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Sara und Neil begrüßen ihre neuen Nachbarn Gavin und Louise. Die Paare sind sich sofort sympathisch und verbringen von da an viel Zeit miteinander. Bald schon erscheint Sara ihr eigenes braves Familienleben neben den weltgewandten Nachbarn trist. Je mehr sie in die geheimnisvolle Welt von Gavin und Louise eintaucht, desto stärker wird die Versuchung, ihr eigenes Leben hinzuwerfen. Doch jede Veränderung hat ihren Preis. »Ein aufwühlender, düsterer Roman über Freundschaft. Brutal ehrlich.« Adele Parks »Clever, unbarmherzig und unverwechselbar. Ich liebe dieses Buch!« Katie Fforde "Lesestoff für lange Sommerabende, der die unterschiedlichen Charaktere der Hauptpersonen fantastisch beschreibt. Lesenswert!" Magazin Köllefornia "Die britische Autorin Felicity Everett, bisher als Verfasserin von Kinderbüchern bekannt, entwickelt in ihrem clever konstruierten Psychogramm schnell eine soghafte Stimmung." Münchner Merkur
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Seitenzahl: 368
HarperCollins®
Copyright © 2018 für die deutsche Ausgabe by HarperCollins in der HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
2017 by Felicity Everett Originaltitel: »The People at Number 9« Erschienen bei HQ, an imprint of HarperCollins Publishers, Ltd., London
Das Zitat von Federico García Lorca stammt aus:Poemas. Gedichte. Spanisch/Deutsch. Ausgewählt, übersetzt und herausgegeben von Gustav Siebenmann, S. 53, © 2007 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart.
Covergestaltung: zero-media.net, München Coverabbildung: Sandra Cunningham / Trevillion Images, FinePic / München Redaktion: Sonja Fiedler-Tresp E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN E-Book 9783959677769
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Doch ich bin nicht mehr ich, noch ist mein Haus das meine.
FEDERICO GARCÍA LORCA
Saras Blick wanderte zum Fenster. Draußen war es dunkel, und ihr eigenes Spiegelbild überlagerte wie ein Hologramm das Haus auf der anderen Straßenseite. Die Vorhänge dort waren halb zugezogen, doch sie konnte so gerade das blaue Flackern des Fernsehers ausmachen. Sie stellte sich vor, wie Gavin es sich mit einem Glas Rotwein auf dem Eames-Sessel gemütlich gemacht hatte und Lou sich barfuß auf dem Sofa fläzte. Vielleicht schauten sie sich gerade zusammen einen Kunstfilm an – oder glotzten einfach irgendwelchen Trash im Samstagabendprogramm. Es war nur zu einfach, sich alles vorzustellen: den mottenzerfressenen Kaminvorleger, den Duft des Pinot noir, der sich mit dem des Holzfeuers mischte. Selbst nach allem, was geschehen war, hatte die Szene etwas Reizvolles an sich.
Für Lou und Gavin musste Carols Haus wirken wie ein Goldfischglas: die Jalousien geöffnet, alles hell erleuchtet, ein Zimmer voller Leute und weitere, die eintrafen. Sara hoffte, dass sie es bemerkt hatten. Hoffte, es würde sie kränken, ausgeschlossen zu sein, doch sie bezweifelte es. Sie konzentrierte ihren Blick wieder auf ihr eigenes Spiegelbild, ein geisterhafter Schemen auf der schimmernden Fensterscheibe.
*
Achtzehn Monate zuvor
Als Sara das Auto zum ersten Mal sah, dachte sie, jemand hätte es einfach in ihrer Straße stehen lassen, denn es wollte so gar nicht zu den üblichen Minivans und VW passen. Ein Hinterrad stand auf dem Bordstein, während die Vorderräder in einem beängstigend schiefen Winkel auf der Straße standen. Es war ein alter rotgrauer Humber, dem eine Radkappe fehlte, mit einem Haufen Müll im Beifahrerfußraum und hinten einem Kindersitz. Doch in den folgenden Tagen bemerkte sie den Wagen noch öfter, nicht immer so schräg geparkt, doch meistens ganz in der Nähe ihres Hauses.
Sie hatte gerade die Kinder von der Schule abgeholt und stand vor Carols Haus, um noch einiges zu besprechen, als irgendetwas die Aufmerksamkeit ihrer Freundin auf sich zog.
»Da ist unsere neue Nachbarin«, flüsterte Carol und wies mit dem Kopf zur anderen Straßenseite.
Sara blickte unauffällig hinüber. Mit ihrem Overall und dem Kopftuch sah die Frau aus wie eine Kämpferin an der Heimatfront. Mühsam schob sie eine Schubkarre voller Schutt den Weg vor dem Haus entlang.
»Sie hat uns gesehen«, flüsterte Carol. »Lächle. Wink ihr zu.«
Sara tat es, aber war sich bewusst, wie selbstgefällig und cliquenhaft sie auf die andere wirken mussten. Die Frau reagierte mit einem unsicheren Lächeln.
Sie wohnte in der anderen Hälfte von Saras Doppelhaus. Erkerfenster, Stuckvorbau, spitzer Giebel … Jeder Ziegel, jede Fliese das genaue Spiegelbild von Saras Haus. Doch während ihres bürgerliche Gediegenheit vermittelte, befand sich Nummer 9 in einem jämmerlichen Zustand: abblätternde Farbe, morsche Fensterrahmen, durchhängende Dachrinnen. Jetzt aber wurde das Haus renoviert, und auch wenn die Arbeiten Lärm und Schmutz mit sich brachten, waren sie zu begrüßen. Ebenso wie die neuen Nachbarn selbst.
Spontan ließ Sara ihre Freundin mit den Jungen stehen, um die Straße zu überqueren.
»Sieht nach harter Arbeit aus!«, sagte sie und öffnete das Tor. Die Nachbarin schob die Schubkarre auf die Straße hinaus, dann ein Brett hoch, das an einem Container lehnte, und kippte den Inhalt hinein. Sie stieg rückwärts wieder hinunter und zog die Schubkarre auf den Bürgersteig. Dann streckte sie beide Hände aus, als wollte sie Klavier spielen. Es dauerte einen Moment, bis Sara begriff, dass sie zeigen wollte, wie sie vor Anstrengung zitterte.
»Meine Güte«, sagte Sara.
»Ich weiß«, erwiderte die Nachbarin, wischte sich die Hand an ihrem Overall ab und reichte sie Sara.
»Ich bin Lou.«
»Sara.«
Saah-ra. Silben, zäh wie Sirup, die Gutenachtgeschichten und Ballettstunden heraufbeschworen. Wie oft hatte sie sich schon einen anderen Namen gewünscht.
»Und ganz ehrlich, ich habe ein schrecklich schlechtes Gewissen«, fügte sie hinzu.
»Warum denn?«
»Nun ja, wie lange wohnen Sie schon hier? Eine Woche?«
»Zwei.«
»Und wir haben uns noch nicht einmal vorgestellt. Ich hatte es die ganze Zeit vor, aber Sie schienen immer so beschäftigt zu sein.«
Das hörte sich an, als würde sie hinter vorgezogener Gardine die Nachbarn bespitzeln.
