Das kleine Franken-Buch (Neuausgabe) - eBook - Johannes Wilkes - E-Book

Das kleine Franken-Buch (Neuausgabe) - eBook E-Book

Johannes Wilkes

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Beschreibung

Erweiterte Neuausgabe des beliebten Klassikers mit 12 neuen Kapiteln Franken hat 1.000 Gesichter.Johannes Wilkes ist mit ihnen vertraut – und fügt sie wie Mosaiksteinchen zu einem faszinierenden Bild fränkischer Vielfalt zusammen. Seine humorvolle Entdeckungsreise macht nicht nur Station bei landschaftlichen Besonderheiten, außergewöhnlichen Kulturschätzen oder kulinarischen Köstlichkeiten, sondern weiß auch von Ritualen, Symbolen und einschlägigem Liedgut zu berichten. Gewitzt nähert er sich der fränkischen Seele, dem eigenwilligen Charme und den sprachlichen Finessen. Und lässt nicht zuletzt Philosophen, Dichtern, Wissenschaftlern, Erfindern, Politikern und Sportlern mit fränkischen Wurzeln Raum.

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JOHANNES WILKES

DAS KLEINE FRANKEN BUCH

Facetten einer Region

ars vivendi

Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen erweiterten und überarbeiteten Neuausgabe (1. Auflage Januar 2023)

© 2023 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG,Bauhof 1, 90556 Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar.

www.arsvivendi.com

Lektorat: Eva Elisabeth Wagner, Kaja Sturmfels

Cover: Carlotta Kiefhaber

Umschlaggestaltung und Satz: ars vivendi

eISBN 978-3-7472-0461-0

Inhalt

Vorwort zur erweiterten Neuausgabe

Der Franke – eine Begriffsklärung

Wo beginnt, wo endet Franken?

Franken – Europas allerschönster Mittelpunkt

Über die Geschichte der Franken

Franziska

Die Geschichte der Markgrafen

Der Fränkische Reichskreis

Der Tag der Franken

Der Fränkische Rechen

Was ist das passende fränkische Wappentier?

Weltkultur in Franken

Welterbe, immateriell

Stärk’ antrinken

Das Lied der Franken

Die fränkische Windskala

Die Franconia

Sankt Martin – der fränkische Nationalheilige

Über die Gottesvorstellung des Franken

Drei Bistümer: Würzburg, Bamberg und Eichstätt

Stiften gehen

Die Bodenständigkeit des Franken

Der Franke ist ein Gewürfelter

Über die Gemütlichkeit des Franken

Der hyperaktive Unterfranke

Der typische Unterfranke

Heim nach Franken

Franken als Filmkulisse

Fränkisch für Anfänger

Über die Beliebtheit des fränkischen Dialekts

Das Fränkische und der Charakter des Franken

Fränkisch für alle!

Fränkische Zungenbrecher

Kurzer Sprachkurs für Radler

Über Freundlichkeit und Humor des Franken

Wie flirte ich mit einem Franken?

Das fränkische Schäufele

Land der Würste

Der Frankenwein

Bierfranken

Das stärkste Bier der Welt

Dreizehn kulinarische Tipps

Wichtige fränkische Maßeinheiten

Das Franken WC

Franken, deine Berge

Das Wandern ist des Franken Lust …

Elf Geheimtipps für Tagesausflüge

Die Bäume aus dem Frankenwald

Mit allen Wassern gewaschen

Der Main

Franken für Wassersportler

Wer war der größte Franke?

Tilman Riemenschneider

Anselm von Feuerbach

Zehn bedeutende fränkische Kunstwerke

Fränkische Heislabauer

Wolfram von Eschenbach

Jean Paul

Friedrich Rückert

Fränkische Gedichte – Gedichte aus Franken

Frankens große Philosophen

Franken und die Musik

Tipps für die Bayreuther Festspiele

Adam Ries

Frankens Rechenkünstler

Fränkische Brückenbauer

Wilhelm Conrad Röntgen

Alois Alzheimer

Gustav Weißkopf

Zwölf große fränkische Erfindungen

Der fränkische Daniel Düsentrieb

Entenhausen liegt in Franken

Homo ludens

Das Sams

Das Frankenderby

Max Morlock

Dirk Nowitzki

Franken in Amerika

Elf bedeutende Politiker, die aus Franken stammen

Fränkische Rebellen – Aufstand in Ermershausen

Ein dunkles Kapitel

Robert Limpert und die Rettung Ansbachs

Kaspar Hauser

Die Franken und die lieben Bayern – ein spannendes Kapitel

Das Franken-Quiz

Vorwort zur erweiterten Neuausgabe

Franken ist ein Land, das sich stets neu erfindet. Trotz aller Liebe zur Tradition. Darum war es uns ein Anliegen, auch dieses Buch zu überarbeiten, zu aktualisieren und um wichtige Kapitel zu erweitern. Sie erhalten nun Insider-Tipps für Tagesausflüge und kulinarische Entdeckungsreisen, wir informieren Sie ausführlicher über das fränkische Welt-Erbe und über die Psychologie der fränkischen Heiterkeit. Zudem verraten wir, wie man erfolgreich mit einem Franken flirtet und durch das Studium der fränkischen Windskala erfahren Sie, was dem bayerisch-fränkischen Ministerpräsidenten bei Windstärke 7 passiert. Viel Vergnügen!

