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Die Schweiz – ein nahezu unbekannter Biker-Geheimtipp. Der Motorradführer führt Sie auf zehn ausgewählten Ein- und Mehrtagestouren durch die schönsten Regionen der Schweiz. Die in sich geschlossenen Touren können kombiniert werden. Stimmungsvolle Bilder, Infos zu Land und Leuten und viele Tipps zum günstigen Reisen, zu bikerfreundlichen Unterkünften, Kulinaria und Kultur machen das Buch zum unverzichtbaren Reisebegleiter.
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Seitenzahl: 164
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Heinz E. Studt
Top-Touren durch alleRegionen – vom Bodensee bis in die Alpen
Exklusiv für Sie als Leser:
MIT GPS-DATEN ZUM DOWNLOAD
unter: gps.bruckmann.de
Vorwort
DIE TOUREN
1Das Gute liegt so nahSankt Gallen und der Bodensee
2Zum Seufzen schönDas Appenzell und Liechtenstein
3Wo alles begannDie Zentralschweiz
4Zweimal rund um BernBern und das Oberland
5Wer hätte das erwartet?Der Jura und der Nordwesten
6Mit Badehose ins Drei-Seen-LandDas Drei-Seen-Land
7Kontraste rund um den GenferseeDas Waadtland und der Genfersee
8Viel mehr als ein FlusstalDas Wallis
9Das Tessin, eine SonnenbankDas Tessin
10Finale auf dem Dach der AlpenGraubünden und das Engadin
Anhang
Register
Impressum
1994 habe ich als Späteinsteiger den Motorradführerschein gemacht und bin mit einer gebrauchten, ja sogar noch leistungsreduzierten Transalp aufgebrochen, die Welt neu zu entdecken. Seit diesen denkwürdigen Tagen habe ich weite Teile Europas im Mopedsattel erfahren – insbesondere auch dieses so andersartige Land namens Schweiz. 2001 habe ich meine erste von inzwischen ungezählten Reisereportagen aus der Schweiz veröffentlichen dürfen, 2006 kam dann mein erstes großes Buch darüber. Und wenn mich danach auch die Ferne mehr und mehr zu reizen begann und ich Motorradgeschichten von Portugals »Letzter Bratwurst« bis zu Dänemarks »Smørrebrød und Gartenzwergidylle«, von Irlands rauen »Rings« bis zu Sloweniens herausfordernder Andersartigkeit erzählen konnte – eines hat mich bis heute nicht verlassen: diese ungetrübte Freude, ja Leidenschaft am Töfffahren in der Schweiz. In diesem mehr als prächtigen Alpengärtlein mit seinen Bilderbuch-Landschaften, seinen spannenden Geschichten, seinen liebenswürdigen Menschen sowie – nicht zu vergessen – seinen richtig hohen Bergen. Ja, deren Passstraßen sind Europas perfektes Trainingsgelände für die hohe Kunst des Motorradfahrens. Ohne jeden Zweifel.
Und das explizit auch heute noch, in Zeiten von pauschalem Tempo 80 auf horizontweit freien Pisten, von zigtausenden »hinterhältig« von hinten blitzenden Radarfallen und teils atemraubend drakonischen Bußgeldern. Jawohl: Die Schweiz zwingt notorische Heizer zur Gemächlichkeit und erzieht Ignoranten mit existenzeinschränkenden Strafen. Wer aber Land und Leute wirklich erfahren möchte, wer sich für eine erinnerungswürdige Reise durch die Schweizer Vielfalt wirklich Zeit nimmt, dem – so garantiere ich – wird Tempo 80 auf den schönsten Pisten ganz und gar nicht lustkillend bewusst werden. Denn dieses nur auf den ersten Blick restriktive (übrigens inzwischen in vielen anderen Ländern geltende) Landstraßen-Tempolimit ist – vermutlich unbeabsichtigt – perfekt austariert, um die Schweiz im Mopedsattel wirklich intensiv sowie sehr genüsslich zu erfahren.
Ach ja: Und das zweite Anti-Schweiz-Argument »viel zu teuer« darf ich mit diesem meinem nun schon dritten Motorradbuch über dieses herrliche Land explizit ebenfalls entkräften. Denn die Schweiz ist nicht nur einzigartig in dieser Welt, sie geht auch günstig. Ich beweise es Ihnen gerne.
Satteln Sie Ihr Motorrad, kommen Sie mit und gönnen Sie sich eine 5960 Kilometer lange, spannende und vor allem höchst kurvenreiche Reise durch eine irgendwie immer noch heile Welt.
