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Wird das Licht die Finsternis besiegen? Rand al'Thor, der Wiedergeborene Drache, setzt alles daran, die verfeindeten Völker zu vereinen, um sie gemeinsam in die Schlacht gegen die Finsternis zu führen. Doch die Gräben sind tief und die Interessen zu verschieden. Da wird Rand im Weißen Turm eine Falle gestellt. Und die Getreuen der Dunkelheit bereiten ihrerseits einen tödlichen Anschlag auf den Wiedergeborenen Drachen vor …
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Aus dem Amerikanischen von Uwe Luserke und Karin König
© Robert Jordan 2000
Titel der amerikanischen Originalausgabe: » Lord of Chaos«,
Tom Doherty Associates, Tor Books, New York 1994
© der deutschsprachigen Ausgabe:
Piper Verlag GmbH, München 2004, 2005
Erstmals erschienen im Wilhelm Heyne Verlag, Münchenin vier Bänden: »Die Fühler des Chaos« (1996), »Stadt des Verderbens« (1997),
»Die Amyrlin« (1997), »Die Hexenschlacht« (1998)
Covergestaltung: Guter Punkt, München
Coverabbildung: Markus Weber, Guter Punkt, unter Verwendung von Motiven von Getty Images und Adobe Stock
Karte: Ellisa Mitchell
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Cover & Impressum
Karte
Motto
Prolog
Die erste Botschaft
Kapitel 1
Der Löwe auf dem Hügel
Kapitel 2
Der Neuankömmling
Kapitel 3
Die Augen einer Frau
Kapitel 4
Sinn für Humor
Kapitel 5
Ein anderer Tanz
Kapitel 6
Schattengewebe
Kapitel 7
Überlegungen
Kapitel 8
Der Sturm braut sich zusammen
Kapitel 9
Pläne
Kapitel 10
Wie man in den Grenzlanden sagt
Kapitel 11
Lehrende und Lernende
Kapitel 12
Fragen und Antworten
Kapitel 13
Unter dem Staub
Kapitel 14
Träume und Albträume
Kapitel 15
Aufgetürmter Sand
Kapitel 16
Was das Rad verrät
Kapitel 17
Das Rad eines Lebens
Kapitel 18
Ein Vorgeschmack der Einsamkeit
Kapitel 19
Toh regiert
Kapitel 20
Aus dem Stedding
Kapitel 21
Nach Shadar Logoth
Kapitel 22
In Richtung Süden
Kapitel 23
Um eine Botschaft zu begreifen …
Kapitel 24
Eine Abordnung
Kapitel 25
Wie ein Gewittersturm
Kapitel 26
Verwandtschaftsbeziehungen
Kapitel 27
Geschenke
Kapitel 28
Briefe
Kapitel 29
Feuer und Geist
Kapitel 30
Die Heilung
Kapitel 31
Rotes Wachs
Kapitel 32
Ein kühles Bad
Kapitel 33
Mut
Kapitel 34
Die Reise nach Salidar
Kapitel 35
Der Saal entscheidet
Kapitel 36
Zur Amyrlin erhoben
Kapitel 37
Der Kampf beginnt
Kapitel 38
Eine Überraschung
Kapitel 39
Möglichkeiten
Kapitel 40
Drei Frauen
Kapitel 41
Bedrohung
Kapitel 42
Die Schwarze Burg
Kapitel 43
Die Rosenkrone
Kapitel 44
Die Eigenschaft Vertrauen
Kapitel 45
Ein bitterer Gedanke
Kapitel 46
Jenseits des Wegetors
Kapitel 47
Die Wanderin
Kapitel 48
Auf dem Dolch ausruhen
Kapitel 49
Der Spiegel der Nebel
Kapitel 50
Dornen
Kapitel 51
Die Gefangennahme
Kapitel 52
Gewebe der Macht
Kapitel 53
Das Lichterfest
Kapitel 54
Die Übermittlung
Kapitel 55
Die Brunnen Dumais
Epilog
Die Antwort
Motto
Glossar
Vorbemerkung zur Datierung
Im Zeitalter der Legenden haben Männer und Frauen mit besonderen Gaben, genannt Aes Sedai, Zugang zur Wahren Quelle, die das Universum antreibt und das Rad der Zeit dreht. Damit vollbringen sie Wunder. Aber dann öffnen sie unabsichtlich den Kerker des Dunklen Königs, der Macht des Bösen, der vom Schöpfer selbst dort im Augenblick der Schöpfung eingesperrt wurde.
Lews Therin Telamon, der mächtigste Aes Sedai seiner Zeit, den man auch den Drachen nennt, kann den Kerker versiegeln, aber im Augenblick der Niederlage vergiftet das Böse die Quelle der Einen Macht. Die männlichen Aes Sedai verfallen dem Wahnsinn und zerstören die Zivilisation.
Dreitausend Jahre später zerfallen die Siegel, und der Dunkle König greift wieder nach der Welt. Prophezeiungen künden von der Wiedergeburt des Drachen und Tarmon Gai’don, der Letzten Schlacht gegen das Böse.
Verstrickt in das Muster des Schicksals geraten der junge Rand al’Thor und seine Freunde Perrin Aybara und Matrim Cauthon in den Brennpunkt der Ereignisse. Rand wird zum unfreiwilligen Erben von Lews Therin und somit zum Wiedergeborenen Drachen. Perrin, ein Schmied, entwickelt eine geheimnisvolle Verbindung zu den Wölfen und steigt zum Anführer seiner Heimat auf. Mat hingegen lebt das Leben eines Abenteurers, begünstigt von einem seltsamen Glück.
Sie erleben eine Welt im Umbruch. Die Aes Sedai, nun ein Frauenorden und Begründer der Weißen Burg, ringen mit uralten Traditionen, während in den meisten Nationen Krieg herrscht.
Am Vorabend der Letzten Schlacht sammelt der Wiedergeborene Drache seine Streitkräfte, um sich dem Dunklen König zu stellen. Er wird die Welt retten. Oder sie erneut zerstören …
Wo der Löwe singt und der Rabe lacht, der Mond scheint am Tag und die Sonn’ bei Nacht, wo im Sommer das kochende Wasser gefriert: dort ist’s, wo der Herr des Chaos regiert.
– Kinderreim, wie er in Groß Aravalon im Vierten Zeitalter zu hören war
Demandred trat hinaus auf den schwarzen Abhang des Shayol Ghul, und das Tor, ein Loch im Gewebe der Realität, hörte augenblicklich zu existieren auf. Über ihm war der Himmel hinter wild aufquellenden grauen Wolken verborgen. Es sah aus, als brächen sich Aschewogen eines gespiegelten Meeres träge am verborgenen Felsgipfel des Berges. Weiter unten blitzten verwaschen blaue und rote Lichter über dem unfruchtbaren Tal, konnten aber den trüben Dunst nicht vertreiben, der ihre Quelle verhüllte. Blitze zuckten zu den Wolken empor und träger Donner grollte. Am Abhang quollen Dampf und Rauch aus weithin verstreuten Rissen im Boden. Manche dieser Öffnungen waren so klein wie eine Männerhand, und andere wieder groß genug, um zehn Männer auf einmal zu verschlingen.
Er ließ sofort die Eine Macht fahren, und mit dem Wegfallen der Süße Saidins entschwanden auch die erhöhten Sinneswahrnehmungen, die alles vorher klarer und deutlicher erscheinen ließen. Die Abwesenheit von Saidin hinterließ eine nagende Leere in ihm, doch hier würde nur ein kompletter Narr die Bereitschaft zeigen, die Macht zu benützen. Außerdem würde auch nur ein Narr an diesem Ort besser sehen oder riechen oder fühlen wollen.
In einer Zeit, die man nun als das Zeitalter der Legenden bezeichnete, war dies eine idyllische Insel in einem kühlen Meer gewesen, ein beliebter Ort bei jenen, die ländliche Ruhe bevorzugten. Jetzt war es trotz der aufsteigenden Dämpfe bitterkalt. Er beherrschte sich so weit, dass er die Kälte nicht spürte, aber der Instinkt ließ ihn den pelzbesetzten Samtumhang enger um sich zusammenziehen. Sein Atem stand als feiner Dunst vor seinem Mund, kaum sichtbar, bevor ihn die Luft schluckte. Ein paar Hundert Wegstunden weiter im Norden bestand die Welt nur noch aus Eis, aber die Erde des Thakan’dar war trocken wie die einer in ewigen Winter gehüllten Wüste.
Es gab hier Wasser, falls man das so nennen konnte, ein trübes Rinnsal, das sich den steinigen Hang neben dem grauen Dach einer Schmiede herunterwand. Drinnen erklangen Hammerschläge, und bei jedem Klirren flammte weißer Lichtschein in den engen Fensteröffnungen auf. Eine zerlumpte Frau kauerte wie ein Häufchen Unglück an der groben Steinwand der Schmiede, ein Baby in den Armen, und ein dürres Mädchen vergrub sein Gesicht im Rock der Frau. Zweifellos waren sie Gefangene, die man von einem Überfall in den Grenzlanden mitgebracht hatte. Aber nur so wenige – da knirschten die Myrddraal vermutlich mit den Zähnen. Ihre Klingen wurden nach einer Weile stumpf und mussten ersetzt werden, gleich, ob man nun die Überfälle in den Grenzlanden eingeschränkt hatte.
