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Die Summa Theologica (übersetzt "Zusammenfassung der Theologie"), oft einfach als Summa bezeichnet, ist das bekannteste Werk von Thomas von Aquin (1225-1274), einem scholastischen Theologen und Kirchendoktor. Sie stellt ein Kompendium der wichtigsten theologischen Lehren der katholischen Kirche dar, das als Leitfaden für Theologiestudenten, Seminaristen und Laien dienen soll. Die Themen der "Summa", in denen die Argumentation für fast alle Inhalte der christlichen Theologie im Abendland dargelegt wird, folgen dem folgenden Zyklus: Gott, die Schöpfung, der Mensch, die Bestimmung des Menschen, Christus, die Sakramente und zurück zu Gott. Obwohl sie unvollendet ist, gehört die "Summa" nicht nur zu den Klassikern der Philosophiegeschichte, sondern ist eines der einflussreichsten Werke der abendländischen Literatur und bleibt Aquins vollkommenste Schrift, die Frucht seiner reifen Jahre, in der sich das Denken seines ganzen Lebens verdichtet. Der Autor zitiert immer wieder christliche, muslimische, hebräische und heidnische Quellen, darunter die Heilige Schrift, Aristoteles, Augustinus von Hippo, Avicenna, Averroes, Al-Ghazali, Boethius, Johannes von Damaskus, Paulus der Apostel, Pseudo-Dionysius, Maimonides, Anselm von Canterbury, Platon, Cicero und einige andere. Dies ist Band fünf von zehn mit den Quaestiones 67 - 114 der Secundae Partis.
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Seitenzahl: 911
Summa Theologica
Band 5
Quaestiones 67 – 114
(Prima Pars/ Secundae Partis)
THOMAS VON AQUIN
DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER
Summa Theologica, Band 5, Thomas von Aquin
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849663919
Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522
Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.
www.jazzybee-verlag.de
Quaestio 67. Über die Fortdauer der Tugenden nach diesem Leben.2
Quaestio 68. Über die Gaben des Heiligen Geistes.13
Quaestio 69. Über die Seligkeiten.28
Quaestio 70. Über die Früchte des Heiligen Geistes.37
Quaestio 71. Über die Sünden und Laster an und für sich.43
Quaestio 72. Über den Unterschied der Sünden.64
Quaestio 73. Das Verhältnis der Sünden zu einander.79
Quaestio 74. Über den Sitz der Sünden.94
Quaestio 75. Über die Ursachen der Sünden im allgemeinen.108
Quaestio 76. Über die Ursachen der Sünde im besonderen.114
Quaestio 77. Über die Ursachen der Sünde von seiten des sinnlichen Begehrens.120
Quaestio 78. Über die Bosheit als die Ursache der Sünde.132
Quaestio 79. Über die Ursachen der Sünde von außen her.138
Quaestio 80. Der Teufel als Ursache der Sünde.144
Quaestio 81. Über die Ursache der Sünde von seiten des Menschen.150
Quaestio 82. Das Wesen der Erbsünde.158
Quaestio 83. Über den Sitz oder das Subjekt der Erbsünde.163
Quaestio 84. Die eine Sünde ist geeignet, die Ursache der anderen zu sein.169
Quaestio 85. Die Wirkungen der Sünde.175
Quaestio 86. Über den Flecken, den die Sünde verursacht.184
Quaestio 87. Die verdiente Strafe.187
Quaestio 88. Über die Tod- und die lässliche Sünde.198
Quaestio 89. Über die lässliche Sünde an sich betrachtet.208
