Das Rad der Zeit 10. Das Original - Robert Jordan - E-Book
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Das Rad der Zeit 10. Das Original E-Book

Robert Jordan

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Beschreibung

Die Welt des Rads am Scheideweg zwischen Licht und Schatten ... Rand al'Thor, der Wiedergeborene Drache, und seine Gefährten brauchen dringender denn je Unterstützung. Sonst kann Rand seiner Bestimmung, das Licht für den Kampf gegen die Dunkelheit zu vereinen, nicht gerecht werden. Der Dunkle König erstarkt erneut, und wie ein Flächenbrand breitet sich das Unheil aus, gefördert von Schattenfreunden und machthungrigen Adligen. Durch die Spannungen zwischen den Magierinnen der Aes Sedai droht Rand diese als wichtigen Verbündeten zu verlieren. Kann Rands enge Vertraute Egwene das Schicksal wenden? Die Buch-Serie zur großen prime video-Serie »Das Rad der Zeit«!

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Für Harriet Damals, jetzt und für immer

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Andreas Decker

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erscheinenden überarbeiteten Neuausgabe

ISBN 978-3-492-95941-4

© 2003 Robert Jordan Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Crossroads of Twilight«,Tom Doherty Associates, Tor Books, New York 2003 © Piper Verlag GmbH, München 2005 Erstmals erschienen im Wilhelm Heyne Verlag, München in zwei Bänden: »Pfade ins Zwielicht« (2003), »Die Weiße Burg« (2003) Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München Umschlagabbildung: Julian Wicik Karte: Ellisa Mitchell Datenkonvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

Und in den Tagen, wenn die Dunkle Jagd reitet, wenn die rechte Hand zögert und die linke Hand sich verirrt, dann wird die Menschheit an den Kreuzweg des Zwielichts kommen, und alles das ist, alles das war und alles, das sein wird, wird auf einer Schwertspitze balancieren, während der Sturmwind des Schattens wächst.

– Aus den Prophezeiungen des Drachen, die Übersetzung wird Jain Charin zugeschrieben, auch als Jain Fernstreicher bekannt, verfasst kurz vor seinem Verschwinden.

PROLOG

Ausblicke auf das Muster

Rodel Ituralde hasste das Warten, obwohl er genau wusste, dass der größte Teil des Soldatendaseins aus nichts anderem bestand. Das Warten auf die nächste Schlacht, das Warten, dass der Feind sich bewegt, dass er einen Fehler macht. Er betrachtete den winterlichen Wald und war so reglos wie die Bäume. Die Sonne hatte die Hälfte ihres Weges zum Zenit erklommen und verbreitete keine Wärme. Sein Atem verwandelte sich vor seinem Gesicht in weißen Nebel und blieb als Reif an dem sauber gestutzten Schnurrbart und dem schwarzen Fuchspelz, mit dem seine Kapuze gefüttert war, haften. Er war froh, dass sein Helm am Sattelknauf hing. Sein Brustpanzer hielt die Kälte fest und schickte sie durch sein Wams und sämtliche darunterliegenden Schichten aus Wolle, Seide und Leinen. Sogar Pfeils Sattel war kalt, so als wäre der weiße Wallach aus gefrorener Milch. Der Helm hätte seinen Verstand getrübt.

Der Winter hatte spät in Arad Doman Einzug gehalten, sehr spät sogar, aber dafür hatte er mit aller Macht zugeschlagen. In weniger als einem Monat von der Sommerhitze, die sich auf unnatürliche Weise bis spät in den Herbst gehalten hatte, zum Herzen des Winters. Die Blätter, die die sommerliche Dürre überstanden hatten, waren gefroren, bevor sie die Farben hatten wechseln können, und jetzt funkelten sie in der Morgensonne wie seltsame, eisbedeckte Edelsteine. Die Pferde der zwanzig Soldaten in seiner Nähe stampften in dem knietiefen Schnee gelegentlich mit den Hufen. Es war ein langer Ritt gewesen, und sie mussten noch weiter, ganz egal, ob es ein guter oder schlechter Tag werden würde. Dunkle Wolken trieben am Himmel nach Norden. Er brauchte seinen Wetterdeuter nicht, um zu wissen, dass es noch vor Einbruch der Dunkelheit zu einem Temperatursturz kommen würde. Bis dahin mussten sie einen Unterschlupf gefunden haben.

»Nicht so schlimm wie der vorletzte Winter, nicht wahr, mein Lord?«, sagte Jaalam besonnen. Der hochgewachsene junge Offizier hatte so eine Art, Ituraldes Gedanken zu lesen, und seine Stimme war laut genug, dass die anderen ihn hören konnten. »Trotzdem würden einige Männer bereits von heißem Wein träumen. Natürlich nicht dieser Haufen. Erstaunlich genügsam. Ich glaube, sie alle trinken Tee. Kalten Tee. Wenn sie ein paar Weidenruten hätten, würden sie sich ausziehen, um ein Bad im Schnee zu nehmen.«

»Im Moment müssen sie die Kleidung anbehalten«, erwiderte Ituralde trocken, »aber mit etwas Glück bekommen sie heute Abend kalten Tee.« Das rief Kichern hervor. Leises Kichern. Er hatte diese Männer mit großer Sorgfalt ausgesucht, und sie wussten über Lärm zum falschen Zeitpunkt Bescheid.

Er selbst hätte nichts gegen einen dampfenden Becher voller heißem Wein oder sogar auch Tee einzuwenden gehabt. Aber es war lange her, dass Kaufleute Teeblätter nach Arad Doman gebracht hatten. Es war lange her, dass ausländische Kaufleute weiter als bis zur Grenze nach Saldaea gekommen waren. Bis ihn Neuigkeiten aus der weiten Welt erreichten, waren sie so alt wie Brot vom Vormonat, falls sie überhaupt mehr als Gerüchte darstellten. Aber das spielte keine große Rolle. Falls die Weiße Burg tatsächlich gespalten war oder Männer, die über die Eine Macht geboten, wirklich nach Caemlyn gerufen wurden … nun, bis in Arad Doman wieder Frieden herrschte, würde die Welt ohne Rodel Ituralde auskommen müssen. Im Augenblick war Arad Doman mehr als genug, als ein geistig gesunder Mann bewältigen konnte.

Er überdachte erneut die Befehle, die er mit den schnellsten Reitern, die ihm zur Verfügung standen, an jeden Adligen gesandt hatte, der loyal zum König stand. So zerstritten sie durch Missgunst und alte Fehden auch waren, zumindest das hatten sie noch gemeinsam. Wenn der Befehl vom Wolf kam, würden sie ihre Heere sammeln und losreiten; zumindest so lange, wie er in der Gunst des Königs stand. Oh, sie würden toben, und einige würden seinen Namen verfluchen, aber sie würden gehorchen. Sie wussten, dass der Wolf Schlachten gewann. Mehr noch, sie wussten, dass er Kriege gewann. Wenn sie ihn außer Hörweite wähnten, nannten sie ihn den Kleinen Wolf, aber es störte ihn nicht, wenn sie auf seine Körpergröße anspielten – jedenfalls nicht sehr –, solange sie ritten, wenn er es befahl.

Sehr bald würden sie hart reiten, um eine Falle zu stellen, die erst in Monaten zuschnappen würde. Er ging ein großes Risiko ein. Komplizierte Pläne konnten auf vielerlei Weise scheitern, und sein Plan war vielschichtig. Wenn es ihm nicht gelang, für den Köder zu sorgen, würde alles fehlgeschlagen sein, bevor es begann. Oder wenn jemand seinen Befehl ignorierte, die Kuriere des Königs zu meiden. Aber sie alle kannten seine Gründe, und selbst die Stursten unter ihnen stimmten mit ihm überein, auch wenn nur wenige von ihnen bereit waren, über die Angelegenheit zu sprechen. Er selbst hatte sich wie ein vom Sturm getriebener Geist bewegt, seit er Alsalams letzten Befehl erhalten hatte. Das zusammengefaltete Stück Papier steckte in seinem Ärmel, unter der weißen Spitze, die über den mit Stahl verstärkten Handschuh fiel. Sie hatten eine letzte Chance, eine sehr kleine Chance, Arad Doman noch zu retten. Vielleicht sogar Alsalam vor sich selbst zu retten, bevor der Kaufmannsrat den Entschluss fasste, einen anderen Mann an seiner Stelle auf den Thron zu setzen. Er war über zwanzig Jahre lang ein guter Herrscher gewesen. Das Licht mochte dafür sorgen, dass er es wieder sein konnte.

Ein lautes Krachen im Süden ertönte. Ituraldes Hand fuhr zum Griff seines Langschwerts. Leder und Metall quietschten leise, als die anderen ihre Waffen lockerten. Ansonsten herrschte Stille. Der Wald war so still wie eine gefrorene Gruft. Es war nur ein Ast, der unter dem Gewicht des Schnees abgebrochen war. Nach einem Augenblick ließ Ituralde zu, dass er sich wieder entspannte – sosehr er sich entspannen konnte, seit die Geschichten, dass der Wiedergeborene Drache in Falme am Himmel erschienen war, nach Norden vorgedrungen waren. Vielleicht war der Mann wirklich der Wiedergeborene Drache, vielleicht war er tatsächlich am Himmel erschienen, aber was auch immer die Wahrheit war, diese Geschichten hatten Arad Doman in Brand gesetzt.

