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Die Grande Nation als Bikernation! Folgen Sie dem passionierten Motorradjournalisten Heinz E. Studt in die französischen Seealpen, an die Côte d'Azur und entlang der Loire bis zum Atlantik. Genießen Sie das Kurven-Eldorado Cevennen, cruisen Sie auf Napoleons legendären Schleichwegen vom Mittelmeer Richtung Paris. Erfahren Sie 20 der schönsten Regionen Frankreichs. Ein Motorradreiseführer gespickt mit Kilometern, Kulinarik und Kurven.
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Seitenzahl: 321
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Selbst in seinen Küstenregionen ist Frankreich ein prächtiges Motorradparadies.
Heinz E. Studt
40 Touren in 20 Regionenquer durch die Grande Nation
Exklusiv für Sie als Leser:
MIT GPS-DATEN ZUM DOWNLOAD
unter: gps.bruckmann.dePasswort im Impressum
In den Seealpen sollten auch »alte Hasen« im Sattel all ihre Erfahrung mitbringen.
Vorwort
DIE TOUREN
1Das Haute-Savoie
2Rhône-Alpes
3Die Route des Grandes Alpes
4Provence intensiv
5Côte d’Azur intensiv
6Korsika und seine Höhepunkte
7Die unbekannten Cevennen
8Das Aude und die Mittelmeerküste
9Die Kernregion der Pyrenäen
10Dordogne und Périgord
11Die Auvergne
12Das Limousin
13Die Loire von der Quelle bis zur Mündung
14Die Bretagne
15Die Normandie und der Atlantik
16Die Champagne – nüchtern betrachtet
17Das Burgund zur Weinlese
18Die unbekannte Franche-Comté
19Elsass und Vogesen
20Die Mosel von der Quelle bis zur Mündung
Anhang
Register
Impressum
Herzlich willkommen – das gilt in Frankreich ganz besonders auch uns Bikern.
Auch für überzeugte Sozias hat Frankreich viel Abwechslung zu bieten.
Die französischen Seealpen haben viele Motorradfahrer im Repertoire, die legendäre Route des Grandes Alpes steht als Pflichttermin auf nahezu jedem Lebens-Road-book, und die Côte d’Azur nutzen viele von uns gerne, um bereits Ende Januar in frühlingshaften Landschaften die Kurvensaison zu eröffnen. Doch unser Nachbar Frankreich hat so viel mehr zu bieten als gerade einmal diese drei Ziele.
Und gleichwohl Französisch für mich in der Schule ein »Horrorfach« war, reise ich seit 1995 immer wieder gerne Richtung Frankreich, um dort die schönsten, aber gerade auch die unbekanntesten Regionen im Mopedsattel zu erkunden. Nahezu jede meiner inzwischen unzähligen Reisen hat mich diesem faszinierenden Nachbarland ein Stückchen nähergebracht. Mit dem kleinen, aber nicht unbedeutenden Nebeneffekt, dass die französische Sprache seitdem für mich einiges an Fremdheit verloren hat. Vor allem auch dank seiner so motorradbegeisterten Menschen, mit denen wir Biker umgehend ins Gespräch kommen können.
20 der erlebenswertesten Gebiete und Ziele ganz speziell für den erkundungsfreudigen Motorradfahrer habe ich in diesem Buch zusammengetragen. Von den fahrerischen Herausforderungen der Seealpen über die Schönheit der Côte d’Azur, vor allem in der Nebensaison, von der Einzigartigkeit Korsikas bis zu den schönsten Regionen Zentralfrankreichs reicht das Spektrum. Natürlich mitsamt meerumspülter Bretagne und Normandie, mit der Andersartigkeit der Auvergne oder der Dordogne. Ich folgte Frankreichs berühmtestem Fluss, der Loire, von der Quelle bis zur Mündung und entdeckte mit den Pyrenäen einen Hochgenuss, der den Alpen in nichts nachsteht.
Das französische Savoir-vivre fand ich nicht nur auf den Pisten im Burgund und der Champagne, sondern auch ganz nah im Elsass und in den Vogesen sowie bei Madame La Moselle, dem uns vereinenden Grenzfluss. 40 herrliche, oftmals mehr als tagesfüllende Motorradtouren durch 20 der schönsten Region Frankreichs habe ich hier versammelt, auf insgesamt über 15 000 Kilometern schwingen wir einmal im Uhrzeigersinn durch dieses herrliche Tourenland. Lassen Sie sich dabei verwöhnen von meinen über 75 Übernachtungs- und gut 130 handverlesenen Einkehrtipps. Und für die Fans schöner Campingplätze habe ich auch 40 Empfehlungen zusammengetragen.
Denn ganz am Ende dieses Buches sollen Sie ebenso begeistert sein über unseren Nachbarn Frankreich, wie ich es bin. Dass mir das gelingen wird, da bin ich mir fast sicher.
Lassen Sie uns Frankreich entdecken, wie Sie es vermutlich noch nie gesehen haben.
Ganz viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Heinz Studt
Beim Brot mag mancherorts noch etwas deutsche »Nachhilfe« nötig sein, in Sachen Wurst ist das Land ein Feinschmecker-Idyll.
Aufgepasst: Wetterumschwünge sind vor allem in den Bergen sorgsam zu beobachten.
Streckenlänge Die Gesamt-Kilometerzahl der Tour unabhängig von der Anzahl der Übernachtungsstopps
Reine Fahrtzeit Kalkuliert nach der Durchschnittsgeschwindigkeit, die meiner Erfahrung nach vor Ort sinnvoll ist
Zeitaufwand insgesamt Fahrtzeiten plus empfehlenswertes Sightseeing-Programm
Beste Jahreszeit Hierbei habe ich nicht nur klimatische Bedingungen berücksichtigt, sondern auch Hauptreisezeiten und dergleichen.
Im Vordergrund jedes Tourenverlaufs standen natürlich landschaftlich schöne und fahrerisch abwechslungsreiche Streckenführungen. Aber auch das Thema Sightseeing sollte niemals zu kurz kommen – deshalb auch meine zusätzlichen Zeitangaben inkl. Sightseeing – und so wurden sehenswerte Orte und andere touristische Höhepunkte so weit wie möglich in den Verlauf eingebaut. Da die persönliche Zeit, die Sie für Sightseeing aufwenden, durchaus individuell und unterschiedlich ausfallen kann, sind meine Angaben »Zeitaufwand inkl. Sightseeing« reine Schätzungen. Alle Tourenverläufe stehen übrigens als GPS-Downloads auf der Verlags-Website zur Verfügung.