»Oh Gott, nein, ich muss mich entschuldigen. Wir haben so geschuftet, dass wir es ganz vergessen haben. Eigentlich sollte die Renovierung vor unserem Einzug abgeschlossen sein, aber …«, sie zuckte entschuldigend mit den Schultern, »Sie wissen ja, wie das ist.«
»Ja, absolut«, antwortete Sara.
»Und als wir dachten, schlimmer könnte es nicht kommen, hat die Kunstspedition Scheiße gebaut, und wir mussten Kunstwerke von Gav im Wert von einer Million einlagern, da das Haus nur halb fertig ist!«
»Ach du meine Güte!« Mehr fiel Sara als Antwort nicht ein.
»Also …« Lou griff sich wieder die Schubkarre. »Lassen Sie uns möglichst bald mal was ausmachen.«
»Kommen Sie doch einfach nachher vorbei«, entfuhr es Sara. »Ich bin mit den Kindern allein zu Hause.«
Lou traf in einer Wolke teuren Parfüms mit Grasnote ein. Ihr Haar war noch feucht, und zu ihrer Jeans trug sie eine bestickte Bluse. Sie hat etwas Argwöhnisches an sich, dachte Sara, wie ein Pferd, das man beruhigen muss. Lou hatte nur eins ihrer Kinder mitgebracht, ein engelsgleiches Geschöpf mit schulterlangem weißblonden Haar.
»Sara, das ist Dash.«
»Hi, Dash«, sagte Sara und wurde mit einem sonnigen, wenn auch leicht entnervenden Lächeln beschenkt. »Patrick! Caleb!«, rief sie über die Schulter. Die Xbox trillerte und ratterte unvermindert weiter. Entschuldigend wandte Sara sich an Lou: »Vielleicht sollte sie einfach hochgehen. Die beiden sind ziemlich harmlos.«
»Er«, verbesserte Lou sie.
»Oh!« Sara zuckte peinlich berührt zusammen. »Ich dachte … wegen der Haare.«
»Er heißt eigentlich Dashiell«, sagte Lou, »wie Dashiell Hammett.«
»Natürlich. Meine Güte. Ich weiß gar nicht, wie ich … Man sieht ja, dass du ein Junge bist, Dash. Es war nur wegen der …«
»… Haare. Ja, manche Leute lassen sich davon verwirren.«
Lous gleichmütige Reaktion, völlig frei von Verlegenheit oder Groll, machte die Sache für Sara nur noch schlimmer. Nun erschienen auch ihre beiden Söhne. Patrick, der jüngere, kam auf Socken angeschlittert, hinter ihm trottete Caleb mit dem weltverdrossenen Schlurfen des Vorpubertären einher.
»Das ist Dashiell«, sagte Sara, immer noch rot im Gesicht. »Er wohnt jetzt nebenan. Dashiell, das sind meine Jungs, Caleb und Patrick.«
Sara führte Lou in die Küche, den schönsten Raum des Hauses. Im Grunde der einzige, der wirklich ihren Geschmack widerspiegelte. Neil wollte an der Ausstattung sparen, aber angespornt von Carol war Sara in die Vollen gegangen, hatte handgemachte Fliesen aufgespürt, um den kirschroten AGA-Herd richtig zur Geltung zu bringen, und sich bei der Wahl des exakten Farbtons für den nachhaltigen Holzboden das Hirn zermartert. Doch das Ergebnis gab ihr recht. Jetzt, anderthalb Jahre später, hatte die Arbeitsfläche aus Edelstahl zwar bereits ein paar Dellen, und die Schranktüren waren verschrammt, doch der Raum wirkte immer noch warm und harmonisch. Sogar heute, mit der Spüle voller schmutzigem Geschirr und den Abfällen, die aus den Brotdosen der Jungen auf den Tisch quollen, wirkte die Küche eher behaglich als verwahrlost. Sara war gewohnt, für ihre Küche haufenweise Komplimente zu ernten, deshalb war sie überrascht, dass von Lou gar nichts kam. Stattdessen ließ ihre Besucherin abschätzig den Blick umherschweifen, um dann ihre Gastgeberin mit einem unergründlichen Lächeln anzuschauen.
»Was kann ich Ihnen anbieten?«, fragte Sara.
Sie wollte gerade verschiedene Kräutertees aufzählen, als Lou mit einem Schulterzucken verkündete, sie würde sowohl mit Rotem als auch mit Weißem vorliebnehmen. Bald saßen sie am Küchentisch, eine Flasche Syrah zwischen den leeren Nudeltellern. Und während Lou den Wein hinunterkippte wie Wasser und sich begeistert über die lebhafte Nachbarschaft ausließ, studierte Sara ihr Gegenüber. Lou war keine perfekte Schönheit, wies etliche Makel auf. Die Augen zu weit auseinander, die Nase ein wenig zu breit. Doch es gelang ihr, diese Mängel in ein positives Licht zu rücken – ein leichter Lidstrich, in einem Nasenloch ein dezenter Silberring –, sodass Schönheit an sich nicht mehr so wichtig schien. Ihr Haar, nun fast trocken, hatte sich zu einem kurzen Schopf von Korkenzieherlocken gebauscht, den sie beim Sprechen hin und her warf, als würde sein Gewicht sie stören.
Als ihre Kinder nicht in der Cranmer-Road-Schule aufgetaucht waren, hatte Sara angenommen, sie hätten sie auf eine Privatschule geschickt, doch Lou klärte sie auf.
»Wir wollten lieber das neue Schuljahr abwarten. Dieses ist ja fast zu Ende«, erklärte sie. »Ihre vorige Schule war so winzig klein und der Lehrplan so anders. Na ja, Lehrplan …« Sie schüttelte lachend den Kopf.
»Wo war das?«, fragte Sara.
»Ach, wussten Sie das nicht? Wir haben in Spanien gewohnt. In einem kleinen Bergdorf nicht weit von Loja.«
»Klingt idyllisch.«
»War es auch«, sagte Lou mit wehmütigem Seufzen. »Ich sehne mich danach zurück, aber Dash kommt im September in die sechste Klasse, deshalb mussten wir uns entscheiden.«
Sara fragte sich, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. Sie kannte in der Nachbarschaft durchaus Eltern, die ihre Kinder wegen des Gerangels um die Plätze in den nur mittelmäßigen öffentlichen Schulen des Bezirks lieber einem Ziegenhirten in einer Berghütte anvertraut hätten.
»Ich würde auch gern im Ausland leben«, sagte sie. »Aber wir sind durch Neils Arbeit hier gebunden …«
»Ach, man findet immer Gründe, etwas nicht zu tun.« Lou zog sich eine Locke vor die Augen, um sie zu inspizieren. »Man sollte lieber nach Gründen suchen, die dafürsprechen.«
»Das stimmt allerdings. Aber ich fürchte, ich bin nicht sehr entscheidungsfreudig. Es ist so ein riesiger Schritt. Und ich hätte Angst, nicht akzeptiert zu werden.«
»Hmm«, war Lous Reaktion, die nichts Gutes verhieß.
»War es denn schwierig?«
»Ja und nein. Die Spanier sind sehr geradeheraus. Wenn sie einen nicht mögen, sagen sie es einem offen ins Gesicht, und ihre Kinder bewerfen deine mit Steinen.«
In stummem Entsetzen legte Sara die Hände an die Wangen.
