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Die Summa Theologica (übersetzt "Zusammenfassung der Theologie"), oft einfach als Summa bezeichnet, ist das bekannteste Werk von Thomas von Aquin (1225-1274), einem scholastischen Theologen und Kirchendoktor. Sie stellt ein Kompendium der wichtigsten theologischen Lehren der katholischen Kirche dar, das als Leitfaden für Theologiestudenten, Seminaristen und Laien dienen soll. Die Themen der "Summa", in denen die Argumentation für fast alle Inhalte der christlichen Theologie im Abendland dargelegt wird, folgen dem folgenden Zyklus: Gott, die Schöpfung, der Mensch, die Bestimmung des Menschen, Christus, die Sakramente und zurück zu Gott. Obwohl sie unvollendet ist, gehört die "Summa" nicht nur zu den Klassikern der Philosophiegeschichte, sondern ist eines der einflussreichsten Werke der abendländischen Literatur und bleibt Aquins vollkommenste Schrift, die Frucht seiner reifen Jahre, in der sich das Denken seines ganzen Lebens verdichtet. Der Autor zitiert immer wieder christliche, muslimische, hebräische und heidnische Quellen, darunter die Heilige Schrift, Aristoteles, Augustinus von Hippo, Avicenna, Averroes, Al-Ghazali, Boethius, Johannes von Damaskus, Paulus der Apostel, Pseudo-Dionysius, Maimonides, Anselm von Canterbury, Platon, Cicero und einige andere. Dies ist Band sieben von zehn mit den Quaestiones 61 - 128 der Secunda Pars.
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Seitenzahl: 800
Summa Theologica
Band 7
Quaestiones 61 – 128
(Secunda Pars/ Secundae Partis)
THOMAS VON AQUIN
DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER
Summa Theologica, Band 7, Thomas von Aquin
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849663933
Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522
Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.
www.jazzybee-verlag.de
Quaestio 61. Über die Teile der Gerechtigkeit.2
Quaestio 62. Über das Wiedererstatten.9
Quaestio 63. Das Ansehen der Person. 20
Quaestio 64. Über den Totschlag.26
Quaestio 65. Über die Verstümmelung der Glieder.37
Quaestio 66. Über den Diebstahl und den Raub.43
Quaestio 67. Über die Ungerechtigkeit des Richters.53
Quaestio 68. Über die ungerechte Anklage.58
Quaestio 69. Über die Ungerechtigkeit im schuldigen.64
Quaestio 70. Über die Ungerechtigkeit rücksichtlich der Person des Zeugen.69
Quaestio 71. Über die Ungerechtigkeit in den Anwälten oder Advokaten.74
Quaestio 72. Über die Beleidigungen in Worten außerhalb des gerichtlichen Urteiles und zwar zuerst: Über die Schmähung.79
Quaestio 73. Über die Verkleinerung.84
Quaestio 74. Über die Ohrenbläserei.90
Quaestio 75. Über die Verspottung oder Verhöhnung.92
Quaestio 76. Über die Verwünschung oder das Verfluchen.95
Quaestio 77. Über den Betrug im Ankauf und Verkauf.99
Quaestio 78. Über die Sünde des Wuchers.107
Quaestio 79. Über die Teile der Gerechtigkeit, welche (als integrale) den gerechten Akt zusammensetzen, nämlich: das Gute tun und das Böse meiden.115
Quaestio 80. Über die potentialen Teile der Gerechtigkeit oder über die mit der Gerechtigkeit verbundenen Tugenden.121
Quaestio 81. Über die Gottesverehrung an sich oder die Religion.124
Quaestio 82. Über die Andacht.133
Quaestio 83. Über das Gebet.137
Quaestio 84. Über die Anbetung.159
Quaestio 85. Über die Opfer.162
Quaestio 86. Die dargestellten und Erstlings-Gaben.167
Quaestio 87. Über den Zehnten.173
Quaestio 88. Über das Gelübde.181
Quaestio 89. Über den Eidschwur.199
Quaestio 90. Über die Beschwörung durch den Namen Gottes.214
Quaestio 91. Über den Gebrauch des göttlichen Namens beim Gebete oder Lobpreis.217
Quaestio 92. Über den Aberglauben.220
Quaestio 93. Über den ungebührlichen Kult Gottes.223
Quaestio 94. Über den Götzendienst.226
Quaestio 95. Über den Aberglauben der Wahrsagerei.234
Quaestio 96. Über abergläubische Gebräuche in den Handlungen des Menschen selber.249
Quaestio 97. Über die Versuchung Gottes.255
Quaestio 98. Über den Meineid.261
Quaestio 99. Über den Gottesraub oder das Sakrilegium.267
Quaestio 100. Über die Simonie.272
Quaestio 101. Über die Pietät oder Hingebung.285
Quaestio 102. Über die Achtung an und für sich.290
Quaestio 103. Über die Ehrerbietigkeit.294
Quaestio 104. Über den Gehorsam.299
Quaestio 105. Über den Ungehorsam.309
Quaestio 106. Über den Dank oder die Dankbarkeit.312
Quaestio 107. Über die Undankbarkeit.319
Quaestio 108. Über die Rache.323
Quaestio 109. Über die Wahrheit.330
Quaestio 110. Über die Lüge.336
Quaestio 111. Über Verstellung und Heuchelei.344
Quaestio 112. Über die Prahlerei.350
Quaestio 113. Über die Ironie.353
Quaestio 114. Über die Leutseligkeit.356
Quaestio 115. Über die Schmeichelei.359
Quaestio 116. Über den Zank. 362
Quaestio 117. Über die Freigebigkeit.364
Quaestio 118. Über den Geiz.372
Quaestio 119. Über die Verschwendung.382
Quaestio 120. Über die Billigkeit.386
Quaestio 121. Über die Hingebung.389
Quaestio 122. Über die Vorschriften der Gerechtigkeit.391
Die dritte Kardinaltugend: Die Stärke.403
Quaestio 123. Über die Fugend der Stärke, soweit ihr Wesen in Betracht kommt.403
Quaestio 124. Über das Martyrium.417
Quaestio 125. Über die Furcht als den ersten der Stärke entgegengesetzten Fehler.424
Quaestio 126. Über die Furchtlosigkeit als den zweiten der Stärke entgegengesetzten Fehler.429
Quaestio 127. Über die Kühnheit als den dritten der Stärke entgegenstehenden Fehler.432
Quaestio 128. Über die Teile der Stärke und zwar zuvörderst welche es sind.434
Bibliographische Angaben:
Summe der Theologie / Die katholische Wahrheit oder die theologische Summa des Thomas von Aquin deutsch wiedergegeben durch Ceslaus Maria Schneider. Verlagsanstalt von G. J. Manz, Regensburg 1886-1892. [12 Bände] 1880
Sehr geehrter Leser,
die "Summa Theologica" war in ihrer Gänze sicher das herausforderndste Werk innerhalb der Reihe "Die Schriften der Kirchenväter." Es gibt kaum eine Textvorlage, ganz speziell von dieser Schneider-Übersetzung, die diesen Begriff – "Vorlage" – verdient hätte.
Wir haben versucht, so viele Fehler wie möglich auszumerzen. Dennoch ist dieses Werk nicht perfekt, da ein komplettes Korrektorat schlicht nicht wirtschaftlich ist. Bitte sehen Sie uns nach, wenn Sie an der einen oder anderen Stelle über einen Fehler stolpern, insbesondere bei der Umsetzung von griechischen Buchstaben. Thomas von Aquinas war nicht perfekt, seine "Summa" mitnichten, wir sind es schon gar nicht. Wir glauben dennoch, dass das Preis-Leistungsverhältnis dieser Ausgabe stimmt und jeder interessierte Leser auf seine Kosten kommen wird.
Herzlich Grüße,
Ihr Jazzybee Verlag (Jürgen Beck)
Nun müssen wir betrachten die Teile der Gerechtigkeit; und zwar zuerst die auf das Subjekt oder den Sitz der Gerechtigkeit, nämlich auf den Willen bezüglichen, die subjektiven, also die Tauschgerechtigkeit und die verteilende; — dann die integralen, welche den vollkommenen Akt der Gerechtigkeit zusammensetzen; — endlich die potentialen Teile oder die zur Gerechtigkeit hinzutretenden Tugenden. Und zwar werden wir zuerst diese Teile selbst behandeln und dann die entgegengesetzten Laster. Und weil die Wiedererstattung ein Akt der Tauschgerechtigkeit ist, so ist der erste Gegenstand der Erwägung der Unterschied zwischen der Tausch- und der verteilenden Gerechtigkeit; und der zweite die Wiedererstattung.
Erster Artikel. Es gibt zwei Gattungen Gerechtigkeit: die Tausch- und die verteilende Gerechtigkeit.
a) Solche zwei Gattungen lassen sich nicht unterscheiden. Denn: I. Keine Gattung Gerechtigkeit kann dem Gemeinwesen schaden, da die Gerechtigkeit dem Gemeinwesen von Natur aus dient. Das allen gemeinsame Gut aber in viele verteilen, gereicht dem gemeinsamen Besten aller zum Schaden; sowohl weil die gemeinnützigen Güter erschöpft als auch weil die Sitten der Menschen verdorben werden. Denn Cicero sagt (2. de off. ): „Schlechter wird, der da annimmt, und um wieder etwas zu empfangen bereitwilliger.“ Verteilen also gehört nicht zu einer Gattung Gerechtigkeit. II. Die Tätigkeit der Gerechtigkeit besteht darin, jedem das Seine zu geben. Im Verteilen aber wird jemandem nicht gegeben was sein ist; vielmehr wird ihm zu eigen gegeben, was früher nicht sein war, sondern dem Gemeinwesen gehörte. III. Die Gerechtigkeit ist nicht im Fürsten allein, sondern auch in den Untertanen. Verteilen aber gehört immer dem Fürsten an. IV. „Das was gerechterweise verteilt werden kann, betrifft die gemeinsamen Güter.“ (3 Ethic. 2 .) Das was gemeinsam ist aber gehört der „gesetzlichen“ Gerechtigkeit an, nicht der besonderen, privaten. V. Das Eine und Viele machen keinen Wesensunterschied in der Tugendgattung. Die Tauschgerechtigkeit aber besteht darin, dass einem einzigen gegeben wird; die verteilende, dass vielen gegeben wird. Also ist da kein Unterschied in der Gattung.
