Das Leben feiern - Jürgen Wagner - E-Book

Das Leben feiern E-Book

Jürgen Wagner

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Beschreibung

In diesem Buch sind 80 Geschichten und Märchen aus aller Welt gesammelt, die in Familie und Schule, bei Festen und Ritualen erzählt oder gelesen werden können. Diese vorwiegend heiteren und positiven Erzählungen vermögen das Eis zu brechen und Menschen füreinander zu öffnen. Ob Geburt oder Taufe, Konfirmation oder Jugendkreis, ob Hochzeit oder Kindergeburtstag, Jubiläum oder Trauerfeier, ob Frühlingsfest oder Erntedank, ob Weihnachten oder Fastnacht, ob am Kranken- oder am Sterbebett: sie geben Nahrung für die Seele, Impulse zum Gespräch und zur Unterhaltung. Sie helfen, auch in ernsten Zeiten positiv gestimmt zu bleiben und dienen dabei nicht nur der Unterhaltung, sondern bergen reiche Menschheitserfahrung und Weisheit in sich. Alles in allem bietet sich dem Leser hier eine reiche Fundgrube wie auch eine persönlich wohltuende Lektüre.

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Seitenzahl: 273

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das Leben feiern

Märchen für alle Feste des Jahres

Jürgen Wagner

Impressum

© 2025 Jürgen Wagner

Druck und Verlag: www.epubli.de

Titelbild © Warwick Goble,

Die Feenkönigin und ihre Lämmer

Ein Leben ohne Feste

ist wie eine lange Wanderung

ohne Einkehr

Demokrit

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

I Ermutigung zum Leben – Geburt und Lebensweg

Der Schatz am Ende des Regenbogens (Norwegen)

Lumpenrock (England)

II Gesegnet und begleitet – Zur Taufe

Der Gänsehirt (Rumänien)

Die Königstochter in der Flammenburg (Siebenbürgen)

Die Prinzessin und die Nixe (Schwaben)

III Magisches und Menschliches – Kindergeburtstage

Das Töpfchen (Türkei)

Die Eiche und der Steinpilz (Litauen)

Der Kuchen (China)

Der Frosch und die Schildkröte (Nordamerika)

Jiederdewiep – Aperdewaap (Holland)

Der Bauer und der Krämer (Ukraine)

Das rote Kleid (Kroatien)

Der wiedergefundene Zehnte (Polen)

Hundert Wölfe (Ukraine)

Der falsche Kadi (Dagestan)

Der verwünschte Esel (Deutschland)

Die Prinzessin und die Nixe (Schwaben)

IV Wege ins Leben – Jugend und Aufbruch

Die goldene Gans (Deutschland)

Kleine Ose Gänsemagd (Norwegen)

Das kluge Mädchen wird Zarin (Russland)

Der Traum des Kojoten (Nordamerika)

Der Tempel der tausend Spiegel (Indien)

Die Götter gehen spazieren (China)

Vom Lama, der den Armen half (Tibet)

Ein Mann vom Stamme ‚Nimm‘ (Kaukasus)

Der betrunkene Hahn (Portugal)

Die Mühle, in der es nicht mit rechten Dingen zuging (Deutschland)

V Verliebt, verlobt, verheiratet

Die schöne Königstochter im Garten (Deutschland)

Das Nikolausgeschenk (Friesland)

Frauenlist (Arabien)

Die fliegende Truhe (Ukraine)

Die Prinzessin und die Nixe (Schwaben)

Ach Yoko, Yoko (Japan)

VI Hochzeit und Eheleute

Gudbrand vom Berge (Norwegen)

Vom Mann, der das Haus besorgte (Norwegen)

Weibliche List geht über Männerkraft (Rumänien)

Die streitsüchtige Frau (Russland)

Der Zaubertrank (Ukraine)

Das Nikolausgeschenk (Friesland)

VII Zum Geburtstag

Wie Bauer Groschenklauber Geburtstag feierte (China)

Die drei Reimer (China)

Was wir zum Leben brauchen (Österreich)

Das Buch aus reinem Silber (Sibirien)

Das Glück des Holzfällers (Armenien)

Das Glöckchen (Japan)

Der Schatz am Ende des Regenbogens (Norwegen)

Die 12 Monate (Griechenland)

VIII Für alle Tage und gesellschaftliche Anlässe

Die kluge Gretel (Deutschland)

Vom untreuen Verwalter (Syrien)

Das drangsalierte Dorf (Kaukasus)

Gerechtigkeit muss sein (Kaukasus)

Die vier Knechte, die gern Verse schmiedeten (China)

Wer sein Schicksal herausfordert (Burma)

Ach Yoko, Yoko (Japan)

Das Fass ohne Boden (Krim)

Der Hodscha, sein Sohn und der Esel (Orient)

IX Für Kranke und Gesunde

Der kluge Arzt und das Orakel (Afrika)

Der Hirt und die drei Krankheiten (Griechenland)

Moare (Rumänien)

Der Heilkünstler (Arabien)

X Aus dem Reich der Magier und Geister - Für Abende

Der Katzenkönig (Schottland)