»Klingt heftig, ich weiß«, fuhr Lou fort. »Aber im Grunde ist es mir lieber als diese schreckliche englische Sitte, sich nichts anmerken zu lassen, sodass der andere nie weiß, was er falsch gemacht hat. Und wenn ein Spanier einen erst einmal ins Herz geschlossen hat, hat man einen Freund fürs Leben.«
»Aber bringt man sie dazu?«
»Ja, indem man sich bemüht und sich nützlich macht … und seinen Kindern sagt, sie sollen zurückwerfen.«
»Ernsthaft?«
»Ja. Von einem Tag auf den anderen hat es aufgehört«, antwortete Lou, ohne eine Miene zu verziehen. »Gott sei Dank, denn der erste Winter war wirklich hart. In so einer Gemeinde ist niemand auf sich selbst gestellt. Es ist alles ein Geben und Nehmen. Du hilfst mir bei der Olivenernte, dafür repariere ich deinen Generator.«
»Das ist ja wunderbar«, sagte Sara.
»Ja. Wenn es richtig funktioniert, gibt es kein besseres System. Alle halten zusammen, und es entsteht ein richtiges Gemeinschaftsgefühl. Man teilt seine überschüssige Ernte, und nichts wird vergeudet.«
»Wie in einer Kommune.« Sara blickte wehmütig aus dem Fenster hinaus auf die engen Zaunreihen ihrer eigenen kleinen Enklave, die die Nachbarn voneinander trennten, so weit das Auge reichte. Als sie sich wieder Lou zuwandte, sah sie erstaunt, wie die sich mit dem Mittelfinger auf den Nasenrücken drückte, als wollte sie Tränen unterdrücken.
»Lou?«
»Entschuldigung.« Lou erschauerte und holte tief Luft. »Ich weiß auch nicht, wo das jetzt herkam.«
Sara zog es vor, taktvoll zu schweigen, verlegen, aber auch aufgeregt, weil Lou ihr offenbar etwas anvertrauen wollte.
»Wir hatten vier wundervolle Jahre in Riofrio und haben wirklich gute Freunde gewonnen. Menschen, denen ich mein Leben anvertrauen würde.«
»Höre ich ein Aber heraus?«
Lou nahm einen großen Schluck Wein und sammelte sich.
»Eigentlich war es nur ein Missverständnis. Kein Gericht in ganz Spanien hätte ihnen recht gegeben …«
»Gericht?«
»Ach, nichts Schlimmes, ehrlich nicht. Wie gesagt, ein Missverständnis. Wenn wir nur ein bisschen Geld gehabt hätten, hätten wir beweisen können, dass …«
Sara runzelte die Stirn und rückte auf ihrem Stuhl vor. Die Rolle der Vertrauten begann ihr zu gefallen.
Lou erzählte ihr von den Nachbarn, Dolores und Miguel Fernandez, die weiter unten am Hang einen kleinen Bauernhof hatten, ein paar Schafe und einen Obstgarten. Miguel hatte Gavin beim Verlegen der Stromleitungen im Atelier geholfen, der dafür bei der Ernte mit angepackt hatte. So weit, so nachbarschaftlich, doch dann hatten sich Miguel und Dolores entschlossen, Forellen zu züchten. Ziemlich geldgierig, fand Lou, denn eigentlich ging es ihnen auch so nicht schlecht. Aber für die Forellenzucht gab es Fördermittel, und auf dem Papier sah es gut aus. »Typisch Spanien – zum Teufel mit dem Landschaftsschutz, scheiß aufs Ökosystem … Wenn ein paar Euro mehr dabei herausspringen, warum nicht? Und die Ironie war«, sie umklammerte ihren Oberkörper und blinzelte die Tränen weg, »Gavin hat ihm beim Anlegen der Teiche geholfen. Hat ununterbrochen gearbeitet, obwohl er eigentlich seine Ausstellung für die Biennale von Venedig zusammenstellen musste.«
Die Forellenzucht war erst eine Woche in Betrieb, als ihnen klar wurde, dass das Ganze auf eine Katastrophe zusteuerte. Lou bekam vom ständigen Surren der Pumpen Migräne, und sie wussten nicht, was sie mit all den kostenlosen Forellen anfangen sollten (essen wollten sie sie auf keinen Fall, so wie das Fischfutter roch). Außerdem sahen die Teiche scheußlich aus. Doch sie sagten nichts, weil Dolores und Miguel ihre Freunde waren und sie verstanden, wie wichtig ihnen die Sache war.
»Und dann sind plötzlich an einem Wochenende alle Fische gestorben«, sagte Lou und breitete die Hände aus wie ein Kind. »Und sie behaupteten, es sei Gavins Schuld gewesen.«
Sara schüttelte den Kopf.
»Verrückt, ich weiß. Aber sie meinten, die Teiche seien vom Atelier aus kontaminiert worden.«
»Kontaminiert?«
»Ja, mit Gips. Aber Sie kennen seine Arbeiten ja gar nicht, oder?«
Sara zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Er arbeitet schon seit Jahren mit Gips. Jedenfalls hatte er den Atelierboden mit dem Schlauch abgespritzt, und deshalb haben sie behauptet, das Wasser sei den Hang hinunter in ihre Fischteiche geflossen.«
»Oje.«
»Aber dass der Bauer nebenan Gott weiß was auf seinen Raps gesprüht hat, spielte offenbar keine Rolle. Außerdem ist Miguel Alkoholiker und könnte aus Versehen die falschen Chemikalien in die Teiche gekippt haben. Aber wir waren schließlich die Neuen, und deshalb waren wir schuld, ist doch klar.«
Ihre Hand auf der Wachstuchtischdecke zuckte krampfartig, und eine einzelne Träne quoll aus ihrem Auge und rann ihr die Wange hinunter. Saras Kehle zog sich vor Mitgefühl zusammen. Sie streckte eine Hand aus, um sie auf Lous zu legen, doch dann verließ sie der Mut, und sie griff stattdessen zu der Box mit Papiertaschentüchern.
»Danke«, sagte Lou und schnäuzte sich lautstark.
Sie begegnete Saras Blick mit einem tapferen Lächeln.
»Na ja«, sagte Sara nach kurzer Stille munter, »ich bin ihnen jedenfalls dankbar.«
Lou schaute sie verdutzt an.
»Miguel und Dolores oder wie sie auch heißen. Ohne die und ihre blöden Forellen wären Sie jetzt nicht hier. Und wir hätten Sie nicht als Nachbarn.«
»Ach so!« Lou lächelte unsicher.
Es klingelte an der Tür, und Sara schaute auf die Uhr.
»Scheiße«, sagte sie. »Gitarrenstunde.«
Und damit war der Zauber gebrochen. Lou war nur noch eine Nachbarin, die sie kaum kannte, die Küche sah aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen, und Caleb hatte die ganze Woche noch nicht Cavatina geübt. Sie sauste durch den Flur, um den Gitarrenlehrer hineinzulassen, und bemerkte, während sie sich bei ihm für das Chaos entschuldigte, das aufflackernde Interesse, als er im Flur an Lou vorbeiging.