Einer der Schmiede trat aus der Hütte; eine massige Menschengestalt mit langsamen Bewegungen, die wie aus Fels gehauen erschien. Diese Schmiede lebten nicht wirklich. Sobald man sie auch nur um weniges vom Shayol Ghul entfernte, verwandelten sie sich zu Stein oder Staub. Sie waren auch nicht Schmiede im Sinne des Worts, denn sie stellten nichts als Schwerter her. Dieser hier hielt mit einer langen Greifzange eine Schwertklinge fest, die bereits einmal abgekühlt war, hell und bleich wie mondbeschienener Schnee. Ob er nun lebte oder nicht, jedenfalls ging der Schmied mit äußerster Sorgfalt vor, als er das schimmernde Metall in den dunklen Bach hielt. Welches Scheinleben ihn auch beseelen mochte, es konnte durch die bloße Berührung dieses Wassers enden. Als er die Klinge wieder herauszog, war sie stumpf schwarz. Doch der Herstellungsprozess war noch nicht beendet. Der Schmied schlurfte wieder hinein, und plötzlich erklang von drinnen der verzweifelte Schrei eines Mannes.
»Nein! Nein! NEIN!«, schrie er, und der Schrei entfernte sich, ohne an Eindringlichkeit zu verlieren, als habe man den Schreienden in unvorstellbare Ferne davongezerrt. Erst jetzt war die Klinge fertig.
Noch einmal trat ein Schmied aus der Hütte – vielleicht der gleiche, vielleicht ein anderer – und riss die Frau grob auf die Füße. Frau, Baby und Kind begannen zu wehklagen, doch er entriss ihr das Baby und legte es dem Mädchen in die Arme. Erst jetzt erwachte ein wenig Widerstandsgeist in der Frau. Weinend trat sie wild zu und krallte nach dem Schmied. Der zeigte sich genauso beeindruckt wie ein Steinklotz. Das Schreien der Frau verstummte, sobald sie drinnen war. Die Hämmer begannen wieder mit ihrem Dröhnen und Klirren und übertönten das Schluchzen der Kinder.
Eine Klinge fertig, eine in der Fertigstellung begriffen und zwei weitere, die noch geschmiedet werden mussten. Demandred hatte noch bei keinem Besuch zuvor weniger als fünfzig Gefangene in der Schlange stehen sehen, um ihr Scherflein zum Gelingen der Pläne des Großen Herrn der Dunkelheit beizutragen. Die Myrddraal hatten allen Grund, auf die Zähne zu beißen.
»Trödelt Ihr etwa, wenn man Euch zum Großen Herrn gerufen hat?« Die Stimme klang, als zerbröckle verrottetes Leder.
Demandred wandte sich gemächlich um. Was fiel diesem Halbmenschen nur ein, ihn in diesem Tonfall anzusprechen? Doch dann blieben ihm die strafenden Worte im Halse stecken. Das lag nicht an dem augenlosen Blick in diesem leichenblassen Gesicht. Der Blick eines Myrddraal erweckte Furcht in den Herzen aller Männer, doch er hatte die Furcht schon lange aus seinem eigenen verbannt. Nein, es lag am der schwarz gekleideten Gestalt selbst. Ein Myrddraal war etwa so groß wie ein hochgewachsener Mann, die schlangengleiche Nachbildung eines Menschen und einem solchen so ähnlich, als habe man sie in derselben Gussform hergestellt. Doch dieser hier war noch um einiges größer.
»Ich bringe Euch zum Großen Herrn«, sagte der Myrddraal. »Ich heiße Schaidar Haran.« Er wandte sich ab und begann, den Abhang emporzuklimmen. Seine Bewegungen waren flüssig und geschmeidig wie die einer Schlange. Sein tuscheschwarzer Umhang hing ihm unnatürlich starr und ohne auch nur eine Falte vom Rücken.
Demandred zögerte, bevor er ihm hinterherklomm. Die Namen der Halbmenschen kamen immer aus der zungenbrecherischen Sprache der Trollocs. ›Schaidar Haran‹ dagegen kam aus einer Sprache, die man heutzutage als die ›Alte Sprache‹ bezeichnete. Er bedeutete: ›Hand der Dunkelheit‹. Eine weitere Überraschung, und Demandred liebte Überraschungen nicht, am wenigsten hier am Shayol Ghul.
Der Eingang in den Berg hätte auch einer der verstreuten Risse sein können, aber es kam weder Rauch noch Dampf heraus. Er klaffte weit genug, um zwei Männern nebeneinander Einlass zu gewähren, doch der Myrddraal blieb vor ihm. Der Weg senkte sich gleich hinter dem Eingang ab und führte hinunter. Der Boden des Tunnels war von unzähligen Schritten abgewetzt und glänzte wie glasierte Fliesen. Die Kälte verflog, als Demandred Schaidar Harans breitem Rücken immer weiter hinunterfolgte, und machte einer zunehmend intensiveren Hitze Platz. Demandred war sich der Hitze bewusst, ließ sich aber nicht davon berühren. Ein blasser Lichtschein ging von dem Felsgestein aus und erfüllte den Tunnel, heller als das ewige Zwielicht draußen. Unregelmäßig geformte Zapfen hingen von der Decke herab, zum Zuschnappen bereite steinerne Zähne. Das Gebiss des Großen Herrn, das die Untreuen oder den Verräter zerreißen würde. Selbstverständlich waren sie nicht natürlichen Ursprungs, aber sie erreichten ihren Zweck.
Mit einem Mal bemerkte er etwas. Jedes Mal, wenn er diesen Weg zuvor zurückgelegt hatte, hatten diese Zapfen beinahe seinen Kopf gestreift. Jetzt befanden sie sich zwei Handbreit oder mehr über dem Kopf des Myrddraal. Das überraschte ihn. Nicht, dass sich die Höhe des Tunnels geändert hatte, denn hier war das Ungewöhnliche an der Tagesordnung, sondern der zusätzliche Freiraum, der dem Halbmenschen gewährt worden war. Der Große Herr gab dem Myrddraal genau wie den Menschen seine Fingerzeige. Dieser Freiraum war etwas, dessen man sich erinnern sollte.
Der Tunnel weitete sich plötzlich, und er stand auf einem weiten Felsvorsprung über einem See aus geschmolzenem Stein, rot mit schwarzen Flecken, über dem mannshohe Flammen tanzten, erstarben und dann wieder aufzüngelten. Es gab kein Dach – nur ein großes, klaffendes Loch durch den ganzen Berg nach oben hin, und darüber zeigte sich ein Himmel, der nicht der Himmel über Thakan’dar war. Dagegen wirkte der Thakan’dars beinahe normal. Wolken aus wild gemusterten Schichten rasten vorbei, als würden sie vom stärksten aller Stürme, den die Welt je erlebt hatte, vorwärtsgepeitscht. Diesen Ort hier nannten die Menschen den Krater des Verderbens, und nur wenige wussten, dass er diese Bezeichnung wirklich verdient hatte.
Selbst nach so vielen Besuchen hier – der erste lag nun über dreitausend Jahre zurück – empfand Demandred etwas wie Ehrfurcht. Hier konnte er den Stollen spüren, dieses Loch, das man vor so langer Zeit bis zum Gefängnis des Großen Herrn vorangetrieben hatte, in dem er seit dem Augenblick der Schöpfung festgehalten worden war. Hier überwältigte ihn die Gegenwart des Großen Herrn. Körperlich befand er sich dem Stollen keineswegs näher als an irgendeinem anderen Ort auf der Welt, aber das Muster war hier so dünn, dass ihm ermöglicht wurde, sie innerlich wahrzunehmen.
Demandred war einem Lächeln so nahe, wie ihm das nur möglich war. Was für Idioten das doch waren, die sich dem Großen Herrn entgegenstellten! O ja, der Stollen war noch verschlossen, aber nicht mehr so undurchdringlich wie zu jener Zeit, da er aus seinem langen Schlaf erwacht und aus seinem Kerker tief unten entschlüpft war. Verschlossen, aber trotzdem war er größer als bei seinem Erwachen. Allerdings nicht so groß wie damals, als man ihn zusammen mit seinen Verbündeten am Ende des Kriegs um die Macht hineingeworfen hatte. Doch bei jedem Besuch seit dem Erwachen war der Stollen ein wenig größer gewesen. Bald würde der Verschluss ganz verschwinden, und der Große Herr konnte endlich wieder die ganze Welt ergreifen. Bald würde der Tag der Rückkehr anbrechen. Und er würde für alle Ewigkeit die Welt regieren. Unter dem Großen Herrn natürlich. Und natürlich gemeinsam mit den anderen der Auserwählten, die bis dahin überlebten.
»Ihr dürft jetzt gehen, Halbmensch.« Er wollte dieses Ding nicht hier dabeihaben, wenn ihn die Ekstase überkam. Die Ekstase und der Schmerz.
Schaidar Haran rührte sich nicht.
Demandred öffnete den Mund – und in seinem Kopf explodierte die Stimme: DEMANDRED!
Das als Stimme zu bezeichnen war, als bezeichne man einen Berg als Kieselstein. Sie zerquetschte ihn beinahe, explodierte im Innern seines Schädels und füllte ihn gleichzeitig mit Verzückung. Er sank auf die Knie nieder. Der Myrddraal stand da und beobachtete ihn leidenschaftslos, doch da diese Stimme seinen ganzen Verstand erfüllte, nahm er das Ding nur am Rande wahr.
DEMANDRED. WIE STEHT ES UM DIESE WELT?