Auf der anderen Seite nennt Aristoteles die eine Gattung der Gerechtigkeit: „die im Verteilen leitende“, die andere: „die Richtschnur im Tauschen“. (5 Ethic. 2 .)
b) Ich antworte, die besondere oder Privatgerechtigkeit beziehe sich auf eine Privatperson, die da Teil oder Glied eines Gemeinwesens ist. Nun besteht da ein doppeltes Verhältnis: 1. das zwischen dem einen Teile und dem anderen, also zwischen einer Privatperson zur anderen; und dieses Verhältnis wird geregelt durch die Tauschgerechtigkeit; — 2. das zwischen dem Ganzen und den Teilen, also zwischen dem Gemeinsamen und den einzelnen Personen; und dieses Verhältnis wird geregelt durch die verteilende Gerechtigkeit, die das Gemeinsame verteilt nach einem gewissen Verhältnisse. Also sind zwei Gattungen Gerechtigkeit.
c) I. Wie in Privatgaben Maßhalten empfohlen, Verschwendung getadelt wird; so ist dies auch bei Zuteilung von Gütern des Gemeinwesens der Fall. II. Der Teil und das Ganze haben ein und dasselbe Interesse. So weit also an öffentlichen Gütern einzelnen verteilt wird, bekommt jeder das Seine. III. Das tatsächliche Verteilen gehört allerdings dem Fürsten zu. Die Untertanen aber haben die Tugend der verteilenden Gerechtigkeit, in soweit sie mit dem recht Zugeteilten zufrieden sind. IV. Die Tätigkeit oder Bewegung erhält ihren Wesenscharakter vom Abschlusspunkte, auf den sie gerichtet ist. Zur „gesetzlichen“ Gerechtigkeit gehört es also, das Beste der einzelnen zum Gemeinbesten hinzuleiten; und der „besonderen“ oder Privatgerechtigkeit ist es eigen, das gemeinsame Gute an einzelne Personen gebührendermaßen zu verteilen. V. Der verschiedene Wesenscharakter dessen, was geschuldet wird, unter scheidet diese beiden Gattungen Gerechtigkeit; nicht das Eine und Viele. Denn anders wird dem einzelnen der Anteil am Gemeinsamen geschuldet und anders das was dem einzelnen als einem solchen eigen ist.
Zweiter Artikel. Die rechte Mitte in der Tausch- und in der verteilenden Gerechtigkeit.
a) Diese rechte Mitte ist die nämliche für beide. Denn: I. Beide Gattungen sind enthalten in der „besonderen“ oder Privatgerechtigkeit. Diese aber kann gleichwie die Mäßigkeit und Stärke nur eine rechte und maßgebende Mitte haben. II. Der Wesenscharakter der Tugend besteht gemäß der rechten Mitte, welche nach der Vernunft bestimmt wird. Da also eine einige Tugend nur ein einiges Wesen in sich schließt, so ist in beiden Arten Gerechtigkeit nur eine rechte Mitte. III. Die verteilende Gerechtigkeit beachtet ihre rechte Mitte gemäß der Stellung und der Würde der Personen. Letztere aber wird auch in der Tauschgerechtigkeit berücksichtigt; denn mehr wird gestraft z. B. wer den Fürsten misshandelt als wer einer Privatperson dasselbe getan hat.
Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (5 Ethic. 3 .): „In der zuteilenden Gerechtigkeit nimmt man die rechte Mitte gemäß der geometrischen Proportion; in der Tauschgerechtigkeit gemäß der arithmetischen.“
b) Ich antworte, in der verteilenden Gerechtigkeit wird einer Privatperson etwas gegeben, insoweit was dem Ganzen gehört dem Teile geschuldet ist; und das steht um so höher, eine je vorzüglichere Stellung der betreffende Teil im Ganzen besitzt. Sonach wird in der verteilenden Gerechtigkeit desto mehr jemandem von den gemeinsamen Gütern gegeben, eine je höhere Stellung und je größere Wichtigkeit dieser selbe im Gemeinwesen hat. Diese höhere Stellung wird im aristokratischen Gemeinwesen bemessen nach der Tugend oder dem Talente, im oligarchischen nach dem Reichtum, im demokratischen nach der Freiheit u. s. w. In der verteilenden Gerechtigkeit also wird die rechte Mitte nicht genommen gemäß dem dass ein Ding gleich dem anderen ist, sondern nach dem Verhältnisse der Dinge zu den Personen; nämlich nach diesem Verhältnisse, dass wie die eine Person höher steht als die andere, so auch die Sache, welche der einen Person gegeben wird. Und deshalb sagt hier Aristoteles (5 Ethic. 3 .), eine solche rechte Mitte bestehe nach der geometrischen Proportion, wo nämlich das Gleiche nicht nach der Quantität oder dem Umfange berücksichtigt wird, sondern nach einem gewissen Verhältnisse; wie wenn wir sagen: Wie sich sechs zu vier verhält, so verhält sich drei zu zwei. Hier ist das Verhältnis auf beiden Seiten das gleiche, denn um so viel ist sechs größer wie vier als drei größer wie zwei, insoweit das Größere das ganze Mindere einschließt und die Hälfte dieses Ganzen; — es besteht aber keine Gleichheit im Überschuss nach dem Umfange oder der Quantität; denn sechs ist um zwei Einheiten größer als vier, drei aber nur um eine Einheit größer als zwei. Im Tauschhandel dagegen wird einer einzelnen anderen Person etwas gegeben; nicht in Anbetracht der Person, sondern auf Grund der Sache, die dem anderen gehört und welche gefällt; wie das im höchsten Grade klar ist beim Kaufen und Verkaufen, wo zuerst sich findet der Charakter des Tauschens. Und deshalb muss da eine Sache der anderen gleich sein, dass um so viel wie der eine mehr hat als sein ist von dem, was dem anderen gehört, er diesem anderen erstattet. Und so ist da eine „arithmetische“ Mitte, welche berücksichtigt wird nach dem gleichen Überschuss im Umfange; wie z. B. fünf die Mitte hält zwischen vier und sechs, denn um eine Einheit ist fünf geringer wie sechs und mehr wie vier. Wenn also jeder von beiden fünf hat und der eine von ihnen empfängt eines von dem, was dem anderen gehört, so wird dieser eine sechs haben und der andere nur vier. Gerechtigkeit somit wird in diesem Falle geübt werden, wenn die Mitte wiederhergestellt wird und von den sechs des einen der andere eines erhält, so dass beide wieder fünf haben.
c) I. In der Gerechtigkeit ist zum Unterschiede von den anderen Tugenden die rechte Mitte außen in den Dingen; also nach dem Unterschiede, der da, in den Dingen, zu beobachten ist, wird die rechte Mitte angenommen. II. Der allgemeine Wesenscharakter der Gerechtigkeit ist die Gleichmäßigkeit; und darin kommt die Tauschgerechtigkeit überein mit der verteilenden. Diese Gleichmäßigkeit aber wird gefunden bei der einen in der arithmetischen, bei der anderen in der geometrischen Proportion. III. In den Tätigkeiten und Leidenschaften trägt die Stellung der Person bei zur Quantität der Sache. Denn größer ist der einem Fürsten angetane Schimpf als der an einer Privatperson verübte. Und danach erwägt die verteilende Gerechtigkeit die Stellung und Würde der Person an sich, ihrem Wesen nach; die Tauschgerechtigkeit nur, insoweit dadurch ein Unterschied im Werte der Sachen selber hergestellt wird.
Dritter Artikel. Der Gegenstand für die beiderseitige Gerechtigkeit.
a) Es handelt sich hier um den nämlichen Gegenstand. Denn: I. Die Verschiedenheit im Gegenstande stellt einen Wesensunterschied in den Tugenden her, wie dies bei der Mäßigkeit und bei der Stärke der Fall ist. Also würden bei verschiedenen Gegenständen hier zwei verschiedene Tugenden bestehen; und nicht die eine Tugend der Gerechtigkeit. II. Die verteilende Gerechtigkeit beschäftigt sich mit Geld oder mit Ehren oder mit Ähnlichem, „was auch immer verteilt werden kann unter den Mitbürgern ein und desselben Staates.“ (5 Ethic. 2 .) Mit den gleichen Gegenständen aber beschäftigt sich die Tauschgerechtigkeit. III. Soll wegen des Wesensunterschiedes zwischen beiden Gattungen von Gerechtigkeit der beiderseitige Gegenstand ein verschiedener sein, so müsste doch nur ein Gegenstand sein, wo nur eine Gattung Gerechtigkeit ist. Nun hat die Tauschgerechtigkeit aber vielfache Gegenstände. Also scheint im Gegenteil der Gegenstand der Tausch- und der verteilenden Gerechtigkeit ein gemeinsamer zu sein.