Die Warze und die Kobolde (Japan)

Die zwei Riesen (Friesland)

Der Spuk (Deutschland)

Die Mühle, in der es nicht mit rechten Dingen zuging (Deutschland)

XI Für alte Menschen und hohe Geburtstage

Der Brunnen der Jugend (Japan)

Die Schachpartie im Gebirge (Vietnam)

Die goldene Schale (Sibirien)

Der heilige Josef und seine Verehrer (Italien)

Der Schatz am Ende des Regenbogens (Norwegen)

Das Glöckchen (Japan)

Der Rat des Vaters (Karelien)

XII Sterben und Trauer

Der Tod und das Knäckebrot (Norwegen)

Der Königssohn und der Tod (Schottland)

Zum östlichen Paradies (China)

Der Schmied vor dem Höllentor (Polen)

Der Tränenkrug (Deutschland)

Der kluge Arzt und das Orakel (Afrika)

Der Hirt und die drei Krankheiten (Griechenland)

Moare (Rumänien)

Die Schachpartie im Gebirge (Vietnam)

XIII Jahresfeste und Jahreskreis

Frühling und Ostern

Die Waldfee (Tschechien)

Die Prinzessin und die Nixe (Schwaben)

Sommer und Sonnwend

Die Reise zur Sonne (Slowakei)

Vom Mann, der das Haus besorgte (Norwegen)

Das Glöckchen (Japan)

Herbst und Erntedank

Der Rat des Vaters (Karelien)

Die weiße Taube (Deutschland)

Das Fass ohne Boden (Krim)

Samhain

Die große Tat (Serbien)

Winter und Weihnacht

Varenka (Russland)

Die Christrose

Fastnacht

Des Kaisers neue Kleider (Dänemark)

Der verwünschte Esel (Deutschland)

Die goldene Gans (Deutschland)

Fastenzeit

Der kluge Arzt und das Orakel (Afrika)

Der Gänsehirt (Rumänien)

Jahreskreis

Die 12 Monate (Griechenland)

Anhang

VORWORT

Das Leben selbst ist vielleicht so etwas wie ein Tanz auf einem Vulkan, wie ein Fest auf hoher See. In Milliarden Jahren hat es sich auf dieser Erde entwickelt und scheint weit und breit im Universum keine Nachbarn zu haben. Es ist voller Schönheit und Ekstase, aber auch voller Gewalt und Leid. Es ist ein Kommen und Gehen, ein Werden und Vergehen, ein Auf- und ein Absteigen in immerwährenden Kreisen. Wenn wir es bejahen können, können mit mitschwimmen in diesem großen Strom und eins mit ihm sein in Freud und Leid. Und so wie wir Schmerzen ertragen und Verluste annehmen so können wir auch seine Freuden genießen und seine Feste feiern.

Zu den Festen gehört Essen und Trinken, Musik und Tanz, Geselligkeit und Ausgelassenheit, Geschichten und Poesie. Es hat Struktur und es hat Freiraum. Die Volksmärchen können einen Beitrag zu diesen persönlichen wie gemeinschaftlichen Festen im Jahr liefern: eine schöne Geschichte. Sie können zu Herzen gehen, Gespräche initiieren, Gedanken anregen und uns etwas Nahrung für die Seele geben. Märchen sind Geschichten für Jung und Alt. Sie unterhalten, geben Orientierung, lassen Bilder aufsteigen, schaffen Gemeinschaft, Entspannung, ja Heilung. Märchen können das Eis brechen und Menschen füreinander öffnen. Außerdem können sie uns in wichtigen Übergängen des Lebens begleiten.

Hier sind vorwiegend heitere Märchen aus verschiedensten Ländern und Kulturen gesammelt, die bei vielen Anlässen und Zusammenkünften verwendet werden können: zu Geburt und Taufe, Kindergarten und Kindergeburtstag, Schule und Konfirmation Fest- und Geburtstage, Hochzeit und Jubiläen, Gottesdienste und Rituale, Jahresfeste und Abende, für Krankheit und Sterben. Natürlich eignen sie sich auch zur eigenen Lektüre und Unterhaltung. Sie sind freilich nicht nur Zerstreuung, sondern tragen den Erfahrungsschatz vieler Völker in sich im Umgang mit allen möglichen Schwierigkeiten des Lebens.

Je ernster und rauer die Zeiten werden, desto mehr brauchen wir dafür auch den anderen Pol: die Freude, die Heiterkeit, die Entspannung. Nicht um zu verdrängen, sondern um in der Balance zu bleiben und weiter gut leben zu können. „Lachen ist gesund“, sagt der Volksmund - und Recht hat er! Heitere Geschichten sind ein gutes Mittel gegen schlechte Laune, Frustration, Hoffnungslosigkeit und Resignation. Möge die vorliegende Sammlung vielen zur Freude gereichen, Wegweisung geben und Begegnung und Gemeinschaft ermöglichen.

Einen großen Anteil an diesem Buch hat die Märchenerzählerin H.C. Heim, der wir viele gute Erzählfassungen hier verdanken! Sie dürfen gerne weitergegeben werden!