Johannes Wilkes, im Januar 2023

Der Franke – eine Begriffsklärung

Nomen est omen. Die Herkunft eines Namens zu klären, kann viel über den Namensträger aussagen. Das Wort »Franke« hat zwei Bedeutungen. Wörtlich übersetzt heißt es »der Kühne«. Diesen Namen wählten die germanischen Stämme mit Bedacht, war es doch ausgesprochen kühn, sich mit dem römischen Weltreich anzulegen. Die Kühnheit wurde zum fränkischen Wesenszug. Kühn war es von Karl dem Großen, einen Graben zwischen den Flusssystemen von Main und Donau anlegen zu lassen, um das Schwarze Meer mit der Nordsee zu verbinden. Kühn war es, vor die Kutsche ein dampfendes Ross zu binden und es von Nürnberg nach Fürth galoppieren zu lassen, kühner noch, Lothar Matthäus ein Mikrofon hinzuhalten. Die zweite Bedeutung des Wortes »Franke« ist »der Freie«. Heute noch kennen wir diesen Zusammenhang aus dem postalischen Bereich. Einen Brief frankieren heißt nichts anderes, als ihn frei zu machen. Der Ausdruck »frank und frei« ist eine schlichte Tautologie, denn frank und frei bedeuten ein und dasselbe.

Damit kommen wir zu einem weiteren Wesenszug des Franken. Der Franke lässt sich nicht gerne befehlen. Nicht mal von seiner Ehefrau. Sein Freiheitsdrang ist legendär. Bis heute. »Frei statt Bayern« kleben sich viele Franken an ihre Autos. Über sich duldet der Franke nur eins: den weiten fränkischen Himmel. Am liebsten hält sich der Franke darum im Freien auf, auf den Kellern und in den Gärten der Gastwirtschaften. Dort sinniert er dann bei einem Seidla oder einem Schoppen Wein über sich und die Welt, als freier Geist unter freien Geistern. Am schönsten aber ist es immer, wenn sich der Freiheitssinn des Franken mit seiner Kühnheit paart. Dann entstehen Sternstunden der Menschheit. In der revolutionären Art, die Kunst neu zu interpretieren, wie es Albrecht Dürer getan hat, in den ebenso kühnen wie freien Gedankenwelten eines Ludwig Feuerbach, einem Vordenker der Moderne, im Unternehmertum eines Max Grundig oder Gustav Schickedanz oder in der Politik eines Ludwig Erhard. Oder in der Art, das Mittelfeld der deutschen Nationalmannschaft zu beherrschen, wie es Lothar Matthäus gelang. Frei und kühn, fränkisch im besten Sinne.

Wo beginnt, wo endet Franken?

Was ist Franken? Wo fängt es an, wo endet es? Wo sind die Grenzen zu ziehen? Ist Franken die Summe der drei bayerischen Bezirke? Unterfranken plus Mittelfranken plus Oberfranken? Oder ist Franken überall dort, wo Fränkisch gesprochen wird? Allmächd, dann wird’s komplizierter. Dann kommen noch zahlreiche Gebiete hinzu. Zum Beispiel Thüringen südlich des Rennsteigs. Und Teile der hessischen Rhön. Und bestimmte nördliche Landschaften Schwabens und Badens. Und manche Randgebiete, die politisch in Oberbayern oder der Oberpfalz liegen. Allerdings müsste man sich von mancher Region auch trennen. Zum Beispiel von Aschaffenburg, wo Hessisch gesprochen wird. Soll man sich für die politische oder die sprachliche Lösung entscheiden? Schwierig.

Wir schlagen einen dritten Weg vor, der uns der demokratischste scheint: Lassen wir doch die Menschen selbst entscheiden! Franken soll für uns überall dort sein, wo sich die Menschen als Franken bezeichnen. All denjenigen, die es ganz genau wissen wollen, sei folgender Trick verraten: Fingern Sie beim Dorfmetzger umständlich in Ihrem Geldbeutel und legen mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns einen Cent zu wenig auf die Theke. Sagt der Metzger »Bassd scho!«, sind Sie in Franken. Oder der Metzger ist ein fränkischer Exilant.

Franken – Europas allerschönster Mittelpunkt

Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt ein schönes Gedicht, das die geographische Lage Frankens erstaunlich genau beschreibt. Es stammt von dem großen Dichter und Sprachgelehrten Friedrich Rückert, einem echten Franken, über den Sie in diesem Buch noch einiges lesen werden. Die ersten Zeilen lauten::