Allzeit gute Fahrt wünscht Ihnen
Heinz Studt
Sehenswerte Städte, panoramareiche Landschaften und der schönste Teil des Bodensees sind hier vereint.
Das »schwäbische Meer«, den Bodensee, kennen wir alle. Gut 40 Prozent des mit 536 Quadratkilometern drittgrößten Sees Mitteleuropas »gehören« der Schweiz und hierbei vor allem die südliche Uferlinie. Und die zählt selbst an hochsommerlichen Ferienwochenenden noch zu den beschaulichen Abschnitten des mächtigen Sees. Was jeder, der einmal im Juli und August entlang des deutschen Ufers kurvensurfend unterwegs sein wollte, wohl zu schätzen weiß. Ein ideales Terrain also, um unsere spannende Reise durch das herrliche Alpenland namens Schweiz zu beginnen. Höchst beschaulich, nicht minder sehenswert und vor allem bereits hier ordentlich kurvenreich.
Sankt Gallen bietet uns dazu ein prächtiges Basislager mit allen Annehmlichkeiten, die wir uns nach einem langen Tag im Mopedsattel wünschen. Denn die Stadt ist ein Erlebnis. Das UNESCO-Weltkulturerbe ist ein typisches Schweizer Großstädtchen, in dem es – wie im Grunde allerorten in diesem Land – ausgesprochen gemütlich zugeht. Als historisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum der Ostschweiz besitzt Sankt Gallen einiges an Sehenswertem, allerdings nur zu Fuß: Lassen Sie ganz einfach das Motorrad auf dem Hotelparkplatz stehen und schlendern Sie Richtung Markt platz, durch die ehemalige Geschäftsmeile der Textilkaufleute und über all die zahlreichen Kunst- und Trödelmärkte. Es gibt viel zu entdecken.
Dann aber – oder spätestens anderntags – lassen Sie uns aufbrechen zu unserer ersten Rundreise durch den Norden der Schweiz. Richtung Westen verlassen wir Sankt Gallen und wählen die Fürstenlandstrasse, um aus der Stadt zu kommen. Alternativ geht es nicht minder zügig über die Hauptstrasse 7 – nur die vignettenpflichtige Autobahn A1 sollten Sie tunlichst meiden. Apropos: Über die Mautpflicht sowie alle wichtigen Unterschiede und Regelungen des Schweizer Verkehrsnetzes habe ich im Anhang des Buches alle Infos übersichtlich zusammengetragen.
Dass die Schweiz nicht nur ein prächtiges Tourengebiet für Töfffahrer, also uns Motorradfahrer, ist, beweist dieses pralle Tourenbuch. Dass die Schweiz auch ein Land der Genießer ist – und Bikers Diätwochen nicht unbedingt unterstützt –, das beweist Ihnen sogleich unser erster Boxenstopp. Über Herisau und Degersheim erreichen wir das hübsche Dorf Flawil und folgen dort den Wegweisern ins Chocolarium, einst bekannt als »Schoggiland« und von 2016 bis 2017 vollständig umgebaut zu einer einzigartigen Erlebniswelt.
1852 legte Aquilino Maestrani in Luzern den Grundstein für die legendäre Schweizer Kunst feinster Schokoladengenüsse. Heute ist das Unternehmen der berühmteste Schokoladenhersteller der Schweiz, dessen Produktion man hier in Flawil besichtigen kann. Aus Hygienegründen zwar hinter dickem Sicherheitsglas, doch alle paar Meter stehen Behälter prall gefüllt mit kleinen Kostproben, und nebenan im herrlich duftenden Shop – ja, Sie ahnen richtig – kann man all die Köstlichkeiten zu Outletpreisen erwerben. Nicht nur auf der heutigen Tour sollten Sie in Ihren Seitenkoffern unbedingt Platz für Schweizer Genüsse lassen. Denn es gibt so viel mehr, als »nur« Schokolade.
Über Uzwil geht es ins Tal des Flüsschens Thur. Falls Sie diese Rundreise zweiteilen wollen, bleibt an dieser Stelle sicherlich genügend Zeit für einen Blick auf die Türmlihäuser, eine traditionelle bäuerliche Hausform, wie sie auch rund um Wattwil zu besichtigen ist. Oder gönnen Sie sich einen Spontanabstecher nach Wil, Infos dazu gibt es im separaten Tipp.