I Ermutigung zum Leben – Geburt und Lebensweg

Der lange Weg zu sich selbst

DER SCHATZ AM ENDE DES REGENBOGENS

Es war einmal ein alter Mann. Der lebte ganz allein im Wald in einer kleinen Hütte und war sehr, sehr unglücklich. Jeden Tag saß er auf einer Bank vor seinem Häuschen und starrte vor sich hin. Er hörte nicht, wie die Vögel sangen, er spürte den Wind nicht, der mit den Blättern der Bäume spielte, er fühlte nicht die Sonnenstrahlen auf seiner Haut, er roch den würzigen Tannenduft nicht und er sah nicht, wie die Tiere des Waldes immer wieder nahe herankamen. Er hielt den lieben langen Tag den Kopf gesenkt und dachte nach. Seine Gedanken kreisten immer nur um eine Sache. Warum, so fragte er sich wieder und wieder, warum nur war die Prophezeiung der schönen Fee nicht in Erfüllung gegangen? Dabei war der Fall doch ganz klar. Seine Mutter hatte ihm die Geschichte oft erzählt. Damals, als er vor vielen Jahren in dem alten Wasserschloss, in der Mitte des Waldsees geboren wurde, damals, genau eine Stunde nach der Geburt, hatte auf einmal eine Fee an seiner Wiege gestanden. Sie hatte wunderschöne lange Haare, erinnerte sich seine Mutter. Fein und schimmernd wie Spinnweben, auf die die Sonne scheint. Und sie hatte ein Lächeln auf den Lippen, das jeden, ob Mann oder Frau, dahinschmelzen ließ. Was die Fee dann gesagt hatte, das hat sich der Mann genau gemerkt, zu oft hatte es ihm seine Mutter, die nun natürlich längst gestorben war, wiederholen müssen. Am Ende des Regenbogens liegt ein großer Schatz für dich. Genau diese Worte hatte die Fee zu dem Säugling gesprochen. Dann war sie verschwunden. Kaum war er alt genug, hatte der Mann auf der ganzen Welt nach diesem Schatz geforscht. Er war von Land zu Land gereist, hatte in den Bergen nach Edelsteinen, in den Flüssen nach Gold gesucht, und er war nach versunkenen Schiffen auf den Meeresgrund getaucht. Es war ein wildes, abenteuerliches Leben gewesen, voller Ungeduld und Gier. Doch den Schatz, nein, den hatte er nie gefunden. Er war arm wie eine Kirchenmaus geblieben, und sein Erbe, das schöne Wasserschloss, fiel an seinen jüngeren Bruder, weil er sich nie darum gekümmert hatte. "Am Ende des Regenbogens, so ein Unsinn!" pflegte er regelmäßig am Ende seiner Grübelein zu sagen und missmutig in die Hütte zurück zu stampfen, um sich schlafen zu legen. So lebte er dahin, bis eines Tages etwas geschah. Es hatte tagelang geregnet, doch plötzlich war mit Macht die Sonne durchgebrochen, obwohl es noch etwas nieselte. Der alte Mann saß mal wieder mit gesenktem Kopf vor seiner Hütte und zertrat wütend eine kleine Blume. Doch plötzlich veränderte sich das Licht, und der alte Mann schreckte auf. Und da sah er es. Ein riesiger Regenbogen spannte sich über den Wald, hoch über die höchsten Wipfel der Bäume. Ein Regenbogen in den schönsten Farben, so prächtig, wie er es noch nie gesehen hatte. Und das Ende des Regenbogens zeigte genau auf ihn. Ja, der alte Mann saß direkt am Ende des Regenbogens. Da kam ihm die Erleuchtung: der Schatz am Ende des Regenbogens, das war er selber! Der alte Mann begann zu weinen. Er ging in seine Hütte und weinte drei Tage und drei Nächte lang. Dann trat er wieder heraus. Er holte tief Luft und spürte, wie das Leben in ihn zurückströmte. Er fühlte sich um Jahrzehnte jünger. Er sah auf den Boden und bemerkte einen kleinen Käfer, der auf den Rücken gefallen war. Er bückte sich und drehte ihn behutsam herum. Dann blickte er hoch und nahm wahr, dass der Himmel leuchtend blau war. Da wusste er, dass ein langes, glückliches Leben vor ihm lag.

Schicksalhafte Geburt

LUMPENROCK

Es war einmal ein reicher Edelmann, der wohnte in einem großen Schloss am Meer. Außer einer kleinen Enkelin hatte er aber niemand mehr, seine Frau und seine Kinder waren alle gestorben. Er war nicht nur traurig, sondern auch verbittert und hatte seine Enkelin noch nicht ein einziges Mal angesehen. Er konnte sie nicht ertragen, weil seine Lieblingstochter bei ihrer Geburt gestorben war. Und als die alte Kinderfrau ihm einst die

Kleine brachte, sprach er, er wolle ihr niemals ins Gesicht schauen. Er drehte sich einfach um, blickte aus dem Fenster aufs Meer hinaus und weinte bittere Tränen, weil er seine Tochter verloren hatte. Lange saß er so da und wurde ganz gebeugt vor Kummer.