Quaestio 90. Über das Wesen des Gesetzes.217
Quaestio 91. Die Verschiedenheit der Gesetze.222
Quaestio 92. Die Wirkungen des Gesetzes.230
Quaestio 93. Das ewige Gesetz.233
Quaestio 94. Das Naturgesetz.242
Quaestio 95. Das menschliche Gesetz.251
Quaestio 96. Über die Gewalt des menschlichen Gesetzes.258
Quaestio 97. Über die Veränderung der Gesetze.266
Quaestio 98. Der Alte Bund.271
Quaestio 99. Über die Vorschriften des Alten Gesetzes.281
Quaestio 100. Die moralischen Vorschriften des Alten Gesetzes.290
Quaestio 101. Die Zeremonialvorschriften an sich betrachtet.312
Quaestio 102. Über die Ursachen der Zeremonialvorschriften.318
Quaestio 103. Über die Dauer der Zeremonialvorschriften.360
Quaestio 104. Über die richterlichen Vorschriften.369
Quaestio 105. Über den Grund für die einzelnen richterlichen Vorschriften.374
Quaestio 106. Der Neue Bund an sich betrachtet.394
Quaestio 107. Das Neue Gesetz verglichen mit dem Alten.401
Quaestio 108. Der Inhalt des Neuen Gesetzes.408
Quaestio 109. Über das äußerliche Prinzip der menschlichen Handlungen, das da ist die Gnade Gottes.418
Quaestio 110. Über das Wesen der Gnade.434
Quaestio 111. Über die Einteilung der Gnade.441
Quaestio 112. Über die Ursache der Gnade.449
Quaestio 113. Die Wirkungen der Gnade.455
Quaestio 114. Über das Verdienst als die Wirkung der mitwirkenden Gnade. 470
Bibliographische Angaben:
Summe der Theologie / Die katholische Wahrheit oder die theologische Summa des Thomas von Aquin deutsch wiedergegeben durch Ceslaus Maria Schneider. Verlagsanstalt von G. J. Manz, Regensburg 1886-1892. [12 Bände] 1880
Sehr geehrter Leser,
die "Summa Theologica" war in ihrer Gänze sicher das herausforderndste Werk innerhalb der Reihe "Die Schriften der Kirchenväter." Es gibt kaum eine Textvorlage, ganz speziell von dieser Schneider-Übersetzung, die diesen Begriff – "Vorlage" – verdient hätte.
Wir haben versucht, so viele Fehler wie möglich auszumerzen. Dennoch ist dieses Werk nicht perfekt, da ein komplettes Korrektorat schlicht nicht wirtschaftlich ist. Bitte sehen Sie uns nach, wenn Sie an der einen oder anderen Stelle über einen Fehler stolpern, insbesondere bei der Umsetzung von griechischen Buchstaben. Thomas von Aquinas war nicht perfekt, seine "Summa" mitnichten, wir sind es schon gar nicht. Wir glauben dennoch, dass das Preis-Leistungsverhältnis dieser Ausgabe stimmt und jeder interessierte Leser auf seine Kosten kommen wird.
Herzlich Grüße,
Ihr Jazzybee Verlag (Jürgen Beck)
Erster Artikel. Die Fortdauer der moralischen Tugenden.
a) Es scheint, dass die moralischen Tugenden nach diesem Leben nicht fortdauern. Denn: I. Die Menschen werden nach Mt 22. im künftigen Leben sein wie die Engel. Lächerlich aber ist es, in den Engeln moralische Tugenden vorauszusetzen. (Arist. 10 Ethic. 8 .) II. Die moralischen Tugenden vollenden den Menschen für das tätige Leben, das nach diesem Erdenleben nicht mehr ist gemäß Gregor (6. moral. 18 .): „Die Werke des tätigen Lebens gehen vorüber mit dem irdischen Leben.“ III. Mäßigkeit und Stärke, also moralische Tugenden, haben ihren Sitz in den vernunftlosen Teilen. (3 Ethic. 10 .) Diese aber vergehen mit dem Körper, da sie Tätigkeiten körperlicher Organe sind.