Herrlich: Ein Sommertag im Limousin bleibt in Erinnerung – im Kapitel 12 erleben Sie, warum.
Welch gelungene Kombination: Atemberaubende Landschaften und kurvenreiche Pisten prägen alle Touren dieses Buches.
Eigentlich ganz nah: Gleich hinterm Genfer See erwartet uns das historische Haute-Savoie.
Von Frankreich einst annektiert, auf dem Wiener Kongress dem Königreich Sardinien-Piemont zugeteilt und von der Schweiz als frei verfügbare Pufferzone für Kriegsfälle deklariert, hatte es das Haute-Savoie niemals leicht, sich eigenständig zu entwickeln. Um 1860 kam es dann zu Frankreich und wurde mitsamt einigen Nachbarprovinzen zum Département Nr. 74. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war das Haute-Savoie eine der ärmsten Regionen der »Grande Nation«. Berühmt-berüchtigt unter anderem dafür, dass viele Eltern ihre Kinder als Schornsteinfegergehilfen, als sogenannte »lebende Kaminbesen«, nach Paris und in andere Metropolen des Landes in ihrer Not verkaufen mussten, obwohl die Kinder diesen Job oftmals nicht überlebten.
Mit Edelwässerchen das Windshield putzen – in Evian-les-Bains für lau zu haben.
Herrlicher Col de Trechauffe – hier treffen sich die Kenner der Region.
Ein Beleg dafür, wie groß die Verzweiflung der Landbevölkerung gewesen sein muss. Davon ist heutzutage aber nur noch in den Geschichtsbüchern zu lesen. Kastanien, Wein, Viehzucht, aber auch Feinmechanik für die Automobil- und Uhrenindustrie ermöglichen den Menschen heute ein vergleichsweise bequemes Auskommen. Und natürlich nicht zu vergessen der Tourismus vor allem im Süden des Genfer Sees sowie rund um den Mont Blanc.
Gut 30 Pässe zählen manche Routenplaner allein in der Region Haute-Savoie auf, und wenngleich einige davon eher unscheinbaren Maulwurfshügeln gleichen mögen, Potenzial für eine ganze Tourenwoche liegt hier gleich um die Ecke. Vor allem auch in Kombination mit lohnenden Exkursionen an den herrlichen Genfer See samt ausgiebigen Besichtigungen so geschichtsträchtiger Orte wie Evian-les-Bains oder auch unseres Basislagers Thonon-les-Bains. Für die fahrerisch simpel zu navigierende Umrundung des Genfer Sees sollten Sie unbedingt einen ganzen Tag einplanen. Aber auch Chamonix im Süden oder das östlich angrenzende Wallis gehören auf unser Roadbook, wenn wir schon einmal in der Gegend sind.
Gemäßigt mild, aber mit bereits alpinen Einflüssen präsentiert sich das Klima der im Durchschnitt gut 800 m hoch liegenden Region. Der Frühling beginnt spätestens ab Mai, die Sommer sind sonnig und mit durchschnittlich 25 °C angenehm temperiert, ohne richtig heiß zu werden. Der Herbst verzaubert bis Ende Oktober mit oftmals warmen und sonnenverwöhnten Tagen, ab November wird es regenreicher, ab Dezember ist auf den Höhen mit Schnee und Eis zu rechnen.
Bikers beste Reisezeit liegt zwischen Mai und Oktober, und selbst zur Hauptreisezeit wird es hier kaum jemals proppenvoll sein.
Start und Ziel: Thonon-les-Bains
Schnellste Anreise: Lindau – A1 Zürich – Bern A12 Vevey – Montreux – Thonon-les-Bains
Mein Hotel-Tipp dort: Ibis Hotel, Avenue d’Evian 2, 74200 Thonon-les-Bains
Mein Campingplatz-Tipp dort: Camping Disdille, F-74200 Thonon-les-Bains, www.disdille.com
Mein Einkehrtipp dort: Restaurant L’Antre Amis, Place des Arts 9, F-74200 Thonon-les-Bains
Streckenlänge: 200 km
Reine Fahrtzeit: ca. 4–5 Std.
Optionaler Übernachtungsstopp: La Roche-sur-Foron
Mein Hotel-Tipp dort: Hotel Les Afforets, Rue de l’Égalité 101, F-74800 La Roche-sur-Foron, www.hotel-larochesurforon.com
Schwierigkeitsgrad: leicht, wenige Abschnitte mittelschwer
Zeitaufwand inkl. Sightseeing: 1 Tag
Denkmal für einen »Wandergesellen«: Bernhard von Aosta gründete auch das Hospiz auf den Col du Petit Saint-Bernard.
Kommt Ihnen der Name unseres Basislagers auch irgendwie bekannt vor? Korrekt – es ist der Einstiegsort der legendären RdGA, der Route des Grandes Alpes, die auf unserem Lebens-Roadbook nicht fehlen sollte. Und die uns im übernächsten Kapitel dieses Buches besonders faszinieren wird. Ein wenig Geduld bitte noch …
Thonon-les-Bains selbst ist ein beschauliches, typisch französisches Städtchen mit herrlichem Seeblick, das uns abseits des Mopedsattels alle Annehmlichkeiten zu bieten hat. Im Infokasten finden Sie dazu meine Übernachtungs- und Einkehrtipps.
Direkt am Seeufer entlang beginnen wir mit unserer heutigen Rundreise und verlassen Thonon-les-Bains Richtung Osten. Über Séchex und Excenevex erreichen wir Yvoire, ein wahrlich bezauberndes Dorf, das trotz seiner heutzutage recht touristischen Ausrichtung einen Rundgang lohnt. Aber nur zu Fuß, denn das gesamte Künstlerdorf ist nur für Fahrzeuge seiner Bewohner freigegeben.
Wie direkt dem Mittelalter entsprungen präsentieren sich uns die engen, kaum mehr als lenkerbreiten Gassen mit zahlreichen Künstlerateliers, Handwerksläden, Cafés und winzigen Kneipen. Und sofern nicht gerade ein Rentner-Reisebus seine Ladung am Ortseingang abgeworfen hat, können wir Yvoire fernab der Hektik unserer Tage bequem und ausgiebig erkunden, und ich behaupte sogar: Ein Spaziergang durch Yvoire gleicht einem Ausflug in eine längst vergangene Zeit.