Er war sich niemals sicher, wie viel der Große Herr tatsächlich von der Welt wusste. Er war oft sowohl von Unkenntnis wie auch vom Wissensstand des Großen Herrn überrascht worden. Doch ihm war vollkommen klar, worauf er jetzt hinauswollte.
»Rahvin ist tot, Großer Herr. Gestern.« Es schmerzte. Wenn Euphorie zu stark wurde, wandelte sie sich in Schmerz. Seine Arme und Beine zuckten. Jetzt schwitzte er. »Lanfear ist spurlos verschwunden, genau wie Asmodean. Und Graendal sagt, Moghedien sei zu ihrem vereinbarten Treffen nicht erschienen. Das war auch gestern, Großer Herr. Ich glaube nicht an Zufälle.«
DIE AUSERWÄHLTEN SCHWINDEN DAHIN, DEMANDRED. DIE SCHWACHEN FALLEN VON MIR AB. WER MICH VERRÄT, WIRD DEN ENDGÜLTIGEN TOD STERBEN. ASMODEAN, VON SEINEN SCHWÄCHEN AUFGEZEHRT. RAHVIN TOT, WEIL ER ZU STOLZ WAR. ER DIENTE MIR GUT, DOCH SELBST ICH KANN IHN NICHT VOR DEM BAALSFEUER RETTEN. SELBST ICH KANN MICH NICHT AUSSERHALB DER ZEIT BEGEBEN. Einen Augenblick lang erfüllte ein schrecklicher Zorn diese entsetzliche Stimme, und dazu – konnte das Niedergeschlagenheit sein? Nur einen kurzen Augenblick. VON MEINEM URALTEN FEIND GETÖTET, DEN MAN DEN DRACHEN NENNT. WÜRDEST DU IN MEINEM DIENST DAS BAALSFEUER VERWENDEN, DEMANRED?
Demandred zögerte. Ein Schweißtropfen rollte einen Fingerbreit weit seine Wange hinunter. Das schien eine Stunde gedauert zu haben. Ein Jahr lang während des Kriegs um die Macht hatten beide Seiten Baalsfeuer benützt. Bis sie die Folgen begriffen hatten. Ohne eine offizielle Einigung oder einen Waffenstillstand – es hatte niemals einen Waffenstillstand oder auch nur Gnade in diesem Kampf gegeben – hatten beide Seiten einfach damit aufgehört. In diesem Jahr waren ganze Städte im Baalsfeuer vergangen, Hunderttausende von Fäden im Muster verbrannt, die Wirklichkeit selbst beinahe aufgelöst und dem Punkt nahe gekommen, an dem die Welt und das ganze Universum sich wie Nebel verflüchtigten. Falls das Baalsfeuer noch einmal losgelassen wurde, mochte es keine Welt mehr geben, die er hätte regieren können.
Noch eine Erkenntnis stieß ihm unangenehm auf. Der Große Herr wusste bereits, wie Rahvin ums Leben gekommen war. Und er schien auch mehr über Asmodean zu wissen, als er selbst. »Wie Ihr befehlt, Großer Herr, so werde ich gehorchen.« Seine Muskeln mochten zucken, doch die Stimme klang felsenfest. An seinen Knien bildeten sich bereits Blasen vom heißen Felsboden, doch seine Haut hätte ebenso gut einem anderen gehören können.
DAS WERDET IHR.
»Großer Herr, der Drache kann durchaus vernichtet werden.« Ein toter Mann konnte kein Baalsfeuer mehr verwenden, und dann würde der Große Herr vielleicht einsehen, dass es nicht mehr notwendig sei. »Er weiß nicht viel und ist schwach. Seine Aufmerksamkeit gilt einem Dutzend verschiedener Dinge gleichzeitig. Rahvin war ein eingebildeter Narr. Ich …«
WOLLT IHR DER NAE’BLIS WERDEN?
Demandreds Zunge erstarrte. Nae’blis. Derjenige, der nur eine einzige Stufe unterhalb des Großen Herrn stand und selbst über alle anderen herrschte. »Ich möchte Euch lediglich dienen, Großer Herr, auf welche Art auch immer.« Nae’blis.
DANN LAUSCHT UND DIENT. HÖRT, WER STERBEN UND WER LEBEN WIRD.
Demandred schrie, als die Stimme über ihm zusammenschlug. Freudentränen liefen ihm über die Wangen.
Unbewegt sah der Myrddraal zu.
»Hört auf mit der Herumzappelei.« Nynaeve warf gereizt den langen Zopf über ihre Schulter. »Das klappt nicht, wenn Ihr herumzappelt wie Kinder, die es juckt.«
Keine der beiden Frauen, die ihr an dem Korbtisch gegenübersaßen, schien älter als sie selbst zu sein, obwohl sie in Wirklichkeit etwa zwanzig Jahre mehr zählten, und sie zappelten auch nicht wirklich, aber Nynaeve war einfach der Hitze wegen gereizt. In dem kleinen fensterlosen Raum bekam man Platzangst. Sie war schweißnass; die beiden dagegen wirkten kühl und trocken. Leane in ihrem Domanikleid aus viel zu dünner, blauer Seide zuckte lediglich die Achseln. Die hochgewachsene Frau mit dem kupfernen Teint schien über unendlich viel Geduld zu verfügen. Normalerweise. Siuan dagegen, blond und kräftig, zeigte nur selten welche.
Nun knurrte Siuan und zupfte gereizt ihren Rock zurecht. Sonst trug sie meist recht einfache Kleidung, aber heute Morgen hatte sie ein Gewand aus feinem gelben Leinen an, das um den beinahe etwas zu tiefen Ausschnitt herum mit tairenischer Labyrinthstickerei verziert war. Ihre blauen Augen blickten so kalt wie Wasser aus einer tiefen Quelle. So kalt jedenfalls Wasser aus einer tiefen Quelle gewesen wäre, hätte das Wetter nicht so verrücktgespielt. Sie hatte wohl die Kleider gewechselt, nicht aber die Augen. »Es klappt so und so nicht«, fauchte sie. Ihre typische Art zu sprechen hatte sich auch nicht geändert. »Man kann einen Rumpf nicht abdichten, wenn das ganze Boot verbrannt ist. Nun, es ist reine Zeitverschwendung, aber ich habe es versprochen, also weiter damit. Leane und ich haben noch mehr Arbeit.« Die beiden leiteten das Netz der Augen-und-Ohren dieser Aes Sedai in Salidar, der Spione, die Berichte darüber sandten, was sich in der Welt so tat und welche Gerüchte man draußen in der Welt vernahm.
Nynaeve strich ihren Rock glatt, um sich ein wenig zu beruhigen. Ihr Kleid war aus einfacher weißer Wolle gefertigt und hatte am Saum sieben Farbstreifen, einen für jede Ajah. Das Kleid einer Aufgenommenen. Das ärgerte sie mehr, als sie sich je vorgestellt hatte. Sie hätte so viel lieber das grüne Seidenkleid angezogen, das sie weggepackt hatte. Sie gab ja, wenigstens insgeheim, zu, dass sie in letzter Zeit Gefallen an schönen Kleidern gefunden hatte, aber für speziell dieses hatte sie sich nur aus Gründen der Bequemlichkeit entschieden, denn es war dünn und leicht, und nicht etwa, weil Grün zu Lans Lieblingsfarben zu gehören schien. Absolut nicht deswegen. Träumereien der übelsten Sorte. Eine Aufgenommene, die irgendetwas anderes als das umsäumte weiße Kleid trug, würde sehr schnell feststellen, dass es für sie noch ein langer Weg bis zur Aes Sedai war! Entschlossen verdrängte sie alle Gedanken an Kleidung. Sie war nicht hier, um davon zu träumen, sich herauszuputzen. Ihm gefiel auch Blau. Nein!
Vorsichtig griff sie mit der Einen Macht zu, erst bei Siuan und dann bei Leane. Auf gewisse Weise gebrauchte sie die Macht überhaupt nicht richtig. Sie konnte sie ja nicht lenken, wenn sie nicht gerade zornig war, konnte noch nicht einmal die Wahre Quelle spüren. Doch es kam auf dasselbe heraus. Dünne Fäden von Saidar, der weiblichen Hälfte der Wahren Quelle, tasteten sich, so wie sie sie webte, durch die beiden Frauen.
An ihrem linken Arm trug Nynaeve ein schmales Armband, ein einfaches Gliederband aus Silber. Hauptsächlich aus Silber jedenfalls, und es stammte aus einer ganz bestimmten Quelle, obwohl das im Grunde keine Rolle spielte. Es war, abgesehen von ihrem Großen Schlangenring, das einzige Schmuckstück, das sie trug. Man brachte die Aufgenommenen auf ziemlich eindeutige Weise davon ab, viel Schmuck zu tragen. Eine dazu passende Halskette schmiegte sich eng um den Hals der vierten Frau im Raum, die auf einem Hocker an der rau verputzten Wand saß und die Hände im Schoß gefaltet hatte. Sie trug grobe braune Wollkleidung wie eine Bauersfrau, hatte auch das verbrauchte aber robuste Gesicht einer Bäuerin, doch bei ihr war kein Schweißtropfen zu sehen. Sie bewegte auch nicht einen Muskel; nur ihre dunklen Augen beobachteten alles. In Nynaeves Sicht war sie vom Glühen Saidars umgeben, aber es war Nynaeve, die diese Stränge dirigierte. Arm- und Halsband schufen ein Bindeglied zwischen ihnen, ganz ähnlich, wie die Aes Sedai sich verknüpften, um ihre Kräfte miteinander zu vereinen. Elaynes Meinung nach hatte das etwas mit »absolut identischen Mustern« zu tun, und ihre weiteren Erklärungen waren dann wirklich unverständlich gewesen. Nynaeve glaubte in Wirklichkeit nicht, dass Elayne auch nur halb so viel verstand, wie sie vorgab. Was sie selbst betraf, verstand Nynaeve überhaupt nichts, außer, dass sie eben jedes Gefühl der Frau mitempfand, die Frau selbst ›fühlte‹, aber nur in einem Winkel ihres Verstands, und dass sie es war, die den Gebrauch der Macht durch die andere kontrollierte. Manchmal glaubte sie, es sei vielleicht besser, wenn die Frau auf dem Hocker nicht mehr lebte. Einfacher auf jeden Fall. Sauberer.