Deutschland in Europas Mitte,

Und in Deutschlands Mitte Franken …

Wem ein Gedicht zu ungenau ist, der muss anfangen zu rechnen. Da es aber verschiedene Verfahren zur Mittelpunkt-Berechnung gibt und die Grenzen zu Asien nicht eindeutig festgelegt sind, bezeichnen sich heute viele Orte als Mittelpunkt Europas. Etwas eindeutiger und umso interessanter ist das Ganze bei der Europäischen Union. Die ist ja ein höchst dynamischer Staatenbund, dynamisch ist deshalb auch ihr Mittelpunkt. Munter wanderte er in den letzten Jahrzehnten über die europäische Landkarte. Schneidet man die EU aus Karton aus und legt dieses Stück Karton so auf eine Nadel, dass sich die Karte im Gleichgewicht befindet, zeigte die Nadelspitze zwischen 1995 und 2004 auf den kleinen Ort Viroinval in Belgien. Als man die Union am 1. Mai 2004 nach Osten erweiterte, musste man die Nadelspitze über den Rhein spazieren lassen und platzierte sie bei Kleinmaischeid bei Neuwied, wo man stolz einen Gedenkstein in Zirkelform setzte. Diesem von den Franzosen ermittelten Ort aber widersprachen Wissenschaftler der Universität Bonn, welche den Kaschubenweg in Cölbe als Mittelpunkt bestimmten, der flugs mit einer Blechtafel versehen wurde. Am 31. Dezember 2006 aber drohte die schwebende Karte erneut aus dem Gleichgewicht zu geraten, die nächste Ost-Erweiterung verschob das Herz der EU ins hessische Gelnhausen. Drei Tonnen bringt der dortige Gedenkstein auf die Waage, befüllt wurde er mit Erde aller Mitgliedstaaten. Dann kam 2013 Kroatien hinzu, nun wanderte das Zentrum der EU erstmals nach Franken, nach Oberwestern bei Aschaffenburg, eine wacklige Angelegenheit, denn mit dem Beitritt von Mayotte, eines französischen Übersee-Départements, ging es einen halben Kilometer zurück nach Westen. Dort wäre das Zentrum der Europäischen Union heute noch zu bewundern, wenn, ja wenn nicht Boris Johnson und der Brexit dazwischen gekommen wären … Mit dem Austritt Großbritanniens drohte die Papp-EU nach Osten zu kippen. Gut, dass es Gadheim bei Würzburg gibt! Mit dem neuen Mittelpunkt vom 31. Januar 2020 ist die Balance wieder hergestellt. Die Gadheimer haben sich alle Mühe gemacht, den besonderen Ort hübsch zu gestalten. Weit geht der Blick von der Anhöhe über die Felder, man hat eigens Blühwiesen angelegt, um Bienen anzulocken und zu zeigen, dass Europas Zukunft auch mehr Raum und Rechte für die Natur bedeuten muss. Ob die Gadheimer Nadel lange Bestand haben wird? Man wird sehen. Franken jedenfalls ist spätestens seit dem Mittelalter ein würdiges europäisches Zentrum, die fränkischen Grenzen waren immer offen, viele Handelsstraßen durchzogen das Land. Abschottung ist etwas für andere. »Frank« bedeutet nicht umsonst »frei«, offen und frei, so wünschen wir uns auch Europa, das große Friedenswerk. Und wenn der Mittelpunkt weiterwandern sollte? Kein Problem! Aber bitte das nächste Mal nicht durch einen Exit, sondern durch einen Beitritt.

Der gefühlte Mittelpunkt Europas aber liegt natürlich immer dort, wohin unser Herz uns zieht. Deshalb seien die weiteren Zeilen von Friedrich Rückerts schönem Mittelpunktgedicht nicht verschwiegen:

In des schönen Frankenlandes

Mitte liegt ein schöner Grund.

In des schönen Grundes Mitte

Liegt ein schöner Garten;

In des schönen Gartens Mitte

Liegt der Allerschönsten Haus.

Fragt ihr noch, warum ich immer

Mich um dieses Häuschen drehe,

Als um meines Vaterlandes

Allerschönsten Mittelpunkt?

In der ursprünglichen Version des Gedichts spricht Rückert statt von dem »schönen Grund« vom Baunachgrund. An der Baunach in der Nähe von Ebern stand die »Specke«, ein Gasthaus, in dessen hübsche Wirtstochter sich der junge Rückert unglücklich verliebt hatte. Sehr weit ist Ebern nicht von Gadheim entfernt, wer weiß, wenn die Ukraine in die EU aufgenommen wird …Rückerts geografische Vorstellungen von Europa sind zeitlos gültig.

Über die Geschichte der Franken

Wer war der erste Franke? Der Urfranke? Dass die Gegend um den Main schon früh besiedelt wurde, weiß man schon lange – eine solch schöne Landschaft bleibt nicht ohne Bewunderer. Der Beweis für frühe Migranten ist der Fund des Backenzahnes eines Neandertalers in einer fränkischen Höhle. Erstmals erwähnt wurden die Franci in römischen Quellen des 3. Jahrhunderts. Kleinere westgermanische Grenzstämme hatten sich unter diesem Namen verbündet. Die Römer mochten die Franken nicht besonders. Die frechen Germanen wollten einfach den Limes nicht akzeptieren, kletterten bei Dunkelheit über die Mauer und plünderten nach Herzenslust. Anfangs noch eine übersichtliche Horde, schwangen sich die Franken im 6. Jahrhundert zur Großmacht auf. Unter dem merowingischen Fürsten Chlodwig I. verlegten sie ihre südliche Grenze kurzerhand bis zu den Pyrenäen, die Söhne Chlodwigs gliederten noch Burgund und Thüringen ein, sodass Franken auf die Größe des heutigen Frankreichs, der Beneluxländer und Südwestdeutschlands heranwuchs. Nach den Merowingern übernahmen die Karolinger die Macht. Am 25. Dezember 800 wurde Karl der Große zum neuen römischen Kaiser gekrönt, womit Franken endgültig zur Großmacht aufstieg. Die Franken als die neuen Römer, das war doch was!