Seine Enkelin wurde trotzdem ein hübsches Mädchen, auch wenn niemand für sie sorgte und sie kleidete. Nur die alte Kinderfrau gab ihr manchmal, wenn niemand in der Nähe war, eine Schüssel mit Küchenabfällen oder einen zerrissenen Rock aus dem Lumpensack. Die anderen Diener verspotteten die Kleine und nannten sie „Lumpenrock“. Der einzige, der ihr Gesellschaft leistete, war der Gänsehirt. Wenn sie hungrig war oder müde oder fror, dann blies er so fröhlich auf seinem Pfeifchen, dass sie ihre Sorgen vergaß und zu tanzen begann.

Eines Tages erzählten sich die Leute, der König wolle all den vornehmen Herren und Damen in der nahe gelegenen Stadt einen Ball geben. Auf diesem Fest sollte der Prinz, sein einziger Sohn, sich eine Frau wählen. Eine Einladung wurde auch ins Schloss am Meer gebracht, und die Diener trugen sie zu dem alten Edelmann hinauf. Der saß wie so oft gebeugt auf dem Stuhl am Fenster und weinte. Als er von der Einladung des Königs hörte, stand er auf, legte er kostbare Kleider an und schmückte sich mit seinen Juwelen. Er befahl, seinen Schimmel zu satteln und ihm die golden verzierte Seidendecke aufzulegen. Nun konnte er zum König reiten.

Inzwischen hatte auch Lumpenrock gehört, was in der Stadt vor sich gehen sollte. Sie setzte sich weinend neben die Küchentür, weil sie nicht mitgehen und alles anschauen durfte. Als die alte Kinderfrau sie schluchzen hörte, ging sie zum Schoßherrn und bat ihn, seine Enkeltochter doch mit auf den Ball zu nehmen. Er runzelte nur die Stirn und gebot ihr zu schweigen. Die Diener aber sagten: „Lumpenrock ist ganz zufrieden mit ihrem Leben. Lasst sie, wo sie ist - zu was anderem taugt sie gar nicht.“ Die alte Kinderfrau wollte Lumpenrock trösten, aber sie war schon fortgelaufen. Sie erzählte ihrem Freund, dem Gänsehirten, von ihrem Kummer. Der bat sie, nicht weiter zu klagen, und schlug vor, mit ihr gemeinsam in die Stadt zugehen, um sich den König und das schöne Fest anzusehen. Da blickte sie bekümmert auf ihre Lumpen und bloßen Füße hinunter, doch er nahm seine Pfeife und blies ein Liedlein. Das war so fröhlich, dass sie bald ihre Sorgen vergaß. Er fasste sie bei der Hand, und tanzend zogen die beiden mit ihrer Gänseschar die Straße hinab, dar zur Stadt führte.

Sie waren noch nicht weit gelaufen, da kam ein hübscher junger Mann angeritten, der aufs prächtigste gekleidet war. Er fragte sie nach dem Weg zum Schloss. Als er hörte, dass auch sie dahin unterwegs waren, stieg er vom Pferd und ging neben ihnen her. Der Hirtenjunge zog seine Pfeife heraus und spielte eine süße Melodie. Wieder und wieder blickte der Fremde in Lumpenrocks liebliches Gesicht, bis er sich Hals über Kopf in sie verliebte und sie bat, ihn zu heiraten. Doch sie schüttelte nur den Kopf und erwiderte: „Schön auslachen würden sie dich, wenn du ein Gänsemädchen zur Frau hättest. Geh und frag eine der vornehmen Damen, die du heute Abend beim Ball des Königs treffen wirst, und mach dich nicht über Lumpenrock lustig.“ Aber je hartnäckiger sie ablehnte, desto süßer erklang die Hirtenpfeife, und desto heftiger verliebte sich der junge Mann in Lumpenrock. Und zum Beweis, dass er es ernst meinte, bat er sie, um zwölf Uhr in der Nacht auf dem Ball zu erscheinen. Sie sollte so kommen, wie sie war, mit dem Hirtenjungen und seinen Gänsen, in ihrem zerrissenen Rock und den bloßen Füßen. Vor dem König und all den vornehmen Herren und Damen wollte er mit ihr tanzen und sie als seine liebe und hoch geachtete Braut vorstellen.

In der Nacht war der Saal des Schlosses hell erleuchtet. Die Musik spielte, und die vornehmen Herren und Damen tanzten vor dem König. Da - genau als es zwölf Uhr schlug - traten Lumpenrock und der Hirtenjunge durch die großen Flügeltüren. Eine schnatternde Gänseschar folgte ihnen. Sie schritten geradewegs durch den Ball-saal, während zu beiden Seiten die Damen miteinander tuschelten. Die Herren lachten, und der König, der am anderen Ende saß, starrte ihnen erstaunt entgegen.