Auf der anderen Seite nennt Aristoteles (5 Ethic. 2 .) die eine Gattung Gerechtigkeit die Richtschnur im Verteilen und die andere die Richtschnur im Tauschen.
b) Ich antworte, die Gerechtigkeit berücksichtige gewisse Tätigkeiten nach außen hin, nämlich das Verteilen und das Tauschen; und diese Tätigkeiten bestehen im Gebrauche von außen Befindlichem, nämlich von Dingen oder von Personen oder auch von Wirksamkeiten: von Dingen nämlich, wie wenn jemand dem anderen seine Sache wegnimmt oder sie wiedererstattet; von Personen, wie wenn jemand den anderen persönlich beleidigt oder schmäht oder auch wenn er ihm Achtung erweist; von Wirksamkeiten, wie wenn jemand gerechterweise vom anderen eine Wirksamkeit fordert oder sie ihm leistet. Wird also als Gegenstand der Gerechtigkeit Jenes selbst betrachtet, was man vermittelst der Tätigkeit gebraucht, so hat die verteilende und die Tauschgerechtigkeit den gleichen Gegenstand; denn ganz dieselben Dinge werden aus dem Gemeinsamen verteilt an die einzelnen und werden eingetauscht zwischen den einzelnen, dem einen und dem anderen; und so gibt es auch ein Verteilen der mühsamen Wirksamkeiten und ein Auslohnen dieser nämlichen. Betrachten wir aber als Gegenstand der beiderseitigen Gerechtigkeit an erster Stelle jene Handlungen oder Tätigkeiten, vermittelst deren wir Dinge oder Personen oder Wirksamkeiten gebrauchen, so findet sich auf den beiden Seiten ein verschiedener Gegenstand. Denn die verteilende Gerechtigkeit leitet die verschiedenen Zuteilungen; die Tauschgerechtigkeit den Aus- und Eintausch, welcher zwischen zwei Personen statthat. Von solchen Handlungen oder Tätigkeiten, die sich auf den Tausch erstrecken, nun sind die einen freiwillige, die anderen unfreiwillige. Unfreiwillig sind sie, wenn jemand den Besitz oder die Person oder die Wirksamkeit eines anderen gegen dessen Willen gebraucht. Dies geschieht entweder im Verborgenen vermittelst Betrug oder mit offener Gewalt; und Beides entweder gegen den Besitz oder gegen die Person des anderen und zwar gegen dessen eigene Person oder gegen eine diesem nahestehende. Nimmt nun jemand fremdes Gut im Verborgenen, so heißt dies Diebstahl; nimmt er es offen, so heißt es Raub. Gegen die Person selber des anderen ist dieses Gebrauchen gerichtet entweder mit Rücksicht auf deren persönlichen Bestand oder mit Rücksicht auf deren Würde. Der persönliche Bestand wird im Verborgenen verletzt durch geheime Tötung oder durch Schlagen oder durch Reichen von Gift; und offen durch offene Tötung oder durch Einkerkerung oder durch Schläge oder Verstümmelung eines Gliedes. Durch falsches Zeugnis oder durch Verkleinerung wird jemand im Verborgenen verletzt mit Rücksicht auf seine Stellung und Würde, insoweit sein guter Name geschädigt wird; offen durch Anklage vor Gericht, durch Schmähungen. Mit Rücksicht auf eine nahestehende Person wird jemand verletzt in der Gattin, für gewöhnlich im Verborgenen durch Ehebruch; im Knechte, wenn man diesen seinem Herrn abwendig machen will; — was Alles auch offen geschehen kann. Und so verhält es sich dann auch mit anderen nahestehenden Personen, in denen man Unrecht tut der Hauptperson. Freiwillig ist der Aus- und Eintausch, wenn jemand seinen Besitz dem anderen überträgt mit beiderseitigem freien Willen. Geschieht dies schlechthin ohne weitere Verpflichtung des anderen, so heißt dies Schenken und gehört der Freigebigkeit, nicht der Gerechtigkeit an. Die Gerechtigkeit schließt immer den Charakter des Geschuldeten ein. Ein solches Ein- und Austauschen gemäß der Gerechtigkeit nun geschieht 1. wenn jemand seine Sache einem anderen gibt als Entgelt für etwas Empfangenes, wie beim Kauf und Verkauf; — 2. wenn jemand umsonst den Gebrauch einer Sache bewilligt, die ihm gehört; und das heißt Nießbrauch, wenn die Sache Früchte bringt; ist 3. Leihen, wenn die Sache keine Früchte bringt, wie Gold, Gefäße etc.; — 4. wenn jemand gegen einen gewissen Preis den Gebrauch einer ihm gehörigen Sache bewilligt; und das heißt Mieten oder Pachten; — endlich 5. wenn jemand sein Eigentum einem anderen übergibt; nicht um des Gebrauches willen sondern damit es aufbewahrt bleibe, wie das Anvertraute oder wie ein Pfand oder um für einen anderen Bürgschaft zu leisten; immer in diesen Fällen, um sein Eigentum später zurückzuhaben. In allen diesen Tätigkeiten ist die rechte Mitte gemäß absoluter Gleichheit im Geben und im Empfangen. Alle diese Tätigkeiten also gehören der Tauschgerechtigkeit an.
c) Damit ist auf die Einwürfe erwidert.
Vierter Artikel. Das Gerechte ist nicht schlechthin dasselbe wie wiedervergoltenes.
a) Dagegen spricht: I. Das göttliche Urteil ist schlechthin gerecht. Also ist es das Vorbild für das unsrige. Nach diesem aber heißt es bei Mt 7.: „Wie ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; mit welchem Maße ihr einmesset, mit dem wird euch wieder ausgemessen werden.“ Also „Gerecht sein“ heißt ebenso viel wie Wiedervergelten. II. Sowohl in der Tausch- wie in der verteilenden Gerechtigkeit wird jemandem etwas gegeben nach einem gewissen Gleichmaße: in der ersteren Gleiches der Sache nach, in der zweiten Gleiches mit Rücksicht auf die Würde der Person gemäß den Ämtern, in denen jemand dem Gemeinbesten dient. Also wird in beiden etwas vergolten, je nachdem etwas getan ward. III. Das Unfreiwillige würde am meisten entgegenstehen der Gleichheit im Wiedervergelten; denn wer etwas unfreiwillig unrecht getan hat, wird minder bestraft. „Freiwillig“ aber und „unfreiwillig“ machen keinen Unterschied für die richtige Mitte, die in der objektiven Sachlage sich findet und nicht in der Beziehung zu uns. Also ist „gerecht“ ebenso viel wie Wiedervergoltenes; oder wie: Gleiches mit Gleichem vergelten.
Auf der anderen Seite beweist Aristoteles, nicht jegliches Gerechte sei Wiedervergoltenes.
b) Ich antworte, „Wiedervergoltenes“ besage Gleichheit im Leiden mit Rücksicht auf die vorgehende Tätigkeit; was im eigentlichsten Sinne eintritt bei Beleidigungen gegen die Person des Nächsten, dass z. B. wer misshandelt hat, wieder misshandelt werde. Dieses Wiedervergeltungsrecht wird im Alten Gesetze ausgedrückt mit den Worten (Ex 21.): „Er soll bezahlen das Leben mit seinem Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn.“ Und wie das Ansichreißen fremden Gutes auch ein Schaden für die Person des Nächsten ist, so muss, wer dem Nächsten dadurch geschadet hat, ebenso viel Schaden leiden in dem, was ihm gehört. Ferner wird dieses Wiedervergelten auf den freiwilligen Tausch bezogen, wo der eine erhält, der andere gibt; hier aber vermindert der Charakter des Freiwilligen bereits das reine Wiedervergoltene. In allem diesem muss die Vergeltung oder das Entgelt gleich sein dem Gebotenen oder Getanen, so dass das Leiden entsprechen muss dem Tätigsein. Diese Gleichheit würde aber verletzt werden: 1. wenn jemand eine höher stehende Person beleidigt hat und es sollte ihm bloß die nämliche Beleidigung zugefügt werden; wer also den Fürsten z. B. misshandelt hat, wird von einer weit größeren Strafe getroffen; — 2. wenn jemand den anderen gegen dessen Willen in seinem Besitze beschädigt hat und es sollte ihm bloß die Sache wieder entrissen werden, die er selber weggenommen hat, er würde ja dann, der da den anderen beschädigt hat, in nichts Schaden leiden; dieser also muss mehrfach ersetzen, denn er hat nicht nur eine Privatperson, sondern den Staat beleidigt, dessen Schutzwehr er durchbrochen. Auch in dem freiwillig geschehenden Ein- und Austauschen wäre, wenn jemand seine Sache gäbe und dafür einfach die des anderen erhielte, nicht immer die Gleichheit beobachtet; da letztere vielleicht weit wertvoller ist wie die seinige. Also muss man gemäß einem gewissen Verhältnisse und entsprechenden Maße das Leiden oder Empfangen im Austauschen gleichmachen dem Tätigsein oder Geben; wozu die Münzen erfunden worden sind. Nicht ohne weiteres und schlechthin ist sonach das Wiedervergoltene zugleich das Gerechte, sondern unter gewissen Beschränkungen. In der verteilenden Gerechtigkeit kann jedoch von diesem Grundsatze überhaupt nicht die Rede sein. Denn da wird keine Gleichheit berücksichtigt nach dem Verhältnisse der einen Sache zur anderen oder nach Leiden und Tätigsein, sondern nach dem Verhältnisse der Dinge zu den Personen; da besteht also kein Wiedervergelten im rechtlichen Sinne.
c) I. Das wird verstanden im Sinne der Tauschgerechtigkeit, wonach den Verdiensten Belohnungen gebühren, den Sünden Strafen. II. Wenn jemand für einen dem Staate geleisteten Dienst ein Entgelt oder eine Belohnung erhielte, so würde dies der Tauschgerechtigkeit angehörig sein und nicht der verteilenden. In letzterer besteht nicht die Gleichmäßigkeit zwischen dem, was jemand empfängt, und dem, was er leistet; sondern zwischen dem, der empfängt, zu dem, was ein anderer empfangen hat gemäß der persönlichen Stellung beider.
Erster Artikel. Wiedererstattung ist eine Tätigkeit der Tauschgerechtigkeit.
a) Dem scheint nicht so. Denn: I. Die Gerechtigkeit richtet sich auf den Charakter des Geschuldeten. Wie aber geschenkt werden kann, was nicht geschuldet wird; so kann auch wiedererstattet werden, was nicht geschuldet ist. II. Was bereits verflossen ist und nicht mehr besteht, kann nicht wiedererstattet werden. Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit beschäftigen sich aber mit Tätigsein und Leiden; was nicht bleibt, sondern vorübergeht. Also hat die Wiedererstattung nichts zu tun mit der Gerechtigkeit. III. Wiedererstatten will sagen ersetzen das, was entzogen worden ist. Aber auch in der verteilenden Gerechtigkeit kann der verteilende jemandem weniger geben als dieser haben sollte. Also ist Wiedererstatten ebenso eine Tätigkeit der verteilenden Gerechtigkeit und nicht bloß der ein- und austauschenden.