Sie war die »Äbtestadt«, mehr als 500 Jahre lang residierten hier die St. Galler Fürstäbte im Hof zu Wil. Die Altstadt bietet auch heutzutage noch viel Sehenswertes, wie das Hauptmannshaus am Hofplatz, den Hof zu Wil aus dem 15. Jahrhundert, das aristokratische Baronenhaus (1795, Herrschaftssitz im Stil des Klassizismus), die Riegelhäuser sowie eine Vielzahl an malerischen Gassen und Plätzen. Nicht umsonst gilt Wil als die besterhaltene Kleinstadt der Ostschweiz. Ein besonderes Highlight im Kulturkalender Wils ist das mittelalterliche Hofspektakel mitten im Hof zu Wil. Die Veranstaltung mit zigtausend Besuchern findet immer Anfang September statt. Alle Infos und Termine unter www.hof-spektakel-wil.ch.
Wir verlassen das Tal der Thur – immerhin nach dem Rhein der zweitlängste Fluss der Ostschweiz – und huschen über die westlich angrenzenden Hügel, über Wuppenau und Rudenwil nach Neukirch sowie Schönenberg und Bischofszell. Zwar haben wir unser »Tagesthema«, den Kanton Sankt Gallen, damit unbemerkt verlassen und befinden uns im angrenzenden Thurgau, das macht aber nichts. Zumindest heutzutage, im Mittelalter war Bischofszell allerdings ein bedeutendes Bollwerk der Konstanzer Bischöfe gegen die Kollegen aus Sankt Gallen. Grund für so manchen heftigen politischen Zoff, von dem heute aber nur noch die Geschichtsbücher berichten.
Weiter geht unsere Hatz über die Dörfer, über Andwil, Guntershausen und Berg nach Weinfelden sowie Müllheim im Thurgau. Nur einen Katzensprung entfernt empfängt uns dann das Städtchen Frauenfeld inmitten der reizvollen Umgebung des Thurtales. Lust auf einen Boxenstopp? Bitteschön: Mein Einkehrtipp hier lautet: Brauhaus Sternen in der Zürcherstrasse, dessen Bier wir übrigens auch in Flaschen »verpackt« mitnehmen können.
Frauenfeld ist die Thurgauer Hauptstadt, etwa 1230 wurde der Kern der Stadt auf einem eher winzigen Rechteck von 250 mal 110 Metern erbaut. Auf einer Hochfläche, die nach Westen steil in die Thurebene und im Süden in einem felsigen Absturz zur Murg abfällt. Auch heutzutage ist noch viel von den historischen und geschichtlichen Wurzeln der Stadt zu entdecken – am besten bei einem kleinen Verdauungsspaziergang zu Fuß.
Auch Winterthur wenige Kilometer weiter eignet sich gut für einen Spaziergang. Die sechstgrößte Stadt der Schweiz vereint eine Mixtur aus Großstadtflair und kleinstädtischer Überschaubarkeit. Tauchen Sie ein in die pulsierende Altstadt, genießen Sie Kunst, Geschichte und Natur. Und falls Ihnen allerorten die Farbe Grün ins Auge sticht, wundern Sie sich nicht: Die »Gartenstadt« des Schweizer Nordens besitzt einen der heutzutage größten Schrebergärten-Bestände Europas. Dementsprechend sattgrün präsentiert sich Winterthur seinen Besuchern.
Am Fluss Töss entlang erreichen wir Gevatter Rhein, der hier noch recht überschaubare Ausmaße besitzt. Und beim Ort Rheinau eine mächtige Doppelschleife in die Landschaft gelegt hat, die erfreulicherweise noch nie von Menschenhand begradigt wurde. Am besten natürlich hoch aus der Luft zu sehen. Wir bleiben allerdings am Boden und schwingen am Rhein entlang zu dessen wohl berühmtestem Höhepunkt: dem Rheinfall bei Schaffhausen
150 Meter breit und gut 20 Meter hoch ist die natürliche Staustufe, die der Rhein bei Schaffhausen mit viel Getöse überwinden muss. Dabei stürzen sich bis zu 800 Kubikmeter Wasser – oder anders gesagt der Inhalt von 2000 randvollen Badewannen – in die Tiefe. Also wohl gemerkt jede Sekunde! Ein grandioses Naturschauspiel, das allerdings auch touristisch perfekt vermarktet wird. In Schloss Laufen gleich oberhalb kann man sich nicht nur in historischem Ambiente kulinarisch verwöhnen lassen, Sie können hier auch heiraten oder andere Feste in erinnerungswürdiger Umgebung feiern. Den besten Blick auf den Rheinfall hat man allerdings vom nördlichen Flussufer aus, von Neuhausen.