Ituralde war davon überzeugt, dass er dieses Feuer hätte austreten können, wenn man ihm nur freie Hand gelassen hätte. Das war keine Prahlerei. Er wusste, was er mit einer Schlacht, einem Feldzug oder einem Krieg erreichen konnte. Aber seit der Rat entschieden hatte, dass es besser für den König wäre, wenn man ihn aus Bandar Eban herausschmuggelte, schien Alsalam sich in den Kopf gesetzt zu haben, die Wiedergeburt von Artur Falkenflügel zu sein. Seitdem hatte er seine Unterschrift und sein Siegel unter zahllose Kampfbefehle gesetzt, eine wahre Flut, die aus dem Versteck strömte, wo auch immer ihn der Rat verborgen hatte. Sie wollten niemandem verraten, wo er war, nicht einmal Ituralde. Jede Frau des Rates, die er gefragt hatte, war bei der Erwähnung des Königs ausweichend geworden. Es hatte fast den Anschein, als wüßten sie nicht, wo Alsalam war. Das war natürlich ein lächerlicher Gedanke. Der Rat richtete ein waches Auge auf den König. Ituralde war immer der Meinung gewesen, dass sich die Handelshäuser zu sehr einmischten, und doch wünschte er sich, sie würden jetzt eingreifen. Warum sie die Hände in den Schoß legten, blieb ein Geheimnis, denn ein König, der den Handel schädigte, blieb nie lange auf dem Thron.

Er stand loyal zu seinen Eiden, außerdem war Alsalam ein Freund, aber die Befehle, die der König verfasst hatte, drohten ein Chaos anzurichten. Doch man konnte sie nicht ignorieren. Alsalam war der König. Er hatte Ituralde befohlen, so schnell wie möglich nach Norden gegen eine große Ansammlung von Drachenverschworenen zu marschieren, von der Alsalam angeblich von seinen Spionen erfahren hatte; nach zehn Tagen, als noch immer kein Drachenverschworener in Sicht gekommen war, kam dann der Befehl, wieder mit der größtmöglichen Schnelligkeit nach Süden zu marschieren, gegen eine andere Horde, die nie gefunden wurde. Er hatte den Befehl erhalten, seine Streitkräfte für die Verteidigung Bandar Ebans zu konzentrieren, wo ein Angriff von drei Seiten die Sache ein für alle Mal entschieden hätte; dann sollte er sie teilen, wo ein Hammerschlag ebenfalls eine Entscheidung herbeigeführt hätte, nur um Boden einzunehmen, von dem er wusste, dass die Drachenverschworenen ihn aufgegeben hatten, und von der Stelle wegzumarschieren, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Was noch viel schlimmer war, Alsalams Befehle waren oft an die mächtigen Adligen gegangen, die Ituralde folgen sollten, und so wurden Machir in die eine Richtung, Teacal in die andere und Rahman in eine dritte geschickt. Viermal war es zu Scharmützeln gekommen, weil Teile des Heeres in der Nacht aufeinandertrafen, während sie auf Befehl des Königs Eilmärsche zurücklegten und nur mit Feinden rechneten. Und die ganze Zeit über nahmen die Drachenverschworenen an Zahl und Zuversicht zu. Ituralde hatte seine Triumphe gehabt – bei Solanje und Maseen, bei dem See von Somal und Kandelmar; die Lords von Katar hatten gelernt, die Produkte ihrer Minen und Schmieden nicht an die Feinde Arad Domans zu verkaufen –, aber jedes Mal hatten Alsalams Befehle seine Erfolge zunichtegemacht.

Aber dieser letzte Befehl war anders. Zum einen hatte einer der Grauen Männer Lady Tuva ermordet, um zu verhindern, dass er Ituralde erreichte. Warum der Schatten diesen Befehl mehr als jeden anderen fürchtete, blieb ein Geheimnis; aber das war mehr als Grund genug, schnell zu marschieren – bevor ihn der nächste Befehl Alsalams erreichte. Dieser Befehl eröffnete viele Möglichkeiten, und er hatte jede einzelne davon, die ihm in den Sinn gekommen war, in Erwägung gezogen. Aber die guten fingen alle hier an, und zwar heute. Wenn nur noch geringe Erfolgsaussichten bestanden, musste man sie ergreifen.

In der Ferne erscholl der schrille Ruf eines Schneevogels, dann ein zweites und ein drittes Mal. Ituralde legte die Hand an den Mund und erwiderte die drei Rufe. Augenblicke später kam ein zottiger, gescheckter Wallach zwischen den Bäumen hervor, sein Reiter trug einen weißen Umhang mit schwarzen Streifen. Reiter und Pferd wären in dem verschneiten Wald kaum zu sehen gewesen, hätten sie sich nicht bewegt. Der Reiter hielt neben Ituralde an. Er war ein stämmiger Mann, der mit einem Kurzschwert bewaffnet war; am Sattel hingen ein Köcher Pfeile und ein Bogen in einem Lederfutteral.

»Sieht so aus, als wären alle gekommen, mein Lord«, sagte er mit seiner ständig heiseren Stimme und schob die Kapuze zurück. Jemand hatte Donjel aufhängen wollen, als er noch jung gewesen war, allerdings war der Grund dafür im Laufe der Jahre in Vergessenheit geraten. Was von seinem kurz geschnittenen Haar noch übrig war, wies eine eisengraue Farbe auf. Die dunkle Lederklappe, die die leere rechte Augenhöhle verbarg, war ein weiteres Andenken an eine jugendliche Rauferei. Aber ob nur ein Auge oder zwei, er war der beste Kundschafter, der Ituralde jemals begegnet war. »Die meisten jedenfalls«, fuhr er fort. »Sie haben das Schloss mit zwei Wächterketten umgeben, die eine in der anderen. Man kann sie aus einer Meile Entfernung sehen, aber keiner wird sich nähern können, ohne dass die im Schloss es merken und rechtzeitig verschwinden können. Den Spuren nach zu urteilen, haben sie nicht mehr Männer mitgebracht, als Ihr es mir gesagt habt. Natürlich«, fügte er beiläufig hinzu, »seid Ihr ihnen noch immer zahlenmäßig überlegen.«

Ituralde nickte. Er hatte das Weiße Band angeboten, und die Männer, die er treffen wollte, hatten zugestimmt. Die Männer hatten beim Licht, ihren Seelen und der Hoffnung auf Erlösung geschworen, in diesen drei Tagen keine Waffe gegeneinander zu ziehen oder Blut zu vergießen. Allerdings war das Weiße Band in diesem Krieg noch keiner Probe unterzogen worden, und in diesen Tagen hatten manche Männer seltsame Vorstellungen davon, wo die Erlösung lag. Zum Beispiel jene, die sich Drachenverschworene nannten. Er war immer als Spieler bezeichnet worden, auch wenn er das nicht war. Der Trick bestand darin, dass man wusste, welche Risiken man einging und welche nicht. Und manchmal, welche man einfach eingehen musste.

Er zog ein in gewachste Seide eingenähtes Päckchen aus dem Stiefelschacht und gab es Donjel. »Sollte ich nicht in zwei Tagen an der Coron-Furt sein, übergebt das hier meiner Frau.«

Der Kundschafter schob das Päckchen unter den Umhang, berührte seine Stirn und lenkte sein Pferd nach Westen. Er hatte schon zuvor ähnliche Päckchen für Ituralde befördert, für gewöhnlich vor einer Schlacht. Sollte das Licht dafür sorgen, dass Tamsin nicht gezwungen wurde, es diesmal zu öffnen. Sie würde ihn heimsuchen – das hatte sie ihm versprochen –, das erste bekannte Mal, dass die Lebenden die Toten heimsuchten.

»Jaalam«, sagte Ituralde, »lasst uns sehen, was uns in Lady Osanas Jagdschloß erwartet.« Als er Pfeil antrieb, schlossen sich die anderen ihm an.

Die Sonne erreichte den Zenit und senkte sich wieder. Die dunklen Wolken im Norden kamen näher heran, die Kälte wurde schlimmer. Bis auf das Klirren der Hufe, die in die Schneedecke einbrachen, gab es keinen Laut. Von den Reitern abgesehen schien der Wald menschenleer zu sein. Ituralde sah keinen der Wächter, von denen Donjel gesprochen hatte. Die Meinung des Mannes, was man aus einer Meile Entfernung sehen konnte, unterschied sich von denen der meisten. Natürlich würden sie ihn erwarten. Und ihn beobachten, um sicherzugehen, dass ihm kein Heer folgte, Weißes Band oder nicht. Eine beträchtliche Zahl von ihnen würde vermutlich gute Gründe haben, Rodel Ituralde mit Pfeilen zu spicken. Ein Lord mochte das Weiße Band im Namen seiner Männer schwören, aber würden sich auch alle daran gebunden fühlen? Manchmal gab es Risiken, die man einfach eingehen musste.

In der Mitte des Nachmittags ragte Osanas sogenanntes Jagdschloss unvermittelt zwischen den Bäumen hervor, eine Masse aus blassen Türmen und schlanken Spitzkuppeldächern, die auch in Bandar Eban nicht fehl am Platz gewesen wären. Sie hatte es schon immer auf Männer oder Macht abgesehen, ihre Trophäen waren trotz ihrer Jugend zahlreich und bemerkenswert, und die »Jagden«, die hier stattgefunden hatten, hätten selbst in der Hauptstadt viele Brauen gehoben. Das Jagdschloss bot einen traurigen Anblick. Zerbrochene Fenster klafften wie Münder mit spitzen Zähnen. Nirgendwo war ein Lichtschimmer oder eine Bewegung zu sehen. Der Schnee, der den Boden um das Schloss bedeckte, war allerdings deutlich sichtbar von Pferden zertrampelt worden. Die verzierten Messingtore des Haupthofes standen weit offen, und Ituralde ritt ohne zu zögern mit seinen Männern hinein. Wo der Schnee zu Matsch zertreten war, klapperten die Pferdehufe auf den Pflastersteinen.