Noch immer gibt das Ufer des Genfer Sees unsere Fahrtrichtung vor, über Chens-sur-Léman erreichen wir die Schweizer Grenze und huschen zu einer Stippvisite hinein nach Genf, der nach Zürich zweitgrößten Stadt der Schweiz. »Hauptstadt des Friedens« wird der europäische Sitz der UNO und Hauptsitz des Roten Kreuzes genannt. Der »Jet d’Eau«, eine Wasserfontäne von 140 m Höhe ist das Symbol der kleinsten Metropole der Welt, von seinem Standort aus hat man den vielleicht sogar schönsten Blick auf die Stadt. Im Herzen der Altstadt rund um den Place du Bourg de Four laden Seepromenaden, Parks und quirlige Altstadtgassen zum Flanieren ein – falls Sie denn einen Parkplatz für das Motorrad finden, was nicht immer einfach ist.
Welch facettenreicher See
Durchschnittlich elf Jahre sollen die Wasser der Rhône benötigen, um einmal von Ost nach West durch den Genfer See zu fließen. Hauptsächlich sie sind es, die den mit gut 600 qkm größten See der Schweiz speisen. Neben Frankreich, dem knapp 40 % des Genfer Sees gehören, teilen sich drei Schweizer Kantone – Genf, Wallis und mehrheitlich das Waadt – den Rest. Vor allem an den Wochenenden trifft sich entlang der Uferstrecken des Sees gerne auch der Schweizer Töfffahrer zu Benzingesprächen in herrlicher Umgebung.
Vevey und Montreux sind natürlich die touristischen Perlen am Schweizer Ufer des Genfer Sees mit fantastischem Alpenpanorama und bereits deutlich mediterranem Klima. Genießen Sie einen Boxenstopp an der mit Palmen und Blumen geschmückten Seepromenade, die sich entlang der ganzen Uferstrecke von Vevey bis nach Montreux zieht. Cafés laden zum Verweilen ein, stolze Schaufelraddampfer zu einem Ausflug auf den malerischen Genfer See. Veveys vermutlich berühmtester Einwohner war übrigens Charlie Chaplin, der hier die letzten 25 Jahre seines Lebens verbrachte. Am Seeufer steht sein Denkmal.
Bei Annemasse im Südosten von Genf haben wir bereits wieder französischen Boden unter den Reifen und widmen uns den ersten Kurven- und KehrenKonglomeraten dieses Tages. Übrigens werden in diesem Buch noch viele folgen, sehr viele! Freuen Sie sich schon mal ein »Loch in den Bauch«. Apropos:
Mein Einkehrtipp in Annemasse: Restaurant Pure Gourmandise am Place Jean Jacques Rousseau 8.
Acht Kehren erwarten uns auf der Piste von Annemasse Richtung La Croisette und weiter nach La Muraz, zwei verträumten Bergdörfern abseits allen Trubels. Übrigens: Den metergenauen Verlauf meiner geplanten Touren können Sie sich als GPS-Download auf Ihr Navigationssystem »schaufeln«, wenn Sie mögen.
Nahezu jede der Pisten hier im Haute-Savoie trägt das »Grüne Band«, die Auszeichnung für besondere landschaftliche Schönheit, sodass Sie ganz einfach auch einmal dem schönsten Ausblick folgen können, ohne sich exakt an meine Routenplanung zu halten. Sie können fahrerisch keine falsche Entscheidung treffen. Meine Tour schwingt nun über Le Vernay und La Chapelle-Rambaud hinab nach La Roche-sur-Foron. Das sehenswerte Städtchen besitzt ein gut erhaltenes mittelalterliches Zentrum mit Überresten der einstmals gewaltigen Stadtbefestigung, der Porte Saint-Martin sowie unzähligen imposanten Bürgerhäusern mit reichverzierten Fassaden, wie z. B. das Maison des Chevaliers und das Maison Boniface. Die sogenannte Grenette, eine alte Kornhalle, stammt aus dem Jahr 1832 und ist damit noch zehn Jahre älter als das Hôtel de Ville der Stadt, das Rathaus.
Nix für Warmduscher: Das Wasser des Lac de Roselend erreicht im Sommer gerade einmal Rotwein-Temperatur.
Hinab geht es ins Arvetal, wir folgen den Wegweisern nach Bonneville. Nein, die Stadt hat nichts gemein mit der inzwischen weltberühmten Motorradserie, die heute exklusiv von der britischen Zweiradschmiede Triumph gebaut wird. Bonneville ist ein beschauliches Städtchen, in dem das Leben wohl noch niemals übermäßig laut brummte. Biker sind herzlich willkommen, das Motorrad findet ein sicheres Plätzchen am riesigen Place de l’Hôtel de Ville. Wie wäre es nun mit einem Rundgang durch das sehenswerte Zentrum samt Einkehrschwung? Mein Einkehrtipp in Bonneville: Restaurant Bière et Montagne am Place de l’Hôtel de Ville.
Fahrverbote im Arvetal drohen
Seit Juli 2016 gibt es in Frankreich mehr und mehr offiziell gekennzeichnete Umweltzonen, in denen Fahrzeuge – auch die von Touristen sowie Motorräder – explizit nur mit einer Feinstaubplakette, der sogenannten Crit’Air-Plakette fahren dürfen. Neben Großstädten wie Paris oder Grenoble hat inzwischen auch das Arvetal Zonen ausgerufen, die kurzfristig für alle Fahrzeuge ohne Crit’Air-Plakette gesperrt werden können. Mit drastischen Bußgeldern bei Missachtung. Informieren Sie sich am besten mindestens drei Wochen vor Reiseantritt über die aktuelle Situation bzw. ordern Sie online die Plakette für Ihr Motorrad. Mehr Details dazu im Anhang.
Über Marignier und den Ostrand von Cluses erklimmen wir dann wieder die Höhenzüge des Haute-Savoie. In Cluses schließt übrigens die erste Tour des kommenden Kapitels nahtlos an und bietet eine herrlich einfache Kombinationsmöglichkeit. Wir widmen uns nun aber meinem eingangs erwähnten »Versprechen« – der Vielzahl an Pässen im Haute-Savoie. Über Saint-Jeoire-en-Faucigny und Viuz-en-Sallaz geht es dazu weiter nach Villard und in einem weiten Bogen gen Westen über Marclay, Brenthonne und Cervens zum Doppelpack Col de Cou und Col des Moises, die auf zwei Parallelstrecken an der D246 liegen. Der Cou weist fünf waschechte Kehren auf, der Moises immerhin schon sieben. Wählen Sie einen oder auch beide und genießen Sie die Fahrt über die gut 1120 Meter hoch liegenden Scheitel. Beide Pässe sind, wie so viele auch namenlose Höhepunkte des Haute-Savoie, ein perfektes Trainingsgelände für die hohe Kunst des alpinen Motorradfahrens.