Es war die Art von Blick, die Sara selbst nie auf sich zog – nicht direkt sexuell, obwohl das mitschwang –, eher ein Erkennen. Du bist wie ich, sagte dieser Blick, oder so, wie ich gern sein möchte. Und obwohl Lou so tat, als merke sie nichts, registrierte sie sein Interesse sehr wohl, aber blieb auf Distanz. Sara spürte einen Anfall von Neid.
Als sie in der Tür standen, fingen Lou und Sara gleichzeitig an zu sprechen.
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie …«
»Ich bin wirklich froh, dass Sie …«
Dann lachten beide, und Sara ließ Lou den Vortritt, doch die zuckte nur mit den Schultern, als würden ihr plötzlich die Worte fehlen.
»Danke«, sagte sie schließlich, und beide lachten erleichtert. Lou war bereits am Gartentor, als sie innehielt und noch einmal zurückkam, als wäre ihr plötzlich etwas eingefallen.
»Wir haben für Samstag ein paar Leute eingeladen. Nur eine kleine Einweihungsparty. Wollen Sie nicht auch kommen?«
Als die Jungen endlich friedlich schlummerten und Sara und Neil das Haus verließen, ging das Licht der Straßenlaternen bereits von Blassrosa zu Orange über. Die schmalen viktorianischen Doppelhäuser, die in die dunkelblaue Dämmerung ragten, erinnerten an plauschende Nonnen. Noch hatte die Gentrifizierung sie noch nicht alle in ihrem tödlichen Griff. Für jeden Lorbeerstrauch mit Formschnitt gab es eine Satellitenschüssel, für jedes geschmackvolle Bleiglasfenster einen PVC-Windfang. Das Haus von Gav und Lou war noch nicht einzuordnen. Der Container davor enthielt zwar interessante Hinweise – einen hässlichen Kaminsims aus den Fünfzigerjahren, eine nackte Schaufensterpuppe –, aber es war noch zu früh, um zu beurteilen, was sie für Leute waren.
»Wozu verdammt noch mal musstest du unbedingt den Moët mitbringen?«, zischte Neil, als sie vor der Tür der neuen Nachbarn standen und vergeblich darauf warteten, dass jemand auf die Klingel reagierte.
Sara zuckte mit den Schultern.
»Das war alles, was wir im Haus hatten.«
Sie hatte vorher bewusst die letzte Flasche Supermarkt-Soave aufgemacht, teilweise, um ihre Nerven zu beruhigen, aber vor allem, um sicherzugehen, dass außer dem Moët nichts mehr im Haus war. Wenn sie ehrlich war, wusste sie natürlich, dass Neil die Flasche im Kühlschrank nach ganz hinten geschoben hatte, weil er hoffte, demnächst einen Grund zum Feiern zu haben. Er plante einen Putsch im Vorstand der Wohnungsgenossenschaft, bei der er arbeitete, und wie er ihr kürzlich beim Abendessen erzählt hatte – seine grauen Augen lebhaft funkelnd, seine Kiefer Salat zermalmend wie eine Maschine –, hatte er nun genug Leute auf seiner Seite, um den Finanzchef auszubooten. Das würde das letzte Hindernis beseitigen, das zwischen ihm und der Position des Generaldirektors stand, auf die er schon so lange versessen war. Sara hatte ihn angeschaut und kaum noch eine Spur von dem bescheidenen, idealistischen Studenten vorgefunden, in den sie sich einst verliebt hatte.
Wenn sie ihm damals erzählt hätte, dass er einmal eine Flasche Moët kaufen würde, um seinen Aufstieg in irgendeine Chefetage zu feiern, hätte er sie für verrückt erklärt. Doch nun stand er hier in seinem Paul-Smith-Hemd und den Camper-Schuhen, von Kopf bis Fuß der lässig-elegante Scherge des Kapitalismus. Er fand zwar immer noch genug einleuchtende Gründe, warum es für die Mieter am besten wäre, wenn er Haven Housing leiten würde, doch in letzter Zeit schien es, als wäre das Wohl der Mieter untrennbar mit Neils Aufstieg auf der Karriereleiter verbunden. Als er damals bei Haven Housing angefangen hatte, hatte er Jeans und Button-down-Hemden getragen. Nach und nach waren die Jeans verschwunden und Krawatten aufgetaucht (»Die Mieter mögen Krawatten«, hatte er gesagt). Und nach einem kurzen Ausflug zu Chino-Hosen und Pullundern hatte schließlich die Ära der Anzüge begonnen. Anzüge kamen angeblich besser bei den »Stakeholdern« an, wer immer das sein sollte. Doch kratzte man an der aalglatten Fassade, kam dahinter der Idealist zum Vorschein, der immer noch für die gute Sache kämpfte und sich für die Benachteiligten einsetzte. Ihr Neil war doch kein Zyniker.
Als sie zaghaft gegen die Tür drückte, öffnete sie sich.
»Ich glaube, wir können einfach reingehen«, sagte sie.
Es war ihnen immer noch nicht klar, ob es sich um eine gepflegte Abendgesellschaft oder eine wilde Party handelte. Den ganzen Tag lang hatte Sara Augen und Ohren offen gehalten, war aber trotzdem nicht klüger geworden. Der ganze Haushalt schien bis weit nach zwei Uhr in friedlichem Schlummer zu verweilen, was Sara für eine junge Familie an einem Sommerwochenende sehr beachtlich fand. Dann, als die meisten anderen Leute zur Ruhe kamen, wurden sie plötzlich aktiv. Von ihrem Beobachtungsposten am Küchenfenster aus konnte Sara Gavin sehen, der Äste von den Linden am Ende des Gartens absägte, offenbar mit stumpfem Werkzeug, denn der Schweiß lief ihm am Oberkörper herunter. Es war um die fünfundzwanzig Grad, und wie schon den ganzen Sommer herrschte starke Luftfeuchtigkeit. Der Zaun war zu hoch und die Sträucher im Garten der Nachbarn zu verwildert, um viel zu sehen. Sie erhaschte nur hin und wieder einen flüchtigen Blick auf die Kinder, konnte aber ihr ausgelassenes Schreien und Jauchzen hören. Aus den offenen Fenstern plärrte Musik – irgendein Siebzigerjahre-Kitsch, Supertramp vielleicht –, doch ab und zu drehte Lou die Lautstärke herunter und rief mit klagender, aber so durchdringender Stimme, dass sie das Sägegeräusch übertönte: »Gaaaaaav?«
Wenn er dann innehielt und sich mit glühendem Gesicht und bebendem Brustkorb zu ihr umdrehte, stellte sie irgendeine belanglose Frage, anscheinend vor allem, um zu beweisen, dass sie das Recht dazu hatte. Die Antwort schien nebensächlich.
Um sechs Uhr hockte er immer noch auf dem dritten und letzten Baum und sägte an einem hartnäckigen Stück Rinde, das den letzten dicken Ast mit dem Stamm verband. Wenn Neil da oben im Baum gesessen hätte und sie hätten am selben Abend eine Party gehabt, egal, wie spontan, wäre sie garantiert ausgerastet.
