Schwester schnitt ich nicht

sehr gut ab. Ich war mittelgroß, dunkelblond

und hatte graue Augen mit

langen dunklen Wimpern.

»Deine Augen sind das Schönste an

dir«, hatte Louis an unserem ersten

gemeinsamen Abend in einem Bistro

erklärt. Ich war damals Musikstudentin

gewesen und hatte eines Tages eine

bekannte Violinistin werden wollen.

Ich war begabt und hätte es vermutlich

auch geschafft, wenn Louis nicht

in mein Leben getreten wäre. Von diesem

Augenblick an gab es für mich nur

noch ihn.

Daran dachte ich, als ich mich für

die Party bei den Garmonts ankleidete.

Hélène und Gaston Garmont

schwammen im Geld, das sie von ihren

Eltern geerbt hatten. Stets waren

wir ausgelassener Stimmung, wenn

wir zu viert ausgingen. Damals war

meine Ehe mit Louis noch in Ordnung

gewesen.

Dann hatte Louis einen Zusammenbruch

erlitten und einige Konzerte

absagen müssen. Er trank viel zu

Das Haus am Fluss

Wer ist hier dein Feind, Nadine?

Roman von Judith Parker

Mitten in der Nacht fuhr ich aus meinem Schlaf hoch. Irgendetwas hatte mich

geweckt. Ich hörte das Rauschen des Regens, der gegen die Fensterscheiben

peitschte. Und dann hörte ich noch etwas anderes, das Tapsen von nackten Füßen.

Lautlos ging die Zimmertür auf, und herein schwebte der Geist von Denise.

Natürlich war es ein Traum. Es konnte nur ein Traum sein. Ich presste die

Hände gegen meine Schläfen, hinter denen das Blut pochte. »Nadine, du wirst

nie wieder von hier fortkommen. Nie wieder, solange du lebst. Erst im Sarg

wirst du Tante Doras Haus verlassen«, flüsterte die Erscheinung.

viel und war übermäßig reizbar geworden.

Als Denise eines Tages bei uns

auftauchte, nahm Louis sich zusammen.

Im Stillen hatte ich gehofft, dass

Denise nur wenige Tage bei uns bleiben

würde, aber nun war sie schon

über einen Monat anwesend und

schien nicht daran zu denken, sobald

abzureisen.

Denise betrat mein Schlafzimmer.

Schlagartig verschwand der gelangweilte

Ausdruck aus dem Gesicht meines

Mannes, und seine Züge hellten

sich auf. Denise war ein Biest; und

dass sie es auf Louis abgesehen hatte,

darüber bestand kein Zweifel.

Ihre Lippen kräuselten sich verächtlich,

als sie mich betrachtete.

»Nadine, das Kleid, das du trägst,

ist aus der Mode«, sagte sie und kokettierte

mit ihrem Spiegelbild. »So

etwas trägt man nicht mehr. Das Kleid

ist bestimmt drei Jahre alt.«

Denise hängte sich wie selbstverständlich

bei Louis ein. Meine Eifersucht

brannte wie ein nie zu löschendes

Feuer in mir.

Aber noch ahnte ich nichts von

dem kommenden Unheil. Unser Butler

William lächelte steif wie eine Marionette.

Ich hatte das Gefühl, der

Mann würde sich über mich lustig machen,

weil ich mir von Denise meinen

Mann ausspannen ließ.

Der Chauffeur Benjamin hielt

schon die hintere Tür des schwarzen

Rolls-Royce auf.

Ein greller Blitz zerriss die Dun -

kelheit, ein heftiger Donnerschlag

folgte.

Ich riskierte einen Blick aus den Augenwinkeln

und sah, dass Louis einen

Arm um die Schultern meiner

Schwester liegen hatte. Ich hätte

schreien mögen vor Empörung und

Wut, doch kein Wort kam über meine

Lippen.

Vor uns waren mehrere Autos, die

alle in den ansteigenden, schmalen

Weg zum Schloss einbogen. Die Angst

wollte mich nicht loslassen. Es war

eine grauenvolle Zukunftsvision.

Denises Stimme zerrte an meinen

Nerven. Einige Male lachte sie laut,

und Louis stimmte in ihr Gelächter

mit ein.