Das gilt auch für den Col de Terramont und den Col du Feu auf nahezu gleicher Höhe, die unseren nachmittäglichen Heimweg Richtung Thonon-les-Bains garnieren. »Wie denn, jetzt schon?«, werden Sie vermutlich fragen. Aber nicht nur der Col du Feu schenkt uns nochmals neun Spitzkehren plus herrlich liegender Pausenplätze, auch das Städtchen Allinges auf unserem Heimweg lohnt einen ausgiebigen Boxenstopp. Eines der Highlights des Dorfes und seiner Umgebung ist sicherlich der sich immer wieder ergebende prächtige Ausblick auf den Genfer See. Den genossen wohl auch schon die Bauherren der beiden oberhalb von Allinges auf dem Hügel nur noch in Ruinen existierenden ehemaligen Burganlagen Château Vieux und Château Neuf sowie der romanischen Kapelle Saint-François-de-Sales. Ihre Steine können unendlich viele Geschichten erzählen, lauschen Sie Ihnen doch einfach bei einem ausgiebigen Spaziergang. Bewegung soll ja gesund sein, hört man …
Tja, und dann senkt sich die Straße ganz allmählich wieder Richtung französischem Ufer des Genfer Sees, und unser Basislager wartet auf eine ausgiebige Erkundung. Nehmen Sie sich Zeit, stärken Sie sich ordentlich, denn der morgige Tag wird mit über 360 km die erste Herausforderung dieses noch »jungen« Buches.
Es gibt viel zu entdecken: Auf Abwegen unterwegs im Hinterland von Chamonix
Start und Ziel: Thonon-les-Bains
Schnellste Anreise: Lindau – A1 Zürich – Bern A12 Vevey – Montreux – Thonon-les-Bains
Mein zweiter Hotel-Tipp dort: Hotel Côte Sud Léman, Rue du Pamphiot 6, F-74200 Thonon-les-Bains, www.hotel-thonon.com
Mein zweiter Campingplatz-Tipp dort: Camping Disdillou, Avenue de Saint-Disdille 98, F-74200 Thonon-les-Bains, www.ledisdillou.com
Mein zweiter Einkehrtipp dort: Restaurant Le Prieure, Grand Rue 68 – etwas teurer, aber sehr lecker
Streckenlänge: 365 km
Reine Fahrtzeit: ca. 8 Std.
Optionaler Übernachtungsstopp: Martigny
Mein Hotel-Tipp dort: Hotel Vatel Martigny, Rue Marconi 19, CH-1920 Martigny, www.hotelvatel.ch
Schwierigkeitsgrad: mittelschwer bis anspruchsvoll
Zeitaufwand inkl. Sightseeing: 1½ Tage
Elf echte Alpenpässe bis hinauf auf knapp 1800 m Höhe und 365 Tourenkilometer insgesamt machen aus dieser Rundtour ein mehr als tagesfüllendes Erlebnis. Falls Sie dieses auf zwei Tage aufteilen möchten, wird Sie rechtzeitig im herrlichen Schweizer Städtchen Martigny z. B. mein Übernachtungstipp erwarten – inklusive Einkehrtipp, versteht sich.
Über die Weiler Chateau-Vieux und Vinzier verlassen wir unser gastliches Thonon-les-Bains und genießen prächtige Kurvengemenge gepaart mit schönen Ausblicken auf den Genfer See in unserem Rückspiegel. Über Chevenoz und Vacheresse im Grenzland zwischen Haute-Savoie und der Schweiz geht es erst einmal hinüber zum Doppelpack Col du Grand Taillet und Col de Tréchauffé, zwei äußerst aussichtsreiche und gemütlich zu fahrende Pässe.
Sowohl der Col du Grand Taillet als auch die Sackgasse zum Col de Tréchauffé sind spärlich bis gar nicht ausgeschildert, deshalb suchen Sie im Städtchen Vacheresse einfach nach dem Wegweiser Richtung Le Fion, La Forclaz und La Vernaz. In wenigen, weit ausholenden Kurven beginnt der Aufstieg samt ersten Kehren. Bitte die Knie an den Tank nehmen, der Kurventanz begeistert absolut.
Im Umfeld der unscheinbaren Passhöhe des Grand Taillet zweigt die Sackgasse zum Col de Tréchauffé ab, folgen Sie bitte dem Wegweiser Route Touristique Panorama. In der darauffolgenden weiten Linkskurve unbedingt den Seitenständer ausklappen und den Rundumblick über einen faszinierend steilen Abgrund sowie den Genfer See ganz in der Ferne genießen. Bänke laden zum Pausieren ein. Nach weiteren 3 km stehen wir dann am Col de Tréchauffé inmitten herrlich liegender Almhütten ganz am Ende einer Sackgasse.
Retour auf der D122 wedeln wir über den Col du Grand Taillet hinab nach La Forclaz, am einsamen Lac du Jotty entlang nach La Baume und wählen dort den Aufstieg zum Col du Corbier, immerhin schon Pass Nr. 3 an diesem Morgen.
Der Col du Corbier zählt zu den bekanntesten Scheitelpunkten in der mit Pässen so reich gesegneten Region Haute-Savoie. Die gut ausgebaute Straße verbindet die beiden beschaulichen Bergdörfer Seytroux und Bonnevaux miteinander und begeistert sogar durch eine Handvoll waschechter Spitzkehren auf beiden Seiten des Passes. Das Highlight dieses Passes ist aber sicherlich die schöne, fast schon alpine Landschaft auf ca. 1200 Hm, in der dieser Col du Corbier liegt. In Kombination mit der erlebenswerten Streckenführung bietet sich hier ein Motorradvergnügen der geruhsamen und auch Fahranfänger wohl niemals überfordernden Art.
Auf der Ostrampe erwarten uns neben acht echten Spitzkehren vor allem auch die Ausblicke auf das mächtige Tal von Abondance und die imposante Bergwelt rund um die Schweizer Grenze. Mit gerade einmal 250 Einwohnern gehört Bonnevaux zu den kleinsten Gemeinden des Département Haute-Savoie. Hier ticken alle Uhren umgehend deutlich gemütlicher und Überholspuren oder gar Hektik sucht man im und rund um den Ort vergebens. Schauen Sie sich unbedingt ausgiebig um. Mein Einkehrtipp in Bonnevaux: La Cuisine d’Alix in der Auberge de la Haute-Joux, Rue du Jura 2 .