Sie hatte überlegt, einen Babysitter zu organisieren, aber schließlich nichts unternommen, weil sie nicht wusste, was für eine Party es werden sollte. Sie beschloss, einfach ab und zu einen Blick hinauszuwerfen und dazuzustoßen, wenn genug Gäste da waren. Es blieb die Frage, was sie anziehen sollten, aber nach dem Gebaren ihrer Gastgeber zu urteilen würde es wohl eher ungezwungen zugehen. Gegen acht war sie geduscht und fast fertig. Sie hatte sich für eine »7 For All Mankind«-Jeans, ein Seidenmieder und Riemchensandalen entschieden, die sie jedoch gegen Birkenstock-Latschen austauschte, als sie Neils Gesichtsausdruck sah. Doch sie konnte auf sein Coldplay-T-Shirt starren, bis es in Flammen aufging, und er verstand den Wink immer noch nicht. Deshalb bat sie ihn schließlich so freundlich wie möglich, etwas anderes anzuziehen.
Der Flur war menschenleer. Teelichter auf allen Stufen der teppichlosen Treppe warfen zitternde Schatten auf die Wand.
»Das Haus könnte jeden Moment in Flammen aufgehen«, murmelte Neil. Tief aus dem Innern des Hauses dröhnte laute Musik. Aus der Nähe war das Raunen von Partygesprächen zu hören, und Saras Magen verkrampfte sich nervös. Sie steckte den Kopf durch die Wohnzimmertür. Ein bärtiger Mann in verknittertem Leinenanzug saß auf einem skandinavisch aussehenden Ledersofa und drehte auf einem Plattencover einen Joint, als wäre es 1979. Was sie von dem Zimmer sehen konnte, war eine seltsame Kombination aus Unordnung und Leere. An den Wänden waren planlos Kunstwerke aufgehängt. In einem Alkoven stapelten sich Bücher bis unter die Decke. Im anderen ragte eine mehrköpfige Stehlampe hinter einem ramponierten Eames-Sessel hervor. Über dem Kamin prangte ein ausgestopfter Hirschkopf, durch dessen Geweih eine Lichterkette gezogen war. In der Luft hingen ein Geruch von Curry und Gras und ein Hauch von Moder, was vermuten ließ, dass das alte Feuchtigkeitsproblem des Hauses noch immer nicht behoben war. In einer anderen Ecke des düsteren Wohnzimmers konnte Sara nun einen Mann mit Porkpie-Hut und eine Frau in Rockabilly-Aufmachung ausmachen. Beide hielten Bierdosen in den Händen. Sie lächelte ihnen zaghaft zu und zog den Kopf wieder zurück. Schulterzuckend wandte sie sich an Neil.
»Zur Küche?«
Sie blinzelten, als sie den neonbeleuchteten Raum betraten. Im Gegensatz zum öden, verlassenen Wohnzimmer war die Küche von Leben erfüllt. Schon die Lautstärke wirkte einschüchternd, und eine Sekunde lang verspürte Sara angesichts des überwältigenden Schwalls von Fröhlichkeit den Drang, sich aus dem Staub zu machen. Dies waren keine Leute aus der Nachbarschaft. Sie sahen aus, als wären sie in einer New Yorker Avantgarde-Galerie aufgelesen und extra eingeflogen worden. Siebzigjährige in Skinny Jeans und Zwanzigjährige in Tweed. Baader-Meinhof-Intellektuelle, It-Girls mit dunklen Kajalstrichen unter den Augen, herausgeputzte Dandys und schmuddelige Punks. Sara griff instinktiv nach Neils Hand und bahnte sich einen Pfad durch das Gemenge, bis sie den sicheren Hafen des Küchentischs erreichte. Neil wollte den Moët abstellen, doch Sara warf ihm einen warnenden Blick zu.
Die neuen Nachbarn hatten keinen Versuch unternommen, die Küche zu verschönern oder für Atmosphäre zu sorgen. Sie war das reinste Loch, und soweit Sara sich erinnern konnte, sah sie noch genauso aus wie zur Zeit der Zwangsversteigerung. Entweder hatten Lou und Gavin ihr ganzes Geld für den Umbau des Untergeschosses verbraucht, oder, weil die Siebzigerjahre wieder angesagt waren, sie hielten die braunen Blumenfliesen und gelben Resopalschränke für einen stilistischen Geniestreich.
»Oh, Champagner! Los, mach ihn schon auf.«
»Carol, hi!« Sara war selbst ein wenig überrascht über den missmutigen Ton ihrer Begrüßung. Carol trug eins ihrer Wickelkleider der Firma Boden, dazu Ohrringe, eine Strumpfhose und Nagellack in genau dem Jadegrün jeder dritten Zickzacklinie des Kleids. Ihr kurzes rotes Haar war frisch frisiert. Sie sah aus wie eine Hauswirtschaftslehrerin, die sich in einen zwielichtigen Jazzclub verirrt hatte, und – was für ein verachtenswerter Impuls – Sara wollte nicht mit ihr gesehen werden. Carol war ein wunderbarer Mensch, ja, auf jeden Fall. Praktisch veranlagt und unerschütterlich, gutmütig und klug. Ganz gleich, ob man ihr sein Herz ausschütten oder sich nur eine Tasse Couscous leihen wollte: Auf sie war Verlass. Im Laufe der Jahre hatte es schon so einige Beichten gegeben und auch Tränen. Carol war eine geniale Lesegruppenleiterin und konnte ganz ordentliche Dinnerpartys auf die Beine stellen, und auch wenn sie immer die gleichen Leute einlud und die Gespräche sich wiederholten, war sie stets eine perfekte Gastgeberin. Doch zu diesen Bohemiens passte sie nun überhaupt nicht.
Selbst jetzt, während Sara ihr Glas widerwillig mit Champagner füllte, musste Carol die Einrichtung begutachten.
»Meinst du, die Küche ist retro oder einfach nur alt?«
»Weiß ich wirklich nicht«, antwortete Sara. Sie versuchte, einem nahen Gespräch über Rap und Frauenfeindlichkeit zu lauschen, aber es war unmöglich, da ihr auf der einen Seite Carol das Ohr vollplapperte und auf der anderen Neil und Simon standen, die sich über Fußball unterhielten.
»Ich hatte sie mir hochmodern vorgestellt«, fuhr Carol fort. »Komisch, dass sie die ganze Zeit die Handwerker im Haus hatten und die Küche immer noch so aussieht.«
»Sie haben das Atelier eingerichtet, Carol.«
»Ach ja, hatte ich ganz vergessen. Er ist ja Künstler.« Carol weitete spöttisch die Augen und wandte dann ihren Blick der vielfach gepiercten Menschenmenge zu.
»Kennst du hier irgendjemanden?«, fragte sie. Sara schüttelte den Kopf. Sie wollte die Leute gern kennenlernen, aber wenn Carol wie eine Klette an ihr hängen blieb, hatte sie keine Chance. In der Küche wurde es allmählich leerer, denn die Gäste füllten ihre Gläser auf und wanderten hinaus in den Garten. Carol beugte sich zu Sara hinüber, um eine weitere Bemerkung zu machen.