Auf der anderen Seite ist das Wiedererstatten entgegengesetzt dem Hinwegnehmen. Das Hinwegnehmen fremden Gutes aber ist ein Akt der Ungerechtigkeit im Ein- und Austausche. Also gehört das Wiedererstatten der Tauschgerechtigkeit an.
b) Ich antworte; „Wiedererstatten“ will sagen etwas wieder auf die Stätte setzen, wo es hin gebührt; also ist da ein Gleichmaß zwischen der einen Sache und der anderen, was der Tauschgerechtigkeit angehört. Sonach ist Wiedererstatten ein Akt der Tauschgerechtigkeit; mag man etwas zurückgeben, was man mit dem Willen des anderen hatte wie beim Anvertrauten, oder etwas was man gegen des anderen Willen hatte wie beim Diebstahle.
c) I. Was dem anderen nicht geschuldet wird, das ist eigentlich nicht sein, mag es auch manchmal ihm zugehört haben; es ist also vielmehr eine neue Schenkung als eine Wiedererstattung. Die Ähnlichkeit liegt bloß darin, dass die betreffende Sache materiell die gleiche ist. II. „Wiedererstatten“ heißt zuvörderst an die alte Stätte wiederbringen; also bezieht sich dies vorzugsweise auf äußerliche Dinge, welche im selben Zustande bleiben. Und wie von solchen Dingen der Name des Anspruches oder des Besitzes abgeleitet worden ist auf Tätigsein und Leiden, was auf die Achtung vor einer Person oder auf das ihr angetane Unrecht sich bezieht, so wird auch davon der Ausdruck „Wiedererstattung“ gebraucht. Denn obgleich das Tätigsein oder das Leiden selber nicht bleibt, so bleibt es doch in der Wirkung; sei es im Körper bei körperlicher Misshandlung, sei es in der Meinung der Menschen bei Ehrabschneiden u. dgl. III. Gibt der verteilende jemandem weniger als dieser verdiente, so ist das schon Tauschgerechtigkeit; denn es wird da Sache mit Sache verglichen, so dass je weniger er empfing als er verdiente, er desto mehr noch empfangen muss.
Zweiter Artikel. Wiedererstatten ist zum Heile notwendig.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. Manchmal ist es unmöglich, wiederzuerstatten, was man genommen hat; wie z. B. wenn man jemandem ein Glied verstümmelt hat. Also ist das nicht zum Heile notwendig. II. Bisweilen müsste man eine Sünde begehen, um wiederzuerstatten; wie wenn jemand dem anderen die Ehre genommen, indem er die Wahrheit sagte. Eine Sünde aber ist nie zum Heile notwendig. III. Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Bisweilen aber verliert jemand seine Ehre bei den Menschen infolge eines ungerechten Tadels, der gegen ihn ausgesprochen worden. Also kann ihm das, was er einmal verloren, nicht wiedererstattet werden; und so ist Wiedererstatten nicht zum Heile notwendig. IV. Wer jemanden in der Erreichung eines Gutes hindert, scheint es ihm fortzunehmen. Wenn aber jemand den anderen hindert, dass er ein Benefizium oder sonst etwas erreiche, ist er nicht zum Wiedererstatten verpflichtet; und bisweilen kann er dies gar nicht.
Auf der anderen Seite sagt Augustin (ep. ad Macedonium ): „Wenn das fremde Gut, welches weggenommen wurde und wiedererstattet werden kann, nicht wiedererstattet wird; so besteht da keine wirkliche Reue, sondern eine solche wird geheuchelt. Wie die Sache in Wahrheit liegt, wird die Sünde nicht nachgelassen, wenn das fremde Gut nicht wiedererstattet wird; falls wie ich sagte, dies möglich ist.“
b) Ich antworte, Wiedererstatten sei eine Tätigkeit der Tauschgerechtigkeit, welche im Wiedervergelten des Gleichen besteht. Wiedererstatten bedeutet also die Zurückgabe jener Sache, welche ungerechterweise hinweggenommen worden ist; denn durch das Wiederzurückgeben wird die Gleichheit hergestellt. Da also Gerechtigkeit bewahren zum Heile notwendig ist, so erfordert ebenso unser Heil, dass das ungerecht Entrissene wiedererstattet werde.
c) I. Wo das Gleiche nicht wiedererstattet werden kann, muss man das Mögliche wiedererstatten; wie z. B. in dem, was die Gott und den Eltern geschuldete Ehre betrifft. (8 Ethic. ult.) Hat jemand den anderen um ein Glied verstümmelt, so muss er ihm wiedererstatten in Geld oder sonst wie, je nach den Verhältnissen beider Personen nach dem Urteile eines gerechten Menschen. II. Man kann dem anderen den guten Namen nehmen: 1. wahrhaftiger- und gerechterweise, wie wenn in gebührender Ordnung das Verbrechen jemandes offenbar macht; und da ist er zur Wiederherstellung des guten Namens nicht verpflichtet; — 2. falscher- und ungerechterweise; und da muss er den guten Namen wieder herstellen, indem er die Wahrheit sagt; — 3. wahrhaftiger- aber ungerechterweise, wenn er gegen die gebührende Ordnung das Verbrechen des anderen offenbar gemacht hat; und da ist er zur Wiederherstellung des guten Namens verpflichtet, soweit er dies kann, ohne eine Lüge zu sagen; z. B. indem er sagt, er hätte ungerechterweise über denselben Böses gesagt. Kann er den guten Namen nicht wiederherstellen, so muss er anders, wie eben gesagt worden, Ersatz leisten. III. Die Tätigkeit des schmähenden selber kann nicht ungeschehen gemacht werden; aber ihre Wirkung, die Verminderung der Hochachtung vor der betreffenden Person, kann aufgehoben werden, indem man ihr mehr als sonst Ehren erzeigt. IV. Es kann jemand in der Erreichung einer Präbende oder eines Benefiziums hindern: 1. gerechterweise, um der Ehre Gottes und des Nutzens der Kirche willen, damit ein würdigerer dasselbe erhalte; und dieser ist nicht zu irgend welcher Schadloshaltung verpflichtet; — 2. ungerechterweise, aus Hass oder Rachsucht, nur um den anderen zu schädigen; und hat er so eingewirkt, dass die Präbende nicht einem würdigen verliehen würde, ehe die Sache festgestellt war; so ist er zu irgend welcher Schadloshaltung verpflichtet, aber nicht auf der Stufe der Gleichheit, da jener die Präbende noch nicht hatte und somit noch vielfache Hindernisse eintreten konnten. War es aber bereits beschlossene Sache, dem betreffenden die Präbende zu geben und hat jemand aus ungebührlichem Beweggrunde veranlasst, dass dieser Entschluss rückgängig gemacht wurde; — so ist er zu gänzlicher Schadloshaltung verpflichtet, freilich nach seinen Kräften.
Dritter Artikel. Es genügt, einfach das zurückzugeben, was abgenommen worden ist.
a) Das genügt nicht. Denn: 3. Ex 22. heißt es: „Wenn jemand einen Ochsen gestohlen hat oder ein Schaf, und es getötet oder verkauft hat, so soll er fünf Ochsen wiedererstatten für den einen und vier Schafe für das eine.“ II. Nach Lk 19. wollte Zachäus das Vierfache zurückgeben. „Was aber geschrieben ist, das ist zu unserer Nachachtung geschrieben.“ (Röm 15.) III. Niemandem kann man gerechterweise wegnehmen, was er nicht zu geben nötig hat. Der Richter nimmt aber von demjenigen, der gestohlen hat, als Strafe mehr als dieser gestohlen.
Auf der anderen Seite hat die Wiedererstattung den Zweck, das Gleichmaß der Gerechtigkeit herzustellen. Wer aber einfach zurückgibt, was er gestohlen, der stellt das Gleichgewicht wieder her.
b) Ich antworte, zwei Dinge seien hier zu erwägen: 1. Die Ungleichheit von seiten der Sache; — 2. die Schuld der Ungerechtigkeit. Die erstere kann sein ohne die Schuld, wie beim Leihen; dagegen kann die Schuld vorhanden sein ohne die Ungleichheit in der objektiven Sachlage, wie wenn jemand beabsichtigt, Gewalt zu gebrauchen, aber nicht durchkommt. Die Ungleichheit von seiten der Sache wird gehoben durch die Wiedererstattung; und danach genügt es so viel einfach wiederzugeben als fortgenommen worden ist. Die Schuld wird gesühnt durch die Strafe, die vom Richter bestimmt wird. Vor der Bestimmung der Strafe also ist bloß einfach wiederzugeben, was entnommen worden; nach der Verurteilung kommt die Strafe hinzu.
c) I. In dieser Vervielfachung liegt die Strafe, welche der Richter zu verhängen hat. An die richterlichen Gebote im Alten Bunde aber ist jetzt niemand mehr gebunden; außer insoweit ein positives menschliches Gesetz sie etwa erneuert. II. Zachäus wollte mehr als seine einfache Pflicht tun. Deshalb schickt er voraus: „Die Hälfte meiner Güter gebe ich den armen.“ III. Oben beantwortet.
Vierter Artikel. Die Wiedererstattung dessen, was jemand direkt nicht weggenommen hat, sondern was aus seinem Unrechte gefolgt ist.
a.) Mancher muss auch das wiedererstatten, was er nicht weggenommen hat. Denn: I. Wer jemandem Schaden zufügt, muss letzteren entfernen. Wenn nun einer z. B. den Samen wieder ausgräbt, der bereits im Acker eines anderen in den Boden geworfen worden, der schädigt diesen für die ganze zukünftige Ernte; und so muss er diese ersetzen, die er direkt nicht weggenommen. II. Wer das Geld des Gläubigers behält über den festgesetzten Zeitpunkt hinaus, der hindert den Gewinn, welchen jener damit machen konnte. Also muss er Geld wiedererstatten, welches er nicht genommen. III. Gott ist unser Vorbild. Er aber verlangt, dass man Ihm mehr erstatte, als Er gegeben, nach Mt 25.: „Du wusstest, dass ich ernte, wo ich nicht säe, und sammle, wo ich nichts ausgestreut habe.“ Also gilt dies auch für den Menschen.