An Einzelheiten der Party kann ich

mich nicht mehr so genau erinnern;

außer dass Denise wie stets im Mittelpunkt

des Geschehens stand und

schamlos mit jedem Mann flirtete, ja,

und dass Louis unmäßig trank. Hélène

und ihr Mann Gaston waren angenehme

Gastgeber, die alles Außergewöhnliche

tolerierten. Ich hatte Hélène wegen

ihrer Aufrichtigkeit schon immer

bewundert.

»Sag, was ist mit dir und Louis los?

Früher habt ihr wie Tauben geturtelt.«

»In jeder Ehe gibt es Krisen.«

»Das ist wahr. Aber diese Krise

scheint gefährlich zu sein. An deiner

Stelle würde ich alles tun, um Denise

loszuwerden. Du bist viel zu gutmütig,

Nadine.«

»Glaubst du, das würde etwas ändern?

Dann würden sie sich heimlich

treffen, Hélène. Denise ist sehr

schön.«

»Schön und skrupellos. Eine gefährliche

Mischung. Sie führt etwas im

Schilde. Du musst dich wehren, Na -

dine.«

»Ich bringe es nicht fertig.«

4

Hélène wurde von jemandem gerufen

und ließ mich stehen.

Louis und Denise waren verschwunden.

Mir war jede Lust an der

Party vergangen. Plötzlich tauchte

Denise auf und sagte, dass Louis allein

heimgefahren wäre.

Gaston gesellte sich zu uns und

schlug uns vor, mit einem seiner Autos

nach Paris zurückzufahren.

»Ich habe zu viel getrunken, Gaston

«, sagte Denise. »Ich kann nicht

mehr fahren.«

»Nadine wird fahren. Wie ich sie

kenne, hat sie nur am Alkohol genippt

«, meinte Gaston und lachte gutmütig.

Kurz darauf saßen Denise und ich

in dem Wagen und fuhren los.

*

Denise brach das Schweigen zwischen

uns.

»Nadine, ich bin froh, dass wir endlich

Gelegenheit für eine Aussprache

haben«, begann sie. »Dir ist bestimmt

aufgefallen, dass Louis und ich viel

besser zusammen passen. Du bist für

deinen Mann nur eine Last.« Sie lachte

gefühlsroh. »Louis braucht eine

Frau wie mich, die durch ihre …«

»Was willst du damit sagen?«, unterbrach

ich sie scharf. »Ich liebe

Louis und denke nicht daran, ihn dir

zu überlassen. Ich möchte dich bitten,

uns morgen zu verlassen.«

Es war so, als hätte ich mich endlich

von der Zwangsjacke befreit. Ein unbändige

Wut erfasste mich.

»Ich will, dass du gehst.«

»Du führst dich so auf, als ob du zu

bestimmen hättest!«, rief Denise erbost.

»Glaubst du, man könnte einen

Menschen gewaltsam an sich fesseln?

Selbst in einer Ehe muss man den

Partner tolerieren und ihm seine persönliche

Freiheit lassen. Louis fühlt

sich bei dir eingeengt.«

»Das soll er mir selbst sagen.« Ich

fuhr schneller.

»Das wird er nicht tun, weil er viel

zu anständig ist, um dich einfach sitzenzulassen.

Ich will ihn haben. Verstehst

du?«

Ich wurde von einer schattenhaften

Bewegung dicht vor uns abgelenkt,

trat scharf auf die Breme und stieß erleichtert

die Luft durch die Nase aus,

als die Gefahr vorüber war.

»Bist du denn von allen guten Geistern

verlassen?«, fuhr mich Denise

empört an, die durch das scharfe

Bremsen nach vorn geflogen war.

»Warum hast du das getan? Um mich

zu erschrecken?«

»Jemand ist dicht vor dem Auto

über die Straße gelaufen.«

Das Auto wurde plötzlich schneller.

Ich versuchte, es abzubremsen, aber

die Bremsen funktionierten nicht.

Entsetzen lähmte mich. Wieder trat ich

aufs Bremspedal, und das Wunder geschah.

Die Bremsen funktionierten

diesmal. Mir war richtig schlecht geworden

vor Schreck.

