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In 'Das Seiende und das Wesen (De ente et essentia)' wirft Thomas von Aquin einen tiefgründigen Blick auf die metaphysischen Konzepte des Seins und der Essenz. In diesem philosophischen Werk aus dem 13. Jahrhundert, das im Rahmen der Scholastik entstanden ist, analysiert Aquin die Beziehung zwischen dem Dasein eines Objekts und seiner essentiellen Natur. Seine klare und präzise Sprache ermöglicht es dem Leser, komplexe philosophische Ideen zu erfassen und darüber zu reflektieren. Dabei stützt er sich auf das philosophische Erbe Aristoteles' und entwickelt eigene Gedanken zu den grundlegenden Fragen des Seins und der Identität. Das Buch ist ein Meisterwerk der mittelalterlichen Philosophie, das bis heute für sein tiefgründiges Denken und seine reiche Argumentation bewundert wird. Thomas von Aquin, ein bedeutender Theologe und Philosoph des Mittelalters, war ein wichtiger Vertreter der Scholastik und prägte die christliche Philosophie nachhaltig. Sein Werk 'Das Seiende und das Wesen' ist ein Schlüsseltext in seinem umfangreichen Schaffen, der sein umfassendes philosophisches und theologisches Denken präsentiert. Aquins Werk ist von großer Bedeutung für alle, die sich für metaphysische Fragen und die philosophische Tradition des Mittelalters interessieren. Mit seiner klaren Argumentation und prägnanten Analyse bietet dieses Buch einen einzigartigen Einblick in die Denkweise dieses bedeutenden Philosophen und Theologen.
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Seitenzahl: 51
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Weil ein kleiner Irrtum am Anfang am Ende ein großer ist nach dem Philosophen im 1. Buch von »Der Himmel und die Erde«, Seiendes und Wesen aber die sind, die zuerst von der Vernunft erfaßt werden, wie Avicenna am Anfang seiner »Metaphysik« sagt, muß man daher, damit nicht aus der Unkenntnis jener ein Fehler entsteht, zur Behebung der von ihnen ausgehenden Schwierigkeit sagen, was mit dem Wort »Wesen« und »Seiendes« bezeichnet wird und wie Wesen in verschiedenen Dingen vorgefunden wird und wie es sich zu den logischen Begriffen, nämlich Gattung, Art und Unterschied verhält.
Weil wir aber die Erkenntnis des Einfachen aus dem Zusammengesetzten gewinnen und vom Späteren zum Früheren gelangen müssen, muß man daher, damit das Verfahren, wenn wir mit dem Leichteren beginnen, angemessener wird, von der Bedeutung des Seienden zu der Bedeutung des Wesens fortschreiten.
Man muß nun wissen, daß, wie der Philosoph im 5. Buch der »Metaphysik« sagt, das Seiende als solches auf zweifache Weise ausgesagt wird: auf eine Weise so, daß es in zehn Kategorien eingeteilt wird, auf eine andere Weise so, daß es die Wahrheit der Aussagen bezeichnet. Der Unterschied dazwischen aber ist, daß auf die zweite Weise all jenes, worüber eine bejahende Aussage gebildet werden kann, Seiendes genannt werden kann, auch wenn jenes nichts in der Wirklichkeit meint; auf diese Weise werden Ermangelungen und negative Bestimmungen Seiendes genannt: wir sagen nämlich, daß die Bejahung der Verneinungentgegengesetzt »ist« und daß die Blindheit im Auge »ist«. Aber auf die erste Weise kann nur das, was etwas in der Wirklichkeit meint. Seiendes genannt werden. Daher sind Blindheit und dergleichen kein Seiendes auf die erste Weise.
Das Wort »Wesen« nun wird nicht von dem auf die zweite Weise ausgesagten Seienden hergenommen, auf diese Weise wird nämlich manches, was kein Wesen hat, Seiendes genannt, wie im Falle der Ermangelungen offenbar ist, sondern Wesen wird von dem auf die erste Weise ausgesagten Seienden hergenommen. Daher sagt der Kommentator zu derselben Stelle, daß das auf die erste Weise ausgesagte Seiende das ist, was das Wesen eines Dinges bezeichnet. Und weil, wie gesagt, das auf die erste Weise ausgesagte Seiende in zehn Kategorien eingeteilt wird, muß Wesen für alle Naturen, aufgrund deren verschiedenes Seiendes unter verschiedene Gattungen und Arten gebracht wird, etwas Gemeinsames bezeichnen, so wie Menschhaftigkeit das Wesen des Menschen ist, und so hinsichtlich des übrigen.
Und weil jenes, aufgrund dessen ein Ding in seine Gattung oder Art eingeordnet wird, das ist, was durch die Definition, die angibt, was das Ding ist, bezeichnet wird, daher kommt es, daß das Wort »Wesen« von den Philosophen in das Wort »Washeit« umgeändert wird. Und diese ist auch das, was der Philosoph häufig nennt das – was war es? – Sein, das ist das, wodurch etwas Was-Sein hat. Wesen wird auch Form genannt, insofern durch die Form die genaue Bestimmtheit eines jeden Dinges bezeichnet wird, wie Avicenna im 2. Buch seiner »Metaphysik« sagt. Wesen wird mit einem anderen Wort auch Natur genannt, Natur verstanden nach der ersten Weise jener vier, die Boëthius in der Schrift »Die zwei Naturen« angibt: danach wird nämlich all jenesNatur genannt, was mit der Vernunft auf irgendeine Weise erfaßt werden kann, kein Ding ist nämlich erkennbar außer durch seine Definition und sein Wesen. Und so sagt auch der Philosoph im 5. Buch der »Metaphysik«, daß jede Substanz eine Natur ist. Jedoch scheint das Wort »Natur«, auf diese Weise verstanden, das Wesen eines Dinges zu bezeichnen, insofern es (das Wort »Natur«) sich auf die eigentümliche Tätigkeit des Dinges bezieht, da kein Ding der eigentümlichen Tätigkeit ermangelt. Das Wort »Washeit« aber wird davon hergenommen, was durch die Definition bezeichnet wird. Aber Wesen heißt es, insofern durch es und in ihm ein Seiendes Sein hat.
Aber weil Seiendes ohne Einschränkung und in erster Linie von Substanzen, in zweiter Linie und gleichsam in gewisser Hinsicht von Eigenschaften ausgesagt wird, daher kommt es, daß auch Wesen im eigentlichen Sinne und in Wahrheit in Substanzen ist, aber in Eigenschaften in gewisser Weise und gewisser Hinsicht ist. Von den Substanzen aber sind einige einfach und einige zusammengesetzt, und in beiden ist Wesen, aber in den einfachen in wahrerer und vorzüglicherer Weise, insofern sie auch vorzüglicheres Sein haben: sie sind nämlich die Ursache dessen, was zusammengesetzt ist, wenigstens die erste einfache Substanz, die Gott ist. Aber weil die Wesen jener (einfachen) Substanzen für uns verborgener sind, daher muß man mit den Wesen der zusammengesetzten Substanzen beginnen, damit das Verfahren vom Leichteren her angemessener wird.