Schaffhausen selbst kann da in puncto Höhepunkten kaum mithalten, wechseln Sie einfach wieder die Flussseite und suchen Sie den weiteren Weg über die Dörfer Alt- und Neuparadies – welch wunderschöne Ortsnamen! – ins sehenswerte Stein am Rhein. Das touristische Highlight dieser einzigartig liegenden Grenzstadt ist der malerische, gut erhaltene Altstadtkern mit etlichen mittelalterlichen Bauten, bemalten Häuserfassaden, Fachwerkhäusern, Erkern und Gassen. Am Rathausplatz gibt es vielfältige gastronomische Genüsse – probieren Sie es einfach aus, genießen sie die einmalige Rheinlandschaft und beobachten sie das Treiben an der Schiffslände. Ganz gleich, ob auf Schweizer oder deutscher Seite.
Tja und dann haben wir ihn erreicht – den mächtigen Bodensee. Linker Hand sich ausbreitend und zunächst verkörpert durch den sogenannten Untersee, dessen südliche Uferlinie Schweizer Territorium ist.
Apropos Streckenführung: Die ist auf den kommenden Kilometern wirklich simpel. Bleiben Sie einfach auf respektive nahe der Hauptstrasse 13. Und/oder nutzen Sie unseren GPS-Datenservice, der allen Buchkäufern kostenlos zur Verfügung steht. Mehr dazu im Anhang, dort habe ich Ihnen ebenfalls den Unterschied zwischen Autobahnen, Autostrassen, Kantons-, Staats- und Hauptstrassen zusammengetragen, nicht nur in puncto Vignettenpflicht.
Über Steckborn erreichen wir die Konstanzer Bucht, in der die Wasser des Untersees – also im Grunde des Rheins – sich mit dem Hauptteil des Bodensees vereinen. Und wir erreichen Kreuzlingen respektive Konstanz, die größte Stadt am Bodensee, direkt auf der Grenze Schweiz/Deutschland. Kreuzlingen ist das Schweizer Pendant zum deutschen Konstanz, beide Städte sind im Grunde übergangslos zusammengewachsen. Die offizielle Staatsgrenze samt Kontrollstellen geht mitten durch die sehenswerte Doppelstadt mit ihren imposanten Hafenanlagen.
Zurück auf der Hauptstrasse 13 wedeln wir nach Münsterlingen sowie Uttwil und genießen auf nahezu jedem Meter grandiose Ausblicke auf den linker Hand liegenden See. Selbst zur Sommerferienzeit hält sich der Verkehr auf der Strecke – im Vergleich zur berüchtigten B31 auf deutscher Seite – absolut in erträglichen Grenzen. Dies umso mehr, als uns ein allzu rasches Vorankommen eh nur daran hindern würde, uns ausgiebig umzuschauen.
Zum Beispiel auch im sehenswerten Romanshorn. Die ältesten Spuren des Ortes gehen auf das Jahr 779 zurück, die alte Kirche ist noch heute Zeuge der lebhaften Vergangenheit. Romanshorn war jahrhundertelang ein wichtiger Außenposten des Klosters St. Gallen, entwickelte sich allerdings erst so richtig, als der Hafen gebaut war und die Eisenbahnlinie von Zürich bis hierhin führte. Vorbei an zahlreichen Cafés und Restaurants führt heutzutage eine schmale Piste bis zur äußeren Landspitze. Dort kann man sich am wahrlich kunstvoll eingerichteten Ufer fernab jeglicher Hektik die Beine vertreten und den Blick auf den Bodensee genießen. Unbedingt abbiegen! Mein Einkehrtipp: das Bistro Heaven in der Hafenstrasse. Der Name ist Programm.
Unbedingt abbiegen sollten Sie auch im bildhübschen Städtchen Arbon, das wir über Amriswil zügig erreichen. Arbon ist ein prächtiges Beispiel eines schmucken Schweizer Seeortes. Rund um das imposante Schloss, dessen Ursprünge bis ins Jahr 250 n. Chr. reichen, drapiert sich eine historische Altstadt mit den Resten dicker Festungsmauern, in deren engen Gassen ein Hauch von Mittelalter lebendig ist. Das Arboner Schloss mit Schlossturm ist das Wahrzeichen der Stadt. Die Burg mit Bergfried stammt aus dem Jahr 993, das Schloss in seiner heute sichtbaren Form aus dem 16. Jahrhundert. Im Herzen der mittelalterlichen Altstadt liegt der sehenswerte Fischmarktplatz mit Brunnen, dort finden zahlreiche Flohmärkte statt.