Auf der anderen Seite würde dies kein Gleichmaß sein, dass jemand wiedererstattet, was er nicht genommen hat; und somit würde dies gegen die Gerechtigkeit sich richten.
b) Ich antworte; wer jemanden schädigt, der entzieht ihm das, worin er ihn schädigt. Denn Schaden wird das genannt, was einer minder hat als was er verdiente zu haben. (5 Ethic. 4 .) Also ist der Mensch immer gehalten, den Schaden zu ersetzen, den er einem anderen zugefügt. Nun wird jemandem Schaden zugefügt, entweder dadurch dass man ihm das wegnimmt„ was er tatsächlich besitzt; und das muss immer in ganz gleichem Maße ersetzt werden, wie, wer dem anderen etwa sein Haus verbrannt hat, zu ebenso viel im Ersetzen verpflichtet ist, als das Haus wert war; — oder dadurch dass man ihn in der Erreichung dessen hindert, was er erreichen konnte; und darin ist man nicht gehalten, das Gleiche wiederzuerstatten. Denn es ist weniger, etwas erst erreichen können, also nur dem Vermögen und der Kraft nach es haben; wie es tatsächlich und bereits wirklich besitzen. Wer also das Gleiche wiedererstattete, dass nun der betreffende jenes tatsächlich besäße, was er nur dem Vermögen oder der Kraft nach besaß, würde mehr geben als er genommen. Jedoch ist er immerhin zu einer gewissen Schadloshaltung verpflichtet gemäß dem Sachverhalte und den persönlichen Verhältnissen.
c) I. und II. Wer gesät hat, besitzt noch nicht die Ernte; und wer das Geld hat, besitzt noch nicht tatsächlich den Gewinn. Beides kann vielfach gehindert werden. Also folgt bloß eine gewisse Schadloshaltung und nicht ein Wiedererstatten des tatsächlichen Wertes. III. Gott verlangt vom Menschen nur das Gute, was Er in uns gesät hat. Also gelten diese Worte entweder nach der Meinung des faulen Knechtes, der da glaubte, nichts empfangen zu haben mit seinem eigenen Talente; oder es wird darunter verstanden, dass Gott von uns die Früchte seiner Gaben fordert, welche von Ihm und von uns kommen, obgleich die Gaben selber von Gott sind.
Fünfter Artikel. Jenem muss man wiedererstatten, dem man etwas entzogen hat.
a) Dies scheint nicht recht zu sein. Denn: I. Manchmal würde es dem betreffenden zum Schaden gereichen, wenn man das ihm Entnommene ihm selber wiedererstattete; wie z. B. wenn man einem rasenden das Schwert wiedergäbe. II. Wer unerlaubtermaßen etwas gegeben, verdient nicht, es wiederzuerhalten. Bisweilen aber gibt jemand unerlaubtermaßen und der andere empfängt unerlaubtermaßen; wie bei Gaben zum Zwecke der Bestechung oder des Ämterkaufes, der Simonie. III. Manchmal ist es unmöglich, dem bestohlenen selber wiederzuerstatten; z. B. wenn er tot ist. IV. Mehr muss jemand denen entgelten, von welchen er eine größere Wohltat erhalten hat. Von den Eltern z. B. aber hat einer größere Wohltaten empfangen als von den Gläubigern. Also muss er zuerst solchen Personen beistehen, ehe er den Gläubigern oder ähnlichen Personen, denen er etwas entnommen, wiedererstattet. V. Unnütz ist es, wiederzuerstatten, wenn das Wiedererstattete von neuem in die Hände des wiedererstattenden kommt. Hat aber ein kirchlicher Vorsteher ungerechtermaßen seiner Kirche etwas genommen und wiedererstattet er nun es ihr; so kommt es wieder in seine Hände, da er ja die Güter dieser Kirche verwaltet. Also darf er nicht jener Kirche wiedererstatten, welcher er etwas genommen hat. Und so muss man nicht immer jenem wiedererstatten, dem man etwas weggenommen hat.
Auf der anderen Seite heißt es Röm 13.: „Gebet jedem, was ihr schuldet.“
b) Ich antworte; das Wiedererstatten ist ein Zurückgehen zum Gleichmaße der Tauschgerechtigkeit. (Kap. 58, Art. 10.) Solches Gleichmaß in den Dingen aber kann nicht statthaben, wenn nicht jenem, der zu wenig hat als er haben muss und ihm gehört, gegeben würde was fehlt. Deshalb also ist es notwendig, dass jenem wiedererstattet wird, von dem man etwas entnommen hat.
c) I. Bringt das Wiedererstatten einer Sache Gefahr mit sich für jenen, dem wiedererstattet wird, so darf sie nicht zurückgegeben werden; denn die Wiedererstattung soll zum Nutzen des beschädigten dienen. Aber damit ist nicht gesagt, man dürfe die betreffende Sache sich aneignen; sondern entweder muss man mit dem Wiedererstatten warten bis zu einer gelegenen Zeit oder man muss die Sache einem anderen geben, der sie zuverlässiger aufbewahrt. II. Es kann 1. die Schenkung selber ungesetzmäßig sein, wie dies bei dem Kaufe geistiger Ämter, bei der Simonie der Fall ist; da muss der den Preis gegeben hat denselben verlieren und man soll diesen Preis für fromme Zwecke verwenden, da der andere, der ihn empfangen, ihn auch gegen die Gesetze empfangen hat. Die Schenkung kann 2. unerlaubt sein, weil man um einer verbotenen Sache willen etwas gibt; wie bei jenem es der Fall ist, der bezahlt, um unkeusche Sünden zu begehen. Hier ist die Gabe selber nicht unerlaubt und deshalb kann das betreffende Weib sie behalten; abgesehen vom Falle, wenn das letztere durch Trug und List etwas herausgeschlagen hätte. III. Ist derjenige, dem man erstatten soll, ganz und gar unbekannt, so muss man wiedererstatten nach Möglichkeit; indem man nämlich Almosen gibt für sein Seelenheil (mag er tot oder lebendig sein). Jedoch muss man vorher sorgsam Nachfrage halten nach der Person, um die es sich handelt. Ist aber die betreffende Person selbst gestorben und lebt deren Erbe, so muss man diesem wiedererstatten, der gewissermaßen diese selbe Person ist, zumal in Vermögensverhältnissen. Ist die betreffende Person aber sehr entfernt, so muss das ihr zugehörige Gut, zumal wenn dasselbe wertvoll ist, ihr zugesandt oder es muss an einem zuverlässigen Orte aufbewahrt werden, nachdem dies dem Besitzer angezeigt worden. IV. Mit dem, was ihm gehört, muss der Mensch in höherem Grade seinen Eltern wohltun; nicht aber mit fremdem Gute, abgesehen vom äußersten Notfalle, wo man sogar fremdes Gut wegnehmen kann, um dem Vater zu helfen. “ V. Ein kirchlicher Vorsteher kann sich den Besitz, welcher seiner Kirche zugehört, ungerechterweise aneignen: 1. wenn er das, was seitens der Kirche einem anderen zugewiesen worden, für sich in Anspruch nimmt, wie z. B. der Bischof das, was dem Kapitel zugewiesen ist; und dann muss er offenbar diesem, dem es gehört, wiedererstatten; — 2. wenn er, was der Kirche gehört in den Besitz eines anderen z. B. eines Blutsverwandten, übergehen lässt; und dann muss er der Kirche wiedererstatten und Sorge tragen, dass sein Nachfolger in dessen Besitz kommt; — 3. wenn er nur die Absicht nährt, das Kirchengut als sein persönliches Eigentum zu betrachten; und dann muh er wiedererstatten, indem er eine solche Absicht aufgibt.
Sechster Artikel. Jener, der da fremdes Gut genommen, muss in jedem Falle wiedererstatten.
a) Für die gegenteilige Behauptung spricht: I. Die Wiedererstattung stellt das Gleichmaß der Gerechtigkeit her, welches darin besteht, dass dem einen gegeben wird, was er zu wenig hat, und dem anderen entzogen, was er zu viel hat. Bisweilen aber hat jener, der etwas dem anderen entfremdet, dieses selber nicht mehr. Also muss jener zurückerstatten, der im Besitze ist, und nicht jener, der das betreffende Gut weggenommen hat. II. Keiner ist gehalten, sein Verbrechen selber aufzudecken. Dies aber würde z. B. beim Diebstahle geschehen, wenn jener, der denselben begangen, das fremde Gut zurückerstatten müsste. III. Die nämliche Sache braucht nicht des öfteren zurückerstattet zu werden. Bisweilen aber nehmen viele zugleich etwas und einer aus ihnen hat bereits das Ganze wiedererstattet.
Auf der anderen Seite ist jener, der gesündigt hat, auch gehalten, Genugtuung zu leisten. Das Wiedererstatten aber ist zur Genugtuung gehörig.
b) Ich antworte, man müsse hier unterscheiden das genommene Gut und das Nehmen selber. Was das weggenommene Gut betrifft, so muss man es zurückgeben, solange man es bei sich hat; denn wer etwas darüber hinaus besitzt, was er „sein“ nennen kann, der muss es aufgeben und jenem zukommen lassen, dem es fehlt, gemäß dem Wesen der Tauschgerechtigkeit. Das Nehmen selber aber kann sich in dreifacher Weise verhalten: 1. Es ist ein ungerechtes, wenn nämlich jemandem gegen seinen Willen etwas genommen wird wie beim Diebstahle und beim Raube; dann muss wiedererstattet werden sowohl auf Grund des genommenen Gutes wie ebenso auf Grund der ungerechten Handlung, mag auch das betreffende Gut selber nicht mehr bei jenem sein, der es genommen. Wie nämlich jemand, der einen anderen misshandelt, gehalten ist, die Misshandlung zu sühnen, obgleich nichts bei ihm bleibt; so ist der Dieb gehalten, Ersatz zu leisten für den angerichteten Schaden, auch wenn er nichts davon hat, und weiter muss er noch dazu für das begangene Unrecht gestraft werden. Es kann 2. jemand das Gut eines anderen an sich nehmen; wohl zu seinem Nutzen, aber ohne diesem Unrecht zu tun, nämlich mit dem Willen des Besitzers, Wie dies z. B. in Anleihen der Fall ist; dann ist der Schuldner zur Wiedererstattung dessen verpflichtet, was er genommen, nicht nur auf Grund des geliehenen Gutes, sondern ebenso auf Grund des Ansichnehmens, mag er auch das Gut selbst verloren haben. Denn er ist verpflichtet, jenen schadlos zu halten, der ihm die Gunst erwiesen hat, zu leihen. Es kann jemand 3. das einem anderen gehörige Gut an sich nehmen, mit dem Willen des anderen und ohne eigenen Nutzen, wie dies beim anvertrauten Gute der Fall ist; — und dann ist dieser zu nichts gehalten, wenn das Ansichnehmen allein in Betracht kommt, denn damit hat er ja einen Dienst dem anderen geleistet; er ist nur zur Wiedererstattung verpflichtet auf Grund des anvertrauten Gutes. Wenn er deshalb des letzteren ohne seine Schuld verlustig geht, so braucht er nicht zurückzuerstatten; sonst muss er wiedererstatten, wenn nämlich seine Schuld eine bedeutende ist.