»Es ist etwas zerrissen oder zerschnitten worden«, sagte Nynaeve nachdenklich und wischte sich abwesend den Schweiß vom Gesicht. Es war nur ein ganz verschwommener Eindruck, fast gar nicht zu bemerken, aber es war das erste Mal, dass sie überhaupt mehr als nur Leere vorgefunden hatte. Es konnte natürlich auch Einbildung sein, Wunschdenken, weil sie unbedingt etwas finden wollte, gleich was.
»Abtrennen«, sagte die Frau auf dem Hocker. »So hat man das bezeichnet, was Ihr nun eine Dämpfung nennt.«
Drei Köpfe drehten sich zu ihr herum, und drei Augenpaare blickten sie wütend an. Siuan und Leane waren Aes Sedai gewesen, bis man sie während des Umsturzes in der Weißen Burg einer Dämpfung unterzogen hatte und Elaida zum Amyrlin-Sitz gewählt worden war. Dämpfung. Alle Schwingungen der Einen Macht verflacht unterdrückt, abgeschnitten. Das Wort konnte einen schaudern lassen. Niemals mehr die Macht lenken. Und sich trotzdem immer daran erinnern und sich des Verlustes bewusst sein. Ständig die Wahre Quelle fühlen und dabei wissen, dass man sie nie wieder berühren wird. Man konnte die Wirkung einer Dämpfung genauso wenig abheilen wie den Tod.
Das glaubte jedenfalls jeder, aber Nynaeves Meinung nach sollte die Eine Macht in der Lage sein, alles zu heilen – bis eben auf den Tod. »Falls Ihr etwas Nützliches beizutragen habt, Marigan«, sagte sie in scharfem Ton, »dann sagt es. Falls nicht haltet den Mund.«
Marigan wich zurück und drückte sich gegen die Wand. Ihre Augen glitzerten, und ihr Blick war auf Nynaeve gerichtet. Furcht und Hass quollen durch das Armband zu Nynaeve herüber, aber das war in gewissem Maße immer so. Gefangene hatten gewöhnlich nicht viel für die übrig, die sie gefangen genommen hatten, sogar – vielleicht gerade darum – wenn ihnen klar war, dass sie die Gefangenschaft oder noch Schlimmeres verdient hatten. Das Problem war nur, dass Marigan ebenso behauptete, das Abtrennen – die Dämpfung – sei nicht heilbar. O ja, sie behauptete wohl, im Zeitalter der Legenden habe man praktisch alles bis auf den Tod geheilt, und was die Gelben Ajah nun als Heilen bezeichneten, sei nur ein schwacher Abklatsch früherer Kenntnisse, so als versorge man nur schnell und provisorisch die vielen Verwundeten auf einem Schlachtfeld. Aber wenn man Einzelheiten aus ihr herausbekommen wollte, oder wenigstens ein paar Andeutungen, dann stieß man ins Leere. Marigan verstand genauso viel vom Heilen wie Nynaeve von der Arbeit eines Schmieds – dass man nämlich Metall zwischen glühende Kohlen steckte und dann mit einem Hammer draufschlug. Das reichte bestimmt nicht, um auch nur ein Hufeisen herzustellen. Oder irgendetwas Schlimmeres als eine Prellung zu heilen.
Nynaeve drehte sich auf ihrem Stuhl wieder herum und musterte Siuan und Leane. Tagelang ging das nun schon. Wann immer sie die beiden aus ihrer übrigen Arbeit reißen konnte, hatten sie sich hier getroffen, aber erfahren hatte sie dadurch nichts. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie nervös an dem Armband herumspielte. Was sie auch immer dadurch gewann: Sie hasste es, mit der anderen Frau verknüpft zu sein. Diese Intimität empfand sie als widerlich. Vielleicht kann ich auf diese Art wenigstens etwas erfahren, dachte sie. Und wenn nicht, kommt es auf dasselbe heraus wie alles bisher.
Vorsichtig löste sie das Armband von ihrem Handgelenk – der Verschluss war völlig unauffindbar, wenn man nicht wusste, wie er funktionierte – und reichte es Siuan. »Legt das an.« Es war bitter, die Beherrschung der Macht so aus der Hand zu geben, aber sie musste das jetzt durchziehen. Und diese Gefühlsaufwallungen loszuwerden war wie ein reinigendes Bad. Marigans Blick folgte wie hypnotisiert dem schmalen Silberband.
»Warum?«, wollte Siuan wissen. »Ihr sagt mir erst, dieses Ding funktioniere nur, wenn …«
»Legt es einfach an, Siuan.«
Siuan blickte sie zuerst unwillig an – Licht, diese Frau konnte vielleicht stur sein – und schloss dann doch das Armband um ihr Handgelenk. Augenblicklich nahm ihr Gesicht einen staunenden Ausdruck an, und anschließend zog sie die Augen zusammen und sah Marigan dabei an. »Sie hasst uns, doch das war mir schon klar. Und da ist auch Furcht und … Erschrecken. Sie lässt sich nicht das Geringste anmerken, aber sie ist beinahe zu Tode erschrocken. Ich denke, sie glaubte vorher nicht, dass ich dieses Ding auch benutzen kann.«
Marigan verlagerte unruhig ihr Gewicht. Bisher konnten nur zwei von denen, die von ihr wussten, das Armband benützen. Vier würden noch erheblich mehr unangenehme Fragen mit sich bringen. Oberflächlich betrachtet, schien sie in vollem Maße zur Zusammenarbeit bereit, doch was mochte sie wohl verbergen? So viel sie nur konnte, da war Nynaeve sicher.
Seufzend schüttelte Siuan den Kopf. »Und ich kann nicht. Ich sollte doch in der Lage sein, durch sie die Quelle zu berühren, stimmt’s? Also, es geht nicht. Eher könnte ein Schwein lernen, auf einen Baum zu klettern. Ich bin der Dämpfung unterzogen worden, und damit hat sich’s. Wie bekommt man das Ding wieder ab?« Sie fummelte an dem Armband herum. »Verdammt, wie geht das nur wieder ab?«
Sanft legte Nynaeve eine Hand auf die Siuans, mit der sie am Armband herummachte. »Begreift Ihr denn nicht? Das Armband funktioniert nicht bei einer Frau, die mit der Macht nicht umgehen kann, genauso wenig wie das Halsband in diesem Fall. Wenn ich eines davon einer der Köchinnen anlegte, wäre es nicht mehr als ein hübsches Schmuckstück für sie.«
»Köchinnen oder nicht«, sagte Siuan, als sei die Diskussion damit für sie beendet, »ich kann jedenfalls die Macht nicht mehr ergreifen. Man hat mich der Dämpfung unterzogen.«
»Aber es gibt da etwas, das man heilen kann«, widersprach ihr Nynaeve. »Sonst hättet Ihr durch das Armband überhaupt nichts spüren können.«
Siuan riss ihren Arm los und streckte ihn Nynaeve mit dem Handgelenk voraus hin. »Nehmt es ab.«
Nynaeve schüttelte den Kopf, als sie dem Wunsch nachkam. Manchmal konnte Siuan genauso stur sein wie ein Mann!
Als sie Leane das Armband hinhielt, streckte die Domanifrau ihr den Arm voller Eifer entgegen. Leane tat gewöhnlich, genau wie Siuan, als mache ihr der Verlust der Macht nicht viel aus, aber das wirkte nicht immer. Angeblich gab es nur eine Möglichkeit, die Auswirkungen einer Dämpfung zu überleben, wenn man nämlich etwas fand, um das ganze Leben auszufüllen, die Leere zu füllen, die die Eine Macht hinterlassen hatte. Für Siuan und Leane bestand das im Moment darin, ihr gesamtes Agentennetz auszubauen und zu leiten, und, was noch wichtiger war, zu versuchen, die Aes Sedai hier in Salidar zu überzeugen, dass sie Rand al’Thor als den Wiedergeborenen Drachen unterstützen mussten. Aber die Aes Sedai durften von dieser Absicht nichts merken. Die Frage war nur, ob das auf die Dauer ausreichen würde. Die Bitterkeit auf Siuans Miene und die Freude auf der Leanes, als sich das Armband um ihr Handgelenk schloss, sprachen eine deutliche Sprache. Vielleicht konnte nichts jemals diese Leere füllen.