Die erste Generation baut’s auf, die zweite erhält’s, die dritte zerstört’s. So ging es auch mit dem Frankenreich. Die drei Enkel Karls des Großen teilten das Reich unter sich auf, eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen. Aus dem Westen wurde Frankreich, aus dem Osten Deutschland. Beide sollten sich künftig blutig um das Mittelreich, um Lotharingien, streiten – bis ins letzte Jahrhundert hinein. In Deutschland verlor sich nach und nach das fränkische Selbstbewusstsein, in vielen vormals fränkischen Gebieten bezeichneten sich die Leute plötzlich als Hessen, Rheinländer oder Pfälzer. Stolzer Franke war und blieb man aber in den Gegenden um den Main. Wer heute dort lebt und sich Franke nennt, ehrt also über 1.600 Jahre alte durchgehend fränkische Geschichte.

Franziska

Die Franken sind ein friedliches Volk, reizt man sie aber, können sie sich durchaus zur Wehr setzen. Waffen aus fränkischen Schmieden waren von alters her gefürchtet. Heute noch werden in Nürnberg, bei der Firma Diehl, schlagkräftige Kriegsinstrumente produziert. Natürlich nur zur Abschreckung. Die vielleicht bekannteste fränkische Waffe ist ein frühes Artilleriegeschoss, eine spezielle Wurfaxt, nach ihren fränkischen Erfindern »Franziska« genannt. Besonders im 5. und 6. Jahrhundert gehörte Franziska zur Basisbewaffnung der merowingischen Franken. Die Unterkante beschreibt ein auf den Kopf gestelltes U, die Oberkante aber ein charakteristisches S. Ein Pfund bis ein Kilo schwer, konnte Franziska, aus einer Entfernung von gut zehn Metern geworfen, jedem Römer Kopfzerbrechen bereiten. Franziska spaltete selbst den stabilsten Römerhelm. Samt Inhalt. Natürlich nur mit etwas Übung. Im Pfalzmuseum in Forchheim findet sich ein gut erhaltenes Exemplar.

Die Geschichte der Markgrafen

Das immer reicher mit Gütern ausstaffierte Bistum Bamberg wurde König Heinrich III. zu mächtig. Um 1040 setzte er eine trutzige Burg auf einen Sandsteinfelsen nahe der Pegnitz, und sein Nachfolger Konrad III. belehnte um 1100 die niederösterreichischen Grafen von Raabs damit. Den Raabs aber wurde bald kein männlicher Rabe mehr geboren, so kam die Nürnberger Burg 1190 in die Hände eines Schwiegersohns, Friedrichs I. von Zollern. Die Zollern erkannten schnell, wie schön doch auch das übrige Franken war, erbten und kauften und kauften und erbten, im obergebirgischen und im untergebirgischen Land, immer größer wurde ihr fränkischer Flickenteppich. Das wiederum wurde den Nachbarn unheimlich, und Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt zerstörte 1420 kurzerhand die Nürnberger Burggrafenburg.

Der Schmerz der Zollern, die sich mittlerweile Hohenzollern nannten, hielt sich in Grenzen. Sie verkauften die Ruine günstig an die Stadt Nürnberg und begnügten sich mit ihren obergebirgischen Ländereien mit Kulmbach als Residenz und den untergebirgischen Ländereien mit der Residenz in Ansbach. Weil die Familie zudem im Jahre 1415 von König Sigismund mit der preußischen Mark Brandenburg belehnt wurde, führten die Hohenzollern nun den Titel eines Markgrafen und benutzten diesen auch für ihre fränkischen Stammgebiete. Mal regierte man beide Markgrafschaften getrennt, mal gemeinsam, ein unordentlicher Zustand, dem Albrecht Achilles mit seinem Testament ein Ende setzte: Seine beiden jüngsten Söhne sollten je einen Teil erhalten, und damit es keinen Streit darum gab, wer Markgraf von Kulmbach und wer von Ansbach wurde, sollte das Los geworfen werden. Von nun an waren das untergebirgische und das obergebirgische Territorium endgültig getrennt, auch wenn man sich gelegentlich, bei unerwarteten Todesfällen etwa, herrschaftstechnisch unter die Arme griff. Familie ist schließlich Familie.

Markgraf Christian von Brandenburg-Kulmbach fand die in die Jahre gekommene Plassenburg unmodern und spießig und wählte Bayreuth als neue Residenz. Richtig fein wurde es in Bayreuth aber erst, als Friedrich III. 1735 Markgraf wurde. Mit seiner kunstsinnigen Gemahlin Wilhelmine, der Schwester Friedrichs des Großen, baute er sich ein neues Stadtschloss, ein prächtiges Opernhaus und die Eremitage. So viel Glanz war nie. Sein untergebirgischer Verwandter in Ansbach, der »wilde Markgraf«, wollte da nicht zurückstehen und machte ebenfalls jede Menge Schulden, um seine Schlösser aufzupolieren. Schließlich wollte im Barock jeder ein kleiner Sonnenkönig sein, mit einem Mini-Versailles als Residenz. Die Wiedervereinigung der beiden Markgrafschaften war zugleich deren Ende. Markgraf Karl Alexander von Ansbach erbte mit dem Erlöschen der Bayreuther Linie das »obere Gebürg«, verkaufte aber 1791 aus verschiedenen Gründen heimlich beide Fürstentümer an die Berliner Verwandtschaft und züchtete mit dem Erlös in England Pferde. Entweder hatte er zu viel Shakespeare geguckt (»A horse, a horse, my kingdom for a horse«) oder er hatte sich gedacht, die Revolution kommt eh, versilbern wir lieber noch alles, bevor man uns ans Leder will.