c) I. Das Wiedererstatten richtet sich nicht unmittelbar darauf, dass jener, der mehr hat als er soll, dies zu besitzen aufhöre; sondern dass dem das Fehlende ersetzt werde, der zu wenig hat. In den Dingen also, wo einer vom anderen empfängt ohne dessen Nachteil, findet sich kein Wiedererstatten; wenn z. B. der eine Licht nimmt an der Kerze des anderen. Mag somit auch jener, der ein Gut weggenommen hat, nicht mehr im Besitze dessen sich befinden, was er genommen, sondern dies in den Besitz eines anderen übergegangen sein; — so muss trotzdem, weil der eigentliche Besitzer seines Eigentums beraubt ist, sowohl jener wiedererstatten, der unerlaubterweise genommen hat, und zwar auf Grund seiner unerlaubten Handlung; als auch jener, der das betreffende Gut hat, auf Grund dieses Gutes selber. II. Der Mensch braucht wohl sein Verbrechen nicht vor den Menschen zu bekennen; er muss es aber vor Gott bekennen in der Beichte. Und so kann vermittelst des Priesters, dem er beichtet, das Wiedererstatten geschehen. III. Das Wiedererstatten hat zum Zwecke die Entfernung des Nachteils desjenigen, dem man Unrecht getan. Hat also der eine vollständig wiedererstattet, so brauchen es die anderen nicht zu tun; sie sind vielmehr gehalten demjenigen ihren Teil zu erstatten, der das Ganze bereits zurückgegeben hat; jedoch kann dieser letztere ihnen dies erlassen.
Siebenter Artikel. Die zum Unrecht mitgeholfen, sind ebenfalls zum wiedererstatten verpflichtet, wenn sie auch nichts für sich selber genommen haben.
a) Dagegen spricht:
I. Keiner darf gestraft werden, der nicht gesündigt hat. Das Wiedererstatten aber ist eine gewisse Strafe. Also darf niemand wiedererstatten, der nichts genommen hat.
II. Die Gerechtigkeit verlangt nicht, dass man den Besitzstand des anderen vermehrt. Würden aber auch jene zum Wiedererstatten verpflichtet sein, welche wie auch immer beim Wegnehmen geholfen haben, so würde der Besitz dessen, dem weggenommen worden ist, vermehrt werden; denn sowohl würde eben so viele Male die Wiedererstattung geschehen als auch würde im Falle, dass man versucht hat, das betreffende Gut fortzunehmen, und dies nicht gelungen ist, dennoch das Wiedererstatten geschehen müssen.
III. Keiner hat notwendig, sich der Gefahr auszusetzen, damit er einen anderen rette. Wenn aber jemand einen Räuber verrät oder sich ihm widersetzt, setzt er sich der Gefahr aus. Also ist niemand zum Wiedererstatten verpflichtet, weil er einen Räuber nicht verraten oder sich ihm nicht widersetzt hat, somit also dazu mithalf, um den anderen seines Gutes zu entledigen.
Auf der anderen Seite sagt Paulus (Röm 1.): „Des Todes, schuldig sind nicht nur jene, die Solches tun, sondern auch die denen zustimmen, welche Solches tun.“ Also müssen auch jene, die mithelfen, und somit zustimmen, Ersatz leisten.
b) Ich antworte, zum Wiedererstatten sei jemand gehalten nicht nur auf Grund des fremden Gutes, welches er besitzt, sondern auch auf Grund des unrechtmäßigen Ansichnehmens. Wer auch immer also Ursache eines solchen unrechtmäßigen Ansichnehmens ist, der ist zum Wiedererstatten gehalten. Eine solche Ursache nun kann jemand unmittelbar oder mittelbar sein. Unmittelbar: wenn er den anderen zum Ansichnehmen verleitet entweder 1. von seiten des Ansichnehmens selber a) durch Befehlen, b) durch Anraten, c) durch ausdrückliches Zustimmen und Loben; — oder 2. von seiten des ansichnehmenden, indem er diesen a) bei sich aufnimmt oder ihm b) wie auch immer Hilfe bringt; — oder 3. von seiten des genommenen Gutes, weil er am Diebstahle teilgenommen gleichsam als Genosse. Mittelbar kann ferner jemand Ursache des ungerechten Ansichnehmens sein, 1. wann jemand dasselbe nicht hindert, da er müsste und könnte; 2. weil er den Rat oder Befehl vorenthält, der den Diebstahl oder Raub gehindert hätte; oder 3. weil er seinen Beistand vorenthält, mit dem er das Ansichnehmen hätte verhüten können; oder 4. weil er das fremde Gut nachher verbirgt. Diese Beihilfe besteht also, kurz zusammengefasst im Befehlen, Raten, Zustimmen, Loben, Zuflucht geben, Teilnehmen, Stummsein, Nichthindern, Nichtoffenbarmachen; oder lateinisch in Versen:
Jussio, consilium, consensu, palpo, recursus,
Participans, mutus, non obstans, non manifestans.
Von diesen Arten Beistand verpflichten nun fünf immer zum Wiedererstatten; nämlich 1. der Befehl; denn der befehlende ist der hauptsächlich bestimmende und somit in erster Linie zur Wiedererstattung anzuhalten; — 2. das Zustimmen in dem, ohne was der Raub nicht ausgeführt werden kann;— 3. die Gewährung einer Zuflucht den Räubern gegenüber; — 4. die Teilnahme am Rauben und an der Beute; — 5. das Nichthindern von seiten desjenigen, der gehalten ist, es zu hindern; wie die Fürsten z. B., welche verpflichtet sind, die Gerechtigkeit auf Erden zu behüten, wenn infolge ihrer Schwäche das Räuberunwesen überhandnimmt, zur Wiedererstattung gehalten sind; denn die Einkünfte, welche sie haben, sind dazu bestimmt, dass diese Fürsten die Gerechtigkeit aufrechthalten. In den anderen Fällen aber ist jemand nicht immer verpflichtet, wiederzuerstatten. Denn das Lob oder das Schmeicheln oder das Anraten ist nicht immer die wirksame Ursache des Raubes. Nur dann wenn daraus nach gerechter Mutmaßung der Raub gefolgt ist, besteht die Pflicht der Wiedererstattung.
h) I. Nicht nur wer die Sünde ausführt sündigt, sondern wer von dieser Ausführung durch Rat, Befehl etc. die Ursache ist.
II. Wer der Hauptträger der ungerechten Tat ist, der ist auch an leitender Stelle zur Wiedererstattung verpflichtet; zuerst der befehlende, dann der ausführende und dann der Reihe nach die folgenden. Hat aber einer bereits die Wiedererstattung gemacht, so sind die anderen zu dieser selben Wiedererstattung nicht mehr verpflichtet; vielmehr müssen die anderen, welche die Leiter in der Ungerechtigkeit gewesen sind, denen dann wiedererstatten, welche wiedererstattet haben. Befiehlt jedoch jemand solche Ungerechtigkeit und hat das widerrechtliche Ansichreißen tatsächlich nicht statt, so ist er nicht verpflichtet, wiederzuerstatten; da der andere tatsächlich nicht beschädigt worden, also nicht schadlos zu halten ist.
III. Nur wenn es die Pflicht erheischt, dass jemand den Räuber offenbarmacht oder ihm widersteht etc. und er es nicht tut, ist er zur Wiedererstattung verpflichtet; wie z. B. bei Fürsten es der Fall ist, die verpflichtet sind, über die Gerechtigkeit zu wachen, und denen daraus keine große Gefahr erwächst.
Achter Artikel. Die Wiedererstattung muss sobald als möglich geschehen.
a) Sie kann erlaubtermaßen verschoben werden. Denn:
I. Die Notwendigkeit wiederzuerstatten ist ein affirmatives Gebot, verpflichtet also nicht für jede Zeit.
II. Bisweilen ist es unmöglich, sogleich Wiedererstattung zu leisten.
III. Bei den Tugendtätigkeiten ist die Zeit ein Umstand; wird also erst durch die Klugheit bestimmt. Somit ist für das Wiedererstatten als eines Aktes der Gerechtigkeit die Zeit nicht von vornherein bestimmt.
Auf der anderen Seite heißt es Lev 19.: „Es soll nicht verweilen das Werk deines Arbeiters (ohne bezahlt zu sein) bei dir bis zum nächsten Morgen.“ Dasselbe aber scheint von allem Wiedererstatten zu gelten; also ist dasselbe sogleich auszuführen.
b) Ich antworte, wie das Ansichnehmen so sei auch das Behalten fremden Gutes eine Sünde; denn dadurch hindert er den Besitzer, dasselbe rechtmäßig zu gebrauchen und tut ihm demgemäß Unrecht. Offenbar aber darf man, auch nicht durch geringe Zeit hindurch, im Stande der Sünde verbleiben, nach Sir 21.: „Wie vor dem Antlitze der Schlange fliehe vor der Sünde.“ Also muss ein jeder sogleich wiedererstatten oder um Aufschub jenen bitten, der den Gebrauch des betreffenden Gutes bewilligen kann.
c)
I. Die Vorschrift wiederzuerstatten, schließt jene negative in sich ein, fremdes Gut zu behalten.
II. Wem es durchaus unmöglich ist, sogleich und unmittelbar wieder zu erstatten, der muss den Besitzer um Nachlass oder Aufschub bitten entweder selbst oder durch einen anderen.
III. Jeder Umstand, der von vornherein der Tugend entgegen ist, erscheint von vornherein bestimmt. Durch den Umstand des Aufschubes aber wird die Sünde des Behaltens fremden Gutes begangen. Also ist der Umstand der Zeit für die Wiedererstattung von vornherein bestimm, dass sie nämlich unmittelbar zu geschehen hat.
Nun kommen in Betracht die den vorstehenden Tugenden entgegengesetzten Laster und zwar zuvörderst jenes, das der verteilenden Gerechtigkeit entgegensteht, also: Das Ansehen der Personen oder die falsche Rücksicht auf die Personen.