»Oh, ja.« Leane hatte eine äußerst knappe Art zu sprechen. Allerdings nicht, wenn sie mit Männern sprach. Schließlich war sie eine Domani, und in letzter Zeit machte sie, was das betraf, alles wieder gut, was sie in ihrer Zeit in der Burg versäumt hatte. »Ja, sie ist wirklich wie betäubt, nicht wahr? Allerdings fängt sie sich jetzt allmählich wieder.« Ein paar Augenblicke lang saß sie schweigend da und betrachtete nachdenklich die Frau auf dem Hocker. Marigan blickte misstrauisch zurück. Schließlich zuckte Leane die Achseln. »Ich kann die Quelle auch nicht berühren. Und ich habe versucht, sie den Stich eines Flohs am Knöchel spüren zu lassen. Wenn das geklappt hätte, wäre irgendeine Reaktion bei ihr spürbar gewesen.« Das war eine weitere Anwendungsmöglichkeit des Armbands: Man konnte die Frau mit dem Halsband körperliche Empfindungen spüren lassen. Nur die Empfindungen – es hinterließ keine äußeren Spuren, keine wirklichen Verletzungen –, doch als Marigan ein- oder zweimal die Empfindungen kräftiger Prügel hatte spüren müssen, hatte sie sich entschlossen, am besten mitzuspielen. Die Alternative wäre eine schnelle Gerichtsverhandlung gewesen, mit anschließender Hinrichtung.
Trotz des Fehlschlags schaute Leane genau hin, als Nynaeve das Armband öffnete und es wieder um ihr eigenes Handgelenk schloss. Wie es schien, hatte wenigstens sie den Gedanken noch nicht vollständig aufgegeben, eines Tages wieder die Macht lenken zu können.
Es war herrlich, die Eine Macht wieder zu spüren. Nicht so schön natürlich, wie selbst Saidar in sich aufzunehmen, sich davon erfüllen zu lassen, aber sogar das Gefühl, durch die andere Frau die Quelle zu berühren, wirkte so, als verdopple sich dadurch die Lebenskraft. Wenn man Saidar in sich aufnahm, wollte man am liebsten vor reiner Freude lachen und tanzen. Sie rechnete damit, dass sie sich eines Tages daran gewöhnt haben würde; das musste ja bei einer fertigen Aes Sedai so sein. Im Vergleich dazu war das Verknüpfen mit Marigan ein geringer Preis, den sie zu zahlen hatte. »Jetzt, da wir wissen, dass es eine Chance für Euch gibt«, sagte sie, »glaube ich …«
Die Tür schlug auf, und Nynaeve war auf den Füßen, noch bevor sie es richtig wahrgenommen hatte. Sie dachte gar nicht daran, die Macht zu gebrauchen. Wäre ihre Kehle nicht wie zugeschnürt gewesen, hätte sie laut geschrien. Sie war nicht die Einzige. Sie registrierte aber kaum, dass auch Siuan und Leane aufgesprungen waren. Die Angst, die sich durch das Armband in sie ergoss, schien ein Echo ihrer eigenen.
Die junge Frau, die nun die abgewetzte Holztür hinter sich schloss, nahm gar keine Notiz von dem Aufruhr, den sie ausgelöst hatte. Groß und hoch aufgerichtet, im weißen Kleid einer Aufgenommenen, die sonnengoldenen Locken bis auf die Schultern herabhängend, wirkte sie, als wolle sie vor Wut in die Luft gehen. Aber trotz des vom Zorn verzerrten Gesichts und der Schweißtropfen, die ihr von der Stirn rannen, brachte sie es irgendwie noch fertig, schön auszusehen. Das war bei Elayne eine besondere Gabe. »Wisst Ihr, was sie vorhaben? Sie schicken doch tatsächlich eine Gesandtschaft nach … nach Caemlyn! Und sie weigern sich, mich mitzunehmen! Sheriam hat mir verboten, das Thema noch einmal zu erwähnen! Verbot mir, überhaupt davon zu sprechen!«
»Hat man dir das Anklopfen nicht beigebracht, Elayne?« Nynaeve zog ihren umgekippten Stuhl wieder hoch und setzte sich. Das heißt, sie ließ sich mit weichen Knien erleichtert auf den Stuhl fallen. »Ich dachte schon, Sheriam sei gekommen.« Der bloße Gedanke an ein Ertappen verursachte ihr Magenschmerzen.
Man musste es Elayne hoch anrechnen, dass sie errötete und sich sofort entschuldigte. Dann verdarb sie den Eindruck jedoch wieder, indem sie hinzufügte: »Ich weiß gar nicht, warum Ihr so schreckhaft seid. Birgitte steht ja noch draußen, und Ihr wisst genau, dass sie Euch warnen würde, falls sich jemand anderes nähert. Nynaeve, sie müssen mich einfach mitnehmen!«
»Sie müssen überhaupt nichts tun«, sagte Siuan mürrisch. Auch sie und Leane hatten sich wieder hingesetzt. Siuan saß gerade aufgerichtet da, wie immer, aber Leane sank, wie Nynaeve, mit zitternden Knien in sich zusammen. Marigan hatte sich an die Wand gelehnt, die Augen geschlossen, die Hände gegen den rauen Verputz gepresst, und sie atmete schwer. Durch das Armband wogten abwechselnd Erleichterung und blanke Angst zu Nynaeve hinüber.
»Aber …«
Siuan gestattete Elayne kein weiteres Wort. »Glaubt Ihr, Sheriam oder eine der anderen würden zulassen, dass die Tochter-Erbin von Andor in die Hände des Wiedergeborenen Drachen fällt? Da nun Eure Mutter nicht mehr lebt …«
»Das glaube ich nicht!«, fauchte Elayne.
»Ihr glaubt nicht, dass Rand sie getötet hat«, fuhr Siuan unnachgiebig fort, »und das ist auch eine ganz andere Angelegenheit. Ich glaube es auch nicht. Aber wäre Morgase noch am Leben, käme sie jetzt aus ihrem Versteck und würde ihm als dem Wiedergeborenen Drachen huldigen. Oder sie würde, sollte sie ihn trotz aller Beweise für einen weiteren falschen Drachen halten, den Widerstand organisieren. Keine meiner Augen-und-Ohren hat mir bisher von einem der beiden berichtet. Und das gilt nicht nur für Andor, sondern auch für Altara und Murandy.«
»Doch, haben sie«, beharrte Elayne zäh. »Es gibt bereits Aufstände im Westen.«
»Gegen Morgase. Gegen. Falls das nicht auch bloß ein Gerücht ist.« Siuans Stimme klang so gefühllos wie ein Steinklotz. »Eure Mutter ist tot, Mädchen. Am besten gesteht Ihr Euch das endlich ein und bringt Eure Tränen hinter Euch.«
Elaynes Kinn ruckte hoch, eine äußerst unangenehme Eigenheit bei ihr, und sie wurde zum Abbild eisiger Arroganz, obwohl die meisten Männer das aus irgendeinem Grund wohl attraktiv fanden. »Ihr beklagt Euch ständig, wie lange es dauert, mit allen Euren Agenten in Verbindung zu kommen«, sagte sie kühl, »aber ich werde ausnahmsweise nicht in Betracht ziehen, ob Ihr wirklich alles gehört haben könnt, was es zu berichten gibt. Ob meine Mutter nun noch lebt oder nicht, mein Platz ist jetzt jedenfalls in Caemlyn. Ich bin nun einmal die Tochter-Erbin.«
Siuans lautes Schnauben ließ Nynaeve hochfahren. »Ihr seid nun lange genug eine Aufgenommene, um es besser zu wissen.« Elayne besaß ein Potenzial, wie man es in den letzten tausend Jahren nicht mehr erlebt hatte. Nicht ganz so viel wie Nynaeve, falls die jemals lernte, ganz nach Belieben die Macht zu benützen, aber doch genug, dass jeder Aes Sedai die Augen feucht wurden. Elayne rümpfte die Nase. Sie wusste sehr wohl: Selbst noch vom Löwenthron hätten sie die Aes Sedai herunter und zur Ausbildung weggeholt. Zur Not hätten sie sie in ein Fass gesteckt und nach Tar Valon gerollt. Trotzdem wollte sie widersprechen, doch Siuan redete genauso schnell weiter: »Sicher, sie hätten nichts dagegen, wenn Ihr früher oder später den Thron besteigt, denn es hat schon viel zu lange keine Königin mehr gegeben, die sich ganz offen zu den Aes Sedai bekannte. Aber sie lassen Euch nicht gehen, bevor Ihr zur fertigen Schwester erhoben worden seid, und selbst dann – gerade weil Ihr die Tochter-Erbin seid und bald Königin werdet – lassen sie Euch nicht in die Nähe des verdammten Wiedergeborenen Drachen, bis sie wissen, inwieweit sie ihm vertrauen können. Vor allem, nach dieser … Amnestie, die er erlassen hat.« Sie verzog säuerlich den Mund bei diesem Wort, und Leane schnitt eine Grimasse dazu.
Auch Nynaeve lief es eiskalt den Rücken herab. Sie war in dem Glauben aufgewachsen, einen Mann fürchten zu müssen, der die Eine Macht benützen konnte, weil er dazu bestimmt war, dem Wahnsinn zu verfallen, und, bevor die vom Schatten verdorbene männliche Hälfte der Quelle ihn auf entsetzliche Art tötete, noch Angst und Schrecken auf der ganzen Welt verbreiten würde. Doch nun war Rand, den sie hatte aufwachsen sehen, der Wiedergeborene Drache, geboren zum Zeichen dafür, dass die Letzte Schlacht nahte, und in dieser Schlacht sollte er gegen den Dunklen König antreten. Der Wiedergeborene Drache, die einzige Hoffnung der Menschheit – und ein Mann, der die Macht benützen konnte. Noch schlimmer: Berichten zufolge bemühte er sich, andere mit dieser Eigenschaft um sich herum zu sammeln. Natürlich konnte es nicht viele dieser Sorte geben. Jede Aes Sedai würde einen jeden davon einfangen, der ihr über den Weg lief – die Roten Ajah taten ja nichts anderes, als nach ihnen zu suchen –, aber sie spürten nur wenige auf, viel weniger jedenfalls als früher, wenn man den Chroniken glaubte.