Der Fränkische Reichskreis

Der 2. Juli des Jahres 1500 war ein für Franken bedeutsames Datum. In Augsburg war der Reichstag zusammengetreten, alle Fürsten und hohen Adeligen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren erschienen. Eine gewaltige Aufgabe musste geschultert werden. Die Zersplitterung des Reiches in unzählige Herrschaftsgebiete stand nicht länger im Einklang mit einer funktionierenden, modernen Verwaltung. Es war dringend notwendig, den Stall auszumisten, eine wahre Herkulesaufgabe, denn die Streitigkeiten und Animositäten untereinander waren groß. So kann es als echte Großleistung gewertet werden, dass man sich tatsächlich einigte.

Sechs Verwaltungseinheiten wurden geschaffen, die sogenannten Reichskreise. Auf diese Weise entstand der Fränkische Reichskreis mit den Hochstiften Bamberg, Würzburg und Eichstätt, den beiden zollerischen Fürstentümern Ansbach und Kulmbach sowie den Reichsstädten Nürnberg, Rothenburg, Windsheim, Schweinfurt und Weißenburg. Diese sollten sich nun auf ein gemeinsames Münzwesen, die Sicherung des Landfriedens und auf die Stellung gemeinsamer Truppen für den Kaiser einigen. Meist tagte man dazu im Nürnberger Rathaus, in Nürnberg wurden auch die Finanzen verwaltet.

Erwartungsgemäß tat man sich bei den Beratungen schwer. Zu unterschiedlich waren die Partikularinteressen. Hinzu kam die tiefe Skepsis der fränkischen Ritterschaft, die an ihrem eigenen Zirkel festhielt. Prekär war dieser Zwist für den Landfrieden. Als der Markgraf Albrecht Alcibiades beschloss, sich zum Herrscher von ganz Franken zu machen und das alte Herzogtum Franken wieder zu errichten, stellte sich der Fränkische Reichskreis nicht entschlossen dagegen. Heftigen Plündereien fielen im Zweiten Markgrafenkrieg von 1552 bis 1554 zahlreiche Dörfer und Städte zum Opfer. Um solchen Aktionen besser vorzubeugen, übertrugen Kaiser und Reich weitere Hoheitsrechte auf die Reichskreise, der Fränkische Reichskreis erließ 1572 sogar eine eigene Polizeiordnung. Besonders segensreich wirkte sich die vereinheitlichte Münzordnung aus, an der man auch die bayerischen und schwäbischen Kreise beteiligte. Eine wirtschaftliche Blüte war die Folge.

Was keiner geglaubt hatte: Der Fränkische Reichskreis sollte 300 Jahre existieren. Und funktionieren. Trotz aller Differenzen. 1791 wurde das Ende eingeläutet, als Markgraf Karl Alexander von Ansbach und Bayreuth seine Fürstentümer an die Berliner Verwandtschaft verkaufte, das Land Preußen. Für eine Leibrente von 300.000 Gulden. Fortan bestimmten die Preußen in Franken mit. Der preußische Statthalter Hardenberg verfügte gleich am Anfang, dass die Truppen von Bayreuth-Ansbach nicht mehr dem Fränkischen Reichskreis, sondern dem preußischen König unterstellt waren. Preußen aber verhielt sich Napoleon gegenüber neutral, sodass dieser keine Schwierigkeiten hatte, in Franken einzumarschieren. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hatte aufgehört zu existieren, 1806 legte Kaiser Franz II. die Krone nieder. Das war auch das Ende des Fränkischen Reichskreises. Wenige Jahre später beschloss der Wiener Kongress in einer Tanzpause, das Gebiet des Fränkischen Reichskreises Bayern zuzuschlagen. Seitdem weht die weißblaue Raute über dem Land. Aber nur, wenn der fränkische Wind bläst.

(Raten Sie mal, wer unter den sechs Reichskreisen die Nummer eins war? Erraten!)

Der Tag der Franken

Eine große Koalition. In Bayern! Wann hätte es die je gegeben? Abgeordnete von CSU und SPD verbündeten sich, für ein gemeinsames Projekt, eine Herzensangelegenheit. Parteifragen sollten keine Rolle spielen, wenn es um eine echte Gewissensentscheidung geht. Das fränkische Herz ist stärker als jede Parteiräson. Gemeinsam stimmten die fränkischen Abgeordneten von CSU und SPD für die Neuerung, für die Schaffung des Tags der Franken. So bekamen sie die Mehrheit bei der Abstimmung am 18. Mai 2006. Nach langen Diskussionen. Schon Jahre zuvor, im Oktober 2004, hatten die Franken durch eine Petition an den Bayerischen Landtag den Stein ins Rollen gebracht. Und sie können zäh sein, sehr zäh. Nun hatten sie sich durchgesetzt. Gegen alle, die Separatisten am Werk sahen. – Separatisten! Was für ein Unfug! Wer zweifelt schon ernsthaft die politischen Grenzen Bayerns an? Nur ernst genommen wollten sie werden, ihr stolzes Selbstbewusstsein im Freistaat leben, nicht Bürger zweiter Klasse sein. Dazu gehört es auch, sich und seine eigene, unverwechselbare Kultur zu feiern. Dafür ist ein jährlich wiederkehrender Festtag eine gute Gelegenheit.