Erster Artikel. Die Person ansehen ist Sünde.
a) Das scheint nicht. Denn: I. „Person“ heißt „Würde“. Gemäß der Würde und Stellung gerade der Personen aber verfährt die verteilende Gerechtigkeit. II. Personen sind im Bereiche des Menschlichen hervorragender wie die Dinge. Ein Ding aber nach seinem Werte mehr schätzen wie ein anderes ist nicht Sünde. Also kann man auch die Personen als solche ansehen. III. Gott, unser erstes Vorbild, sieht die Personen an; denn „zwei werden sein auf dem Acker; und der eine wird aufgenommen, der andere zurückgelassen werden“ (Mt 24.); — d. h. der eine von zwei Menschen erhält die Berufung zum ewigen Leben und der andere wird in der Sünde liegen gelassen.
Auf der anderen Seite heißt Dtn 1. es: „Die Person keines Menschen sollt ihr ansehen.“ Also ist die Person ansehen eine Sünde.
b) Ich antworte, die Person ansehen sei entgegengesetzt der verteilenden Gerechtigkeit. Denn das dieser entsprechende Gleichmaß besteht darin, dass den verschiedenen Personen Verschiedenes zugeteilt wird gemäß dem Verhältnisse zu den Würden und Stellungen der Personen. Zieht also jemand die höhere Stellung oder die Würde in Betracht, infolge deren einer Person das zugeteilt wird was man ihr verleiht; so ist das kein Ansehen der Person, sondern ein Erwägen der Ursache. Deshalb sagt die Glosse zu Eph 6. (Non est personarum acceptio apud Deum): „Gott macht als gerechter Richter einen Unterschied zwischen den Ursachen, nicht zwischen den Personen.“ So wird, wenn jemand einen anderen zum Lehramte befördert wegen seiner großen Wissenschaft, die gebührende Ursache berücksichtigt; nicht die Person. Zieht aber jemand im anderen, dem etwas zugeteilt wird, nicht das Verhältnis dessen in Betracht, was verliehen wird, zu dem, weshalb es dem betreffenden verliehen wird, sondern nur dass es dieser Mensch gerade ist (Peter oder Martin) und nicht ein anderer; so heißt dies die Person ansehen. Denn in diesem Falle wird dem betreffenden nicht das Bestimmte verliehen, weil in ihm eine Ursache sich findet, die ihn würdig macht; sondern nur weil er dieser und nicht jener ist. Alles aber, was nicht eine solche Ursache im Menschen vorstellt, infolge deren er würdig des Verliehenen erscheint, gehört zu diesem Begriffe „Person“; wie wenn jemand nämlich den anderen zum Lehr- oder zum Vorsteheramte befördert, weil er reich oder weil er blutsverwandt ist, dies ein „Ansehen der Person“ bedeutet. Freilich trifft es sich, dass manche Eigentümlichkeit in einer Person sie würdig macht für das Eine, die sie nicht würdig macht für das Andere; wie die Blutsverwandtschaft jemanden würdig macht, Erbe des väterlichen Besitzes zu werden, nicht aber, ein kirchliches Amt zu erhalten. Und sonach begründet die nämliche Eigenschaft der Person für das Eine das „Ansehen der Person“ und für Anderes nicht. Danach also ist klar, „die Person ansehen“ stehe darin der verteilenden Gerechtigkeit entgegen, dass das entsprechende Verhältnis nicht gewahrt wird. Nur aber die Sünde ist einer Tugend entgegengesetzt. Also ist „die Person ansehen“ eine Sünde.
c) I. Die Ursache in einer Person wird von der verteilenden Gerechtigkeit mit Rücksicht auf das zu Verteilende erwogen; beim Ansehen der Person aber werden Eigentümlichkeiten in Betracht gezogen, die keinerlei solche Ursache in sich enthalten. II. Wenn die Person als Person und nicht wegen eines in ihr befindlichen Vorzuges beachtet wird, so steht das nicht im Verhältnisse zu dem, was verliehen werden soll; und somit mögen immerhin die Personen würdiger sein als die Dinge schlechthin, mit Rücksicht auf das zu Verteilende sind sie es im bestimmten Falle nicht. III. Das Ansehen der Person bezieht sich auf das, was jemandem gegeben wird, nur weil er diese oder jene Person ist und nicht weil es dem in ihm befindlichen Vorzuge geschuldet würde. Ein anderes Geben aber erstreckt sich auf das, was aus reiner Freigebigkeit und nicht, weil es geschuldet wäre, verliehen wird; wie dies die Gnadengaben sind, kraft deren die Sünder von Gott aufgenommen werden. Darin kann sich ein Ansehen der Person gar nicht finden; denn jeder kann ohne Ungerechtigkeit von dem Seinigen geben, was er will und wem er will; nach Mt 20.: „Oder ist es mir nicht erlaubt zu tun was ich will? Nimm was dein ist und gehe.“
Zweiter Artikel. Im Bereiche der kirchlichen Ämter kann sich ebenfalls diese Sünde des Ansehens der Personen finden.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Jemandem eine kirchliche Pfründe geben, weil er ein blutsverwandter ist, scheint dasselbe zu sein, wie die Personen ansehen. Das scheint aber keine Sünde zu sein, da dies seitens der kirchlichen Oberen täglich geschieht. II. Den Reichen dem Armen vorziehen heißt die Person ansehen, nach Jak 2. Leichter aber wird z. B. bei Ehehindernissen dispensiert, wenn es sich um Mächtige und Reiche handelt als wenn Arme in Betracht kommen. Also ist da keine Sünde. III. Nach den Bestimmungen des Rechtes genügt es, einen Guten für ein kirchliches Amt zu erwählen; es ist nicht erfordert, dass man den Besseren nimmt. Einen minder Guten aber erwählen für ein höheres Amt ist dasselbe wie die Person ansehen. IV. Nach den kirchlichen Bestimmungen (cap. Cum dilectus de Electione) soll aus dem Kapitel der betreffenden Kirche jemand gewählt werden. Das aber heißt die Person ansehen, da anderswo Bessere gehabt werden können. Also ist im Bereiche des Geistigen oder Kirchlichen es keine Sünde, die Person „anzusehen“.
Auf der anderen Seite sagt der Apostel Jakobus (Jak 2, 1.): „Nicht im Ansehen der Personen sollt ihr den Glauben unseres Herrn Jesu Christi haben;“ wozu Augustin (ep. 167. ad Hier. ) bemerkt: „Wer soll dies ertragen, wenn jemand den reichen erwählt, um den Ehrensitz der Kirche einzunehmen, und den armen, der aber heiliger und unterrichteter ist, verachtet?“
b) Ich antworte, um so schwerer sei die Sünde des Ansehens der Person im Bereiche des Geistigen, je verantwortungsvoller die Verwaltung der geistigen Interessen ist wie die der zeitlichen. Nun kann die Würde einer Person in zweifacher Weise berücksichtigt werden: 1. schlechthin und an und für sich; so hat größere Würde, wer heiliger ist, also an Gnadengaben mehr besitzt; — 2. mit Rücksicht auf das Gemeinbeste; so kann der minder Heilige und minder Unterrichtete oft mehr beitragen zum Gemeinbesten, sei es wegen der zeitlichen Macht oder wegen der Erfahrenheit in zeitlichen Dingen oder dergleichen. Und weil die Verwaltung der geistigen Dinge zum Zwecke hat den Gemeinnutzen, nach 1 Kor 12.: „Einem jeden wird der Geist gegeben zum Nutzen“ (aller); — deshalb kann, ohne dass die Person angesehen würde, im Bereiche des Geistigen manchmal jener, der schlechthin minder heilig und minder unterrichtet ist, vorgezogen werden anderen, die sonst besser sind. So gibt ja auch Gott die zum Besten aller verliehenen Gnaden (gratis datas) bisweilen jenen, die minder gut sind.
c) I. Sind die blutsverwandten der kirchlichen Vorsteher schlechthin weniger würdig und ebenso mit Rücksicht auf das Gemeinbeste, so ist die Verleihung kirchlicher Ämter an sie die Sünde des Ansehens der Person; denn der Vorsteher ist nicht Herr und Meister, sondern Verwalter des Kirchlichen, nach 1 Kor 4.: „So soll jeder Mensch uns erachten wie Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ Sind solche blutsverwandte gleich würdig wie andere, so können sie anderen ohne die Sünde des Ansehens der Person vorgezogen werden; denn sie stehen darin anderen voran, dass der Obere vertraulicher und somit besser mit ihnen die kirchlichen Dinge beraten kann. Nehmen jedoch andere daran ein Beispiel, ebenfalls kirchliche Güter, abgesehen von allem Verdienste der Person, blutsverwandten zu geben; muss wegen des Ärgernisses ein solches Verleihen unterlassen werden. II. Die Dispens in Ehesachen wird zumeist erteilt, um den Bund des Friedens zu befestigen; und dies ist mit Rücksicht auf hervorragende Personen für den gemeinen Nutzen notwendiger, so dass da leichter und zwar ohne die Sünde des Ansehens der Personen dispensiert wird. III. Mit Rücksicht nur auf das öffentliche Recht kann ein Guter erwählt und der Bessere beiseite gelassen werden; sonst gäbe es des Streites und der Prozesse und der Verleumdungen kein Ende. Mit Rücksicht auf das innere Gewissen muss der gewählt werden, den man für besser hält entweder schlechthin oder mit Rücksicht auf das Gemeinbeste. Denn ist eine Ursache da, den minder Guten vorzuziehen, so ist er nach einer gewissen Seite hin der Bessere; ist keine Ursache da, die sich auf die objektive Sachlage bezieht, so besteht da ein „Ansehen der Person“. IV. Wer aus dem Schoße der betreffenden Kirche selber genommen ist, pflegt nützlicher zu sein für das Gemeinbeste; denn er liebt mehr die Kirche, in welcher er aufgezogen worden. So heißt es: „Du sollst keinen, der einem anderen Volke angehört, zum Könige machen, der nicht dein Bruder ist.“ (Dtn 17.)