Dann queren wir die Schweizer Grenze und wedeln hinab ins Rhônetal und nach Martigny. Natürlich via Troistorrents, Les Giettes und Vérossaz mit weiteren 20 Kehren und ungezählten Kurven. Haben Sie genug für heute? Vielleicht prüfen Sie einmal meine Tipps für Einkehr und Übernachtung in Martigny und gehen den zweiten Teil unserer Runde morgen frisch gestärkt an.
Doch zunächst werfen wir einen Blick auf diesen geschichtenreichen Verkehrsknotenpunkt namens Martigny. Über 2000 Jahre füllen die Chronik des sehenswerten Waliser Städtchens samt dem Schloss Bâtiaz und der Wassermühle Semblanet. Und nicht zu vergessen, das Musée et Chiens du Saint-Bernard mit Exponaten zum berühmtesten Lawinenhund der Welt, dem Bernhardiner namens Barry. Mein Einkehrtipp in Martigny: Crêperie Le Rustique in der Ave. de la Gare 44.
Für unsere Motorradtour sollten wir zügig aufbrechen, denn die Rushhour morgens und abends darf nicht unterschätzt werden. Und die Piste hinauf zum Col de la Forclaz am Westrand der Stadt können wir ohne Dosenfahrer noch viel mehr genießen. Der Pass verbindet das westliche Wallis mit den Savoyer Alpen in Frankreich und stellt eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen dem Genfer See, dem Rhônetal und Chamonix dar. Seine Schokoladenseite ist zweifelsohne die Ostrampe von Martigny kommend, durch horizontweite Weinberge bergan. Parkbuchten entlang der Strecke erlauben auch den gefahrlosen, ausgiebigen Rundumblick. Vor allem im Herbst zur Weinlese wuselt es in den oftmals steilen Hängen vor Menschen und kleinen Traktoren. Dann präsentiert sich das Land von seiner wohl farbenfrohesten Seite.
Durchaus anspruchsvoll auf seinen Rampen, echt idyllisch entlang seiner Scheitelhöhe – der Col de Joux Plane
Nach gut 7 km verlassen wir die Weinberge und tauchen ein in dichten, schattigen Wald, der uns bis unter die Passhöhe begleitet. Dort befinden sich ein paar Häuser, eine Imbissbude sowie ein Gasthof mit einigen Zimmern. Das Ganze eher Marke »unspektakulär«. Doch das wird sich Richtung Chamonix noch ändern – versprochen!
Bevor uns das französische Bergsport-Paradies Chamonix begrüßen kann, dürfen wir mit dem Col des Montets noch einen kleinen, auf 1461 m liegenden Zwischenpass mitnehmen, der uns auf landschaftlich und fahrerisch abwechslungsreicher Strecke präsentiert wird. Dann aber beginnt der Rummel von Chamonix, den Sie sich kurz gönnen sollten. Es ist eine Schau! Mein Einkehrtipp in Chamonix: Salé du Sucré in der Ave. Michel Croz 204.
Anschließend liegt noch eine ordentliche Portion der schönsten Pässe der Region Haute-Savoie direkt vor unseren Reifen. Dazu müssen wir eine kurze Strecke verkehrsreichen Trubels namens N205 hinter uns bringen und über Le Plagnes und Sallanches den Südrand von Cluses erreichen. Mein Tipp: die Nebenstrecke über Servoz und Passy. Kurz vor den ersten Häusern von Cluses – Sie erinnern sich, wir kommen im nächsten Kapitel hierauf zurück – setzen wir den Blinker rechts und schwingen über ein Potpourri aus Kurven und elf Kehren nach La Frasse, Saint-Sigismond, Châtillon-sur-Cluses und weiter nach Samoëns. Der beschauliche Ort ist heute unser Südeinstieg zu einem Kehrengemenge, das Ihnen noch lange in Erinnerung bleiben wird. Folgen Sie bitte hoch konzentriert dem Wegweiser nach Morzine.
26 Kehren später haben wir uns eine Pause im sehenswerten Bergdorf Morzine redlich verdient. Morzine selbst hat sich als Etappen-Zielort der Tour de France einen Namen gemacht. Ein mittäglicher Boxenstopp gefällig? Mein Einkehrtipp in Morzine: Dotty’s Coffee House in der Rue du Bourg 152.
Kulturgut: Historisches Firmengebäude der Edelwasser-Abfüllung in Evian-les-Bains
Martigny am frühen Morgen – die quirlige Stadt verbindet das Wallis mit dem Haute-Savoie.
Und immer, wenn das Gelände vor dem Windshield eine freie Aussicht erlaubt, sollten Sie Ihren Blick Richtung Süden schweifen lassen. Dort fern am Horizont leuchtet an klaren Tagen das schneeweiße Massiv des Mont Blanc, auf den man von hier aus fast einen schöneren Blick hat als direkt aus Chamonix heraus.
40 Spitzkehren verteilt auf 29 km Strecke und gute 800 Hm Differenz – das alles hält die Runde über den Col de la Joux Verte anschließend für uns bereit. Aber bitte nur, wenn Sie eine ordentliche Portion alpiner Erfahrung mitbringen. Der Col de la Joux Verte war mit seinen durchaus anspruchsvollen 1760 Hm auch schon Bestandteil der legendären Tour de France und ist deshalb auch bei französischen Rennradfahrern sehr beliebt.
Die Passstraße bildet ab Montriond eine weite Schleife nach Westen, die über das Bergdorf Avoriaz nach Morzine führt. Nicht zu verwechseln bitte mit der ausgeschilderten, direkten Verbindung von Morzine und Montriond, deren Ortsgrenzen beinahe miteinander verschmelzen. Die unscheinbare Passhöhe nahe des Bergdorfes Avoriaz ist rasch überquert und damit auch das schwierigste Gemenge an Spitzkehren auf engstem Raum. Zügig geht es weiter Richtung Montriond sowie gen Westen. Dort erwarten uns zum Ausklang des Tourentages noch der Col de l’Encrenaz, der Col de la Ramaz sowie der Col de Jambaz, allesamt gut geeignet, um diesen abschnittsweise recht anspruchsvollen Tourentag genüsslich ausklingen zu lassen.
Der Mont Blanc und der ewige Streit
Der Mont Blanc auf der Grenze zwischen Frankreich und Italien ist mit 4810 m der höchste Berg der Alpen. Sowohl Frankreich als auch Italien reklamieren dabei seine Gipfelregion für sich, sodass der Mont Blanc sowohl der höchste Berg Frankreichs als auch Italiens wäre. Da sein Gipfel aus ewigem Eis besteht, ist seine Höhe deutlichen Schwankungen unterworfen, die zwischen 4790 und 4812 m liegen können.