»Einen Moment«, sagte Sara und legte ihrer Freundin entschuldigend eine Hand auf den Arm. »Ich muss ganz dringend mal.«
Als sie die Stufen zum Garten hinabstieg, verstand sie, warum Gavin die Bäume so heftig gestutzt hatte. Ganz hinten stand ein Partyzelt, in dem Kissen und Teppiche ausgebreitet waren. Von innen lockten verheißungsvoll Papierlaternen. Eines musste man Lou und Gavin lassen: Sie wussten, wie man eine besondere Atmosphäre schaffte. Sara nahm an, es handelte sich um eine Chill-out-Zone, und fragte sich, was dort wohl zu vorgerückter Stunde vor sich gehen würde. Sicher würde es mehr Gras geben, aber auch andere Drogen? Was würde sie tun, wenn jemand ihr Kokain anbot? Ablehnen wahrscheinlich. Schließlich musste sie sich um die Kinder kümmern, und außerdem würde sie es doch nur blöd anstellen und sich blamieren.
Noch immer keine Spur von den Gastgebern, aber kleine Gruppen liefen auf dem Rasen umher, tranken, rauchten und wiegten schlangengleich ihre Köpfe zu Trip-Hop-Musik. Die meisten schienen sich zu kennen. So muss sich ein Geist fühlen, dachte Sara, während sie sich von einem Grüppchen zum anderen treiben ließ. Doch sie blieb immer nur am Rand, lächelte hoffnungsvoll und brachte aber nie den Mut auf, sich vorzustellen. Ein paar Gäste nahmen Blickkontakt auf, der ein oder andere erwiderte ihr Lächeln und rückte zur Seite, um sie in den Kreis aufzunehmen, doch ihre Gespräche waren so gescheit, so geschmeidig und elegant, dass sie nichts beizutragen wusste. Es war, als wollte man in einen schnell fließenden Strom steigen. Deshalb war sie erleichtert, als sie auf eine Bekannte stieß, die ein paar Straßen weiter wohnte und, wie sich herausstellte, zusammen mit Lou einen Kunst-Einführungskurs absolviert hatte. Doch jetzt wollte sie nur über Schulbezirke reden. Nachdem Sara zwanzig Minuten lang genickt und gelächelt hatte, von einem Fuß auf den anderen getreten war und den Stiel ihres Glases hin und her gedreht hatte, reichte es ihr. Sie entschuldigte sich und bahnte sich einen Weg durch die Menge zurück zum Haus, als ihr auf den Stufen der Gastgeber entgegenkam.
»Noch etwas Wein?«, fragte er und hielt eine Flasche über ihr Glas.
»Danke«, sagte sie. »Sie sind Gavin, nicht wahr?«
»Richtig erkannt.«
Er füllte ihr Glas und machte Anstalten weiterzugehen.
»Wir sind übrigens Nachbarn«, sagte sie hastig.
»Ah«, sagte er, drehte sich wieder zu ihr um und blickte sie mit ehrlichem Interesse an, »dann müssen Sie Sara sein.«
Gavin entschuldigte sich, weil er bisher kein besonders guter Nachbar gewesen sei, und erklärte, er habe sich gefühlt wie ein Hund, der sich in seinem Körbchen im Kreis herumdreht, nur dass sein Körbchen sein Atelier war, das dem schweren Londoner Lehm abgerungen werden musste. Er deutete mit dem Kinn in Richtung Untergeschoss, das noch mit blauen Planen zugehängt war. Sara war erleichtert, dass Gavin aus der Nähe nur mäßig gut aussah. Ein Augenlid hing ein wenig herunter, was ihm ein leicht zwielichtiges Aussehen verlieh, und sein ansonsten perfektes Profil wurde von einem leichten Überbiss beeinträchtigt. Er sprach mit nordenglischem Akzent, der alles, was er sagte, ein wenig süffisant klingen ließ. Dadurch fühlte Sara sich veranlasst, ihn ein wenig zu necken, und sie äußerte die Vermutung, dass sich in dem umgebauten Keller gar kein Atelier befand, sondern ein unterirdisches Fitnessstudio, so wie in den Oligarchenresidenzen in Chelsea. Er sagte, er würde es ihr gern zeigen, doch nicht heute Abend, denn er wolle vermeiden, dass ihnen irgendjemand uneingeladen hinterhertrotte. Dabei deutete er mit dem Kopf auf die immer wilder werdenden Partygäste. Auf diese kleine Schmeichelei hin verspürte Sara ein aufgeregtes Flattern in der Magengrube.
»Und was machen Sie so, Sara?«, fragte er nach einer Redepause.
»Ich bin Texterin«, antwortete sie.
»Werbung. Super! Macht sicher Spaß.«
»Ach, nicht für Saatchi oder so«, sagte sie schnell. »Eigentlich ist es ziemlich langweilig. Hauptsächlich firmeninterne Schreiben und Kundeninformationen …«
Er nickte und sah zur Seite, offenbar um einen interessanteren Gesprächspartner zu finden.
»Aber ich schreibe auch für mich selbst«, fügte sie schnell hinzu.
»Cool«, sagte er und blickte sie wieder an. »Was denn so?«
»Kurzgeschichten, ein paar Gedichte. Ich habe auch einen Roman angefangen, aber mir ist die Puste ausgegangen.«
»Sie sollten mal mit Lou reden.«
»Ach ja?«, sagte sie skeptisch.
»Ja«, antwortete er nickend, »sie kann Ihnen ein paar Tipps geben. Je nachdem, was es ist, natürlich.«
»Lou schreibt auch?«
»Sie ist Autorin und Regisseurin.«
»Was? Sie dreht Filme?«
»Ja. Im Moment arbeitet sie an einem Kurzfilm. Total irres Konzept.«
»Sie hat gar nicht erwähnt …«
»Nein, das ist nicht ihre Art. Sie ist sehr bescheiden. Meine Frau ist jemand, der still vor sich hin ackert und dann plötzlich etwas völlig Irres auf die Beine stellt. Verstehen Sie, was ich meine?«
»M-hm« war Saras betretene Reaktion. Sie hatte sich gerade erst an Lou, die Stilgöttin, Erdmutter und Muse gewöhnt, und nun musste sie sich wohl auch noch mit Lou, dem kreativen Genie anfreunden.
»Also …« Gavin sah sich um, ob noch weitere Gläser zu füllen waren. Doch plötzlich schien es ihr ungeheuer wichtig, ihn festzuhalten.
»Was halten Sie vom spanischen Kino?«, platzte sie heraus. Er schaute sie verdutzt an.
»Ich bin kein Kenner«, antwortete er. »Almodóvar ist manchmal ganz witzig, aber nicht immer.«
»Ich weiß, was Sie meinen«, stimmte sie zu und hoffte, nicht näher darauf eingehen zu müssen. »Und finden Sie die schlechten Untertitel nicht auch nervend?« Sie verdrehte verzweifelt die Augen. »Also manche französische Filme, die ich gesehen habe …«
»Sie können Französisch?« Er wirkte beeindruckt.
»So einigermaßen«, antwortete sie schulterzuckend.
»Ce qui expliquerait le mystère subtil de votre allure«, sagte Gavin mit ziemlich guter Aussprache und einem neckischen Funkeln in den Augen.
»Äh … ja, also, ich habe es in der Schule gelernt.« Sie setzte eine bedauernde Miene auf. »Aber ich bin ein bisschen aus der Übung.«
Einige Sekunden sagten beide nichts, und schließlich fingen sie an zu lachen.