»Was war denn das?«, fragte Denise

neben mir, als ich auf der rechten

Straßenseite stehen blieb. »Hast du

geschlafen?«

»Bestimmt nicht.« Ich blickte meine

schöne Schwester an. »Irgendetwas

mit den Bremsen scheint nicht in Ordnung

zu sein.«

5

Mit geschlossenen Augen lehnte sie

sich zurück. Wie ein Scherenschnitt

zeichnete sich ihr schönes Profil gegen

das helle Rechteck des Fensters ab. Es

blitzte und donnerte in immer kürzeren

Abständen, und der Regen prasselte

aufs Verdeck. Ich hatte Angst,

weiterzufahren und fuhr sehr langsam.

Ein Auto hinter uns hupte ungeduldig,

und die Scheinwerfer blinkten

unentwegt. Schließlich gelang es dem

Fahrer, sich an meinem Wagen vorbeizudrängen.

Die Schlusslichter verschwanden

schnell in der Nacht.

Plötzlich blockierten die Bremsen,

und das Auto blieb ruckartig stehen.

Obwohl ich eine gute Autofahrerin

war, hatte ich die Nase von diesem

Wagen voll. Denise schlief ruhig neben

mir. Ich war entschlossen, stehen

zu bleiben und einen ins Tal fahrenden

Wagen anzuhalten. Ich war sicher,

dass ich nicht lange warten musste,

denn alle Gäste, die das Schloss verließen,

konnten nur auf diesem Weg

zum Tal hinunterfahren.

Gerade wollte ich aussteigen, als

der Wagen ins Rollen kam. Ich trat

nochmals auf die Bremse, aber sie versagte.

Ich hatte aber doch die Handbremse

angezogen? Mein Atem stockte,

als ich feststellte, dass auch sie

nicht funktionierte. Eine unsichtbare

Macht schien das Auto von hinten anzustoßen.

Mit schweißfeuchten Händen

umklammerte ich das Lenkrad

und versuchte, den Wagen unter Kontrolle

zu bekommen. Das halsbrecherische

Tempo, in dem wir nun die Straße

hinunterrasten, entlockte mir einen

Schrei.

Denise fuhr auf und stützte sich mit

beiden Händen gegen das Armaturenbrett.

Ihre Augen weiteten sich vor

Entsetzen, als wir die Haarnadelkurve

erreichten und das Auto gegen die

Leitplanke knallte und dann auf die

andere Seite geschleudert wurde. Ich

hörte Denises gellenden Schrei. Oder

hatte ich geschrien? Der Wagen rutschte

den steilen Hang hinunter und

überschlug sich. Ich fiel in einen dunklen

Abgrund und war überzeugt, dass

die letzten Sekunden meines Lebens

gleich vorbei sein würden.

*

Gewaltsam kämpfte ich mich aus

dem Abgrund hoch, aber immer wieder

wurde ich zurückgestoßen. Ich

wollte schreien, aber kein Ton kam

über meine Lippen. Ich rang nach

Luft, keuchte und versuchte, mich aufzurichten.

Grelles Licht blendete

mich.

»Nadine, hörst du mich?«

Louis? Ja, es war Louis’ Stimme, die

mich aus meiner Ohnmacht riss. Ich

öffnete die Augen, um sie gleich wieder

zu schließen, weil mich das Licht

blendete. Alles um mich herum war

von einem erschreckenden grellen

Weiß, das mir in den Augen weh tat.

Doch dann gewöhnte ich mich daran.

»Nadine, endlich!« Louis beugte

sich vor. »Ich sitze schon lange bei dir.

Wie konntest du dich in deinem Zustand

ans Steuer setzen?«

»Was für ein Zustand?«, fragte ich.

»Du warst betrunken, meine Liebe.

«

»Betrunken? Ich habe kaum etwas

getrunken. Zwei Gläser Champagner,

nicht mehr.«

6

»Denise ist tot und …«

Ich glaubte, mich verhört zu haben

und blickte auf meinen bandagierten

Arm.

»Das glaube ich nicht«, flüsterte

ich.

»Auch Benjamin ist umgekommen.

Die beiden Toten gehen auf dein Konto,

Nadine.« Louis erhob sich und trat

ans Fenster des Krankenhauszimmers.