536 qkm groß, geheimnisvolle 250 m tief, gut 63 km lang und maximal 14 km breit – die nackten Daten des Bodensees spiegeln dessen immense Vielfalt in keinster Weise wider. Ja, beinahe könnte man meinen, die rechnerischen 280 km Uferlinie locker innerhalb weniger Stunden abfahren zu können. Doch weit gefehlt, denn zum einen bremst uns der Verkehr vor allem entlang des deutschen Nordufers tagtäglich stark ein. Zum anderen rechtfertigen die landschaftlichen, historischen und kulturellen Eindrücke des Sees weitaus mehr als eine schnelle Umrundung. Für eine große Motorradreportage habe ich die Streckenführung einer Bodensee-Umrundung vor einiger Zeit sogar in fünf Tagestouren aufgeteilt – und mich keine einzige Minute gelangweilt. Tatsache!
Im südwestlichen Teil des Bodensees liegt die größte bewohnte Insel, Reichenau. Schon die Römer siedelten hier und genossen das einzigartig milde Klima der vom See umschlossenen Insel. Im Jahr 2000 wurde Reichenau für ihre historisch wertvolle Bausubstanz und deren sehr guten Erhaltungszustand als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet. Sie ist zwar mittels Moped und Auto über den sogenannten Reichenau-Damm erreichbar, ich empfehle aber, die gerade einmal 4,5 km lange und bis zu 1,5 km breite Insel zu Fuß zu erkunden. Es lohnt sich, und unsere Beine freuen sich über derartige Bewegung garantiert. Kalkulieren Sie für eine ausgiebige Erkundung – natürlich inklusive kleiner Einkehr – mindestens drei Stunden ein.
In Rorschach und in Sichtweite zu Österreich endet dann unser unbeschwerter Uferstrecken-Surf, Industrieansiedlungen und der Flugplatz Altenrhein prägen die Landschaft, aus der wir uns mit einer letzten ausgiebigen Kurvenhatz verabschieden wollen. Für den Heimweg nach Sankt Gallen habe ich eine Streckenführung »ausbaldowert«, wie sie kurven- und panoramareicher kaum sein kann. Mein Tipp: Nutzen Sie spätestens hier unseren GPS-Datendownload. Und für alle Biker ohne Navi-Schnickschnack folgt hier die grobe Ortsliste meiner hier nun abschließenden Streckenempfehlung: Thal–Almendsberg–Walzenhausen–Büriswilen–Oberegg–Sankt Anton–Ruppenpass (jawohl: ein echter Pass mit echten 1003 Höhenmetern) –Trogen– Eggersriet–Sankt Gallen mit abendlichem Kontrastprogramm. Natürlich inklusive meines Einkehrtipps in St. Gallen: das Restaurant Cayenne in der Davidstrasse, Fastfood einmal ganz anders – denn auch Sie wird nach diesem Tagwerk der »kleine« Hunger plagen. Alle Details auch zum Thema Übernachtung gibt es im folgenden Infokasten.
Länge: 325 km
Reine Fahrzeit ca.: 5 h
Schwierigkeit: leicht
Zeitaufwand inklusive Sightseeing: 2 Tage
Lange habe ich mir überlegt, dieses Buch, also meine aktuelle »Liebeserklärung« an die Schweiz mit dem Thema »Appenzell« zu beginnen. Gleich als Einstieg sozusagen eine volle Breitseite »Bilderbuch-Schweiz«. Freuen Sie sich darauf, im nächsten Kapitel geht’s gleich los. Sankt Gallen und das Schweizer Bodenseeufer sind aber letztendlich als Einstieg besser geeignet. Liegen beide doch nicht nur in Sichtweite vor unserer südlichen Haustüre, sind also mit ein bis zwei Tankfüllungen Edelsprit ad hoc erreichbar. Der bodenseenahe Teil des Schweizer Nordens hat noch einen weiteren Startvorteil: Er ist im Vergleich zur gleich nördlich angrenzenden deutschen Bodenseeregion touristisch längst nicht derart überlaufen, ja hier am Südufer und im Kanton Sankt Gallen freut man sich regelrecht über jeden Gast. Ganz besonders auch den motorrad- oder töfffahrenden Besucher. Der wird mit typisch Schweizer Gastlichkeit begrüßt, sogar verwöhnt und freut sich anschließend über freie Pisten und herrliche Panoramen. Und ganz nebenbei können wir uns hier auch sehr leicht an eine Schweizer Besonderheit gewöhnen: das berüchtigte Tempolimit 80 km/h auf allen Landstraßen außerhalb von Ortschaften. Alle Details auch dazu gibt es im Anhang des Buches, so viel sei an dieser Stelle dazu nur gesagt: Es wird Sie nach wenigen Kilometern bereits nicht mehr stören.