Es erschienen keine Diener, um ihn zu begrüßen, auch wenn er das nicht erwartet hatte. Osana war frühzeitig in dem Chaos verschwunden, das Arad Doman schüttelte wie ein Hund eine Ratte am Genick, und ihre Diener hatten sich schnell anderen ihrer Familie angeschlossen und jeden Platz eingenommen, den sie finden konnten. Heutzutage verhungerten die Herrenlosen oder wurden zu Banditen. Oder Drachenverschworenen. Er stieg vor der breiten Marmortreppe am Ende des Hofes ab und übergab Pfeils Zügel einem seiner Männer, während Jaalam den Übrigen den Befehl gab, sich mit ihren Pferden dort unterzustellen, wo es ging. Mit argwöhnischen Blicken auf die marmornen Balkone und die breiten Fenster, die den Hof säumten, bewegten sie sich, als würden sie damit rechnen, jeden Augenblick zwischen den Schulterblättern von Armbrustbolzen getroffen zu werden. Eines der Stalltore stand einen Spaltbreit geöffnet, aber trotz der Kälte teilten sie sich zwischen den Ecken des Hofes auf und drängten sich zwischen die Pferde, wo sie in alle Richtungen Wache halten konnten. Wenn es zum Schlimmsten kam, würde vielleicht einigen von ihnen die Flucht glücken.

Ituralde zog die Panzerhandschuhe aus und steckte sie in den Gürtel, während er mit Jaalam die Treppe emporklomm. Unter seinen Stiefeln knirschte breit getretener Schnee, der erneut gefroren war. Er vermied es, irgendwo anders hinzusehen als geradeaus. Er musste völlig selbstbewusst erscheinen, als bestünde nicht die geringste Möglichkeit, dass sich die Ereignisse anders als erwartet entwickelten. Zuversicht war ein Schlüssel zum Sieg. Wenn die andere Seite glaubte, dass man zuversichtlich war, war das manchmal genauso gut, als wäre man tatsächlich zuversichtlich. Oben auf dem Treppenabsatz zog Jaalam eine der hohen, mit Schnitzereien versehenen Türen an ihrem vergoldeten Ring auf. Bevor Ituralde eintrat, tastete er mit einem Finger nach seinem Schönheitsfleck, um sich zu vergewissern, dass er an Ort und Stelle war – seine Wangen waren zu kalt, um den dort klebenden schwarzen Samtstern fühlen zu können. So selbstbewusst, als würde er an einem Ball teilnehmen.

In der höhlenartigen Eingangshalle war es so kalt wie draußen. Ihr Atem wurde zu feinem Nebel. Unbeleuchtet schien der Raum bereits in Zwielicht gehüllt zu sein. Den Boden zierte ein farbiges Mosaik aus Jägern und Tieren; an manchen Stellen waren die Fliesen zersprungen, als wären schwere Lasten darübergeschleift oder möglicherweise auch darauf fallen gelassen worden. Abgesehen von einem umgekippten Sockel, auf dem vielleicht eine große Vase oder eine kleine Statue gestanden hatte, war die Halle leer. Was die Diener bei ihrer Flucht nicht mitgenommen hatten, war schon vor langer Zeit von Banditen geplündert worden. Ein Mann erwartete sie, er hatte weißes Haar und sah noch schmaler aus als bei ihrer letzten Begegnung. Sein Brustpanzer wies Dellen auf, sein Ohrring bestand nur aus einem kleinen goldenen Reif, aber der weiße Spitzenbesatz seiner Kleidung war tadellos, und die funkelnde rote Mondsichel unter seinem linken Auge hätte in besseren Zeiten am Hof für Aufsehen gesorgt.

»Beim Licht, seid willkommen unter dem Weißen Band, Lord Ituralde«, sagte er förmlich und mit einer kleinen Verbeugung.

»Beim Licht, ich komme im Zeichen des Weißen Bandes, Lord Shimron«, entgegnete Ituralde und erwiderte die Verbeugung. Shimron war einst einer von Alsalams engsten Beratern gewesen. Zumindest bis er sich den Drachenverschworenen angeschlossen hatte. Jetzt nahm er eine hohe Position in ihrem Rat ein. »Mein Waffenträger ist Jaalam Nishur, ehrenverbunden dem Haus Ituralde, so wie all jene, die mit mir gekommen sind.«

Vor Rodel hatte es kein Haus Ituralde gegeben, aber Shimron erwiderte Jaalams Verbeugung, die Hand auf dem Herzen. »Ehre sei der Erde. Wollt Ihr mich begleiten, Lord Ituralde?«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete.

Die große Flügeltür zum Ballsaal hing nicht mehr in ihren Angeln, allerdings konnte sich Ituralde nur schwerlich vorstellen, dass sie von Banditen geraubt worden war. Der hohe, spitze Torbogen war breit genug, um von zehn Seite an Seite gehenden Männern durchschritten zu werden. In dem fensterlosen ovalen Raum trieben fünfzig Laternen jeder Größe und Art die Schatten zurück, allerdings reichte das Licht kaum bis zur Kuppeldecke. Getrennt von der freien Tanzfläche standen zwei Gruppen von Männern vor den bemalten Wänden, und auch wenn das Weiße Band sie dazu veranlasst hatte, auf die Helme zu verzichten, waren dennoch alle zweihundert oder mehr bewaffnet, keiner hatte auf sein Schwert verzichtet. Auf der einen Seite standen ein paar Lords der Domani – Rajabi, Wakeda, Ankaer –, die genauso mächtig wie Shimron waren, umringt von ihren jeweiligen niederen Gefolgsleute und eidverschworenen freien Männern, sowie ein paar kleine Gruppen, die teilweise nur aus ein oder zwei Personen bestanden und manchmal gar keine Adligen aufwiesen. Die Drachenverschworenen hatten Räte, aber keinen übergeordneten Befehlshaber. Dennoch war jeder dieser Männer ein Anführer, ihr Gefolge bestand aus Dutzenden und bei einigen sogar aus Tausenden. Keiner schien glücklich zu sein, dass er hier war, und ein paar warfen finstere Blicke durch den Raum zu der Stelle, an der fünfzig oder sechzig Taraboner dicht beieinanderstanden, die genauso grimmig zurückschauten. Sie mochten alle Drachenverschworene sein, aber zwischen Domani und Tarabonern herrschte keine Freundschaft. Beinahe hätte Ituralde beim Anblick der Ausländer gelächelt. Er hatte nicht zu hoffen gewagt, dass auch nur die Hälfte von ihnen heute erscheinen würde.

»Lord Rodel Ituralde kommt im Zeichen des Weißen Bandes.« Shimrons Stimme hallte durch die von Laternenlicht geschaffenen Schatten. »Soll der, der Gewalt im Sinn hat, sein Herz erforschen und an seine Seele denken.« Und das war das Ende der Förmlichkeiten.

»Warum bietet Lord Ituralde das Weiße Band an?«, verlangte Wakeda zu wissen, der die eine Hand an dem Langschwert an seiner Seite und die andere zur Faust geballt hatte. Er war kein großer Mann, wenn auch größer als Ituralde, und so hochmütig, als würde er auf dem Thron sitzen. Einst hatten ihn die Frauen als attraktiv beschrieben. Jetzt bedeckte ein schräg gebundenes schwarzes Tuch die leere rechte Augenhöhle, und sein Schönheitsfleck war eine schwarze Pfeilspitze, die auf eine dicke, von der Wange zur Stirn verlaufende Narbe zeigte. »Will er sich uns anschließen? Oder uns bitten, sich zu ergeben? Alle wissen, dass der Wolf so mutig wie durchtrieben ist. Ist er so mutig?« In die Männer auf seiner Seite des Raums kam Unruhe; zum Teil war es Heiterkeit, zum Teil aber auch Wut.

Ituralde verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um nicht an dem Rubin in seinem linken Ohrläppchen herumzufummeln. Es war weithin als Zeichen dafür bekannt, dass er wütend war, und manchmal tat er es auch absichtlich, aber jetzt musste er eine ruhige Miene zur Schau stellen. Selbst wenn der Mann an seinem Ohr vorbeisprach! Nein. Ruhe. Duelle entstanden aus Zorn, aber er war hier, um ein Duell auszufechten, und dazu brauchte er Ruhe. Worte konnten tödlichere Waffen als Schwerter sein.

»Jeder Mann hier weiß, dass wir im Süden einen weiteren Feind haben«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Die Seanchaner haben Tarabon geschluckt.« Er schaute zu den Tarabonern hinüber und sah sich mit ausdruckslosen Blicken konfrontiert. Er hatte noch nie in den Gesichtern von Tarabonern lesen können. Anstelle dieser lächerlichen Schnurrbärte, die wie haarige Stoßzähne waren – schlimmer noch als die Saldaeaner! –, und den albernen Gesichtsschleiern hätten sie genauso gut Masken tragen können, und das armselige Licht der Laternen war auch keine Hilfe. Aber er hatte sie auch schon gesehen, wenn sie sich mit Rüstungen verschleierten, und er brauchte sie. »Sie sind auf die Ebene von Almoth geströmt und bewegen sich weiter nach Norden. Ihr Ziel ist klar. Sie wollen auch Arad Doman unterwerfen. Ich fürchte, sie wollen die ganze Welt.«

»Will Lord Ituralde wissen, wen wir unterstützen, falls diese Seanchaner bei uns einfallen?«, fragte Wakeda.