Nun waren sie vor dem Thron angelangt. In diesem Augenblick erhob sich Lumpenrocks Liebster von seinem Sitz neben dem König und ging auf sie zu. Er nahm sie bei der Hand, küsste sie vor allen Leuten dreimal und drehte sich zum König um. „Vater“, sagte der Prinz, „ich habe meine Wahl getroffen. Hier ist meine Braut, das lieblichste Mädchen im ganzen Land und das beste dazu.“ Noch hatte er nicht zu Ende gesprochen, da setzte der Gänsehirt die Pfeife an die Lippen und blies einige leise Töne; es klang, als ob ein Vogel weit, weit weg im Walde sang. Da verwandelten sich die Lumpen der Braut in glänzende Kleider, mit glitzernden Juwelen besetzt, auf ihren goldenen Haaren saß eine goldene Krone, und die Gänse wurden zu niedlichen Pagen, die ihre lange Schleppe trugen.

Nun erhob sich der König, um sie als seine Tochter zu begrüßen. Zugleich erklangen zu Ehren der neuen Prinzessin laut die Trompeten, und die Leute draußen auf der Straße sagten: „Ach, nun hat der Prinz sich das hübscheste Mädchen im ganzen Land zur Frau gewählt!“

Der Gänsehirt aber ward nicht wieder gesehen, und niemand wusste, was aus ihm geworden war. Der alte Edelmann zog heim in sein Schloss am Meer. Er war nicht länger traurig, denn er hatte seine Enkelin nun anschauen können und sah, dass sie seiner Tochter sehr ähnlich war. Er freute sich nun mit ihr und saß nicht länger am Fenster, um auf das Meer hinauszuschauen.

A. Ehrentreich, Volksmärchen aus England I, Frankfurt, Berlin, Wien 1980. Erzählfassung: J.W.

II Gesegnet und begleitet - Zur Taufe

Wie ein Kind zu Weinen aufhörte

DER GÄNSEHIRT

Ein König hatte einen kleinen Jungen, der weinte fort und fort, so dass seine Eltern nicht mehr wussten, was sie mit ihm machen sollten. Sie gaben ihm Kamillentee mit Zucker, rieben ihn mit Butter ein, wiegten ihn, trugen ihn herum - es half alles nichts, er weinte und weinte, bis auch seine Mutter weinte, weil sie nichts mit ihm machen konnte.

In einer Nacht klopfte jemand ans Fenster. Es waren drei Pfarrherren, welche die Nacht auf der Straße überrascht hatte, nun baten sie um Herberge. Der König rief sie ins Haus und gab ihnen Abendessen. Der Junge aber fing an, zu weinen und zu weinen und hörte nicht mehr auf. Da sagte einer der Pfarrer: „Wir wollen ihn taufen, vielleicht weint er dann nicht mehr.“ Sie tauften ihn, alle drei Pfarrer waren Paten. Der Knabe wurde ruhig, aber es hielt nicht so lange, wie sie sich erhofft hatten.

Es wurde nur wenig besser mit ihm. Nach 3 Jahren kam eine alte Frau und sagte, wenn ihr der König 100 Gulden gäbe, so würde sie den Jungen dazu bringen, dass er nicht mehr weine. Er versprach es. Sie richtete ein Bad und badete das Kind, nahm es dann in den Arm und sang ihm diese Worte: „Schweig, mein Knabe, schweig, du bekommst dann auch die Königstochter zur Frau, welche auf den Felsen Heu macht und den Blumen den Geruch gibt, schweig, mein Knabe, schweig.“ Er hörte auf sie - und weinte seitdem nicht mehr.

Als er 20 Jahre alt war, ging er zu seiner Mutter und bat sie, sie möchte ihm Wegzehrung in den Rucksack legen, er gehe, sich die Braut zu suchen. Wie seine Mutter nichts mit ihm anfangen konnte, als er klein war, so war es auch jetzt, da er groß geworden war. Sie sagte: „Mein lieber Sohn, bleib zu Hause, du bist noch zu jung, wirst schon noch eine Frau bekommen, wenn du älter bist.“ Er aber sagte: „Ich will keine andere Frau als die, von der mir die Alte sang, als ich noch klein war“.

Darauf legte ihm seine Mutter Proviant in seinen Rucksack, und er ging, vor sich Tag, hinter sich Nacht. Er ging weit, weit, bis er einen Hof erreichte. Die Sonne ging gerade unter, er war müde und trat ein. Was für ein Glück hatte er! Gerade in das Haus seines ältesten Paten war er eingetreten! Der Alte kam heraus. „Guten Abend, lieber Pate.“ - „Ich danke dir, Patenkind, was bringst du mir?“ – „Ich bringe gute Laune, ich gehe mir die Braut suchen. Kannst du mir nicht den Weg weisen, wo die Königstochter wohnt, welche auf den Felsen Heu macht und den Blumen den Geruch gibt?“ – „Ich weiß es nicht, aber ich will die Meinen fragen, ob sie es nicht wissen.“ Er ging hinaus und rief alle im Haus zusammen. Aber keiner kannte die Königstochter, welche auf den Felsen Heu macht und den Blumen den Geruch gibt. Es war niemand dort gewesen. Doch gab ihm sein Pate einen goldenen Apfel, in den alles hineingeht, sei es noch so groß. Der Jüngling dankte, steckte ihn ins Hemd, nahm Abschied und ging weiter, vor sich immer Tag, hinter sich Nacht.