Elayne dachte aber nicht daran, aufzugeben. Das war nun wieder bewundernswert an ihr: Sie würde nicht aufgeben, und läge ihr Kopf auch schon auf dem Richtblock unter der niedersausenden Axt des Henkers. Sie stand mit vorgestrecktem Kinn da und blickte Siuan geradewegs in die Augen, was Nynaeve oft ziemlich schwerfiel. »Es gibt zwei eindeutige Gründe, warum ich gehen sollte. Einmal ist es so, dass meine Mutter auf jeden Fall fort ist, was auch mit ihr geschehen sein mag, und als die Tochter-Erbin kann ich die Menschen beruhigen und ihnen klarmachen, dass die Thronfolge gesichert ist. Und dann kann ich zu Rand gehen. Er vertraut mir. Ich wäre viel besser dafür geeignet als jede, die vom Saal für diese Aufgabe erwählt wird!«
Die Aes Sedai hier in Salidar hatten ihren eigenen Burgsaal, ihre Ratsversammlung also, gewählt, einen Saal im Exil, so wie die Dinge lagen. Sie brüteten angeblich nun über der Frage, wen sie zu ihrer neuen Amyrlin wählen sollten, einer rechtmäßigen Amyrlin, die Elaidas Anspruch auf den Titel und die Burg bestreiten würde, aber bisher hatte Nynaeve noch nicht viel davon bemerkt.
»Wie freundlich von Euch, Kind, dass Ihr Euch opfern wollt«, bemerkte Leane trocken. Elaynes Gesichtsausdruck änderte sich nicht, doch sie lief puterrot an. Nur wenige außerhalb dieses Raums und keine einzige Aes Sedai wussten Bescheid, aber Nynaeve zweifelte nicht daran, dass Elaynes erste Handlung in Caemlyn sein werde, sich mit Rand allein zurückzuziehen und ihn zu küssen, bis ihm die Luft wegblieb. »Da Eure Mutter … verschollen ist … würde Rand Euch haben und Caemlyn sowieso, und damit ganz Andor. Der Rat will ihm nicht mehr von Andor oder irgendeinem anderen Land überlassen als unbedingt notwendig, soweit sie das beeinflussen können. Er hat ja schon Tear und Cairhien in der Tasche, und dazu noch die Aiel, wie es scheint. Fügt Andor hinzu, dann werden Murandy und Altara mit uns mittendrin fallen, sobald er nur einmal niesen muss. Er wird viel zu schnell viel zu mächtig. Er könnte ja zu dem Entschluss kommen, dass er uns nicht braucht. Und da Moiraine tot ist, haben wir niemanden in seiner Nähe, dem wir vertrauen können.«
Bei diesen Worten zuckte Nynaeve unwillkürlich zusammen. Moiraine war die Aes Sedai gewesen, die sie und Rand von den Zwei Flüssen fortgebracht und damit ihre Leben verändert hatte. Sie und Rand, Egwene, Mat und Perrin. So lange schon hatte sie geplant, Moiraine für das bezahlen zu lassen, was sie ihnen angetan hatte. Nun war das Wissen um ihren Verlust ein Gefühl, als habe sie einen Teil ihrer Selbst verloren. Aber Moiraine war in Cairhien gestorben und hatte Lanfear mit in den Tod gerissen. Sie wurde bereits unter den Aes Sedai hier zur Legende: die einzige Aes Sedai, die es jemals geschafft hatte, eine der Verlorenen zu töten, vielleicht sogar zwei. Das einzig Gute, das Nynaeve daran finden konnte, auch wenn sie sich dieser Tatsache schämte, war die Befreiung Lans von der Aufgabe, Moiraines Behüter sein zu müssen. Wenn sie ihn nur jemals wiederfinden konnte.
Siuan setzte dort an, wo Leane aufgehört hatte: »Wir können uns nicht leisten, den Jungen ganz und gar ohne Führung zu lassen. Wer weiß schon, was er sonst anstellt? Ja, ja, ich weiß, dass Ihr bereit seid, Euren Kopf für ihn hinzuhalten, aber ich will gar nichts hören. Ich versuche, einen lebenden Barrakuda auf meiner Nase zu balancieren, Mädchen. Wir können ihn nicht zu stark werden lassen, bevor er unsere Führung akzeptiert, und andererseits wagen wir nicht, ihn zu sehr in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken. Und ich bemühe mich, Sheriam und die anderen bei der Überzeugung zu halten, sie müssten ihn unbedingt unterstützen, obwohl insgeheim die Hälfte der Sitzenden nichts mit ihm zu tun haben will, während die anderen im Innersten glauben, er sollte einer Dämpfung unterzogen werden, Wiedergeborener Drache hin oder her. Wie auch immer und welche Argumente Ihr auch haben mögt, schlage ich vor, dass Ihr auf Sheriam hört. Ihr werdet keine hier von ihrer Meinung abbringen, und Tiana hat ohnehin nicht genug Novizinnen hier, um damit voll ausgelastet zu sein.«
Elayne verzog ärgerlich das Gesicht. Tiana Noselle, eine Graue Schwester, war die Herrin der Novizinnen hier in Salidar. Eine Aufgenommene musste wohl erheblich mehr angestellt haben als eine Novizin, um zu Tiana geschickt zu werden, dann aber war ein solcher Besuch mit erheblich mehr Schmerzen und Demütigung verbunden als üblich. Tiana zeigte gelegentlich einer Novizin gegenüber ein bisschen Freundlichkeit, wenn auch nicht gerade viel; doch war sie der Meinung, eine Aufgenommene sollte auf jeden Fall einiges besser wissen, und das ließ sie ihr Opfer auch spüren, lange bevor es die kleine Kammer, die ihr als Arbeitszimmer diente, wieder verlassen durfte.
Nynaeve hatte Siuan beobachtet, und nun kam ihr ein Gedanke. »Ihr wusstet über diese … Gesandtschaft oder was es auch sein mag … von vornherein Bescheid, oder? Ihr steckt ja beide ständig die Köpfe mit Sheriam und den anderen aus ihrem kleinen Kreis zusammen.« Der Saal mochte die ganze angebliche Befehlsgewalt ausüben, bis sie eine Amyrlin gewählt hatten, aber in Wirklichkeit waren es Sheriam und die Handvoll anderer Aes Sedai, die gleich zu Beginn die Ankunft und alles Weitere in Salidar organisiert hatten, die alle Fäden in der Hand hielten. »Wie viele schicken sie hin, Siuan?« Elayne schnappte nach Luft; offensichtlich hatte sie daran noch gar nicht gedacht. Da konnte man sehen, wie durcheinander sie war. Gewöhnlich bemerkte sie Einzelheiten, die Nynaeve entgingen.
Siuan leugnete es nicht ab. Seit sie der Dämpfung unterzogen worden war, konnte sie lügen wie ein Wollhändler, aber wenn sie sich entschlossen hatte, offen zu sprechen, dann war sie so offen wie ein Schlag ins Gesicht. »Neun. ›Genug, um dem Wiedergeborenen Drachen die Ehre zu erweisen …‹ Das stinkt wie die Innereien eines Fisches! Eine Gesandtschaft zu einem König geht selten über drei hinaus! ›… aber nicht genug, um ihm Angst einzujagen.‹ Falls er mittlerweile genug gelernt hat, um überhaupt Angst zu empfinden.«
»Ihr solltet besser hoffen, dass er das gelernt hat«, sagte Elayne mit kalter Stimme. »Falls nicht, dann könnten neun sich als acht zu viel erweisen.«
Dreizehn war die gefährliche Anzahl. Rand war stark, vielleicht stärker als jeder andere Mann seit der Zerstörung der Welt, aber dreizehn verknüpfte Aes Sedai konnten auch ihn überwältigen, ihn von Saidin abschirmen und gefangen nehmen. Dreizehn war auch die Anzahl der Aes Sedai, die man benutzte, um einen Mann der Dämpfung zu unterziehen. Allerdings war Nynaeve mittlerweile zu der Ansicht gekommen, dass dies mehr aus Tradition so gehalten wurde und nicht aus Notwendigkeit. Die Aes Sedai taten vieles einfach, weil sie es immer schon so gehalten hatten.
Siuans Lächeln war alles andere als freundlich. »Ich frage mich, warum noch niemand daran gedacht hat. Denkt doch mal nach, Mädchen! Das tun schließlich auch Sheriam und der Saal. Natürlich geht anfangs nur eine zu ihm, und anschließend auch nur so viele, wie er ertragen kann. Aber er wird wissen, dass neun kamen, und irgendjemand wird ihm sicher erzählen, welche Ehre das ist.«
»Ach so«, sagte Elayne kleinlaut. »Ich hätte wissen müssen, dass eine von Euch daran denken würde. Tut mir leid.« Das war noch eine gute Eigenschaft an ihr. Sie konnte stur sein wie ein schielender Maulesel, aber wenn ihr klar wurde, dass sie im Unrecht war, gab sie es so ehrlich zu wie eine Frau vom Land. Bei einer Adligen war das schon mehr als ungewöhnlich.