Bloß, welches Datum sollte man wählen? Den 11. November, den Namenstag des heiligen Martin, des fränkischen Nationalheiligen? Oder den 25. Dezember, als man den Franken Karl den Großen zum Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation krönte? Man entschied sich für ein anderes Datum. Für den 2. Juli. Am 2. Juli 1500 war der Fränkische Reichskreis errichtet worden. Die Entscheidung für den 2. Juli ist auch aus einem anderen Grund zu begrüßen. Wer hat ernsthaft Zeit und Lust, am Tag des Pelzmärtels oder gar am Weihnachtstag den Fränkischen Rechen zu hissen? Viel schöner flattert die Frankenfahne doch im Sommerwind! Die bisherigen Festtage haben bewiesen, dass man keinen engstirnigen Patriotismus bedient. Offene, fröhliche Feste wurden gefeiert, stets mit einem anderen fränkischen Ort als Ausrichter der zentralen Feierlichkeiten. »Franken in Europa – Europa in Franken«, »Frauen in Franken«, »Franken genießen«, unter solchen Motti kam man zusammen. Es sollen sogar Altbayern mitgefeiert haben.

Der Fränkische Rechen

Sind es drei weiße Häusergiebel, die in einen roten Himmel ragen? Oder vier rote Zacken, die sich von oben in die weiße Erde bohren? Das ähnliche Wappen Papst Urbans V. (Pontifikat 1362–1370) verrät uns die christliche Symbolik: Die drei weißen Zacken stehen für die drei Aspekte der göttlichen Macht, für die Heilige Dreifaltigkeit, für Vater, Sohn und Geist. Sie verweben sich mit der göttlichen Schöpfung. Die vier roten Zacken symbolisieren die Erde mit ihren vier Himmelsrichtungen, Norden, Süden, Osten und Westen. Überall auf der Welt gilt die göttliche Ordnung, dies will das Wappen zum Ausdruck bringen. Die rote Farbe symbolisiert das Blut Christi und damit die göttliche Liebe, das Weiß steht für den reinen Glanz des göttlichen Lichts. Die Würzburger Fürstbischöfe machten sich das Wappen zu eigen, auf zahlreichen ihrer Grabdenkmäler ist es noch zu erkennen.

Dass der Rechen zum fränkischen Wappen aufstieg, ist kurioserweise den Bayern zu verdanken. Als die Bayern die fränkischen Gebiete hinzugewannen, wollten sie ihren Herrschaftsanspruch auch im offiziellen Wappen zum Ausdruck bringen. Welches Wappen aber sollte man nehmen? Es gab bis dato kein fränkisches Wappen. So entschied man sich für eine Behelfslösung. Wohl weil der Würzburger Fürstbischof im 15. Jahrhundert auch den Zusatz »Herzog von Franken« trug, nahm man in Ermangelung eines anderen Wappens den Rechen und bastelte ihn 1835 in das offizielle bayerische Wappen hinein, im zweiten Feld oben rechts hat er seitdem seinen Platz. Ein schönes Wappen, ein sehr passendes für Franken. Himmlisches und irdisches Leben sind untrennbar miteinander verwoben, beiden wird gleich viel Raum gegeben.

Was ist das passende fränkische Wappentier?

Die Bayern lassen ihren Löwen brüllen, die Preußen hatten ihren Adler, Franken aber führt kein Tier im Wappen. Natürlich kann man argumentieren, die Perfektion des Fränkischen Rechens mache jede tierische Zutat überflüssig, dennoch darf das Gedankenspiel gewagt werden, welches Tier wohl am besten zum Frankenland passen würde.

Bedingt durch die höchst abwechslungsreichen Landschaften ist auch Frankens Fauna reich und vielfältig, da fällt es schwer, sich für eine Spezies zu entscheiden. Als erstes möchten wir den Storch vorschlagen, fühlt sich das stolze Schnabeltier an vielen Orten Frankens doch überaus wohl, so wohl, dass viele Störche im Herbst ernsthaft überlegen, ob sie nicht an Main und Regnitz oder im Aischgrund überwintern sollten. Mit dem Aischgrund kommt sogleich ein zweites Tier ins Gespräch, der Karpfen. Der tummelt sich bevorzugt in den fränkischen Himmelsteichen, auch spiegelt er besser vielleicht als der Storch den fränkischen Charakter wider. Während der Storch seinen Schnabel nicht halten kann und stolz und geziert einherschreitet, neigt der Karpfen nicht zu langen Reden, geht den Dingen auf den Grund und bleibt hübsch bodenständig. Ein originelles Wappentier ist auf der fränkischen Sandachse zu finden: Die Blauflügelige Ödlandschrecke. Oedipoda caerulescens ist eine Kurzfühlerschrecke mit blauer Flügelzeichnung. Ihr Paarungsverhalten allerdings spricht gegen ihre Eignung als fränkisches Wappentier, verwechselt das Männchen sein Weibchen doch oft mit einem Holzstückchen, ein Fehltritt, der einem echten Franken nicht passiert. Auch der Ameisenlöwe, ein weiterer Sandachsenbewohner, und der Feuersalamander, noch in vielen bewaldeten Tälern Frankens zu finden, kommen in den engeren Kandidatenkreis. Zu denken wäre außerdem an die Fledermaus. Bedingt durch seinen Höhlen- und Bierkellerreichtum ist Franken ein echtes Fledermauseldorado. Will man sich jedoch für ein Wappentier entscheiden, das ganz und gar fränkisch ist und zudem der fränkischen Weltkunst wertvolle Dienste geleistet hat, dann muss es das Dürerschwein sein, mehr dazu im Schäufele-Kapitel. Albrecht Dürer hat es meisterlich verstanden, Tiere darzustellen, man denke nur an seinen berühmten Hasen oder das Rhinozeros. Durch Dürers Detailgetreue gelang es auch, das längst ausgestorbene Renaissanceschwein zurückzuzüchten. Heute fühlt sich das Albrecht-Dürer-Schwein im Wildpark Hundshaupten und im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim sauwohl. Ob es das aber auch im Wappen täte? Da melden sich bei uns doch Zweifel an. Lassen wir das Dürerschwein lieber weiter im Schlamm wühlen. Der Fränkische Rechen kommt auch ohne Wappentier aus!