»Ich glaube fest daran, dass Ihr für Arad Doman kämpfen werdet, Lord Wakeda«, sagte Ituralde sanft. Wakeda lief purpurrot an, als er die offene Beleidigung hörte, und seine Eidmänner griffen nach den Schwertern.

»Flüchtlinge haben berichtet, dass Aiel auf der Ebene sind«, warf Shimron schnell ein, als fürchtete er, Wakeda könnte das Weiße Band zerreißen. Keiner von Wakedas Eidmännern würde blankziehen, bevor er es tat oder es befahl. »Den Berichten zufolge kämpfen sie für den Wiedergeborenen Drachen. Er muss sie geschickt haben, vielleicht um uns beizustehen. Niemand hat je ein Heer der Aiel besiegt, nicht einmal Artur Falkenflügel. Lord Ituralde, erinnert Ihr Euch an den Blutschnee, als wir noch jünger waren? Ihr stimmt gewiss mit mir darin überein, dass wir sie dort nicht besiegt haben, was auch immer in den Überlieferungen steht, und ich kann nicht glauben, dass die Seanchaner über die Zahl an Männern verfügen, die wir damals hatten. Ich selbst habe gehört, dass sich die Seanchaner nach Süden bewegen, von der Grenze fort. Nein, ich vermute, dass wir als Nächstes hören werden, dass sie sich von der Ebene zurückziehen und nicht auf uns zurücken.« Im Feld war er kein schlechter Befehlshaber, aber er war schon immer ein Pedant gewesen.

Ituralde lächelte. Aus dem Süden kamen die Nachrichten schneller als von überall anders, aber er hatte befürchtet, die Aiel selbst zur Sprache bringen zu müssen, und sie hätten vielleicht geglaubt, er wollte sie hintergehen. Er konnte es selbst kaum glauben. Aiel auf der Ebene von Almoth. Er sparte sich den Hinweis, dass Aiel, die geschickt worden waren, um den Drachenverschworenen zu helfen, wahrscheinlich direkt in Arad Doman erschienen wären. »Auch ich habe mit Flüchtlingen gesprochen, und sie erzählen von Überfällen der Aiel, nicht von Heeren. Was auch immer die Aiel auf der Ebene tun, es hat den Vormarsch der Seanchaner vielleicht verlangsamt, aber es hat sie nicht zurückgedrängt. Ihre fliegenden Bestien kundschaften unsere Seite der Grenze aus. Das klingt nicht nach Rückzug.«

Mit einer energischen Bewegung zog er das Papier aus dem Ärmel und hielt es in die Höhe, sodass alle das in grünes und blaues Wachs eingedrückte Siegel mit Schwert und Hand sehen konnten. Wie immer in letzter Zeit hatte er das königliche Siegel auf der einen Seite mit einer heißen Klinge vom Papier gelöst, um es intakt zu lassen, damit er es denen ungebrochen vorlegen konnte, die mögliche Zweifel hatten. Und von denen gab es eine ganze Menge, nachdem sie Alsalams Befehle vernommen hatten. »König Alsalam hat mir den Befehl gegeben, so viele Männer zu nehmen, wie ich zusammenbekomme, ganz egal woher, und die Seanchaner so hart anzugreifen, wie ich kann.« Er holte tief Luft. Hier ging er ein weiteres Wagnis ein, und Alsalam würde möglicherweise seinen Kopf auf den Richtblock schicken, wenn der Würfel nicht auf die gewünschte Seite fiel. »Ich biete einen Waffenstillstand an. Ich schwöre im Namen des Königs, gegen keinen von Euch ins Feld zu ziehen, solange die Seanchaner Arad Doman bedrohen, falls Ihr alle den gleichen Schwur leistet und an meiner Seite kämpft, bis sie zurückgeschlagen sind.«

Verblüfftes Schweigen antwortete ihm. Der stiernackige Rajabi schien vom Schlag getroffen zu sein. Wakeda kaute wie ein erschrockenes Mädchen auf der Unterlippe herum.

Dann murmelte Shimron: »Können sie zurückgeschlagen werden, Lord Ituralde? Ich habe auf der Ebene von Almoth ihren angeleinten … Aes Sedai gegenübergestanden, genau wie Ihr auch.« Stiefel knirschten, als Männer mit den Füßen scharrten, Gesichter verdunkelten sich vor hilflosem Zorn. Keinem Mann gefiel die Vorstellung, einem Feind hilflos gegenüberzustehen, aber viele von ihnen hatten in den frühen Tagen an der Seite von Ituralde und Shimron gekämpft, um zu wissen, wie dieser Feind war.

»Sie können besiegt werden, Lord Shimron«, erwiderte Ituralde, »selbst mit ihren … kleinen Überraschungen.« Schon seltsam, es so zu bezeichnen, wenn der Boden unter den Füßen in die Höhe geschleudert wurde und Kundschafter etwas ritten, das wie Schattengezücht aussah, aber er musste so sicher klingen, wie er aussah. Davon abgesehen passte man sich an, wenn man wusste, wozu der Feind imstande war. Das war eine Faustregel des Kriegshandwerks, und zwar schon lange, bevor die Seanchaner aufgetaucht waren. Dunkelheit verschaffte den Seanchanern Vorteile, genau wie Stürme, und ein Wetterdeuter konnte einem immer sagen, wann ein Sturm heraufzog. »Ein kluger Mann hört auf zu kauen, wenn er auf den Knochen stößt«, fuhr er fort, »aber bis jetzt haben die Seanchaner ihr Fleisch in dünnen Scheiben abgeschnitten, bevor sie danach griffen. Ich habe vor, ihnen einen knorrigen Unterschenkel zu geben, an dem sie herumkauen können. Mehr noch, ich habe einen Plan, der sie so schnell zuschnappen lassen wird, dass sie sich die Zähne an dem Knochen ausbeißen werden, bevor sie überhaupt einen Bissen Fleisch bekommen. Nun, ich habe meinen Schwur geleistet. Was ist mit Euch?«

Es fiel schwer, nicht die Luft anzuhalten. Jeder Mann schien nach innen zu schauen. Er konnte förmlich sehen, wie sie darüber nachdachten. Der Wolf hatte einen Plan. Die Seanchaner hatten angekettete Aes Sedai und fliegende Bestien und das Licht allein wusste was noch. Aber der Wolf hatte einen Plan. Die Seanchaner. Der Wolf.

»Wenn ein Mann sie besiegen kann«, sagte Shimron schließlich, »dann seid Ihr es, Lord Ituralde. Ich schwöre.«

»Ich schwöre auch!«, rief Rajabi. »Wir jagen sie über den Ozean dorthin zurück, wo sie hergekommen sind!« Er hatte das passende Temperament zu seinem Stiernacken.

Überraschenderweise gab Wakeda seine Zustimmung mit dem gleichen Enthusiasmus kund, und dann erscholl ein Sturm aus Stimmen, sie riefen, dass auch sie den Schwur des Königs leisteten, dass sie die Seanchaner zerschmettern würden, manche sogar, dass sie dem Wolf in die Grube der Hölle selbst folgen würden. Das war alles sehr zufriedenstellend, aber es war nicht alles, weswegen Ituralde hergekommen war.

»Wenn Ihr uns bittet, für Arad Doman zu kämpfen«, übertönte eine Stimme den Rest, »dann fragt uns!« Die Männer, die ihre Schwüre verkündet hatten, verfielen in wütendes Gemurmel oder leise Flüche.

Ituralde verbarg sein Vergnügen hinter seinem ausdruckslosen Gesicht und drehte sich dem Sprecher zu, der auf der anderen Seite des Raums stand. Der Taraboner war ein schlanker Mann mit einer spitzen Nase, die seinen Schleier hervorstehen ließ. Aber seine Augen blickten scharf und hart. Einige der Taraboner runzelten die Stirn, als würde ihnen nicht gefallen, dass er das Wort ergriffen hatte; allem Anschein nach hatten sie genau wie die Domani keinen Anführer mehr, aber er hatte nun einmal das Wort ergriffen. Ituralde hatte gehofft, die Eide zu erhalten, aber sie waren für seinen Plan nicht notwendig. Die Taraboner schon. Zumindest würden sie die Chance hundertfach verstärken, dass er funktionierte. Er begrüßte den Mann mit einer höflichen Verbeugung.

»Ich biete Euch die Gelegenheit, für Tarabon zu kämpfen, mein guter Mann. Die Aiel stiften auf der Ebene einige Verwirrung, das berichten die Flüchtlinge. Sagt, könnte eine kleine Kompanie Eurer Leute – hundert, oder vielleicht auch zweihundert – in diesem Aufruhr die Ebene überqueren und Tarabon betreten, vorausgesetzt, ihre Rüstungen wären mit den Streifen jener markiert, die für die Seanchaner reiten?«

Es erschien unvorstellbar, dass das Gesicht des Taraboners noch verkniffener wurde, aber so war es, und jetzt waren die Männer rings um ihn mit ärgerlichem Murmeln und Flüchen dran. Aus dem Norden waren genügend Neuigkeiten bis zu ihnen gedrungen, um zu wissen, dass die Seanchaner einen König und eine Panarchin auf die Throne gesetzt hatten, die einer Kaiserin auf der anderen Seite des Aryth-Meers die Treue geschworen hatten. Sie würden es nicht schätzen, daran erinnert zu werden, wie viele ihrer Landsleute jetzt für diese Kaiserin ritten. Die meisten der »Seanchaner« auf der Ebene von Almoth waren Taraboner.