»Keine Sorge, ich habe alles getan, um

es als einen unverschuldeten Unglücksfall

hinzustellen. Benjamin sollte

Denise und dich abholen. Er erreichte

in dem Augenblick die Nadelkurve,

als euer Wagen in den Abgrund

geschleudert wurde. Benjamin muss

blitzartig reagiert haben. Er rannte

den Hang hinunter und zerrte dich aus

dem Wagen. Als er Denise holen wollte,

flog das Auto in die Luft. Der arme

Benjamin fand bei der Explosion den

Tod. Er war mir treu ergeben und wird

mir sehr fehlen.«

»Und Denise?«, fragte ich tonlos.

»Ihre Leiche ist bisher noch nicht

gefunden worden. Doch sicherlich

wird man sie bald finden.«

»Was soll das heißen?«

»Das Auto blieb am Ufer der Loire

liegen, die zurzeit Hochwasser führt.

An der Stelle, wo Denise womöglich

aus dem Auto geschleudert wurde, ist

der Fluss sehr tief. Sie ist bestimmt ertrunken

und mitgerissen worden. Seit

Stunden wird nach ihrer Leiche gesucht.

«

»Es ist nicht wahr! Nicht wahr!«,

schrie ich hysterisch.

Ich schrie und schrie. Dann spürte

ich einen Stich in meinem gesunden

Arm. Alles in mir wurde steif, und

meine Zunge schien gelähmt zu sein.

Mir schwanden die Sinne.

Ich wurde hochgehoben und auf

eine harte Pritsche gelegt. Dann wurde

ich gefesselt und bekam wieder

diese Injektion, die mich lähmte. Ich

lag in lodernden Flammen.

»Madame Raspal, hören Sie mich?«

Etwas Großes und Rundes schwebte

über mir, kam auf mich zu. Ich erkannte

ein fremdes Gesicht mit großen

dunklen Augen.

»Wer – sind – Sie?«

»Dr. Lorgnette. Wie fühlen Sie

sich?«

»Ich weiß es nicht.« Ich warf meinen

Kopf unruhig von einer Seite auf

die andere. Dabei fiel mein verschwommener

Blick auf ein Fenster.

Ich sah das Gitter davor und dann die

Gummiwände um mich herum. Ein

Gefängnis?

»Sie waren sehr krank, Madame

Raspal.«

»Krank? Ist das ein Krankenhaus?«

»Eine Nervenklinik.« Der Arzt umfasste

mein Handgelenk und zählte

meine Pulsschläge. »Wissen Sie, wer

Sie sind?«, fragte er dann.

»Sie kennen meinen Namen doch,

Doktor.«

»Aber ich möchte, dass Sie ihn mir

nennen.«

»Wie Sie wollen. Ich bin Nadine

Raspal und mit dem Dirigenten Louis

Raspal verheiratet. Wollen Sie noch

mehr wissen?«

»Können Sie sich an den Unfall erinnern?

«

Ich starrte ihn aus brennenden Augen

an. Im Schein der Sonnenstrahlen,

die durch das vergitterte Fenster fie-

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len, hatte sein schütteres Haar einen

rötlichen Schimmer. Auch seine Haut

war rosig. Unwillkürlich verglich ich

ihn mit einem riesigen Marzipanschwein

mit kohlschwarzen Knopfaugen.

Mich überfiel eine unbändige

Lachlust, der ich nicht länger widerstehen

konnte; und ich fing an zu lachen.

Laut und schrill. Ich konnte

nicht mehr aufhören. Hände packten

mich, und Finger bohrten sich in das

Fleisch meiner Arme, als ich mich zur

Wehr setzte. Dann spürte ich den Einstich

der Injektionsnadel. Die Wirkung

setzte blitzschnell ein. Mein Gelächter

ebbte zu einem tonlosen Lallen ab.

*

Louis besuchte mich in der geschlossenen

Abteilung des Nervensanatoriums,

sooft es ihm seine Zeit erlaubte.

Ich versuchte dann, ihm klarzumachen,

dass ich keineswegs wahnsinnig

war. Jedes Mal lächelte er dann

wehmütig und sagte betrübt: »Ich

wünschte, du wärest es, Nadine. Aber

deine Tobsuchtsanfälle wiederholen

sich in regelmäßigen Abständen. Du

leidest unter einem Schuldkomplex.

Ich habe mit dem Chefarzt Dr.

Beaufort gesprochen. Er hat nichts dagegen,

dass du dich in dein Haus auf

der Halbinsel Guérande zurückziehst.