Er ging wieder bis gegen Abend, dann erreichte er wieder ein Haus, da wohnte doch sein zweiter Pate. „Guten Abend, lieber Pate!“ - „Du sollst leben, mein Patenkind, was bringst du mir?“ – „Gute Laune, Pate, ich gehe, mir die Braut suchen, von der mir die Alte gesungen hat, als ich immer weinte. Wisst ihr nicht, wo die Königstochter wohnt, welche auf den Felsen Heu macht und den Blumen den Geruch gibt?“ – „Ich weiß wirklich nicht, aber vielleicht wissen es andere.“ Er ging zum Fenster und rief alle Wölfe und Füchse, sie sollten sich unter dem Fenster versammeln. Sie waren gerade alle gekommen. Der Pfarrer fragte sie nach der Königstochter, die auf dem Felsen Heu macht und den Blumen den Geruch gibt. Es war aber keiner da gewesen, sie hatten nicht einmal etwas von ihr gehört. So gab ihm der Pate nur drei Federn in einem Beutel, eine kupferne, eine silberne und eine goldene. Aus der kupfernen kommt, wenn man sie bewegt, ein kupfernes Pferd, aus der silbernen ein silbernes, aus der goldenen ein goldenes Pferd, eines kraftvoller als das andere. Er steckte sie in sein Hemd, dankte und ging fort, vor sich Tag, hinter sich Nacht.

Er ging weiter, bis er an wieder an ein Haus kam. Hier wohnte sein jüngster Pate. „Guten Abend, lieber Pate!“ – „Du sollst leben, Patenkind! Was bringst du mir?“ – „Sieh, ich bringe dir gute Laune, ich bin auf dem Wege zur Braut.“ – „Ach, geh, du wirst doch nicht Heiratsgedanken haben?“ - „Ja wirklich, ich gehe mir die Braut zu suchen, von der mir die Alte gesungen, als ich immer weinte. Wisst ihr nicht, wo die Königstochter wohnt, welche auf den Felsen Heu macht und den Blumen den Geruch gibt?“ – „Ich weiß es nicht, aber vielleicht weiß es jemand von den Meinen.“ Er ging ans Fenster und pfiff, da kamen die Vögel herbei, und er fragte sie, ob sie nicht vielleicht etwas gepickt haben im Garten der Königstochter, welche auf den Felsen Heu macht und den Blumen den Geruch gibt? Doch nicht einer war dort gewesen; nur einmal, siehe, kommt noch ein Vogel langsam herbei mit zerschossenem Flügel. „Was ist mit dir, Vöglein?“ – „Ach, Herr, ich hatte mich verirrt im Lande der Königstochter, welche auf den Felsen Heu macht und den Blumen den Geruch gibt, dort hat mich ein Mensch geschossen, welcher auf die Jagd ging.“

„Wo ist das Land?“ fragte der Pfarrer. „Es ist weit, dort hinter dem Glasberge, aber der Junge wird auch den nicht finden, ich werde mit ihm gehen.“ - „Geh, mein Vöglein“, sagte der Pate und gab seinem Patenkind einen goldenen Ring: „Wenn du diesen Ring bewegst, geschieht, was du verlangst. Aber du sollst dir wünschen, ein Gänsehirt zu sein und goldene Gänse zu hüten. Die Königstochter wird dich sehen, du wirst ihr gefallen, sie wird die Gänse kaufen wollen.“ Er dankte, nahm Abschied und ging dann mit dem Vogel bis an den Glasberg. Dann nahm er die kupferne Feder, es kam ein kupfernes Pferd. Er kam auf diesem aber nicht weit hinauf, es war zu glatt. Er nahm dann das silberne, mit diesem erreichte er die halbe Höhe, aber mit dem goldenen ging er über den Glasberg hinüber, von dort sah er die Häuser der Königstochter.