Auf der anderen Seite heißt es Weish 1.: „Die Gerechtigkeit ist beständig und unsterblich.“
b) Ich antworte; wie Augustin berichtet, nahm Cicero an, die vier Haupttugenden hätten nach diesem Leben keinen Bestand mehr, sondern im anderen Leben würden die Menschen „selig sein allein durch die Kenntnis der Natur“ und Augustin fügt hinzu „freilich jener Natur, welche geschaffen hat alle Naturen.“ Er selber aber nimmt an, die vier Kardinaltugenden beständen, allerdings in anderer Weise, fort nach dem gegenwärtigen Leben. Zu dessen Klarstellung ist zu erwägen, dass in diesen Tugenden es ein formal bestimmendes Moment gibt und ein material bestimmbares. Das letztere ist die Hinneigung des begehrenden Teiles zu den Leidenschaften und Tätigkeiten gemäß einer gewissen Weise. Weil aber diese Weise bestimmt wird von der Vernunft, deshalb ist in allen Tugenden das formal bestimmende Moment die von der Vernunft ausgehende Ordnung selber. Die besagten Tugenden also bleiben im künftigen Leben nicht rücksichtlich dessen, was sie Bestimmbares einschließen; denn weder Begierlichkeit noch Ergötzung an Speise und Trank oder Geschlechtlichem noch Furcht noch Todesangst werden da sein noch endlich Verteilungen oder Kauf und Verkauf. Rücksichtlich des formal bestimmenden Momentes aber bleiben diese Tugenden nach dem gegenwärtigen Leben, insofern die Vernunft im höchsten Grade die rechte Richtschnur sein wird für alles dies und der begehrende Teil genau nach der Ordnung der Vernunft dann tätig sein wird. Deshalb sagt Augustin (l. c.): „Klugheit wird da sein ohne Gefahr des Irrtums, Stärke ohne Belästigung von seiten der Übel, die zu ertragen sind, Mäßigkeit ohne Widerstreben seitens der Begierlichkeiten, so dass es Sache der Klugheit sein wird kein Gut dem göttlichen vorzusetzen oder gleichzuhalten; Sache der Stärke ihm unverrückbar anzuhängen; Sache der Mäßigkeit an keinem verderblichen Mangel sich zu ergötzen.“
c) I. Aristoteles spricht da vom Material bestimmbaren Moment in den Tugenden; das kann in den reinen Vernunftkräften an sich nicht sein, wie Kauf und Verkauf, Schrecken und Gefahren, schlechte Begier. II. Dasselbe gilt auch hier als Antwort. III. Ein doppelter Zustand muss nach diesem Leben unterschieden werden: vor der Auferstehung des Fleisches und nach derselben. Im Zustande nach der Auferstehung der Leiber werden die vernunftlosen Kräfte in den körperlichen Organen sein wie jetzt. Also kann auch dann in der Abwehrkraft die Stärke sein und in der Begehrkraft die Begierde, insofern jede von beiden Kräften in der geregelten Verfassung sein wird, der Vernunft zu gehorchen. Im Zustande aber vor der Auferstehung werden diese Kräfte nur wie in ihrer Wurzel im Wesen der Seele sein; und also werden sie nur in der Vernunft und im geistigen Willen sich finden, wo die sie regelnde Kraft wie ein Samenkorn immer verbleibt. Die Gerechtigkeit aber, die ja im Willen ihren Sitz hat, wird immer, auch der Tätigkeit nach, bleiben, weshalb von ihr im besonderen gesagt ist: „sie sei unvergänglich“. Denn sowohl der Wille ist unvergänglich als auch die der Gerechtigkeit entsprechende Tätigkeit findet sich da; sie wird nämlich da die Tätigkeit haben, Gott unterworfen zu sein, kommt es ja doch auch in diesem Leben der Gerechtigkeit zu, dem Oberen zu gehorchen.
Zweiter Artikel. Die Tugenden in der Vernunft bleiben nach diesem Leben.
a) Dagegen spricht: I. 1 Kor 13,8.: „Die Wissenschaft wird zerstört werden;“ und der Grund davon ist, „weil wir nur teilweise erkennen.“ Wie aber die Kenntnis, die der Wissenschaft eigen ist, eine teilweise d. h. unvollkommene ist, so auch die aller anderen Tugenden der Vernunft, solange dieses Leben andauert. Also werden alle solche Tugenden mit diesem Leben aufhören. II. Die Wissenschaft wird verloren infolge starker körperlicher Erschütterung oder infolge von Krankheit. Keine stärkere Erschütterung aber oder Krankheit gibt es wie der Tod. III. Die Tätigkeit der Vernunft besteht nicht ohne Phantasiebilder. (3. de anima.) Da also die Tugend da ist um der Tätigkeit willen und eine vernünftige Tätigkeit ohne Phantasiebilder d. h. ohne Körperliches nicht statthat, so bleiben keine Tugenden der Vernunft nach diesem Leben.