»Was könnte eine kleine Kompanie schon ausrichten?«, knurrte der schlanke Mann verächtlich.

»Wenig«, erwiderte Ituralde. »Aber wenn es fünfzig solcher Kompanien geben würde? Oder hundert?« Den Berichten zufolge verfügten diese Taraboner über so viele Männer. »Wenn sie alle am selben Tag zuschlagen würden, in ganz Tarabon? Ich selbst würde mit ihnen reiten, und so viele meiner Männer, wie man tarabonische Rüstungen für sie auftreiben kann. Nur damit Ihr wisst, dass das kein Vorwand ist, um Euch loszuwerden.«

Hinter ihm fingen die Domani lautstark an zu protestieren. Wakeda am lautesten von allen, falls man das glauben wollte! Der Plan des Wolfes war ja schön und gut, aber sie wollten den Wolf selbst an ihrer Spitze reiten sehen. Die meisten Taraboner fingen eine hitzige Diskussion untereinander an, ob so viele Männer die Ebene ungesehen überqueren konnten, selbst in so kleinen Gruppen, was so kleine Kompanien in Tarabon ausrichten konnten, ob sie bereit waren, mit seanchanischen Streifen versehene Rüstungen zu tragen. Taraboner diskutierten genauso gern wie Saldaeaner, und genauso hitzig. Aber nicht der Mann mit der spitzen Nase. Er erwiderte Ituraldes Blick. Dann nickte er kaum merklich. Es war schwer zu sagen, aber Ituralde glaubte, dass er unter dem dicken Schnurrbart lächelte.

Die letzte Anspannung wich aus Ituraldes Schultern. Der Bursche hätte nicht zugestimmt, während die anderen noch debattierten, wäre er nicht einflussreicher gewesen, als es den Anschein hatte. Auch die anderen würden kommen, da war er sich sicher. Sie würden mit ihm nach Süden in das Herz dessen reiten, was die Seanchaner als das Ihre betrachteten, und ihnen einen harten Schlag ins Gesicht versetzen. Die Taraboner würden natürlich bleiben und den Kampf in Ihrer Heimat fortsetzen wollen. Er konnte es nicht mehr erwarten. Was dazu führen würde, dass man ihn und die paar Tausend Mann, die er mitnehmen konnte, wieder zurück nach Norden jagen würde, den ganzen Weg über die Ebene von Almoth. Wenn das Licht auf ihn leuchtete, voller Wut jagen.

Er erwiderte das Lächeln des Taraboners, wenn es denn ein Lächeln war. Mit etwas Glück würden die wütenden Generäle nicht sehen, wo er sie hinführte, bis es zu spät war. Und wenn doch … Nun, er hatte noch einen zweiten Plan.

Eamon Valda zog den Umhang eng um seinen Körper, während er zwischen den Bäumen durch den Schnee stapfte. Der Wind raunte kalt und beständig durch die schneebeladenen Äste, in dem feuchten grauen Licht ein täuschend leiser Laut. Er drang durch die dicke weiße Wolle wie durch Watte und ließ ihn bis auf die Knochen frieren. Das Lager, das sich um ihn herum im Wald erstreckte, war zu still. Bewegung sorgte nur für wenig Wärme, aber hier drängten sich die Männer aneinander, solange sie nicht angetrieben wurden.

Abrupt blieb er stehen und rümpfte die Nase, als ihn plötzlich Gestank einhüllte, eine würgende Fäulnis wie von zwanzig Misthaufen, in denen es vor Maden wimmelte. Er würgte nicht; stattdessen runzelte er die Stirn. Dem Lager fehlte die Ordnung, die er vorzog. Die Zelte standen zufällig dort verstreut, wo in der Höhe die dicksten Äste wuchsen, die Pferde waren in der Nähe angebunden statt ordentlich angepflockt. Es war die Art von Nachlässigkeit, die zu Unrat führte. Unbeaufsichtigt vergruben die Männer den Pferdedung unter ein paar Schaufeln Erde, um schneller fertig zu sein, und hoben Latrinen dort aus, wo sie in der Kälte nicht weit zu gehen hatten. Jeder seiner Offiziere, der so etwas erlaubt hätte, wäre nicht länger Offizier gewesen und hätte aus erster Hand erfahren, wie man mit einer Schaufel umging.

Er suchte nach der Quelle, als der Gestank plötzlich nicht mehr da war. Der Wind hatte sich nicht gedreht, der Gestank war einfach verschwunden. Eamon war nur kurz überrascht. Er ging weiter und blickte noch grimmiger drein. Der Gestank war irgendwoher gekommen. Er würde herausfinden, wer für die Nachlässigkeit verantwortlich war, und ein Exempel statuieren. Die Disziplin musste streng sein, jetzt noch mehr als je zuvor.

Am Rand einer großen Lichtung blieb er erneut stehen. Die Schneedecke war trotz des darum verborgenen Lagers vollkommen unberührt. Er trat zurück zwischen die Bäume und musterte den Himmel. Graue Wolken verbargen die Mittagssonne. Eine flüchtige Bewegung ließ ihm den Atem stocken, bevor ihm klar wurde, dass es nur ein Vogel war, ein kleines braunes Ding, das vor Falken auf der Hut war und darum tief flog. Er stieß ein Lachen aus, das mehr als nur einen Hauch Bitterkeit hatte. Es war nicht mal ein ganzer Monat vergangen, dass die vom Licht verfluchten Seanchaner Amador und die Hochburg des Lichts mit einem unglaublichen Bissen geschluckt hatten, und er hatte bereits neue Instinkte erworben. Kluge Männer lernten, während Narren …

Ailron war ein aufgeblasener Narr gewesen, der alten Geschichten über vergangene Triumphe nachhing, welche die Zeit verklärt hatte, von neuer Hoffnung erfüllt, zusammen mit der Krone wahre Macht zu erringen. Er hatte sich geweigert, die Wirklichkeit zu sehen, die sich vor seinen Augen abspielte, und Ailrons Unglück war das Resultat gewesen. Valda war zu Ohren gekommen, dass man es die Schlacht von Jeramel genannt hatte, aber das waren nur die wenigen amadicianischen Adligen gewesen, die benommen wie zur Schlachtung geführte Rinder entkommen waren und noch immer versuchten, die Geschehnisse im besten Licht darzustellen. Er fragte sich, wie Ailron es wohl genannt hatte, als die gezähmten Hexen der Seanchaner anfingen, seine ordentlichen Formationen in blutige Bündel zu verwandeln. Er hatte noch immer das Bild vor Augen, wie sich die Erde in Feuerfontänen verwandelte. Er sah es in seinen Träumen. Nun, Ailron war tot, niedergestreckt auf der Flucht vom Schlachtfeld, und sein Kopf war auf eine tarabonische Lanze gesteckt worden. Ein passender Tod für einen Narren. Er hingegen hatte über neuntausend der Kinder um sich versammelt. Ein Mann, der einen klaren Blick bewahrte, konnte daraus in solchen Zeiten einiges machen.

Auf der anderen Seite der Lichtung, direkt in der Baumlinie, stand eine einfache Hütte, die einst einem Köhler gehört hatte, ein Raum mit steinernen Wänden, in deren Lücken winterbraunes Unkraut wucherte. Allem äußeren Anschein nach hatte der Mann das Haus schon vor einiger Zeit aufgegeben; Teile des Strohdachs sackten auf bedenkliche Weise durch, und was auch immer die schmalen Fenster ausgefüllt hatte, war seit Langem verschwunden und wurde nun von dunklen Wolldecken ersetzt. Neben der schiefen Holztür standen zwei Wachen, große Männer mit dem Wappen des scharlachroten Hirtenstabs vor der goldenen Sonne auf den Umhängen. Sie hatten die Arme um den Körper gelegt und stampften mit den Stiefeln auf, um gegen die Kälte anzugehen. Wäre Valda ein Feind gewesen, hätte keiner von ihnen rechtzeitig das Schwert ziehen können. Die Zweifler arbeiteten lieber drinnen.

Ihre Gesichter hätten aus Stein gemeißelt sein können, während sie seinem Näherkommen entgegensahen. Keiner entrichtete mehr als einen halbherzigen Salut. Nicht für einen Mann ohne Hirtenstab, selbst wenn er der Kommandierende Lordhauptmann der Kinder war. Einer von ihnen öffnete den Mund, als wollte er nach Valdas Ansinnen fragen, aber er ging einfach an ihnen vorbei und stieß die roh gezimmerte Tür auf. Immerhin versuchten sie nicht, ihn aufzuhalten. Hätten sie dies getan, hätte er sie beide getötet.