Der Mont Blanc wurde 1606 erstmals auf einer Karte eingezeichnet und als Montagne Maudite, als »verfluchter Berg« bezeichnet, dessen Betreten als äußerst gefährlich galt, da unter seinem Gletscher Drachen und launige Geister wohnten, die keinerlei Besuch duldeten. Um 1760 begannen Bergsteiger mit ihren oftmals tödlichen Versuchen, den Mont Blanc erstzubesteigen. Im Juni 1786 versuchten es zwei Gruppen von relativ niedrigen Höhen aus erneut vergeblich, da Übernachtungen rund um den Gletscher immer noch aufgrund der Geister- und Gespenstergeschichten des Berges für unmöglich galten. Am 7. August 1786 brachen Bergsteiger direkt von Chamonix aus auf, übernachteten trotz aller Warnungen auf 2300 m Höhe und erreichten anderntags über die Nordflanke des Mont Blanc um 18:23 Uhr als Erste den Gipfel.
Ewiger Zankapfel: Gehört der Mont Blanc zu Frankreich oder Italien? Für unseren Tourengenuss ist das egal.
Vor allem oben am Col de l’Encrenaz auf 1435 m Höhe klappen Sie bitte unbedingt den Seitenständer aus und genießen die Aussicht oder auch den Einkehrschwung in der Ancrenaz-Bar. Die Wirtsleute brauen einen wirklich guten Kaffee und bieten dazu einige Snacks sowie echte Gastfreundschaft.
Der Col de la Ramaz wird gerne auch als Col de la Savolière ausgeschildert und beschrieben, letzterer ist wohl der bekanntere Name. Der in Teilbereichen sogar leicht anspruchsvolle Pass erfreut mit zahlreichen Kehren sowie imposanten Lawinengalerien, umgeben von einem weiten Hochtal mit Almen. An der eigentlichen Passhöhe an der D308 befinden sich Parkplätze, die auch von Wohnmobilen gerne genutzt werden.
Den Col de Jambaz nehmen wir als letzten Höhepunkt auf unserem Heimweg einfach kurzerhand mit. Das Angenehme an der gut ausgebauten Rampe auf beiden Seiten des Passes ist, dass wir uns weniger auf die sehr leicht zu fahrende Ideallinie, als vielmehr auf die prächtige Landschaft rechts und links des Lenkers konzentrieren können. Denn atemberaubend enge Kehren oder gar Steilanstiege besitzt der Pass auf keiner der beiden Seiten.
Über Bellevaux im lieblichen Vallée du Brevon erreichen wir dann wieder unser Basislager in Thonon-les-Bains. Oder werfen Sie doch noch einen Blick ins naheliegende Evian-les-Bains. Es lohnt sich in mehrfacher Hinsicht. 1789 wurde die Heilkraft der Quellen von Evian entdeckt, und schon innerhalb weniger Jahre stieg der verschlafene Ort zu einem weithin bekannten Zentrum europäischer Bäderkultur auf. Rund 15 Jahre soll das Wasser alt sein, wenn es nach einer Reise durch alle Gesteinsschichten der französischen Nordalpen hier ans Tageslicht tritt. Und wie in alten Zeiten darf jedermann seinen persönlichen Tagesbedarf auch heute noch kostenlos zapfen.
Franzosen und Holländer kennen und lieben ihn bereits – den Lac d’Annecy und seine Bergwelt.
Bis Ende 2015 war die französische Region Rhône-Alpes im Südosten des Landes eigenständig, zum 1. 1. 2016 wurde sie mit der Region Auvergne zur drittgrößten Frankreichs zusammengeschlossen. Annecy liegt im Nordosten der Region Auvergne-Rhône-Alpes im Randbereich der Seealpen, die Stadt selbst ist Hauptstadt des Département Haute-Savoie und wurde 2012 zur Alpenstadt des Jahres gekürt. Vor allem die bis zu 2750 m aufragenden Felsengipfel der Chaîne des Aravis sowie das mit 2200 Hm etwas moderatere Massif des Bauges prägen das Tourengebiet rund um den malerisch gelegenen Lac d’Annecy. Mit Landstraßen und recht einsam liegenden Panoramastrecken ist die Region reich gesegnet und bietet Motorrad- und Radfahrern ein prächtiges Touren- und Trainingsrevier.
Annecy und sein See sind ebenso eine ausgiebige Erkundung (und Umrundung) wert, wie die Städtchen Bonneville und Cluses ganz im Norden. Der Lac d’Annecy gehört zudem zu den saubersten Seen der Alpen und verfügt über eine exzellente touristische Infrastruktur, die den Reiz der gesamten Region nochmals erhöht. Die im Text beschriebenen Pässe gehören zu den unbekanntesten – und oftmals einsamsten – Höhepunkten der Seealpen und stellen eine perfekte Ergänzung zu der östlich verlaufenden Route des Grandes Alpes sowie dem Tourengebiet der Haute-Savoie gleich südlich des Genfer Sees dar (siehe auch Kapitel 1).
Das Klima ist gemäßigt alpin, die Winter auf den Pässen teilweise schnee-/niederschlagsreich. Der Frühling beginnt ab April und befreit selbst die hoch gelegenen Pässe ab Mai von letztem Schnee und Eis. Die Sommer sind sonnenreich und warm, rund um den Lac d’Annecy kann im Juli und August auch einmal die 30 °C-Marke geknackt werden.
Die beste Reisezeit sind Mai und Juni sowie ab Ende August bis Ende Oktober. Während der französischen Sommerferien in den Monaten Juli und August kann es rund um Annecy proppenvoll werden.
Unbekannte Pracht: Auf dem Weg zum Col de l’Epine geht wohl jedem Tourenfahrer das Herz auf.
Gleich duscht es! Das Gewölk am Col des Annes unterstreicht die Einzigartigkeit des Passes.
Eingebaute Vorfahrt: Rindviecher samt Biker auf dem morgendlichen Weg zur Passhöhe des Col de la Colombière
Annecy und den gleichnamigen See als Basislager zu wählen, hat mindestens zwei erwähnenswerte Vorteile: die Stadt bietet uns abends nach der Tour alle Annehmlichkeiten, die wir uns wünschen, und der See vor allem an heißen Sommertagen so manche Gelegenheit zu einem herrlich erfrischenden Bad.