Auf der anderen Seite ist stärker und zuverlässiger die Kenntnis, welche sich auf die allgemeinen und in sich notwendigen Begriffe erstreckt wie jene, die Besonderheiten und Einzelheiten zum Gegenstande hat. Letztere Kenntnis aber bleibt, wie es Lk 16, 25. heißt: „Denke daran, wie dir mit Gutem vergolten worden ist in deinem Leben; und dem Lazarus mit Schlechtem.“ Also bleibt um so mehr die Kenntnis des Allgemeinen und Notwendigen, was der Wissenschaft und ähnlichen Tugenden entspricht.
b) Ich antworte; nach einigen gehe, wie I. Kap. 79, Art. 6. hervorgehoben wurde, die geistige Erkenntnisform, die Idee, wieder vorüber, wenn der tatsächliche Erkenntnisakt vorbei sei und fände gar kein Aufbewahren dieser inneren Erkenntnisformen statt, außer etwa in den sinnlichen Kräften mit Hilfe der Organe der Einbildungskraft und der Gedächtniskraft. Da nun diese Kräfte mit dem Körper vergehen, so würde nach diesem Leben keine Wissenschaft und somit gar keine Tugend der Vernunft zurückbleiben. Diese Meinung aber ist gegen Aristoteles, der (3. de anima ) sagt: „Die mögliche Vernunft ist tatsächlich erkennend, wenn sie das Einzelne als solches erkennt, also tatsächlich weiß; während sie vorher im Zustande des Vermögens für diese Kenntnis des Einzelnen war.“ Sie ist auch gegen die Vernunft selber. Denn die Erkenntnisformen werden in der Vernunft als unverrückbar aufgenommen nach der Existenzweise des aufnehmenden Vermögens, das unvergänglich ist; so dass danach gerade die „mögliche“ Vernunft der „Ort der Ideen oder Erkenntnisformen“, locus specierum, genannt wird, weil sie die Ideen in sich aufbewahrt. Die Phantasiebilder aber, zu denen der Mensch sich wenden muss, um in diesem Leben tatsächlich zu erkennen, vergehen mit dem Körper, wie I. Kap. 85, Art. 1. u. 2. auseinandergesetzt worden. Also mit Rücksicht auf die Phantasiebilder, die gleichsam das material bestimmbare Moment in den Tugenden der Vernunft vorstellen, vergehen mit dem Körper auch die Tugenden in der Vernunft. Mit Rücksicht aber auf die geistigen Erkenntnisformen in der „möglichen“ Vernunft, als dem formal bestimmenden Moment in den Tugenden der Vernunft, bleiben diese letzteren nach dem irdischen Leben; wie das ähnlich bei den moralischen der Fall ist.
c) I. Das Wort des Apostels bezieht sich auf das material bestimmbare Moment in den erwähnten Tugenden und auf die Art und Weise des tatsächlichen Erkennens. Weder nämlich die Phantasiebilder bleiben nach dem Tode noch erkennt man da tatsächlich dadurch, dass man sich zu den Phantasiebildern wendet. II. Die Phantasiebilder werden verdorben durch Krankheit; und nicht die Ideen. III. Die vom Leibe getrennte Seele hat eine andere Art und Weise tatsächlich zu erkennen; und so bleibt die Wissenschaft selber. (I. Kap. 89, Art. 1.)
Dritter Artikel. Der Glaube bleibt nicht nach diesem Leben.
a) Das Gegenteil geht aus Folgendem hervor: I. Der Glaube steht höher wie die Wissenschaft, welche bleibt. Also vergeht auch er nicht. II. 1 Kor 3. steht: „Ein anderes Fundament kann niemand legen, wie jenes, was gelegt worden ist, das da ist Christus Jesus“ d. i. der Glaube an Christum. Bleibt also nicht der Glaube, so fällt das Fundament M Alles, was darauf aufgebaut worden. III. Glaube und Herrlichkeit unterscheiden sich rücksichtlich der Kenntnis wie das Unvollkommene und das Vollkommene. Die unvollkommene Kenntnis aber kann sein mit der vollkommenen, wie im Engel ist die Abend-Kenntnis mit der Morgen-Kenntnis und der Mensch die nämliche Schlussfolgerung anerkennen kann vermittelst eines beweisenden Syllogismus und vermittelst eines nur Wahrscheinlichkeit ergebenden. Also kann der Glaube zugleich sein mit dem Lichte der Herrlichkeit.