Asunawa schaute bei seinem Eintreten von dem schiefen Tisch auf, an dem er ein kleines Buch las, in einer knochigen Hand einen dampfenden Zinnbecher, von dem der Geruch von Gewürzen ausging. Der Stuhl mit der hohen Lehne, auf dem er saß, das einzige andere Möbelstück im Raum, schien hinfällig zu sein, aber jemand hatte ihn mit Lederriemen verstärkt. Valda presste die Lippen aufeinander, um ein höhnischen Grinsen zu vermeiden. Der Hochinquisitor der Hand des Lichts beanspruchte ein richtiges Dach über dem Kopf und kein Zelt, selbst wenn es nur aus Stroh bestand, das dringend geflickt hätte werden müssen, und gewürzten Wein, wo kein anderer seit einer Woche auch nur irgendwelchen Wein zu trinken bekommen hatte. In dem gemauerten Kamin brannte natürlich ein kleines Feuer und verbreitete etwas Wärme. Schon vor dem Unglück waren Lagerfeuer untersagt worden, um zu verhindern, dass sie der Rauch verriet. Doch obwohl die meisten Kinder die Zweifler verabscheuten, hatten sie für Asunawa einen seltsamen Respekt, als würden ihn sein graues Haar und das hagere Märtyrergesicht mit allen Idealen der Kinder des Lichts auszeichnen. Als Valda das zum ersten Mal erfahren hatte, war das eine Überraschung gewesen; er war sich nicht sicher, ob Asunawa selbst es wusste. Auf jeden Fall gab es genug Zweifler, um Ärger zu machen. Nichts, das er nicht hätte meistern können, aber es war besser, diese Art Ärger zu vermeiden. Zumindest im Augenblick.

»Es ist fast so weit«, sagte er und schloss hinter sich die Tür. »Seid Ihr fertig?«

Asunawa machte keinerlei Anstalten aufzustehen oder nach dem weißen Umhang zu greifen, der gefaltet vor ihm auf dem Tisch lag. Das Kleidungsstück trug kein Sonnenbanner, lediglich den scharlachroten Hirtenstab. Stattdessen faltete er die Hände über dem Buch und verbarg die Seiten. Valda hielt es für Mantelars Der Weg des Lichts. Seltsame Lektüre für einen Hochinquisitor. Eher geeignet für neue Rekruten; jene, die bei der Vereidigung nicht lesen konnten, bekamen es beigebracht, damit sie Mantelars Worte studieren konnten. »Ich habe Berichte über ein andoranisches Heer in Murandy erhalten, mein Sohn«, sagte Asunawa. »Möglicherweise sogar tief in Murandy.«

»Murandy ist weit von hier entfernt«, erwiderte Valda, als wäre ihm nicht klar, dass eine alte Streitfrage hier zu neuem Leben erweckt wurde. Eine Streitfrage, von der Asunawa oft zu vergessen schien, dass er sie bereits verloren hatte. Aber was hatten die Andoraner in Murandy zu suchen? Falls die Berichte der Wahrheit entsprachen; so viele waren nichts als Hirngespinste von Reisenden, die in Lügen verpackt waren. Andor. Allein schon der Name versetzte Valda in Wut. Morgase war tot oder die Dienerin eines Seanchaners. Sie hatten wenig Achtung vor Titeln, die nicht die ihren waren. Tot oder Dienerin, für ihn war sie verloren, und, was viel wichtiger war, seine Pläne für Andor waren gescheitert. Galadedrid war von einem nützlichen Werkzeug zu einem beliebigen jungen Offizier geworden, und dazu noch einer, der beim Fußvolk viel zu beliebt war. Gute Offiziere waren niemals beliebt. Aber Valda war ein pragmatischer Mann. Die Vergangenheit war vergangen. Neue Pläne hatten Andor ersetzt.

»Nicht so weit, wenn wir nach Osten durch Altara marschieren, mein Sohn, durch den Norden von Altara. Die Seanchaner können sich noch nicht weit von Ebou Dar ausgebreitet haben.«

Valda streckte die Hände aus, um etwas von der armseligen Wärme des Kaminfeuers abzubekommen, und seufzte. In Tarabon hatten sie sich wie eine Seuche ausgebreitet, und hier in Amadicia auch. Wie kam der Mann auf die Idee, dass es in Altara anders sein würde? »Vergesst Ihr da nicht die Hexen in Altara? Muss ich Euch daran erinnern, dass sie ein eigenes Heer haben? Es sei denn, sie sind bereits in Murandy.« Die Berichte von den marschierenden Hexen glaubte er. Ohne es zu wollen, hob sich seine Stimme. »Vielleicht handelt es sich bei dem sogenannten andoranischen Heer, von dem Ihr gehört habt, um die Hexen und ihre Streitkräfte! Vergesst nicht, sie haben al’Thor Caemlyn gegeben! Und Illian, und den halben Osten! Glaubt Ihr wirklich, dass die Hexen uneins sind? Glaubt Ihr das?« Er atmete langsam ein und beruhigte sich. Versuchte es zumindest. Jeder Bericht aus dem Osten war schlimmer als der vorherige. Ein Windstoß, der den Schornstein hinunterraste, blies Funken in den Raum, und er trat mit einem Fluch zurück. Verfluchtes Bauernloch! Selbst der Kamin war erbärmlich!

Asunawa klappte das kleine Buch mit beiden Händen zu. Sie waren wie zum Gebet gefaltet, aber in seinen tief liegenden Augen schien plötzlich ein Feuer zu lodern, das heißer war als das im Kamin. »Die Hexen müssen vernichtet werden! Das ist es, woran ich glaube!«

»Mir würde es reichen, wenn wir wüssten, wie die Seanchaner sie zähmen.« Mit genügend zahmen Hexen könnte er al’Thor aus Andor vertreiben, aus Illian und überall sonst, wo er sich wie der Schatten selbst ausgebreitet hatte. Er könnte mehr erreichen als Falkenflügel!

»Sie müssen vernichtet werden«, sagte Asunawa stur.

»Und wir mit ihnen?«, wollte Valda wissen.

Es klopfte an der Tür, und nach Asunawas kurzem Ruf trat einer der Wachen ein, nahm stocksteif Haltung an und hieb in einem zackigen Gruß den Arm quer über die Brust. »Mein Lord Hochinquisitor«, sagte er ehrerbietig, »der Rat der Gesalbten ist eingetroffen.«

Valda wartete. Würde der alte Narr weiterhin auf seinem Standpunkt beharren, wo draußen alle zehn überlebenden Lordhauptmänner im Sattel saßen, zum Ritt bereit? Was geschehen war, war geschehen. Was geschehen musste …

»Wenn es die Weiße Burg vernichtet«, sagte Asunawa schließlich, »dann kann ich für den Augenblick zufrieden sein. Ich werde zu der Versammlung kommen.«

Valda lächelte schmal. »Dann bin ich zufrieden. Wir werden das Ende der Hexen Seite an Seite erleben.« Er würde es auf jeden Fall erleben. »Ich schlage vor, Ihr lasst Euer Pferd bereit machen. Bei Anbruch der Nacht steht uns ein langer Ritt bevor.« Ob Asunawa es mit ihm zusammen erleben würde, war eine andere Sache.

Gabrelle genoss den Ritt durch den winterlichen Wald mit Logain und Toveine. Er ließ sie und Toveine stets in scheinbarer Ungestörtheit in ihrem eigenen Tempo folgen, solange sie nicht zu weit zurückblieben. Die beiden Aes Sedai sprachen allerdings selten mehr als das unumgänglich Notwendige, selbst wenn sie tatsächlich allein unter sich waren. Sie waren alles andere als Freundinnen. Gabrelle wünschte sich oft, Toveine würde darum bitten, zurückbleiben zu dürfen, wenn Logain diese Ausritte anbot. Es wäre sehr angenehm gewesen, wirklich allein zu sein.

Mit einer behandschuhten Hand hielt sie die Zügel, während sie mit der anderen den mit Fuchspelz gefütterten Umhang zuhielt, und sie ließ zu, dass sie die Kälte fühlte, nur ein bisschen, nur für die erfrischende Energie, die sie bot. Der Schnee lag nicht hoch, aber die Morgenluft war ausgesprochen frisch. Dunkelgraue Wolken versprachen bald weiteren Schnee. Hoch über ihren Köpfen flog irgendein Vogel mit großen Flügeln. Vielleicht ein Adler; sie kannte sich nicht besonders mit Vögeln aus. Pflanzen und Steine blieben an Ort und Stelle, während man sie studierte, genau wie Bücher und Manuskripte, obwohl sie unter ihren Fingern zerfielen, wenn sie alt genug waren. Sie konnte den Vogel in dieser Höhe ohnehin kaum sehen, aber ein Adler passte in die Landschaft. Sie waren von Wald umgeben, zwischen weit auseinanderstehenden Bäumen wuchs niedriges Gestrüpp. Große Eichen und mächtige Kiefern und Tannen hatten den größten Teil des Unterholzes vertrieben, obwohl hier und da die dicken braunen Überreste zäher Schlingpflanzen, die auf den noch fernen Frühling warteten, an Felsen oder niedrigen grauen Steinvorsprüngen klebten. Sie vertraute das Bild der Landschaft sorgfältig ihrem Gedächtnis an, als würde es sich um eine Novizinnenübung handeln; in ihrem Inneren war sie kalt und leer.

Da außer ihren beiden Gefährten niemand in Sicht war, konnte sie sich beinahe vorstellen, irgendwo anders als in der Schwarzen Burg zu sein. Dieser schreckliche Name kam einem jetzt viel zu leicht in den Sinn. Eine Sache, die so real war wie die Weiße Burg; und für jemanden, der die großen Unterkünfte mit ihren Hunderten von Männern in der Ausbildung und das Dorf gesehen hatte, das ringsum entstanden war, war es nicht länger die »sogenannte« Schwarze Burg. Sie hatte fast zwei Wochen in diesem Dorf gelebt, und es gab Teile der Schwarzen Burg, die sie noch nicht gesehen hatte. Ihr Grundriss nahm Meilen in Anspruch, umgeben von den Anfängen einer Mauer aus schwarzem Stein. Doch hier in den Wäldern konnte sie das beinahe vergessen.