»Großartig«, sagte er kopfschüttelnd. »Der war gut.«
»Habe ich einen Witz verpasst?« Neil erschien an Saras Seite.
»Ach, hallo«, sagte sie und versuchte, sich nicht über ihn zu ärgern. »Gavin, das ist Neil, mein Mann.«
Sie gaben sich die Hand.
»Es ist halb elf«, sagte Neil bedeutsam.
»’tschuldigung«, sagte Gavin und fasste Neil an die Schulter, »aber wenn es schon so spät ist, helfe ich besser meiner Angetrauten mit dem Essen. War nett, mit Ihnen zu plaudern, Sara.«
Während er verschwand, schüttelte er immer noch den Kopf und lächelte.
»Meinst du nicht, wir sollten langsam gehen?«, fragte Neil.
»Warum denn?«
»Na ja, zum Beispiel weil die Jungs ganz allein sind.«
»Schau doch nach ihnen, wenn du dir Sorgen machst.«
»Gefällt’s dir denn wirklich so gut hier?« Er schien überrascht.
»Ja, weil ich nicht mit Carol und Simon in der Küche festsitze.«
»Die beiden sind schon weg«, informierte er sie. »Sie haben gesagt, niemand habe mit ihnen geredet.«
Sie spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen.
»Okay, ich schaue nach den Jungs«, sagte sie. »Und du … du weißt schon, misch dich unter die Leute. Das sind unsere neuen Nachbarn.«
Skeptisch beäugte er die verschiedenen Grüppchen – die schönen, elfenhaft schlanken Frauen und die Männer mit den auffälligen Koteletten und ausgefallenen Brillen.
»In Ordnung«, sagte er mit einem aufgesetzten Ausdruck von Wagemut. Er stieß mit ihr an, und sie verspürte einen plötzlichen Liebesschwall für ihn. Es erinnerte sie an Patrick am Morgen seines ersten Schultags – sein tapferes Lächeln, von dem sie wusste, dass es sich in einen heftigen Weinanfall verwandeln würde, sobald sie sich entfernte. Neil mochte vielleicht Anwärter auf den Direktorposten einer Wohnungsgenossenschaft sein, doch sie beide wussten, dass das hier niemanden beeindrucken würde.
Bei den Jungen war alles in Ordnung. Patrick schnarchte leise, und seine Oberlippe glänzte vor Schweiß. Der Schlaf hatte die Zeit zurückgedreht und ihm seine engelhaften Gesichtszüge zurückgegeben, denen er tagsüber mit aller Mühe einen streitlustigen Ausdruck verlieh. Sie schlug seine Bettdecke zurück und strich ihm die Haare aus dem Gesicht.
Caleb saß im Bett und las Harry Potter, während ihm die Augen langsam zufielen.
»Nette Party?«, fragte er.
»Nicht übel.«
»Es ist sehr laut.«
Das stimmte. Sie hatten gerade eine Latin-Phase. Sara konnte die pulsierenden Salsarhythmen durch die Mauern spüren. Eigentlich ziemlich dreist, den Nachbarn das zuzumuten, obwohl sie gerade erst eingezogen waren. Es gab in der Nähe viele Familien mit kleinen Kindern. Plötzlich fragte sie sich, ob sie und Neil deshalb eingeladen worden waren – damit sie sich nicht über den Lärm beschwerten.
»Ich werde sie bitten, die Musik leiser zu stellen«, sagte sie. Sie wollte ihn küssen, doch er zog sich die Bettdecke übers Gesicht, um sie daran zu hindern. Sie lächelte traurig und stand auf.
»Nacht, Mum«, rief er, als sie die Treppe hinunterging.
»Nacht«, flüsterte sie.
Die Haustür nebenan war jetzt geschlossen. Sie klingelte stürmisch, wusste aber, dass sie bei dem Lärm niemand hören würde. Dann bemerkte sie, dass das Tor zum Seitendurchgang geöffnet war. Sie huschte hindurch in den Garten, als plötzlich die Musik abrupt aufhörte. Einen Moment lang dachte sie, die Party sei vorüber, doch etwas an der Atmosphäre sagte ihr, dass sie sich irrte. Die Gäste hatten am Rand des Rasens entlang einen Kreis gebildet. Als sie sich nach vorn drängte, sah sie Lou und Gavin eng aneinander in der Mitte stehen. Lou hatte ihr Gesicht unterwürfig an Gavins Schulter gelegt. Zuerst dachte Sara, sie hätten sich gestritten, doch dann bemerkte sie einen Gitarrenspieler, der auf einem Hocker vor dem Zelt saß. Die Menge verharrte in erwartungsvollem Schweigen. Rat-tat-tat … Dreimal schlug der Musiker gegen den Resonanzboden, und auch ohne Verstärker war es recht laut. Dann stieß er aus dem oberen Brustkorb einen hohen, melodischen Klagelaut hervor und begann, einen Tango zu spielen und dazu zu singen. Sara schauderte vor Verlegenheit, als Lou und Gavin die Arme aus der Schulter nach außen schwangen, die Handgelenke ineinander verschränkten und zu tanzen begannen. Doch die Virtuosität des Gitarristen und die Leidenschaft der Tänzer schlugen sie in ihren Bann. Lou und Gavin kreisten auf dem improvisierten Tanzparkett umher, während ihre Füße sich in komplizierten Schrittfolgen auswichen und kreuzten und Lous hautenges rotes Kleid Gavins Schenkel umfloss. Sie umarmten einander, trennten sich wieder, der eine zog den anderen zu sich und stieß ihn wieder von sich. Die Menge klatschte dazu, nicht aus Gemeinschaftsgefühl, sondern um sie anzuspornen. Als würden sie sie zu einer gefährlichen und verbotenen Tat anstacheln. Und auch wenn ihnen Perfektion und Rhythmus professioneller Tänzer fehlten, hatte ihre Darbietung etwas Unwiderstehliches an sich – eine Qualität, die bei den Zuschauern jedes Gefühl von Zweifel und Peinlichkeit erstickte –, denn sie gingen völlig darin auf. Während sie sich immer wieder wegstießen und das Kinn vorstreckten, um direkt danach Wangen und Schenkel aneinanderzulegen und die Augen zu schließen, war die sexuelle Anziehungskraft zwischen den beiden nicht zu übersehen. Es war, als würde man bei einem schrecklichen Ereignis zusehen, einem in Zeitlupe ablaufenden Autounfall mit zermalmtem Metall, zertrümmerten Knochen und zerfetztem Fleisch, und man wusste, man sollte nicht zuschauen, doch war unfähig, den Blick abzuwenden. Sara spürte, wie es ihre Substanz angriff, ihr den Boden unter den Füßen wegriss.
Dann war der Tanz beendet, Lou hatte ein Bein auf Gavins Hüfte gelegt und das andere nach hinten gestreckt, ihre Haltung zeigte schlaffe Unterwerfung. Die Zuschauer brachen in Applaus aus, klatschten und johlten vor Begeisterung. Lou lachte und legte auch das andere Bein um Gavins Taille, und er wirbelte sie herum, ein fröhliches Kind, das vor Sekunden noch eine Femme fatale gewesen war. Auch Sara klatschte und lächelte, doch sie war innerlich aufgewühlt.