Auf der anderen Seite sagt Paulus (2 Kor 5.): „So lange wir in diesem Körper sind, pilgern wir fern von Gott; denn im Glauben wandeln, wir, nicht im Schauen.“ Die Seligen aber in der Herrlichkeit pilgern nicht mehr fern von Gott, sondern sind Ihm gegenwärtig. Also bleibt der Glaube nach diesem Leben nicht mehr.
b) Ich antworte; der Gegensatz ist an sich betrachtet die eigenste Ursache, dass ein Glied desselben vom anderen ausgeschlossen wird; insofern nämlich in allen Gegensätzen eingeschlossen ist die Entgegenstellung der Bejahung zur Verneinung. Nun findet man bei Manchem einen Gegensatz gemäß den einander entgegenstehenden Formen, wie bei der Farbe das Weiße und Schwarze; bei Manchem aber findet man einen Gegensatz gemäß dem Unvollkommenen und Vollkommenen, so dass in den bloßen Veränderungen im Bereiche ein und derselben Eigenschaft oder Zuständlichkeit das „mehr“ und „minder“ einen Gegensatz bildet; wie etwas vom minder Warmen zum mehr Warmen übergeht. Und weil das Unvollkommene gegenübersteht dem Vollkommenen, so ist es unmöglich, dass zugleich und nach derselben Seite hin sich zusammenfinde das Vollkommene und Unvollkommene. Nun ist dabei zu erwägen, dass das Unvollkommene manchmal zum Wesen des betreffenden Dinges gehört, wie z. B. der Mangel der Vernunft zum Wesen des Ochsen oder des Pferdes. Und weil nun, soweit etwas der Zahl nach ein und dasselbe bleibt, es nicht von einer Wesensgattung zur anderen übergehen kann, so folgt, dass, wenn solche Unvollkommenheit entfernt wird, zugleich die Natur oder das Wesen des Dinges vergeht; wie der Ochse oder das Pferd schon dies nicht mehr wäre, wenn die Vernunft dazu träte. Bisweilen aber gehört das Unvollkommene nicht zur Natur des betreffenden Dinges, sondern tritt nur infolge irgend eines Umstandes hinzu;, wie z. B. im Menschen der Gebrauch der Vernunft gehindert wird durch den Schlaf oder die Trunkenheit oder dergleichen. Offenbar nun gehört das Unvollkommene im Glauben zur inneren Natur des Glaubens; denn es wird in seine Begriffsbestimmung gesetzt: „Der Glaube ist der Beginn der zu hoffenden Dinge, der Beweis der Dinge, die nicht geschaut werden;“ sagt Paulus (Heb 11.); und Augustin (40. in Joan. ): „Was ist der Glaube? Für sicher annehmen, was du nicht siehst.“ Eine Kenntnis aber ohne Schauen ist eine unvollkommene Kenntnis; und so ist das Unvollkommene etwas zum Wesen des Glaubens Gehöriges. Doch wir müssen noch weiter gehen. Manchmal nämlich ist der Fall möglich, dass eine unvollkommene Kenntnis zusammenbestehe mit der vollkommenen nach ganz derselben Seite hin. Man muss also berücksichtigen, dass eine Kenntnis unvollkommen sein kann in dreifacher Weise: 1. Von seiten des erkennbaren Gegenstandes; 2. von seiten des Mittels, wodurch erkannt wird; 3. von seiten des erkennenden Subjekts. Von seiten des erkennbaren Gegenstandes unterscheidet sich als unvollkommene von der vollkommenen die Abendkenntnis in den Engeln von der Morgenkenntnis; denn die letztere besteht, insofern die Dinge Sein haben im „Worte“, die erstere, die Abendkenntnis, soweit sie Sein haben in der eigenen Natur, was ein unvollkommenes Sein ist rücksichtlich des Seins im göttlichen Worte. Von seiten des Mittels, wodurch die Kenntnis sich vollzieht, unterscheidet sich eine Schlussfolgerung, die mit Wahrscheinlichkeit sich ergibt, als unvollkommen von jener Kenntnis, die vermittelst eines zuverlässigen Beweisgrundes erhalten wird als der vollkommenen. Von seiten des erkennenden