Beinahe. Wäre da nicht das Bündel aus Gefühlen und Empfindungen gewesen, die Essenz von Logain Ablar, die stets in ihrem Hinterkopf gegenwärtig war, das ständige Gefühl beherrschter Vorsicht, von Muskeln, die stets kurz davorstanden, sich anzuspannen. So fühlte sich vermutlich ein jagender Wolf, oder vielleicht ein Löwe. Der Kopf des Mannes war in ständiger Bewegung; selbst hier beobachtete er seine Umgebung, als rechnete er mit einem Angriff.

Sie hatte nie einen Behüter gehabt – sie waren nutzlose Schmuckstücke für Braune; ein eingestellter Diener konnte alles erledigen, was sie brauchte –, und es fühlte sich seltsam an, nicht nur Teil eines Bundes, sondern auch sozusagen am falschen Ende zu sein. Sogar schlimmer als am falschen Ende zu sein; sein Bund verlangte ihren Gehorsam, und sie war zahllosen Beschränkungen unterworfen. Also war es eigentlich nicht das Gleiche wie ein Behüterbund. Schwestern zwangen ihre Behüter nicht zum Gehorsam. Nun, jedenfalls nicht oft. Und Schwestern hatten schon seit Jahrhunderten keinen Männern mehr den Bund gegen ihren Willen aufgezwungen. Dennoch, es war Stoff für eine faszinierende Studie. Sie hatte ihre Gefühle erforscht. Manchmal vermochte sie fast seine Gedanken zu lesen. Bei anderen Gelegenheiten war es so, als würde sie sich ohne Laterne den Weg durch einen Minenschacht suchen. Vermutlich würde sie auch dann noch forschen, wenn ihr Kopf auf dem Block eines Scharfrichters lag. Was auf sehr reale Weise sogar zutraf. Er konnte sie genauso gut ertasten wie sie ihn.

Das durfte sie nie vergessen. Einige der Asha’man mochten glauben, dass sich die Aes Sedai mit ihrer Gefangenschaft abgefunden hatten, aber nur ein Narr konnte glauben, dass einundfünfzig Schwestern, die man gezwungenermaßen gebunden hatte, alle der Resignation verfallen würden, und Logain war kein Narr. Außerdem wusste er, dass sie geschickt worden waren, um die Schwarze Burg zu vernichten. Aber wenn er Verdacht schöpfte, dass sie noch immer nach einer Möglichkeit suchten, die Bedrohung von Hunderten von Männern zu beenden, die die Eine Macht lenken konnten … Beim Licht, so eingeschränkt, wie sie waren, hätte ein einziger Befehl sie auf der Stelle stillstehen lassen! Du wirst nichts tun, was der Schwarzen Burg schaden könnte. Sie konnte nicht begreifen, warum man ihnen diesen Befehl nicht als einfache Vorsichtsmaßnahme erteilt hatte. Sie mussten Erfolg haben. Versagten sie, war die Welt dem Untergang geweiht.

Logain drehte sich im Sattel um, eine eindrucksvolle, breitschultrige Gestalt in einem gut sitzenden, pechschwarzen Mantel, der abgesehen von dem silbernen Schwert und dem rotgoldenen Drachen an dem hohen Kragen keine Farbe aufwies. Der schwarze Umhang war zurückgeworfen, als würde er sich weigern, sich von der Kälte berühren zu lassen. Möglicherweise stimmte das sogar; diese Männer schienen zu glauben, gegen alles kämpfen zu müssen, die ganze Zeit. Er lächelte sie an – beruhigend? –, und sie blinzelte. Hatte sie zu viel Besorgnis in ihr Ende des Bundes sickern lassen? Es war ein so heikler Tanz, der Versuch, die eigenen Gefühle zu beherrschen, nur die richtigen Erwiderungen zu präsentieren. Es war fast so, also würde man die Prüfung für die Stola machen, wo jedes Gewebe ohne das geringste Zögern trotz aller möglichen Störungen perfekt erschaffen werden musste, nur dass diese Prüfung ununterbrochen weiterging.

Er wandte seine Aufmerksamkeit Toveine zu, und Gabrelle musste sich nicht das erste Mal davon abhalten, verblüfft den Kopf zu schütteln. Sie zog die Kapuze ein Stück weiter nach vorn, wie um sich vor der Kälte zu schützen; dabei wollte sie nur einen Rand haben, an dem vorbei sie die Schwester der Roten verstohlen betrachten konnte.

Über die andere Frau wusste sie lediglich, dass sie ihren Hass in flachen Gräbern begrub, wenn überhaupt, und Toveine verabscheute Männer, die die Macht lenken konnten, noch mehr als jede der Roten, die Gabrelle kennengelernt hatte. Nach den Behauptungen, die Logain Ablar in die Welt gesetzt hatte, musste jede Rote ihn verabscheuen, dass es die Rote Ajah gewesen sein sollte, die ihn zu einem falschen Drachen machen wollte. Mittlerweile schwieg er diesbezüglich, aber der Schaden war angerichtet. Manche der gefangenen Schwestern schauten die Roten an, als wären sie davon überzeugt, in eine von ihnen gestellte Falle hineingelaufen zu sein. Es fehlte nicht viel, und Toveine hätte ihn affektiert angestrahlt. Sicher, Desandre und Lemai hatten jeder Frau befohlen, herzliche Beziehungen zu den Asha’man aufzubauen, mit denen sie verbunden waren – die Männer mussten in Sicherheit gewiegt werden, bevor die Schwestern etwas Nützliches tun konnten –, aber Toveine sträubte sich offen gegen jeden Befehl der beiden. Sie hatte es verabscheut, ihnen den Oberbefehl zu überlassen, und hätte sich vielleicht sogar geweigert, hätte Lemai nicht auch den Roten angehört, und dabei hatte es keine Rolle gespielt, dass sie zugeben musste, dass es nicht anders ging. Dass keiner mehr ihre Autorität anerkannt hatte, nachdem sie sie in die Gefangenschaft geführt hatte. Auch das verabscheute sie. Aber danach hatte sie angefangen, Logain anzulächeln.

Und was das anging, wie konnte Logain am anderen Ende des Bundes sitzen und dieses Lächeln für etwas anderes als eine Täuschung halten? Gabrelle hatte auch an diesem Knoten gezupft, ohne ihn auch nur ansatzweise lösen zu können. Er wusste zu viel über Toveine. Allein schon ihre Ajah zu kennen hätte reichen müssen. Aber wenn er die Schwester der Roten anblickte, spürte Gabrelle genauso wenig Misstrauen in ihm, als wenn er sie betrachtete. Nicht, dass er gar nicht misstrauisch gewesen wäre; allem Anschein nach schien dieser Mann jedem mit Misstrauen zu begegnen. Aber er trat jeder Schwester unbefangener gegenüber als einigen der Asha’man. Und auch das ergab keinen Sinn.

Er ist kein Narr, rief sie sich ins Gedächtnis. Also, warum! Und warum tut Toveine das? Was für einen Plan verfolgt sie?

Plötzlich schenkte ihr Toveine ein scheinbar warmherziges Lächeln und antwortete, als hätte sie zumindest eine ihrer Fragen laut ausgesprochen. »Mit Euch in der Nähe«, murmelte sie, »ist er sich meiner Anwesenheit kaum bewusst. Ihr habt ihn zu Eurem Gefangenen gemacht, Schwester.«

Ertappt wurde Gabrelle knallrot im Gesicht. Toveine betrieb niemals Konversation, und zu behaupten, dass sie Gabrelles Verhältnis mit Logain missbilligte, wäre eine drastische Untertreibung gewesen. Ihn zu verführen war als so offensichtliche Möglichkeit erschienen, um nahe an ihn heranzukommen und auf diese Weise seine Pläne und seine Schwächen in Erfahrung zu bringen. Selbst wenn er ein Asha’man war, sie war schon lange vor seiner Geburt Aes Sedai gewesen, und sie war kaum ein unbeschriebenes Blatt, was Männer betraf. Er war so überrascht gewesen, als er begriffen hatte, was sie da tat, dass sie ihn beinahe für noch unschuldig gehalten hatte. Was nur wieder zeigte, was für eine Närrin sie gewesen war. Eine Domani zu spielen verbarg, wie sich herausstellte, viele Überraschungen und ein paar Stolpergruben. Und, was am Schlimmsten von allem war, eine Falle, die sie niemals jemandem enthüllen durfte. Sie befürchtete sehr, dass Toveine es wusste, zumindest einen Teil davon. Andererseits musste jede Schwester, die ihrem Beispiel gefolgt war, es ebenfalls wissen, und sie glaubte, dass einige von ihnen es tatsächlich taten. Keine hatte dies zur Sprache gebracht, und natürlich würde das auch keine tun. Logain konnte den Bund auf eine unbeholfene Weise maskieren – sie war überzeugt, ihn trotzdem aufspüren zu können, ganz egal, wie gut dies seine Empfindungen verbarg –, aber manchmal, wenn sie das Kopfkissen teilten, ließ er die Maske verrutschen. Die Resultate waren … verheerend, um es höflich auszudrücken. Da war dann keine Spur mehr von ruhiger Zurückhaltung oder kühlem Interesse. Da gab es so gut wie keine Vernunft mehr.

Schnell beschwerte sie wieder das Bild der verschneiten Landschaft herauf und hielt es in Gedanken fest. Bäume und Felsen und unberührter weißer Schnee. Glatter, kalter Schnee.