Jetzt wünschte er sich ein Gänsehirt zu sein mit goldenen Gänsen, und sogleich hatte er die goldenen Gänse neben sich. Er hütete sie auf einer Wiese neben der Straße, auf welcher die Königstochter in die Stadt auf den Ball fuhr. Sie stand immer am Fenster und sah hinaus auf die goldenen Gänse und wünschte sie zu kaufen. Eines Tages fuhr sie auf den Ball, und wie sie nahe an die goldenen Gänse kam, rief sie den Gänsejungen und gab ihm zehn Kreuzer. Als sie vorüber war, bewegte er die kupferne Feder, es kam das kupferne Pferd heraus, und er, ein schöner junger Mann, setzte sich darauf und ritt auch auf den Ball und tanzte in einem fort, immer mit der Königstochter. Dieser junge Herr gefiel ihr sehr. Er sagte ihr aber nicht, wer er sei und ging vor Ende des Balles fort. Am andern Tage fuhr die Königstochter wieder auf den Ball. Wie sie auf der Straße wieder zu den goldenen Gänsen kam, rief sie den Gänsejungen an die Kutsche und gab ihm zehn Kreuzer. Als sie vorüber war, zog er die silberne Feder hervor, setzte sich auf das silberne Pferd und ritt zum Tanze und tanzte immer nur mit der Königstochter, aber wieder ging er vor den andern Mädchen und Burschen vom Tanze weg. Als er fort war, wurde die Königstochter traurig, denn er hatte ihr seinen Namen nicht gesagt, und sie mochte ihn so sehr. Am nächsten Tage nahm sie sich Pech in die Tasche, um ihn zu zeichnen. Als sie auf den Ball fuhr und an den Gänsen vorbeikam, gab sie dem Gänsejungen wieder zehn Kreuzer. Was sollte dies wohl sein, dass dieser Hirte ihr so gut gefiel? Fast gefiel er ihr besser als seine goldenen Gänse, dieses Mal war er aber auch ganz nahe an der Straße gestanden und hatte auf die zehn Kreuzer gewartet. Als sie fort war, setzte er sich geschwind auf das goldene Pferd und ritt hinter ihr. Wie sie beide zusammen tanzten, klebte sie ihm das Pech in den Nacken. Am nächsten Tage befahl sie ihren Dienern, sie sollten alle jungen Männer aus dem ganzen Lande baden. Den, in dessen Nacken sie Pech fänden, sollten sie zu ihr bringen. Doch sie fanden es bei keinem. „Habt ihr denn alle gebadet?“ – „Alle, nur den Gänsejungen nicht.“ – „Badet auch den.“ Als sie ihn genommen und baden sollten, da hatte der das Pech im Nacken. Gut. Jetzt war große Freude und Verlobung. Aber jetzt wollte der Königssohn mit seiner Braut in sein Land ziehen, aber sie wusste nicht, wie sie ihr Land allein hier lassen sollte. Nur einmal öffnete der Bräutigam den goldenen Apfel und steckte das ganze Land mit allem hinein, dann setzten sie sich beide in den Wagen, vor den das silberne, kupferne und goldene Pferd gespannt waren. So fuhren sie nach Hause und feierten die Hochzeit, die Paten hatten sie alle drei geladen, und diese waren die Trauzeugen - und das Vöglein sang am Fenster.

P. Schullerus, Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal, 1907 leicht bearbeitet vom Vf.

Das Kind und sein Krafttier

DIE KÖNIGSTOCHTER IN DER FLAMMENBURG

Es war einmal ein armer Mann, der hatte so viele Kinder, als Löcher sind in einem Sieb, und hatte alle Leute in seinem Dorfe schon zu Gevatter gehabt. Als ihm nun wieder ein Söhnlein geboren wurde, setzte er sich an die Landstraße, um den ersten besten Menschen als Paten zu bitten. Da kam ein alter Mann in einem grauen Mantel die Straße daher, den bat er. Der nahm den Antrag willig an, ging mit und hielt den Jungen bei der Taufe. Als sie vorüber war, schenkte der alte Mann dem Armen eine Kuh mit einem Kalb. Das Kalb aber war an demselben Tage wie der Junge zur Welt gekommen und hatte vorn auf der Stirne einen goldenen Stern, das sollte ihm gehören.

Als der Junge größer war, ging er mit seinem Stier, der war nun ein großer Stier geworden, jeden Tag auf die Weide. Der Stier aber konnte sprechen und wenn sie auf dem Berg angekommen waren, sagte er zu dem Jungen: „Bleibe du hier und schlafe, indes will ich mir schon meine Weide suchen!“ Sowie der Junge schlief, rannte der Stier wie der Blitz auf die große Himmelswiese und hier fraß er goldene Sternblumen. Wenn der Junge aufwachte, kam er zurück und dann gingen sie nach Hause. Und das geschah lange Zeit.

Als der Junge zwanzig Jahre alt und ein Bursche geworden war, sprach der Stier eines Tages zu ihm: „Setz dich mir zwischen meine Hörner, ich trage dich zum König. Verlange von ihm ein sieben Ellen langes Schwert und sage ihm, du wollest seine Tochter erlösen.“ Bald waren sie an der Königsburg; der Bursche stieg ab und sagte dem König, warum er gekommen sei. Der gab ihm gerne das verlangte Schwert. Aber er hatte keine große Hoffnung, seine Tochter wiederzusehen, denn schon viele kühne Jünglinge hatten es vergeblich gewagt, sie zu befreien. Es hatte sie nämlich ein Drache mit zwölf Köpfen entführt und dieser wohnte weit weg, wohin niemand gelangen konnte. Erstens war auf dem Wege dahin ein hohes, unübersteigliches Gebirge, zweitens ein weites und stürmisches Meer und drittens wohnte der Drache in einer Flammenburg. Wenn es nun auch jemandem gelungen wäre, über das Gebirge und das Meer zu kommen, so hätte er doch durch die mächtigen Flammen nicht hindurchdringen können, und wäre er glücklich durchgedrungen, so hätte ihn der Drache umgebracht.