Subjekts unterscheidet sich gemäß dem Vollkommenen und Unvollkommenen die Wissenschaft von der Meinung und dem Glauben. Denn zur Natur der Meinung gehört, dass etwas angenommen wird mit der Furcht, das Gegenteil könne wahr sein; die Festigkeit der Anhänglichkeit also fehlt da. Zur Natur der Wissenschaft gehört, dass man fest anhänge und vermittelst eines Beweisgrundes das Erkannte mit der Vernunft schaue; denn sie dankt ihre Gewissheit dem „Verständnisse der Prinzipien“. Der Glaube aber hängt wohl fest an seinem Gegenstande, aber nicht vermittelst eines Beweisgrundes; Und so steht er in der Mitte zwischen Meinung und Wissenschaft. Offenbar nun kann das Unvollkommene in ganz derselben Beziehung nicht zusammen sein mit dem Vollkommenen. Wohl aber können beide zusammen sein, wenn die Beziehung, unter der sie vorhanden sind, nicht dieselbe ist. So kann in keiner Weise die unvollkommene Kenntnis zusammen sein mit der vollkommenen mit Beziehung auf den nämlichen gleichen Gegenstand, wenn das Unvollkommene und das Vollkommene sich hält von seiten des Gegenstandes; es kann jedoch in diesem Falle das Vollkommene und Unvollkommene zusammen sein mit Beziehung auf das gleiche erkennende Subjekt und mit Beziehung auf das gleiche Mittel des Erkennens. Denn nichts steht dem entgegen, dass der nämliche Mensch zugleich und auf einmal durch ein und dasselbe Mittel Kenntnis habe von zwei Dingen, von denen das eine unvollkommen ist und das andere vollkommen; wie z. B. von der Krankheit und der Gesundheit, vom Guten und Bösen; — aber er kann dann nicht erkennen, dass ein Gegenstand zugleich und im selben Sinne gesund und krank, gut und schlecht sei. Ähnlich ist es unmöglich, dass die unvollkommene und die vollkommene Kenntnis von seiten des Mittels für die Kenntnis in ein und demselben Mittel zusammen seien. Jedoch kann das erkennende Subjekt dasselbe sein und der erkannte Gegenstand kann derselbe sein; wie ein und derselbe Mensch erkennen kann den nämlichen Satz vermittelst eines mit Wahrscheinlichkeit schließenden Grundes und vermittelst eines solchen, der mit zuverlässiger Beweiskraft schließt; wenn auch nicht ein und dasselbe Mittel für den nämlichen Menschen ein und denselben Satz strikte beweisen und zugleich bloß als mit Wahrscheinlichkeit erkennbar darstellen kann. Und ähnlich ist es unmöglich, dass die vollkommene und unvollkommene Kenntnis von seiten des erkennenden Subjekts zugleich sei im selben Subjekte. Der Glaube aber schließt in seiner Natur Unvollkommenheit ein von seiten des Subjekts, so dass nämlich der da glaubt nicht sieht das, was er glaubt. Dagegen schließt die Seligkeit ebenso notwendig in ihrer Natur Vollkommenheit ein von seiten des erkennenden Subjekts, so dass nämlich der Selige schaut das, wodurch er beseligt wird. Also ist da eine völlige Unmöglichkeit vorhanden, dass der Glaube zugleich bleibe in ein und demselben erkennenden Subjekte mit der Seligkeit.
c) I. Der heilige Glaube steht höher wie das Wissen von seiten des Gegenstandes, denn sein Gegenstand ist die erste Wahrheit. Von seiten des erkennenden Subjekts aber hat die Wissenschaft eine vollkommenere Art und Weise zu erkennen, die nicht entgegensteht der Vollkommenheit der Seligkeit, wie dies bei der Art und Weise des Glaubens der Fall ist. II. Der Glaube ist Fundament mit Rücksicht auf das, was er an Kenntnis mit sich bringt; wenn also das Erkennen vollkommener sein wird, wird vollkommener sein das Fundament. III. Ist damit beantwortet.