Natürlich muss ich eine Pflegerin für

dich einstellen, die dich anfangs noch

bewacht. Vielleicht bessert sich dein

Zustand.«

»Ich bin nicht verrückt. Ich hatte

nur ein Nervenfieber. Ich will nach

Hause, Louis. Bitte, nimm mich mit!«

»Ich bringe dich in die Bretagne. Du

wirst dich in der Abgeschiedenheit

deines Hauses erholen. Ich muss leider

eine Tournee durch die Vereinigten

Staaten antreten.«

»Dann soll ich ganz allein mit der

Pflegerin in dem Haus leben?«

»Die Fourdes’ sind da. Sie werden

sich um dein leibliches Wohl kümmern.

«

»Louis, es tut mir so leid«, sagte ich

und fing zu weinen an. »Versteh mich

doch! Ich wollte das alles nicht.«

»Es wird alles gut werden, meine

Kleine. Aber Denise können wir nicht

mehr lebendig machen.«

»Ich möchte vor meiner Abreise in

die Bretagne noch ihr Grab besuchen

«, bat ich erregt.

»Das kannst du später tun. Nach

deiner Genesung.«

»Nicht wahr, du hast sie sehr geliebt?

«, fragte ich impulsiv.

»Denise? Sie war die schönste Frau,

der ich je begegnet bin. Aber ich liebe

dich, Nadine. Das musst du doch spüren.

«

*

Auf der Fahrt von Paris hatten

Louis und ich kaum miteinander geredet.

Sein hartnäckiges Schweigen

zerrte an meinen Nerven. Ich hatte

vermieden, meinen Mann anzublicken.

Er sah so erschöpft und richtig

krank aus, als ob er nicht nur eine

schlaflose Nacht hinter sich hätte. Tiefe

Falten hatten sich auf seiner Stirn

eingegraben, und seine Haut war fahl.

»Das muss es sein«, unterbrach

Louis endlich das Schweigen zwischen

uns und hielt vor dem doppel-

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flügeligen, schmiedeeisernen Tor an.

»Moore House. Ja, dort steht es!«

»Ein Auto verfolgt uns«, stellte ich

nervös fest, als ich das grelle Licht der

Scheinwerfer bemerkte, das sich über

die Sträucher tastete, die den schmalen

Zufahrtsweg säumten.

»Du siehst wieder einmal Gespenster

«, sagte mein Mann seufzend.

»Aber du musst den Schein doch

auch gesehen haben! Ich bin doch

nicht wahnsinnig!«, rief ich erregt.

Sein beredtes Schweigen war mehr,

als ich ertragen konnte. Ich begann zu

weinen. Louis beachtete mich nicht.

Langsam schlich der Wagen den ansteigenden

Weg zum Haus hinauf.

Louis stieg aus, kam um das Auto

herum und öffnete mir die Wagentür.

Ich war entschlossen, einfach sitzen

zu bleiben. Nichts zog mich in dieses

unheimliche Haus mit den grauen

Wänden und kleinen Fenstern.

»Steig aus!«, befahl Louis gefährlich

leise. »Oder möchtest du den

Fourdes’ ein Schauspiel bieten? Wenn

du dich weigerst, sähe ich mich gezwungen,

dich mit Gewalt herauszuholen.

«

»Lass nur! Ich steige schon aus«,

sagte ich.

Holly Fourdes erwartete uns auf

der Schwelle. Ihre hagere Gestalt

zeichnete sich silhouettenhaft gegen

den hellen Hintergrund ab. Ihr Mann

Justus hatte in der großen Wohnstube

alle Lichter angeknipst. Die Frau flößte

mir Furcht ein. Ihr schmales Gesicht

mit den hohen Jochbeinen und den

tiefliegenden Augen war bleich. Das

schwarze Haar war straff aus der Stirn

und den Schläfen gezogen. Alles an ihr

wirkte streng und wenig vertraueneinflößend.

Unwillkürlich fröstelte ich,

als sie mir eine knochige Hand entgegenstreckte.

»Also, Sie sind Madame Melvilles

Erbin«, sagte sie unfreundlich. »Kommen

Sie herein!«

Justus Fourdes war um fast einen

Kopf größer als seine Frau. Alles an

ihm war eckig und wuchtig; und seine

schwieligen Hände schienen zupacken

zu können. Mit einem grimmigen

Lächeln begrüßte er uns. Genauso wie