Lässt man einmal den französischen Teil des Genfer Sees außer Betracht, ist der Lac d’Annecy mit gut 28 qkm der immerhin sechstgrößte See Frankreichs. Ausschließlich gespeist von Gebirgsflüssen und gänzlich frei von Abwasserzuleitungen besitzt der See eine geprüfte Trinkwasserqualität, die ihn zu einem der saubersten Badeparadiese der französischen Seealpen macht. Das hat natürlich den Tourismus rund um den See erblühen lassen. Am Nordufer drapiert sich das 51 000-Seelen-Städtchen Annecy vor dem Windshield, das zu all der landschaftlichen Vielfalt noch satte 900 Jahre Geschichte spendiert. 2012 wurde Annecy übrigens zur »Alpenstadt des Jahres« gekürt. Vollkommen zu Recht, wie ich finde.
Start und Ziel: Annecy
Schnellste Anreise: Via Basel und Schweizer Autobahn A2/A1 nach Genf sowie über die französische A41 nach Annecy
Mein Hotel-Tipp dort: Hotel Des Alpes, Rue de la Poste 12, F-74000 Annecy, www.hotelannecy.com
Mein Campingplatz-Tipp dort: Campingplatz Au Cœur du Lac an der Route d’Albertville direkt am See, www.campingaucoeurdulac.com
Mein Einkehrtipp in Annecy: Restaurant Sur les Pas de la Petite Botte, Ave. d’Alery 4 – sperriger Name voller Genuss
Streckenlänge: 210 km
Reine Fahrtzeit: ca. 4 Std.
Optionaler Übernachtungsstopp: Cluses
Mein Hotel-Tipp dort: Hotel Le Quatre C, Boulevard de Chevran 301, F-74301 Cluses, www.hotel-4c.fr
Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittelschwer
Zeitaufwand inkl. Sightseeing: 1 Tag
Am Ostufer des Sees suchen wir uns den Weg über Veyrier-du-Lac hinauf in die Berge, wir folgen den Wegweisern Richtung Thônes und lassen umgehend sämtlichen touristischen Trubel hinter uns zurück. Das nenn ich Genuss – trödeln Sie bitte aber nicht zu lange, denn mit immerhin sechs Pässen besitzt diese nur auf den ersten Blick unscheinbare Rundtour viele Höhepunkte. Der erste liegt bald darauf bereits vor uns: das bildhübsche Alpenstädtchen Thônes.
Erstmals urkundlich erwähnt wird Thônes im Jahr 1066 als »sehenswerter« Markt im Bornes-Massiv. Während des Mittelalters erlebte es seine Blütezeit mit Marktrechten und Gerichtsbarkeit. Auch ein großer Stadtbrand im Jahr 1453, bei dem fast alle Häuser zerstört wurden, konnte Thônes nicht von den Landkarten tilgen. Der Bau einer Trambahnlinie von Annecy nach Thônes brachte ab 1898 Touristen in die Stadt, 1906 eröffnete man hoffnungsvoll das erste Touristenbüro, und 1913 erwarteten bereits sieben Hotels den Reisenden. Dass die Trambahnlinie 1930 wegen Unrentabilität eingestellt wurde – Schwamm drüber, Thônes hatte seinen Platz im Alpentourismus gefunden. Mein Einkehrtipp in Thônes: Restaurant Le Kar’Pat’Ciao in der Route d’Annecy – sehr leckere Wortspiele inklusive.
Für heute mag es allerdings noch zu früh für einen Restaurantbesuch sein, merken Sie sich den Tipp dennoch. Stattdessen wählen wir die Landstraße D909 hinauf nach Le Grand-Bornand, dem Tor zu unserem ersten Pass, unserer ersten fahrerischen Herausforderung des noch jungen Tages. Nahe dem Zentrum von Grand-Bornand zweigt eine Piste rechts ab Richtung Golfplatz und hinauf zum Col des Annes, einem Sackgassen-Vergnügen, das wir uns nun gönnen werden.
Der Aravis gehört zu den bekanntesten Pässen der Region – und zu den beliebtesten Bikertreffs …
Sechs waschechte Kehren sowie einige blutdrucksteigernde Engstellen gilt es mit Geduld zu meistern. Vor allem auch morgens oder abends, wenn der auf der Passhöhe in atemberaubender Aussichtslage lebende Milchbauer seine Rindviecher auf die Weiden oder von dort heimwärts trotten lässt. Dann ist für Biker und Kuh nebeneinander oftmals schlichtweg keinerlei Raum. Ganz zu schweigen von der Eigenart aller Kühe, durch fortgesetzte Bewegung ihre Verdauung in Schwung zu bringen. Sie wissen, was ich meine, oder?!
Oben auf der Passhöhe erwartet uns wenig Raum, das Motorrad zu parken, dafür eine bodenständige Gelegenheit zum Einkehrschwung mit einfacher Hüttenkost und grandioser Aussicht. Und Hardcore-Enduristen können im Gespräch mit den Wirtsleuten diskutieren, ob sie den Nordabstieg vom Col des Annes Richtung Le Reposoir wagen sollen. Technisch soll das für leichte Enduros kein großes Problem darstellen, erwähnt sei allerdings, dass die Piste oftmals gesperrt ist. Vielleicht sollten wir uns einfach daran halten, zumal es hier in der Region Rhône-Alpes so unendlich viele Möglichkeiten gibt, sich on- wie offroad gebührend auszutoben.
Retour in Le Grand-Bornand folgen wir dem Wegweiser zu unserem nächsten Highlight, dem Col de la Colombière. Radsportfreunde werden beim Klang seines Namens aufhorchen, denn über 20-mal war er bereits Bestandteil der legendären Tour de France. Und das, gleichwohl er mit nur gut 1600 Hm kaum als echte Bergetappe durchgehen würde. Er verbindet das Tal der Borne bei Le Grand-Bornand mit dem Tal der Arve bei Cluses, und sein fahrerischer Anspruch liegt vor allem in der Nordrampe. Die ist nicht nur abschnittsweise mehr als ordentlich steil, sie überwindet hinab in das Städtchen Cluses auch gute 1200 Hm – in Kombination mit 23 waschechten Spitzkehren, sofern Sie die Piste über die Weiler Romme und Nancy-sur-Cluses wählen. Erfahrenen Bikern sei dieser Weg auf jeden Fall empfohlen.
Und falls die bewirtschaftete Berghütte oben auf dem Colombière, die ein beliebter Motorradtreff ist, bei Ihrem Besuch auch noch geschlossen hat, suchen Sie den Einkehrschwung doch in Cluses. Mein Einkehrtipp in Cluses: das Café Le Trossingen am Place des Allobroges.
Durch das mächtige Arve-Tal geht es anschließend schnurstracks gen Süden, über Sallanches und Megève huschen wir zum Südeinstieg unserer nächsten fahrerischen Herausforderung: dem weithin bekannten Col des Aravis.