Sie wanderte herum, um sich einen Drink zu besorgen, und fand Neil, der sich im Partyzelt auf einem Sitzsack fläzte. Als er sie kommen sah, rappelte er sich schuldbewusst hoch.
»Das war affenstark, was?« Er grinste dümmlich mit offen stehendem Mund. Sie erkannte, dass er bekifft war.
»Ja. Sehr eindrucksvoll«, sagte sie.
»Hast du den Kerl gesehen? Einfach unglaublich. Seine Finger sind nur so über die Saiten gehuscht.«
»Du hast wahrscheinlich als Einziger hier auf den Gitarrenspieler geachtet.«
»Vielleicht frage ich ihn, ob er Caleb ein paar Stunden geben kann.«
»Dazu hat er bestimmt keine Lust. Wahrscheinlich spricht er nicht einmal Englisch.«
»Aber ich frage ihn auf jeden Fall, ob er CDs zu verkaufen hat. Hat er bestimmt. Jemand, der so es so draufhat.«
»Bitte nicht«, sagte sie.
»Warum denn nicht?«
»Weil es peinlich ist.«
Er wirkte ein wenig gekränkt, deshalb nahm sie seine Hand. Sie fühlte sich feucht an.
Inzwischen hatte die Musik wieder eingesetzt.
»Tanz mit mir«, sagte Neil. Er zog sie an sich und vergrub sein Gesicht an ihrem Hals.
»Ich dachte, du wolltest nach Hause«, wand sie ein.
»Nur ein einziger Tanz.«
Es war kein ideales Stück. Weder schnell genug, um sich im Takt zu bewegen, noch langsam genug für eng umschlungenes Schmusen. Verlegen kreisten sie auf der Stelle, seine Hände lagen schlaff auf ihren Hüften, ihre umklammerten zuerst seine Schultern, dann seine Ellbogen, bemüht, mit dem Rhythmus mitzugehen. Zum Glück waren die meisten Leute abgezogen, um ihre Gläser aufzufüllen, und so war ihre einzige Gesellschaft eine koboldartige Frau, die beim Tanzen seltsam mit den Handgelenken zuckte, und ein kleines Mädchen mit Elfenflügeln über dem Schlafanzug.
Als das Stück zu Ende ging, küsste Sara ihren Mann zart auf die Lippen und löste seine Hände von ihren Hüften.
»Also gut«, sagte er und blickte sich benebelt um, »sollen wir uns verabschieden?«
»Ich komme nach«, antwortete sie.
Sara blieb noch etwa eine Stunde auf der Party, doch sie fühlte sich wie eine Zuschauerin. Viele grinsten sie dämlich an, doch niemand bot ihr Drogen an. Sie tanzte am Rand einer Gruppe, die höflich ihren Kreis öffnete, um sie hineinzulassen. Ein Mann forderte sie sogar mit einem Schulterwackeln auf, mit ihm zusammen zu Steely Dan abzugehen, doch obwohl sie im Lauf des Abends eine ganze Flasche Wein getrunken hatte, ließ sie sich nicht dazu hinreißen. Stattdessen schlenderte sie zur Küche. Dort stand sie am Tisch und aß geistesabwesend Brocken von selbst gebackenem Fladenbrot mit Limetten-Pickle, bis ihr klar wurde, dass Lou und Gavin sich für die Nacht zurückgezogen hatten. Also konnte sie auch ruhig nach Hause gehen.
Sara stand am Schlafzimmerfenster und beobachtete, wie die Nachbarschaft erwachte. Sie sah den Mann aus dem Haus mit dem Steinputz, der mit seinem angsteinflößenden Hund bis zu dem Haus mit den Lamellenfensterläden lief, ihn an den Kübel mit dem Lorbeerbäumchen pinkeln ließ und wieder kehrtmachte. Sie sah Marlene aus Nummer zwölf, die ihren umfangreichen Hintern in ihren Ford Ka schob, um frisch frisiert und mit einem dem Anlass angemessenen Hut zum Königreichssaal zu fahren. Sara beobachtete einen übernächtigt aussehenden Mann, der holpernd einen Zwillingswagen die Stufen des kürzlich renovierten Hauses hinunter- und Richtung Park schob. Sie sah, wie sich Carols Haustür öffnete …
»Wo will die denn hin«, murmelte sie. Ein leises Stöhnen kam unter der Bettdecke hervor.
Sara beobachtete, wie ihre Freundin mit einem Briefumschlag in der Hand die Straße überquerte.
»Oh mein Gott, sie wird doch nicht … Doch! Sie bringt ihnen eine Dankeskarte.«
Neil setzte sich halb auf.
»Was sagt man dazu?« Sie blickte ihn mit ungläubigem Lächeln an.
»Gute Manieren, um Himmels willen.« Er schüttelte sich.
»Ach, komm«, protestierte Sara. »Es hat ihnen nicht mal gefallen. Das hast du doch selbst gesagt.«
Mit dem Berg Kissen hinter sich und dem Ausdruck nachsichtiger Überlegenheit sah Neil aus wie in den Mount Rushmore gemeißelt.
»Vielleicht ist es ja was ganz anderes.«
»Was soll es denn sonst sein?« Sara blickte ihn scharf an.
»Eine Geburtstagskarte?« Neil zuckte mit den Schultern und griff nach seinem Handy.
»Sei nicht albern. Sie kennen sich doch erst seit Kurzem.«
Wie dem auch sein mochte, es gefiel ihr nicht, dass Carol ihr zuvorkam. Sie war doch als Erste am Ball gewesen. Alles, was Carol über Lou und Gavin wusste, hatte sie von Sara erfahren. Alter und Geschlecht der Kinder, der Umzug aus Spanien, Gavins Beruf … All diese Informationshäppchen hatte sie ihrer Freundin nicht ohne Genugtuung serviert. Vertrauliches – die Forellen und die Tränen – hatte sie jedoch für sich behalten. Der Gedanke, dass sich zwischen den anderen beiden Frauen eine eigene Beziehung entwickelt haben könnte, war einfach lächerlich. Sie hatten überhaupt nichts gemeinsam.
»Was war denn noch so los, nachdem ich gegangen bin?« Neil schaute nicht von seinem Handy auf und fragte so beiläufig, als wäre er nicht sonderlich interessiert, doch sie spürte, dass er eigentlich ganz versessen darauf war, es zu erfahren.
»Nicht viel«, antwortete sie, stieg wieder ins Bett und riss die Decke zu sich. »Gavin und Lou waren irgendwann verschwunden. Ich habe mich mit ein paar Leuten unterhalten, habe getanzt. Dann bin ich nach Hause gegangen.«
»Wohin verschwunden?«, fragte Neil.
»Ins Bett vermutlich«, sagte Sara und fand selbst, dass sie sich ein wenig prüde anhörte.
»Was?«, fragte Neil. »So richtig? Ins Bett?«
»Du hast sie ja gesehen«, sagte Sara. »Für mich sah dieser Tanz sehr nach Vorspiel aus.«
»Ehrlich?« Neil schaute schockiert und begeistert zugleich, wie ein lüsterner Schuljunge.
»Bisschen übertrieben, findest du nicht, auf ihrer eigenen Party?«, brummelte sie.
Neil zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht konnten sie sich einfach nicht bremsen.«