Logain blickte nicht zurück, aber der Bund verriet ihr, dass er über ihren momentanen Kontrollverlust Bescheid wusste. Der Mann barst förmlich vor Selbstgefälligkeit! Und Zufriedenheit! Es kostete sie ihre ganze Beherrschung, nicht vor Wut zu kochen. Aber er würde erwarten, dass sie wütend wurde, sollte er doch zu Asche verbrennen! Er musste wissen, welche Gefühle sie von ihm empfing. Aber ihre Wut erfüllte den Kerl nur mit Heiterkeit. Und er unternahm nicht einmal den Versuch, es zu verbergen!

Toveine trug ein kleines, zufriedenes Lächeln, was Gabrelle keinesfalls entging, aber ihr blieb nur ein Augenblick, in dem sie sich nach dem Grund dafür fragen konnte.

Sie hatten den Morgen für sich gehabt, aber jetzt kam ein anderer Reiter zwischen den Bäumen hervor, ein Mann in Schwarz ohne Umhang, der sein Pferd in ihre Richtung lenkte, als er sie sah. Trotz des Schnees trieb er seine Absätze in die Flanken des Tieres. Logain zügelte sein Pferd, um auf ihn zu warten, ein Bild der Ruhe, und Gabrelle erstarrte, als sie neben ihm anhielt. Die durch den Bund übertragenen Gefühle hatten sich verändert. Jetzt waren sie die Anspannung eines Wolfes, der auf seinen Sprung wartete. Sie rechnete damit, seine mit Panzerhandschuhen versehenen Hände auf dem Schwertgriff zu sehen, statt ruhig auf dem hohen Knauf seines Sattels zu liegen.

Der Neuankömmling war fast so groß wie Logain, sein goldenes Haar fiel in Wellen auf seine breiten Schultern, und er hatte ein gewinnendes Lächeln. Gabrelle vermutete, dass er genau wusste, dass es ein gewinnendes Lächeln war. Er war zu hübsch, um es nicht zu wissen, viel attraktiver als Logain. Die Schmieden des Lebens hatten Logains Gesicht gehärtet und Kanten hinterlassen. Dieser junge Mann war noch glatt und unversehrt. Aber an seinem Kragenmantel steckten Schwert und Drache. Er musterte die beiden Schwestern mit hellblauen Augen. »Teilt Ihr mit beiden das Lager, Logain?«, sagte er mit tiefer Stimme. »Die Pummelige erscheint mir kaltäugig, aber die andere wird warm genug sein.«

Toveine zischte wütend, und Gabrelle biss die Zähne zusammen. Sie hatte kein großes Geheimnis daraus gemacht, was sie da tat – sie war keine Cairhienerin, die ihre Zweisamkeit schamhaft in den Mantel des Privaten hüllen musste –, aber das hieß nicht, dass sie damit gerechnet hatte, zum Tagesgespräch zu werden. Schlimmer noch, der Mann sprach, als wäre sie ein leichtes Schenkmädchen.

»Lasst mich das nie wieder hören, Mishraile«, sagte Logain leise, und sie erkannte, dass sich der Bund wieder verändert hatte. Er war jetzt kalt; kalt genug, um den Schnee warm erscheinen zu lassen. Kalt genug, um ein Grab warm erscheinen zu lassen. Sie hatte den Namen Atal Mishraile schon zuvor gehört, und sie spürte das Misstrauen in Logain, wenn er ihn aussprach – es war zweifellos stärker als das Misstrauen, das er ihr oder Toveine entgegenbrachte –, aber so fühlte sich jemand an, der töten wollte. Es war fast zum Lachen. Der Mann hielt sie als Gefangene, und doch war er zur Gewalt bereit, um ihren Ruf zu verteidigen? Ein Teil von ihr wollte lachen, aber sie prägte sich alles genau ein. Jede Kleinigkeit konnte wichtig sein.

Der junge Bursche ließ sich nichts anmerken. Sein Lächeln geriet keinen Augenblick lang ins Schwanken. »Der M’Hael sagt, Ihr könnt gehen, wenn Ihr es wünscht. Ich verstehe nicht, warum Ihr Euch um die Rekrutierung kümmern wollt.«

»Jemand muss es tun«, erwiderte Logain ruhig.

Gabrelle wechselte einen verblüfften Blick mit Toveine. Warum sollte Logain rekrutieren wollen? Sie hatten Abteilungen Asha’man gesehen, die davon zurückkehrten, und sie waren immer erschöpft vom Schnellen Reisen über große Distanzen und für gewöhnlich schmutzig und gereizt. Männer, die für den Wiedergeborenen Drachen die Trommel schlugen, erhielten nicht immer einen herzlichen Empfang, und das, bevor die Leute erfuhren, was sie wirklich wollten. Und warum erfuhren sie und Toveine erst jetzt davon? Sie hätte schwören können, dass er ihr alles erzählte, wenn sie zusammen im Bett lagen.

Mishraile zuckte mit den Schultern. »Für diese Arbeit gibt es genügend Geweihte und Soldaten. Natürlich glaube ich gern, dass es Euch langweilt, Euch nur um die Ausbildung zu kümmern. Narren beizubringen, in den Wäldern herumzuschleichen und Berge zu erklimmen, als könnten sie mit der Einen Macht nicht mal ein Schnurrbarthaar bewegen. Selbst ein winziges Dorf wäre interessanter.« Sein Lächeln verwandelte sich in ein hämisches Grinsen, voller Geringschätzung und alles andere als gewinnend. »Wenn Ihr den M’Hael bittet, lässt er Euch vielleicht bei seinen Klassen im Palast mitmachen. Da wäre Euch nicht langweilig.«

Logain verzog keine Miene, aber Gabrelle spürte durch den Bund den scharfen Stich des Zorns. Sie hatte von Mazrim Taim und seinem Privatunterricht gehört, aber die Schwestern wußten lediglich, dass Logain und seine Spießgesellen weder Taim noch denen vertrauten, die daran teilnahmen, und Taim schien Logain nicht zu vertrauen. Unglücklicherweise konnten die Schwestern kaum etwas über diesen Unterricht erfahren; niemand war mit einem Mann aus Taims Gruppe verbunden. Manche glaubten, das Misstrauen käme daher, weil beide Männer sich als der Wiedergeborene Drache ausgegeben hatten, oder dass es ein Zeichen des Wahnsinns war, den das Lenken der Macht bei Männern verursachte. Sie hatte in Logain keine Anzeichen für Wahnsinn entdeckt, und sie hielt genauso scharf danach Ausschau, wie sie darauf achtete, ob er die Eine Macht umarmen wollte. Wenn sie noch immer mit ihm verbunden war, wenn er verrückt wurde, konnte das auch ihren Verstand in Mitleidenschaft ziehen. Aber was auch immer die Reihen der Asha’man spaltete, man musste es ausnutzen.

Mishrailes Lächeln verblasste, als Logain ihn bloß ansah. »Vergnügt Euch mit Eurem Fliegendreck«, sagte er schließlich und wendete sein Pferd. Ein Stoß mit dem Absatz ließ das Tier losspringen, während er über die Schulter sah. »Auf einige von uns wartet Ruhm, Logain.«

»Er wird nicht lange Freude an seinem Drachen haben«, murmelte Logain und schaute dem anderen Mann hinterher. »Er hat seine Zunge nicht im Zaum.« Gabrelle glaubte nicht, dass er die Bemerkung über sie und Toveine meinte, aber worauf bezog er sich dann? Und warum war er plötzlich beunruhigt? Er verbarg es sehr gut, vor allem, wenn man den Bund bedachte, aber er war besorgt. Beim Licht, manchmal, wenn man wusste, was im Kopf eines Mannes vor sich ging, hatte es den Anschein, dass er die Verwirrung nur noch schlimmer machte!

Abrupt wandte er den Kopf und musterte sie und Toveine. Ein neuer Hauch von Besorgnis kam durch den Bund. War es ihretwegen? Oder – ein seltsamer Gedanke – machte er sich um sie Sorgen?

»Ich fürchte, wir müssen unseren Ausritt abbrechen«, sagte er nach einem Augenblick. »Ich muss Vorbereitungen treffen.«

Er galoppierte nicht los, aber er schlug auf dem Rückweg zu dem Dorf der Männer, die in der Ausbildung waren, ein schnelleres Tempo an als zuvor. Er war jetzt konzentriert und dachte gründlich nach. Der Bund vibrierte förmlich. Er musste die Zügel instinktiv bedienen.

Sie waren noch nicht weit gekommen, als Toveine sich mit ihrem Pferd neben Gabrelles schob. Sie versuchte Gabrelle mit einem intensiven Blick zu fixieren, während sie Logain schnelle Blicke zuwarf, als hätte sie Angst, er könnte zurückschauen und sehen, dass sie miteinander sprachen. Sie schien nie darauf zu achten, was der Bund ihr übermittelte. Die geteilte Aufmerksamkeit ließ sie wie eine Puppe im Sattel hin und her hüpfen und drohte sie stürzen zu lassen.

»Wir müssen mit ihm gehen«, flüsterte die Rote. »Was auch immer Ihr dafür tun müsst, Ihr müsst es schaffen.« Gabrelle hob die Brauen, und Toveine hatte den Anstand zu erröten, aber sie verlor nichts von ihrer Beharrlichkeit. »Wir können es uns nicht leisten, zurückgelassen zu werden«, hauchte sie eilig. »Der Mann hat seine Ambitionen nicht aufgegeben, als er herkam. Welche Schandtaten er auch immer im Sinn hat, wir können nichts ausrichten, wenn wir nicht bei ihm sind.«