Weltkultur in Franken

Jedes Jahr tagt eine mit internationalen Experten besetzte Kommission der UNESCO und berät darüber, welche Bauwerke, Städteensembles oder auch Industriedenkmäler würdig sind, mit dem Titel »Welterbe« ausgezeichnet zu werden. Die Akropolis findet sich darunter, die Pyramiden von Gizeh und auch die Freiheitsstatue von New York, stolze fünf Mal aber fiel die Wahl auch auf Franken. Hier seien die Welterbestätten vorgestellt, in der Reihenfolge ihrer Nominierung.

Fürstbischöfliche Residenz Würzburg mit Hofgarten und Residenzplatz (1981)

Die Grafen von Schönborn, die manchen Fürstbischof stellten, mal in Würzburg, mal in Bamberg, litten unter dem »Bauwurm«. Zusammen mit genialen Architekten und Bildhauern schufen sie in Franken zahlreiche großartige Bauwerke, darunter die Basiliken Vierzehnheiligen und Gößweinstein, Schloss Pommersfelden, St. Mauritius in Wiesentheid, die Würzburger Hofkirche und viele andere mehr. Das prächtigste Bauensemble aber ist die Würzburger Residenz. Als das »einheitlichste und außergewöhnlichste aller Barockschlösser« bezeichneten es die Experten der UNESCO. An seiner Entstehung waren Künstler aus ganz Europa beteiligt, die auch den benachbarten Hügel zum Hofgarten umgestalteten und damit für die einzigartige Topografie des Schlosses und die damit verbundenen Sichtachsen sorgten. Legt man seinen Kopf in den Nacken, kann man sich in dem gigantischen Treppenhaus am Deckengemälde des Venezianer Malerstars Tiepolo schwindelig sehen.

Altstadt von Bamberg (1993)

Eigentlich muss man im Plural reden: Die Bergstadt mit dem Dom und den sieben Hügeln, die Inselstadt mit dem stolzen Rathaus mitten in der Regnitz und den Blicken auf Klein-Venedig sowie die Gärtnerstadt – die Hausgärten mit den einmaligen Anbauflächen mitten im Stadtgebiet – formen sich zu einem Gesamtkunstwerk, das vollkommen zu Recht die Anerkennung der UNESCO gefunden hat. Seit einigen Jahren kann man sich im Besucherzentrum Welterbe Bamberg Appetit für eigene Besichtigungstouren holen.

Obergermanisch-Raetischer Limes (2005)

Der Obergermanisch-Raetische Limes verlief mit seinen insgesamt 550 Kilometern mitten durch Franken und teilte es in einen besetzten römischen und einen freien germanischen Teil. Die Teufelsmauer, wie sie auch genannt wird, ist ein Bodendenkmal mit gelungenen Rekonstruktionen. In den Museen von Weißenburg, Gunzenhausen und in Obernburg am Main, aber auch im Römerpark Ruffenhofen und dem dortigen Limeseum werden Geschichtsliebhaber leuchtende Augen bekommen. Wer sich eher für praktisch nutzbare Überbleibsel aus der Römerzeit interessiert, dem seien die Thermen von Weißenburg empfohlen – Wellness vom Feinsten!

Markgräfliches Opernhaus Bayreuth (2012)

Oper in Bayreuth? Da denken die meisten an Richard Wagner und den grünen Hügel mit seinem Festspielhaus. Doch dieses wurde, da bei Wagner nichts von der Bühne ablenken sollte, vergleichsweise schlicht gehalten. Im Barock hingegen wollte man das ganze Haus mit prächtigem Glanz erfüllen und so gibt es kaum ein schöneres Barocktheater als das von der kunstsinnigen Markgräfin Wilhelmine erdachte. Das vielleicht Schönste daran: Regelmäßig finden in dem Musiktempel noch Aufführungen statt. Unbedingt hingehen! Wenn die Inszenierung langweilt, kann man sich – bei Richard Wagners Festspielhaus nicht möglich – an den zauberhaftesten Ausstattungsdetails erfreuen.