Die Winter in Sankt Gallen und entlang des Bodensees sind mild, aber regenreich. Zudem zwar schneearm, aber so richtig Spaß am Motorradfahren macht das Klima zwischen Dezember und März selten. Der Frühling beginnt – auch geprägt durch das Mikroklima des Bodensees – ab Mitte März und geht Ende Juni in einen prallen Sommer über, der auch mal die 30°-Marke knackt. Der Herbst ist golden und sonnig, die Motorradsaison endet irgendwann im November mit Regengrau und herbstlich rutschigen Pisten. Genießen Sie Sankt Gallen und die umliegenden Regionen zwischen Mai und Oktober – vielleicht mit einiger Flexibilität und intensiver Wetterbeobachtung vorab.
Sie ist ein Kinderspiel, führt uns über Lindau am Bodensee sowie die B12 nach Bregenz – Achtung: nicht auf die mautpflichtige A14 abbiegen – sowie weiter über die L202 zur Schweizer Grenze bei Sankt Margrethen. Und dort schnurstracks gen Westen, panoramareich über Lutzenberg, Wolfhalden nach Heiden und via Grub, Eggersriet nach Sankt Gallen. Da macht bereits die Anreise Lust auf mehr.
Die Pisten, Haupt- und Kantonsstrassen rund um Sankt Gallen und das Bodenseeufer sind gut ausgebaut, in ordentlichem bis gutem Zustand und uneingeschränkt anfängertauglich. Es gilt wie erwähnt Tempo 80 km/h, geblitzt wird gerne, ja fast ausschließlich von hinten – deshalb darf übrigens das vordere Kennzeichen (in der Schweiz Kontrollschild genannt) auch so winzig ausfallen. Auch innerhalb der Ortschaften wird gerne geblitzt, fahren Sie angepasst und so schnell wie erlaubt, denn die Strafen können drakonisch ausfallen. Das Tankstellennetz ist dicht und werk- wie sonntags in mehr als ausreichendem Umfang verfügbar.
Der Kanton Sankt Gallen zählt flächenmäßig zu den größten der insgesamt 26 Kantone der Schweiz und grenzt im Norden an Deutschland sowie im Osten an das österreichische Bundesland Vorarlberg. Im Westen an den Schweizer Kanton Thurgau, den wir auf unserer Reise ebenfalls streifen. Sankt Gallen wurde 1803 gegründet, seine Grenzen gehen auf ein Dekret von Napoleon Bonaparte zurück. Touristisch liegt der Kanton ein wenig im Schatten seiner Nachbarn Graubünden, Schwyz und vor allem auch Appenzell, gleichwohl er Letzteren komplett umzingelt. Sehenswert sind neben seinem gleichnamigen Hauptort, einer quirligen Kleinstadt mit Hunderten von Erkern sowie langer Geschichte, auch die Städte Wil, Winterthur oder Frauenfeld, der Hauptort des angrenzenden Thurgau. Entlang des Bodensee-Südufers begeistern Kreuzlingen/Konstanz sowie Arbon und auch Romanshorn. Ein Muss ist auch der ausgiebige Boxenstopp im Chocolarium in Flawil – bringen Sie Transport-Kapazitäten mit! – sowie der Rundgang durch den historischen Hafen von Konstanz/Kreuzlingen.
Die Sankt Gallener Bratwurst ist ein kulinarisches Heiligtum der Ostschweiz und wird – um nicht gleich zu Beginn unserer Reise »unangenehm« aufzufallen – bitte ohne Senf verspeist. Und sie ist, so weit ich recherchieren konnte, die einzige landestypische Bratwurst mit eigenem Fanclub. Doch der Kanton kann nicht nur Bratwurst. Probieren Sie auch einmal ein Bier aus der ältesten Brauerei der Schweiz, der Schützengarten AG in Sankt Gallen, gegründet 1779 und bis heute am Markt – das ist Braukunst (www.schuetzengarten.ch). Wer lieber Wein trinkt, hat die Wahl zwischen diversen Rebsorten und Lagen, und über das Thema Schokolade habe ich Ihnen ja auf