»Min geht auch mit«, sagte Leane. »Ihr … Talent könnte nützlich sein für Rand. Davon wissen die Schwestern natürlich nichts. Sie versteht es, Geheimnisse zu wahren.« Als wäre das das Wichtige daran.
»So, so«, sagte Elayne. Diesmal klang ihre Stimme betont nichtssagend. Dann bemühte sie sich, etwas heiterer zu sprechen, aber das misslang ihr gründlich. »Na ja, wie ich sehe, seid Ihr mit … mit Marigan beschäftigt. Ich wollte ja nicht stören. Bitte entschuldigt die Unterbrechung.« Sie war weg, bevor Nynaeve den Mund aufbekam. Die Tür krachte hinter ihr zu.
Zornig fuhr Nynaeve Leane an: »Ich dachte, Siuan sei die gemeinere von Euch beiden, aber das war wirklich hundsgemein!«
Es war Siuan, die ihr antwortete: »Wenn zwei Frauen den gleichen Mann lieben, gibt es Schwierigkeiten. Und wenn dieser Mann dann auch noch Rand al’Thor ist … Das Licht mag wissen, wie es um seine geistige Gesundheit steht, oder was sie bei ihm anrichten könnten. Wenn es um Kratzen und Beißen und Haareausreißen geht, dann sollen sie das jetzt und hier erledigen.«
Ohne nachzudenken schnappte Nynaeves Hand ihren Zopf und riss ihn mit einem Ruck über ihre Schulter. »Ich sollte …« Das Dumme war nur, dass sie gar nicht viel tun konnte und auf jeden Fall nichts, womit sie etwas änderte. »Wir machen weiter an dem Punkt, an dem Elayne hereinplatzte. Aber, Siuan … Solltet Ihr Elayne jemals wieder so etwas antun«, oder auch mir, dachte sie, »dann bekommt Ihr es mit mir zu tun … Wo wollt Ihr eigentlich hin?« Siuan hatte ihren Stuhl zurückgeschoben und sich erhoben, worauf Leane nach einem kurzen Blickaustausch das Gleiche tat.
»Wir haben zu tun«, sagte Siuan kurz angebunden und bereits auf dem Weg zur Tür.
»Ihr habt versprochen, mir zur Verfügung zu stehen, Siuan. Sheriam hat es Euch aufgetragen.« Sheriam hatte es genau wie Siuan für reine Zeitverschwendung gehalten, aber Nynaeve und Elayne hatten sich eine Belohnung verdient und auch eine gewisse Portion Großzügigkeit. Wie beispielsweise Marigan als Zofe zugewiesen zu bekommen, damit sie mehr Zeit für die Studien der Aufgenommenen hatten.
Siuan warf ihr von der Tür her einen amüsierten Blick zu. »Vielleicht wollt Ihr Euch bei ihr beklagen? Und erklären, wie Ihr Eure Forschungen betreibt? Ich will heute Abend Marigan verhören; ich habe einige weitere Fragen.«
Als Siuan draußen war, sagte Leane traurig: »Es wäre ja schön, Nynaeve, aber wir müssen doch wenigstens das tun, was wir wirklich auch vollbringen können. Ihr könntet es ja mit Logain versuchen.« Dann war auch sie weg.
Nynaeve machte eine finstere Miene. Aus Logain hatte sie noch weniger herausbekommen als aus den beiden Frauen. Sie fragte sich bereits, ob jemals etwas dabei herauskommen werde, wenn sie weiterhin Logain untersuchte. Außerdem war das Allerletzte, was sie vorhatte, ausgerechnet einen Mann zu heilen, den man einer Dämpfung unterzogen hatte. Und dazu machte er sie auch noch immer so nervös.
»Ihr beißt aufeinander ein wie Ratten in einer verschlossenen Schachtel«, sagte Marigan. »Wenn man die bisherigen Ergebnisse sieht, stehen Eure Chancen nicht sehr gut. Vielleicht solltet Ihr Euch … andere Möglichkeiten überlegen.«
»Haltet Euren schmutzigen Mund!« Nynaeve funkelte sie an. »Haltet ihn ja, sonst mag Euch das Licht verbrennen!« Immer noch drang Angst durch das Armband zu ihr herüber, aber auch noch etwas anderes, fast zu schwach, um es zu bemerken. Vielleicht ein ganz schwacher Hoffnungsschimmer. »Das Licht soll Euch versengen«, knurrte sie noch einmal.
Der wirkliche Name der Frau war nicht Marigan, sondern Moghedien. Eine der Verlorenen, die durch ihre eigene Überheblichkeit in die Falle gegangen war und die nun mitten unter den Aes Sedai als Gefangene lebte. Nur fünf Frauen auf der Welt wussten darüber Bescheid, und keine davon war eine Aes Sedai, doch es war unbedingt notwendig Moghediens Identität strikt geheim zu halten. Die Verbrechen der Verlorenen hätten sonst ebenso unvermeidlich zur Hinrichtung geführt, wie die Sonne morgens aufging. Da stimmte ihr auch Siuan zu; auf jede Aes Sedai, die damit gewartet hätte, kämen mindestens zehn, die augenblicklich eine Gerichtsverhandlung gefordert hätten. Und mit ihr würde auch all ihr Wissen aus dem Zeitalter der Legenden, in dem man heute ungeahnte Dinge mithilfe der Macht vollbrachte, in ein namenloses Grab gelegt. Nynaeve konnte kaum die Hälfte von dem glauben, was ihr diese Frau von jenem Zeitalter erzählte. Und sie verstand gewiss noch um einiges weniger.
Informationen aus Moghedien herauszuholen war nicht gerade leicht. Manchmal war es dem Heilen ähnlich; Moghedien hatte sich nie für Dinge interessiert, die ihr nicht dienlich waren und die sie nicht auf schnellstem Weg an ihr gewünschtes Ziel brachten. Man konnte von ihr kaum erwarten, dass sie mit der Wahrheit über sich selbst herausrückte, aber Nynaeve vermutete, sie sei wohl eine Art Schwindlerin gewesen, bevor sie ihre Seele dem Dunklen König verschrieb. Manchmal wussten sie und Elayne einfach auch nicht, welche Fragen sie ihr stellen sollten. Moghedien gab nur selten freiwillig etwas von sich, so viel war klar. Trotzdem hatten sie eine Menge gelernt und das meiste an die Aes Sedai weitergegeben. Natürlich offiziell als Ergebnisse ihrer Forschungen und Studien als Aufgenommene. Das hatte ihnen eine Menge Ansehen eingebracht.
Sie und Elayne hätten ja die Kenntnis der Identität Marigans ganz für sich behalten, wenn das möglich gewesen wäre. Aber Birgitte hatte natürlich von Anfang an Bescheid gewusst, und Siuan und Leane hatte sie es einfach sagen müssen. Siuan hatte die näheren Umstände, die zu Moghediens Gefangennahme geführt hatten, viel zu gut gekannt und natürlich eine genaue Erklärung verlangt. Sie wusste eben zu viel von ihnen. So konnten sie ihr diese Erklärung nicht verweigern. Nynaeve und Elayne kannten einige von Siuans und Leanes Geheimnissen, und die beiden schienen dafür alles von ihr und Elayne zu wissen, abgesehen natürlich von der Wahrheit über Birgitte. So befanden sie sich in einer etwas unsicheren Situation, in der ihrer Meinung nach die Vorteile bei Siuan und Leane lagen. Außerdem ging es bei Moghediens Enthüllungen auch um die Ränke möglicher Schattenfreunde und um Andeutungen dessen, was andere der Verlorenen möglicherweise planten. Der einzig gangbare Weg, diese Informationen weiterzugeben, war der, es erscheinen zu lassen, als stammten sie von Siuans und Leanes Agenten. Über die Schwarzen Ajah – so lange verborgen und so vehement abgeleugnet – erfuhren sie nichts, obwohl Siuan gerade daran besonderes Interesse gehabt hätte. Schattenfreunde widerten sie an, aber der bloße Gedanke, dass sich Aes Sedai dem Dunklen König verschworen, steigerte Siuans Abneigung zu eiskalter Wut. Moghedien behauptete, sie habe sich davor gefürchtet, sich auch nur in die Nähe irgendeiner Aes Sedai zu begeben, und das klang auch glaubhaft. Angst war der ständige Begleiter dieser Frau. Kein Wunder, wenn sie sich so lange im Schatten verborgen hatte, bis man sie als die ›Spinne‹ bezeichnete. Alles in allem stellte sie einen Schatz dar, den man nicht dem Henker übergeben durfte. Und doch würden die meisten Aes Sedai dem widersprechen. Die meisten Aes Sedai würden sich wahrscheinlich sogar weigern, etwas zu berühren oder auf etwas zu vertrauen, das man vor ihr erfahren hatte.
Schuldgefühle und auch Abscheu plagten Nynaeve, und das nicht zum ersten Mal. Konnte die Menge der erworbenen Kenntnisse rechtfertigen, dass sie eine der Verlorenen der Gerechtigkeit vorenthielten? Sie preiszugeben würde unweigerlich zu einer Bestrafung führen, möglicherweise zu einer schrecklichen Strafe, und für alle Beteiligten, also nicht nur sie selbst, sondern auch für Elayne und Siuan und Leane. Das würde ebenfalls bedeuten, dass sich Birgittes Identität offenbarte. Und all dieses Wissen wäre verloren. Moghedien verstand wohl nichts vom Heilen, aber sie hatte ihr Dutzende von Hinweisen geliefert, was alles möglich war, und in ihrem Kopf musste noch mehr davon stecken. Mit diesen Hinweisen, nach denen sie sich richten konnte, waren dem, was sie noch entdecken mochte, kaum Grenzen gesetzt.