Bad Kissingen (2021)

Das renommierte Kurbad zählt zu den zehn »Great Spa Towns of Europe«, die 2021 zum Welterbe ernannt worden sind. Kurviertel und Kurgarten atmen noch die Atmosphäre des großen Zeitalters, als hier die Prominenz Europas ihre Sommerferien verbrachte. Allein der Konzertsaal von Max Littmann lohnt die Reise, aber auch die Besichtigung der historischen Einrichtungen zur Gewinnung und Nutzung der Sole und das Bismarckmuseum sind empfehlenswert. Liebhaber der klassischen Musik sollten sich außerdem den Kissinger Sommer auf keinen Fall entgehen lassen Natürlich gibt es im Freistaat noch weitere Welterbestätten, zwei sogar in Oberbayern, die Mehrzahl aber findet man in Franken. Und es könnten noch weitere hinzukommen. Warum nicht die historischen Innenstädte von Rothenburg und Dinkelsbühl? Oder die Nürnberger Kaiserburg? Oder die jüdischen Landfriedhöfe? Oder der Ludwigskanal?

Welterbe, immateriell

Was haben der andalusische Flamenco, das japanische Papiertheater und die iranische Teppichknüpfkunst gemeinsam? Sie sind ebenfalls UNESCO-Welterbe. Neben historischen Bauwerken kümmert sich die Weltkulturorganisation seit 2003 auch um Bräuche und andere traditionelle Handwerks- und Kunstformen, also um immaterielles Kulturgut. Der Freistaat Bayern führt eine eigene Landesliste, auf der – wen wundert’s – fränkische Traditionen ganz oben stehen. Gestatten, dass wir eine Auswahl vorstellen?

Das Laudenbacher Osternachtsingen

In Laudenbach (Landkreis Miltenberg) ziehen in den Nächten von Karfreitag bis zum Ostermorgen junge unverheiratete Männer durch den Ort und verkünden singend die Botschaft von der Auferstehung Jesu, wobei sie sich mit lauten Ratschen begleiten.

Die Osingverlosung

Unweit von Bad Windsheim findet sich eine gemeindefreie Hochfläche, die Osing genannt wird. In allen Jahren, die auf einer 4 enden, werden seit Jahrhunderten die Flurstücke per Los an die umliegenden Dörfer verteilt. Beim Osing handelt es sich um die letzte große landwirtschaftliche Markgenossenschaft in Deutschland, Grund genug, das damit verbundene Fest zu besuchen.

Eichensaat und Eichenwirtschaft im Spessart

Seit alters her werden im Spessart in den alle fünf Jahre vorkommenden Mastjahren Eicheln von sogenannten »Kulturfrauen« und ortsansässigen Landwirten gesammelt und auf vorbereiteten Flächen ausgesät. Dadurch und durch die nachhaltige Forstwirtschaft ist der prächtige Eichenwald entstanden.

Die fränkischen Passionsspiele Sömmersdorf

Nicht nur in Oberammergau, auch im unterfränkischen Sömmersdorf wird Christus alle paar Jahre ans Kreuz genagelt. Etwa 400 der ca. 640 Einwohner wirken bei dem frommen Schauspiel mit.

Die Fürther Michaeliskirchweih

Die größte Straßenkirchweih Deutschlands besitzt eine 900-jährige Tradition. Aus dem Umland, dem fruchtbaren Knoblauchsland vor allem, fahren zu Erntedank Bauern mit geschmückten und reichlich gefüllten Wagen in die Stadt, begleitet von Vereinen und Musikzügen. Die Königin der Fränkischen Kirchweihen, kürzer Färdder Kerwa, beginnt am Michaelistag, dem 29. September, bzw. am darauf folgenden Samstag. Zwölf Tage kann man sich auf das Schönste amüsieren und die Weihe der Michaeliskirche, durch die diese nach ihrer Errichtung vom schönen Bauwerk zum Gotteshaus wurde, hochleben lassen.

»Der Meistertrunk« in Rothenburg ob der Tauber

Der Sage nach hat sich Folgendes ereignet: Als der katholische Feldherr Tilly im Dreißigjährigen Krieg das protestantische Rothenburg eroberte, wollte er die Ratsherren hinrichten lassen, es sei denn, es gelänge jemanden, den ihm gereichten Humpen in einem Zug zu leeren. Der Humpen aber fasste 3¼ Liter! Da fasste sich Altbürgermeister Georg Nusch ein Herz, trat vor, nahm den Humpen und leerte ihn in einem Zug. Tilly war mächtig beeindruckt und verschonte die Stadt. Aus der Sage wurde ein historisches Festspiel, das jährlich am Pfingstwochenende aufgeführt wird. (Wer Pfingsten keine Zeit hat, der kann an den Wochenenden um den dritten Montag im Juli im nahen Dinkelsbühl die dortige Kinderzeche besuchen, ebenfalls ein historisches Schauspiel und immaterielles Welterbe.)

Das Sennfelder und Gochsheimer Friedensfest

Sennfeld und Gochsheim waren ehemals unmittelbare und freie Reichsdörfer, die keinen Herrscher außer dem Kaiser kannten, die vielleicht stolzesten Dörfer im Reich. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verloren sie ihre Reichsfreiheit, im Westfälischen Frieden aber erlangten sie ihre Selbständigkeit zurück, der Grund für das jährlich begangene Friedensfest, zu dem besonders aus dem nahen Schweinfurt die Besucher strömen.

Der Hofer Schlappentag