Direkt am Fuß der gewaltigen Chaîne des Aravis, der Aravis-Bergkette, erwartet uns der Pass mit einem herrlichen Kurven- und Kehren-Potpourri auf weitgehend gut ausgebauter Strecke. Die vor uns liegende Südrampe ist fahrerisch deutlich anspruchsvoller, ja ein echter Leckerbissen. Elf teilweise mittelschwere Kehren gilt es zu bewältigen, Anfänger im Mopedsattel sollten sich hier von »alten Hasen« leiten lassen – und eine Eroberung des Aravis unterhalb der Woche in Angriff nehmen, denn dann ist hier deutlich weniger Trubel.
… und dies sind nur zwei Gründe für die Beliebtheit des Aravis: seine tadellosen Pisten und herrlichen Kehren.
Die Passhöhe auf 1486 m umrahmt von den Felsen der Aravis-Kette zieren einige Gasthäuser, ein winziger See und viele Park-, wie auch Wandermöglichkeiten. Vor allem an Sommerwochenenden ist der Pass ein sehr beliebter Bikertreff und bietet viele Gelegenheiten zu erfrischenden Benzingesprächen. Eine Handvoll Kehren und erinnerungswürdige Alpenpanoramen später erreichen wir den Weiler La Praise im Norden des Aravis und setzen den Blinker links zu einem fahrerisch auch anfängertauglichen Pässe-Doppelpack, dem Col du Merdassier und dem Col de la Croix Fry.
Rarität: Die Uferstrecke entlang des Lac d’Annecy einmal so für sich zu haben, ist schon selten.
Kurz vor Erreichen der Passhöhe des Croix Fry zweigt der Abstecher zum Merdassier links ab, bitte nicht verpassen. Durch dunklen Tann geht es den Berg hinauf, dann öffnet sich der Wald und vor uns liegt ein abgeschiedenes Hochplateau mit zahlreichen stilvollen Berghütten, die gerne auch zur Sommerfrische bewohnt werden. Hinter diesen Hütten liegt ein im Sommer komplett stillgelegtes Wintersportgebiet, das den Reiz des Merdassier aber überhaupt nicht stört.
Umrahmt von bizarren Felsengipfeln erwartet uns der Col de la Croix Fry auf gut 1500 m Höhe, ebenfalls eine Gegend, die wohl nur im Winter zu vollem Leben erwacht. Schauen Sie sich um und freuen sich auf das lohnende Fahrerlebnis, das wir auf der Westrampe des Passes mit herrlichen Rechts-Links-Kombinationen sowie acht Kehren hinab nach Manigod und den Südrand von Thônes erfahren. Falls Ihnen jetzt der Magen knurrt – meinen Einkehrtipp vom Anfang der Tour haben Sie noch im Hinterkopf?
Als Nachtisch gönnen wir uns dann noch den letzten Pass des heutigen Tages, den Col du Marais. Der zählt ohne jeden Zweifel zu den unscheinbarsten Pässen der Seealpen. Auf gesamter Strecke uneingeschränkt anfängertauglich begeistert mich der Pass nicht nur mit einer gut ausgebauten Streckenführung, sondern auch einigen unerwartet engen Kehren. Unerwartet wie die Scheitelhöhe inmitten eines einsamen Weilers. Mit Ortsschild, Tempo 50-Limitierung, Zebrastreifen und idyllischen Gehöften am Rande des Hochtales. Sehenswert!
Über Faverges erreichen wir am späten Nachmittag wieder das Ufer des Lac d’Annecy und sind – wie Sie sogleich bemerken werden – komplett retour im prallen Leben. Entlang des Westufers quirlt der Verkehr wohl ganzjährig. Hier liegen zudem einige herrliche Campingplätze, oftmals mit direktem Seezugang, die sich ebenfalls für einen längeren Aufenthalt anbieten.
Diesen Tourenabend lassen wir nun erst einmal im Herzen von Annecy ausklingen. Vielleicht mit einem kleinen Rundgang durch das historische Zentrum und einem anschließenden Einkehrschwung zur Stärkung. Denn morgen erwartet uns erneut eine ordentlich herausfordernde Runde über die Pässe im Rhône-Alpes, fast 300 km lang und mit sechs Pässen garniert – freuen Sie sich darauf. Mein zweiter Einkehrtipp in Annecy: Restaurant Une Autre Histoire in der Rue Royale 26.
Start und Ziel: Annecy
Schnellste Anreise: Via Basel und Schweizer Autobahn A2/A1 nach Genf sowie über die französische A41 nach Annecy
Mein zweiter Hotel-Tipp dort: Hotel Mercure Annecy Sud, Avenue d’Aix les Bains 76, F-74602 Seynod, Annecy, www.accorhotels.com
Mein zweiter Campingplatz-Tipp dort: Camping Les Rives du Lac, Chemin des Communaux 331, F-74320 Sevrier, www.lesrivesdulac-annecy.com
Mein zweiter Einkehrtipp in Annecy: Pizzeria Giovanni, Place Saint Jean 16 in Seynod etwas außerhalb von Annecy
Streckenlänge: 275 km
Reine Fahrtzeit: ca. 6 Std.
Optionaler Übernachtungsstopp: La Roche-sur-Foron
Mein Hotel-Tipp dort: Hotel Les Afforets, Rue de l’Égalité 101, F-74800 La Roche-sur-Foron, www.hotel-larochesurforon.com
Schwierigkeitsgrad: mittelschwer
Zeitaufwand inkl. Sightseeing: 1 Tag
Wie enorm abwechslungsreich die Region rund um Annecy ist, haben wir ja auf der vorangegangenen Rundtour bereits erlebt. Ein weiteres perfektes Beispiel dafür folgt heute. Wir verlassen Annecy erneut Richtung Osten, schwingen über Veyrier-du-Lac, setzen erneut den Blinker links Richtung Thônes, verlassen dann aber die D909 sofort wieder und folgen den Wegtafeln nach Bluffy und Vérel. Diese Piste ist zugleich der Nordanstieg zum Col de la Forclaz – Achtung: der französischen Variante, nicht der im ersten Kapitel eroberten Schweizer Version. Acht Kehren und eine Handvoll aussichtsreiche Kurven liegen vor uns, gewürzt mit Engstellen, die den Begriff »lenkerbreit« neu definieren. Die überbaute Passhöhe des Forclaz lohnt einen kurzen Stopp, das Hotel L’Edelweiss lässt bei mir sogleich heimatliche Gefühle aufkommen. Warum der Eigentümer diesen hier in Savoyen doch recht ungewöhnlichen Namen wählte, war nicht zu eruieren.