Nynaeve wünschte sich ein Bad, und das hatte nichts mit der Hitze zu tun. »Also sprechen wir über das Wetter«, sagte sie schließlich mit bitterem Unterton.
»Ihr wisst mehr darüber, wie man das Wetter kontrolliert, als ich.« Moghediens Stimme klang erschöpft, und etwas davon kam auch durch das Armband herüber. Sie hatte ihr schon genug Fragen zu diesem Thema gestellt. »Ich weiß nur, dass alles, was sich da jetzt abspielt, das Werk des Großen … des Dunklen Königs ist.« Sie besaß auch noch die Frechheit, bei ihrem verbalen Ausrutscher entschuldigend zu lächeln. »Kein bloßer Mensch ist in der Lage, das zu ändern.«
Es kostete Nynaeve Mühe, nicht mit den Zähnen zu knirschen. Elayne verstand mehr davon, das Wetter zu beeinflussen, als sonst jemand in Salidar, und sie behauptete das Gleiche. Einschließlich der Bemerkung über den Dunklen König, obwohl ja wohl jede das begreifen musste, wenn sie kein kompletter Idiot war. Bei dieser erdrückenden Hitze, obschon bald der erste Schnee fallen sollte, ohne jeden Regen und bei austrocknenden Bächen … »Dann sprechen wir eben über den Gebrauch verschiedener Arten von Geweben, die gemeinsam benützt werden, um verschiedene Krankheiten zu heilen.« Die Frau behauptete, das nehme mehr Zeit in Anspruch als die heutigen Methoden, aber alle dazu benötigte Energie stammte aus der Einen Macht und nicht aus dem Patienten oder der Person, die diese heilenden Stränge webte. Natürlich behauptete sie auch, Männer hätten einige Arten der Heilung besser beherrscht als Frauen, und das nahm ihr Nynaeve dann doch nicht ab. »Ihr müsst doch wenigstens einmal dabei zugesehen haben.«
So machte sie sich daran, im Schlamm zu wühlen, um einige Goldkörner aufzuspüren. Jedes bisschen Wissen war eine Menge wert. Es wäre ihr nur lieber gewesen, sie hätte nicht dieses Gefühl gehabt, die Hände in stinkenden Schlamm stecken zu müssen.
Elayne zögerte nicht, sobald sie draußen war, und winkte lediglich Birgitte kurz zu. Dann schritt sie schnell davon. Birgitte, die ihr goldenes Haar zu einem hüftlangen, kunstvollen Zopf geflochten hatte, spielte mit zwei kleinen Jungen, während sie die enge Gasse überwachte. Den Bogen hatte sie an den schiefen Zaun neben sich gelehnt. Nun, sie versuchte wenigstens, mit ihnen zu spielen. Jaril und Seve blickten die Frau mit ihrer eigenartig bauschigen gelben Hose und dem dunklen Kurzmantel an, doch darüber hinaus zeigten sie keinerlei Reaktion. Das taten sie nie, und sie sagten auch kein Wort. Angeblich waren sie ja ›Marigans‹ Kinder. Birgitte freute es, mit ihnen spielen zu können, aber etwas Trauriges lag in ihrem Blick. Sie genoss es immer, mit Kindern zu spielen und besonders mit kleinen Jungen, und immer wurde sie ein wenig traurig dabei. Elayne war das sehr wohl bewusst, genau wie sie ihre eigenen Gefühle kannte.
Falls sich ihr Verdacht bestätigte, dass Moghedien etwas mit dem Zustand der Kinder zu tun hatte … Aber die Frau behauptete, sie hätten sich schon so verhalten, als sie die beiden in Ghealdan zur Tarnung mitnahm. Sie seien Waisen, die sie von der Straße aufgelesen habe. Ein paar Gelbe Schwestern vertraten die Meinung, sie hätten einfach zu viel Schlimmes während der Unruhen in Samara erlebt. Das leuchtete Elayne ein, nach alledem, was sie selbst dort miterlebt hatte. Die Gelben Schwestern meinten auch, die Zeit und gute Pflege würden ihnen helfen, Elayne schloss sich dieser Hoffnung an. Sie hoffte, dass sie nicht derjenigen, die dafür verantwortlich war, gestattete, ihrer gerechten Strafe zu entgehen.
Sie wollte jetzt nicht über Moghedien nachdenken. Über ihre Mutter. Nein, an die wollte sie ganz bestimmt jetzt auch nicht erinnert werden. Min. Und Rand. Es musste doch einen Weg geben, mit dieser Situation fertig zu werden. Sie bemerkte Birgittes Nicken kaum und eilte schnell die Gasse hinunter und hinaus auf die Hauptstraße Salidars, über der die Hitze des wolkenlosen Mittagshimmels brütete.
Jahrelang war Salidar eine Geisterstadt gewesen, bis sich die vor Elaida und ihren Anhängerinnen fliehenden Aes Sedai hier gesammelt hatten, aber jetzt waren die Häuser zumeist mit frischem Stroh gedeckt, man entdeckte die Spuren frischer Ausbesserungen, der Putz war bei vielen erneuert, und vor allem die drei großen Steingebäude, die einst Schenken gewesen waren, wirkten jetzt wieder belebt. Eines, das größte, bezeichneten einige Leute bereits als die Kleine Burg, und dort traf sich auch der ›Saal‹, die Ratsversammlung. Natürlich waren nur absolut notwendige Arbeiten durchgeführt worden. In vielen Fensteröffnungen sah man immer noch gesprungene Glasscheiben und manchmal auch gar keine. Es gab wichtigere Dinge, als Mauern wieder aufzurichten oder Wände zu streichen. Die Lehmstraßen waren fast schon überfüllt. Natürlich nicht nur mit Aes Sedai. Aufgenommene in weißen Kleidern mit Farbsaum waren darunter. Novizinnen in reinweißen Kleidern beeilten sich, ihren Aufgaben nachzukommen; Behüter, die sich mit der tödlichen Grazie von Leoparden bewegten, gleich, ob sie nun mager oder kräftig gebaut waren, Dienerinnen, die mit den fliehenden Aes Sedai von der Burg hergekommen waren, und sogar vereinzelte Kinder waren zu sehen. Und Soldaten.
Der Saal bereitete sich darauf vor, seine Ansprüche Elaida gegenüber notfalls mit Waffengewalt durchzusetzen, sobald sie erst eine ›echte‹ Amyrlin gewählt hatten. Das entfernte Dröhnen von Schmiedehämmern, das durch den Lärm der Menge hindurch von den Schmieden außerhalb des Orts herdrang, berichtete von Rössern, die dort beschlagen wurden, und von Rüstungen, die der Reparatur bedurften. Ein Mann mit kantigem Gesicht, vielen grauen Strähnen im dunklen Haar, mit einem braunen Mantel und einem zerbeulten Brustharnisch ritt langsam die Straße hinunter. Während er sich den Weg durch die Menge bahnte, musterte er aufmerksam die Gruppen marschierender Männer mit langen Piken auf den Schultern oder mit Bögen auf dem Rücken. Gareth Bryne war einverstanden gewesen, das Heer des Saals von Salidar zu rekrutieren und zu führen. Elayne hätte allerdings gern gewusst, wie und warum es dazu gekommen war. Es musste etwas mit Siuan und Leane zu tun haben, aber sie konnte sich nicht vorstellen, was, da er mit beiden Frauen, besonders aber mit Siuan, ziemlich grob umsprang. Irgendwie hatten die beiden einen Eid zu erfüllen, aber Elayne kam die ganze Geschichte recht undurchsichtig vor. Klar war nur, dass sich Siuan bitter beklagte, weil sie zusätzlich zu ihren übrigen Pflichten auch noch sein Zimmer sauber halten und seine Kleidung waschen und bügeln musste. Sie beklagte sich, doch sie tat es immerhin. Es musste wohl ein ziemlich starker Eid gewesen sein.
Brynes Blick glitt ohne merkliches Zögern über Elayne hinweg. Er hatte sich ihr gegenüber kühl, höflich und distanziert benommen, seit sie in Salidar angekommen war, und das, obwohl er sie ja von der Wiege an gekannt hatte. Bis vor weniger als einem Jahr noch war er Generalhauptmann der Königlichen Garde in Andor gewesen. Einst hatte Elayne geglaubt, ihre Mutter und er würden heiraten. Nein, sie wollte nicht an ihre Mutter denken! Min. Sie musste Min aufspüren und mit ihr sprechen.
Sie hatte kaum begonnen, sich den Weg durch die Menge auf der staubigen Straße zu suchen, als sie auch schon von zwei Aes Sedai entdeckt wurde. Sie hatte keine andere Wahl als stehen zu bleiben und einen Knicks zu machen, während sich der Menschenstrom um sie herum teilte. Beide Frauen strahlten sie an. Sie schwitzten überhaupt nicht. Elayne zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und tupfte sich das Gesicht ab. Sie wünschte, man hätte sie diese spezielle Kunst der Aes Sedai bereits gelehrt. »Guten Tag, Anaiya Sedai, Janya Sedai.«