Als der Bursche das Schwert hatte, setzte er sich dem Stier zwischen die Hömer und im Nu waren sie vor dem großen Gebirgswall. „Da können wir wieder umkehren, da kommen wir nie hinüber!“ sagte er zum Stier. Der Stier aber sprach: „Warte nur einen Augenblick!“ und setzte den Burschen zu Boden. Dann nahm er einen Anlauf und schob mit seinen gewaltigen Hörnern einen Berg ein wenig auf die Seite, sodass sie weiterziehen konnten.

Nun setzte der Stier sich den Burschen wieder zwischen die Hörner und bald waren sie am Meere angelangt. Aber das Meer war wild und die Wellen brausten hoch. „Aber jetzt können wir gleich wieder umkehren! Hier kann niemand hinüber!“ – „Warte nur einen Augenblick und halte dich an meinen Hörnern fest!“ Da neigte der Stier den Kopf zum Wasser und soff und soff und soff das ganze Meer auf, sodass sie trockenen Fußes, wie auf einer Wiese, weiterzogen. Nun waren sie bald an der Flammenburg. Aber da kam ihnen schon von weitem solche Glut entgegen, dass der Bursche es nicht mehr aushalten konnte. „Halte ein! Nicht weiter, sonst müssen wir verbrennen!“ Der Stier aber lief ganz nahe und goss auf einmal das Meerwasser, das er getrunken hatte, in die Flammen, sodass sie verlöschten. Aber nun stieg ein mächtiger Qualm auf, der den ganzen Himmel bedeckte. Und aus dem fürchterlichen Rauch stieß der Drache mit den zwölf Köpfen voller Wut hervor. „Nun ist es an dir!“ sprach der Stier, „sieh zu, dass du dem Ungeheuer alle Häupter auf einmal abschlägst!“ Der Bursche nahm alle seine Kraft zusammen, fasste das gewaltige Schwert in beide Hände und versetzte dem Ungeheuer einen so geschwinden Schlag, dass alle Häupter herunterflogen. Aber nun schlug und ringelte sich der Leib auf der Erde, dass sie erzitterte. Der Stier aber nahm den Drachenrumpf auf seine Homer und schleuderte ihn nach den Wolken, also, dass keine Spur mehr von ihm zu sehen war.

Dann sprach er: „Mein Dienst ist nun zu Ende. Geh jetzt ins Schloss, da findest du die Königstochter, führe sie heim zu ihrem Vater!“ Damit rannte er fort auf die Himmelswiese und wurde auf Erden nie mehr gesehen. Der Bursche fand die Königstochter und sie freute sich sehr, dass sie nun von dem garstigen Drachen erlöst war. Sie fuhren zu ihrem Vater, hielten Hochzeit, und es war große Freude im ganzen Königreich.

Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenland in Siebenbürgen, J. Haltrich, Wien 1887, Erzählfassung: H.C. Heim.

Ins Leben helfen

DIE PRINZESSIN UND DIE NIXE

Es war einmal eine Königin, die wohnte in einem herrlichen Schloss. Dieses hatte einen großen Park und einen blauen See. Dort ging sie jeden Tag spazieren. In dem See aber wohnte eine Nixe, die ihr schon manchmal heimlich zugesehen und die schöne Menschenfrau lieb gewonnen hatte. Eines Tages, als die Königin eines Tages sich an das am Ufer gesetzt hatte, tauchte die Wasserfrau auf, setzte sich zu ihr und unterhielt sich freundlich mit ihr. Fortan trafen sie sich öfters und wurden zuletzt so vertraut miteinander, dass die Nixe bat, sie möchte einmal Patin bei ihrem ersten Töchterchen werden. Die Königin nahm dieses Anerbieten dankbar an, und als sie nicht lange danach ein Mädchen gebar, lud sie die Nixe zum Tauffest ein.

Als der Tag da war, und die Königin alles gerichtet hatte, ging die Tür auf und die Nixe trat herein. Ihr Gesicht war so weiß und rein wie das der Wasserlilie, und ein zarter, silbergrauer Schleier umhüllte ihre Gestalt. Sie hielt das Kind zur Taufe, legte ihm als Patengeschenk drei kleine Vogeleier in die Wiege und sprach: „Bewahrt sie immer gut auf; sie könnten dem Kinde einmal nützlich werden!“ Dann verschwand sie vor aller Augen wie ein leichter Nebelhauch.

Die kleine Prinzessin war noch keine zwei Jahre alt, da starb die Mutter an hohem Fieber, und der König nahm bald darauf eine andere Frau. Die Stiefmutter aber konnte das Kind der Verstorbenen nicht leiden und kümmerte sich nicht viel um sie. Sie überließ es einer Amme, die mit der kleinen Prinzessin im Park spazieren ging. Stundenlang spielte sie ganz allein in der Nähe des Sees. Da kam eines Tages die Nixe ans Ufer und erzählte ihrem Patenkind allerlei schöne und lustige Geschichten.