Dritter Artikel. In Ehren- und Achtungsbezeigungen kann die Sünde des Ansehens der Person sich finden.
a) Das scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Die Ehre ist nichts Anderes, „wie die jemandem erzeigte Achtung als ein Zeugnis seiner Tugend oder seiner Vorzüge.“ (1 Ethic. 5 . et 12 .) Die Oberen aber und die Fürsten, wenn sie auch schlecht sind, sollen wie ebenso die Eltern in Ehren gehalten werden. Dasselbe ist der Fall bei den Herren von seiten der Dienstleute, nach 1 Tim 6.: „Wer das Joch eines Knechtes trägt, soll seine Herren aller Ehre für wert erachten.“ Also ist kein Ansehen der Person. II. Lev 19. heißt es: „Vor dem weißen Haupte stehe auf und ehre die Person des Greises.“ Manche Greise aber sind lasterhaft, nach Dan 13.: „Es ging aus die Bosheit von den Ältesten des Volkes.“ Also wäre da ein Ansehen der Person. III. Zu Jak 2, 2. sagt Augustin (ep. 167. ): „Wenn das, was Jakobus sagt: Tritt in euere Versammlung ein Mann mit goldenem Ringe, von den täglichen Gesellschaften verstanden wird, wer sündigt da nicht, vorausgesetzt dass er sündigt?“ Das heißt aber die Person ansehen, wie Gregor (hom. 28. in Evgl.) sagt: „Unser Stolz wird zu Schanden, weil wir in den Menschen nicht die Natur, in der sie nach dem Bilde Gottes gemacht sind, ehren, sondern den Reichtum.“ Also ist nach Augustin das Ansehen der Person nach dieser Seite hin keine Sünde.
Auf der anderen Seite sagt die Glosse zu Jak 2, 2.: „Wer einen Reichen wegen des Reichtums ehrt, sündigt;“ und dasselbe gilt dann von anderen Ursachen, die nicht geeignet sind, jemanden würdig zu machen der Ehrenbezeigungen.
b) Ich antworte, die Ehre sei ein Zeugnis für die Tugend in dem, der geehrt wird. Nur also die Tugend ist gebührende Ursache von Ehrenbezeigungen. Die Fürsten und Oberen nun werden geehrt, insoweit sie die Person Gottes gleichsam vorstellen, also auf Grund der Macht Gottes; und ebenso, insoweit sie das Gemeinwesen, das sie leiten, vertreten, nach Spr 26, 8.: „Der da einen Stein hineinwirft in einen Haufen des Merkur, so ist jener, der den Thoren Ehre bezeigt.“ Denn weil die Heiden dem Merkur die Kunst des Rechnungs- und Kassenwesens zuschrieben, wird hier gesagt „Haufe des Merkur“, nämlich wie der Kaufmann manchmal in die Kasse ein Steinchen wirft anstatt hundert Mark. In dieser Weise wird der Tor geehrt, der Gottes Macht und das Gemeinwesen vertritt. Und so werden die Eltern und Herren geehrt, weil sie an der Würde Gottes Anteil haben, der aller Vater und Herr ist. Die Greise soll man ehren wegen des äußeren Zeichens der Tugend, was bisweilen freilich täuscht. Deshalb sagt Weish 4.: „Das Greisenalter ist ehrwürdig, nicht jenes, das sich aus langen Jahren zusammensetzt; sondern weiß sollen sein die Sinne des Menschen und das wahre Greisenalter ist ein unbeflecktes Leben.“ ,Die Reichen soll man ehren, weil sie im Gemeinwesen eine höhere Stelle einnehmen. Ehrt man sie bloß wegen des Reichtums, so ist das die Sünde des Ansehens der Person.
c) Damit beantwortet.
Vierter Artikel. In den gerichtlichen Urteilen findet sich ebenso die Sünde des Ansehens der Person.
a) Das wird bestritten. Denn: I. Das gerichtliche Urteil bezieht sich hauptsächlich auf die Tauschgerechtigkeit. Die hier erwähnte Sünde aber richtet sich gegen die verteilende Gerechtigkeit. II. Die Strafen gründen sich auf ein Urteil. Nun wird in der Bestimmung der Strafe die Person angesehen, ohne dass da Sünde wäre; denn wer einen Fürsten misshandelt, wird härter bestraft. Also besteht da keine Sünde des Ansehens der Person. III. Sir 4.: „Im Urteilen sei barmherzig mit den Waisen.“ Das heißt aber die Person ansehen, nämlich die Person des armen.
Auf der anderen Seite heißt es Spr 18.: „Die Person ansehen im Urteilen ist nicht gut.“
b) Ich antworte, das Urteil sei ein Akt der Gerechtigkeit, sofern der Richter zum Gleichmaße zurückführt das, was geeignet ist, Ungleichheit zu machen. Die Person ansehen aber schließt eine Ungleichheit in sich ein; denn es wird da einer Person etwas zugeteilt, was ihrem Verhältnisse, worin das Gleichmaß der Gerechtigkeit besteht, nicht entspricht. Und also ist die Person ansehen ein Verderben für das Urteil.
c) I. Das Urteil mit Rücksicht auf die geurteilte Sache betrachtet, steht in gleichem Verhältnisse zur Tausch- und zur verteilenden Gerechtigkeit; denn ebenso gut kann geurteilt werden, wie etwas Gemeinsames auf die einzelnen zu verteilen sei und wie einer wiedererstatten soll was er genommen. Dann kann jedoch das Urteil noch betrachtet werden mit Rücksicht auf die Urteilsform selber, insoweit, auch in der Tauschgerechtigkeit, der Richter dem einen nimmt und dem anderen gibt; das gehört zur verteilenden Gerechtigkeit. Und mit Bezug darauf hat man in jedem Urteile Gelegenheit, die Sünde des Ansehens der Person zu begehen. II. Die Verschiedenheit der Person macht hier auch einen sachlichen Unterschied; das Unrecht selber in der Misshandlung eines Fürsten ist objektiv größer und wird somit schwerer bestraft. (Kap. 58, Art. 10; Kap. 61, Art. 2 ad III.) III. Ohne die Gerechtigkeit zu verletzen, soll der Mensch im Urteilen dem armen beistehen. Deshalb heißt es Ex 23.: „Auch des armen sollst du dich nicht erbarmen im Gerichte.“
Über die Laster, die der Tauschgerechtigkeit gegenüberstehen.
Zuerst werden da erwogen die Sünden, die sich gegen das unfreiwillige Ein- und Austauschen richten; dann jene, die gegen das freiwillige Tauschen angehen. Gegen seinen Willen wird dem Nächsten Schaden zugefügt durch Tat und Wort; in der eigenen oder in einer nahestehenden Person; oder in den ihm zugehörigen Dingen. Am meisten nun wird dem Nächsten durch die Tat geschadet, wenn man ihn tötet. Also zuerst: Über den Totschlag.
Erster Artikel. Es ist erlaubt, manche lebende Wesen zu töten.
a) Dies scheint durchaus unerlaubt. Denn: I. Röm 13. heißt es: „Die der Anordnung Gottes widerstehen, ziehen sich selbst die Verdammnis zu.“ Gottes Anordnung aber erhält Alles was lebt, nach Ps 146 .: „Der da Kraut hervorbringt auf den Bergen und ihre Speise gibt den darauf lebenden Tieren.“ Also töten, was nach Gottes Anordnung lebt, ist unerlaubt. II. Der Totschlag ist eine Sünde, weil dadurch der Mensch des Lebens beraubt wird. Das Leben aber ist gemeinsam den Pflanzen und Tieren. Also darf man auch diesen nicht das Leben nehmen. III. Das Gesetz (Ex 22.) bestimmt eine Strafe für jenen, der den Ochsen oder das Schaf eines anderen tötet. Also ist das Töten der Tiere Sünde.
Auf der anderen Seite sagt Augustin (1. de civ. Dei 20. ): „Wenn wir hören: Du sollst nicht töten, so verstehen wir dies nicht von den Pflanzen; denn sie haben keinen Sinn. Wir verstehen es auch nicht von den Tieren; denn die Vernunft eint sie nicht mit uns. Also nur auf den Menschen bezieht sich dies.“
b) Ich antworte, niemand sündige, weil er eine Sache dazu gebraucht, wozu sie geschaffen ist. Die unvollkommenen Dinge aber sind in der Ordnung der Natur wegen der vollkommeneren, wie ja die Natur überhaupt vom Unvollkommenen zum Vollkommenen vorwärts geht, insoweit sie im Werden begriffen ist. Wie also auch im Werden des Menschen zuerst das Lebendige kommt, dann das Sinnliche, und endlich der Mensch; so existiert was nur lebt wie die Pflanzen gemeinhin wegen der Tiere und diese wegen der Menschen. Wenn also der Mensch sich der Pflanzen bedient zum Nutzen der Tiere und der Tiere zum Nutzen der Menschen, so liegt da nichts Unerlaubtes vor. (Vgl. 1. Polit. 5 . u. 7. ) Vor Allem aber ist es notwendig, dass die Tiere sich der Pflanzen bedienen zur Nahrung und die Menschen ebenso der Tiere, was ohne Tötung nicht geschehen kann. Und deshalb besagt die Anordnung Gottes (Gen 1.): „Siehe, alles Kraut und alle Fruchtbäume habe ich euch gegeben, dass sie euch zur Speise seien und allen Tieren auf der Erde;“ und Gen 9.: „Was sich bewegt und lebt, soll euch zur Speise sein.“
c) I. „Nach der Anordnung des allgerechten Schöpfers ist Leben und Tod von Pflanzen und Tieren uns untergeordnet.“ (1. de civ. Dei 20. ) II. Tiere und Pflanzen haben keine Vernunft und somit keine Selbstbestimmung, dass sie aus sich tätig seien; sie werden nur von außen getrieben. Das ist das natürliche Anzeichen dafür, dass sie von Natur zum Dienen und zum Gebrauche anderer bestimmt sind. III. Der den Ochsen eines anderen tötet sündigt, weil er dessen Besitzer schädigt.
Zweiter Artikel. Verbrecher können getötet werden.
Es ist dies nicht erlaubt. Denn: I. Mt 13. verbietet in der Parabel der Herr, dass das Unkraut, d. h. die Sünder, ausgerissen werde. II. Die göttliche Gerechtigkeit, das erste Vorbild der unsrigen, behält die Sünder zur Buße auf, nach Ezechiel 18.: „Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe.“ III. Einen Menschen töten ist an und aus sich etwas Schlechtes. Denn alle Menschen sollen wir lieben; wir wollen aber, dass Freunde leben und seien. Was an sich schlecht ist, darf jedoch niemals geschehen, (Aug. cont. mendac. 7. ) Also darf man nie einen Menschen töten.
Auf der anderen Seite heißt es Ex 22.: „Verbrecher sollst du nicht leben lassen.“