Vierter Artikel. Die Hoffnung bleibt nicht in der Herrlichkeit.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Hoffnung steht höher wie die moralischen Tugenden, die doch nach Augustin (14. de Trin. 9 .) bleiben. II. Die Hoffnung steht der Furcht gegenüber. Die Furcht aber bleibt in den Seligen; nämlich die kindliche Furcht, „die in Ewigkeit bleibt,“ wie in den Verdammten die Furcht vor der Strafe. Also bleibt die Hoffnung. III. Wie die Hoffnung auf das Gute der Zukunft geht, so auch das Verlangen. In den Seligen aber ist einerseits das Verlangen nach der Verherrlichung des Körpers, wie Augustinus sagt (12. sup. Gen. ad litt. 35.); und andererseits nach der Herrlichkeit der Seele, wie Sir 24. gesagt wird: „Die mich essen, werden noch hungern; und die mich trinken, werden noch dürsten,“ und wie es 1 Petr 1. heißt: „Die Engel verlangen danach, in Ihn hineinzuschauen.“ Also bleibt auch die Hoffnung in jenem Leben.
Auf der anderen Seite sagt Paulus (Röm 8.): „Denn wer etwas bereits sieht, was hat der noch zu hoffen.“ Die Seligen aber schauen Gott als den Gegenstand ihrer Seligkeit. Also hoffen sie nicht mehr.
b) Ich antworte; was seiner Natur nach Unvollkommenheit im betreffenden Subjekte besagt, das könne niemals im selben Subjekte zusammen sein mit dem entgegengesetzten Vollkommenen. So schließt die Bewegung ihrem Wesen nach Unvollkommenheit im beweglichen Subjekte, dem Träger der Bewegung, ein. Denn sie „ist gerade die Tätigkeit dessen, was im Zustande des Vermögens, um etwas tatsächlich zu werden, ist, insoweit dieses in diesem Zustande bleibt,“ so dass, wenn jenes Vermögen zum Tatsächlichen geworden ist, erreicht also hat, wozu hin es im Vermögen war, die Bewegung aufhört. Was nämlich bereits weiß ist, das ist nicht mehr auf dem Wege zum Weißen hin. Die Hoffnung nun schließt gerade eine gewisse Bewegung ein zu dem hin, was nicht besessen wird, wie Kap. 40, Art. 1 und 2 gesagt worden ist. Wann also das Gehoffte besessen wird, hört die Hoffnung auf.
c) I. Rücksichtlich des Gegenstandes steht die Hoffnung höher wie die moralischen Tugenden, der da Gott nämlich ist. Die Tätigkeiten der moralischen Tugenden aber widerstreiten nicht der Vollkommenheit in der Seligkeit, wie dies bei der Hoffnung der Fall ist, außer etwa in Anbetracht ihrer Materie, der Leidenschaften und Tätigkeiten (vgl. oben), wonach sie nicht bleiben. Denn die moralische Tugend vollendet das Begehren nicht nur mit Rücksicht darauf, was noch nicht besessen wird, sondern auch bezüglich dessen, was bereits besessen wird. II. Die knechtische Furcht bleibt nicht (vgl. II, II, Kap. 19.); denn sie fürchtet die Strafe, welche in der Seligkeit nicht möglich ist. Die kindliche Furcht aber hat zwei Tätigkeiten: 1. Gott verehren; und danach bleibt sie; — 2. fürchten die Trennung von Gott; und danach bleibt sie nicht. Denn von Gott getrennt werden ist ein übel und ein Übel ist da nicht zu fürchten, „wo man,“ nach Prov. I, 33., „alles Überflusses genießen und wo jede Furcht vor einem Übel entfernt sein wird.“ Die Furcht aber steht der Hoffnung gegenüber einzig und allein gemäß einem Gegensatze von „gut“ und „böse“ (vgl. Kap. 40, Art. 1); und deshalb steht die Furcht, die in der Seligkeit bleibt, nicht im Gegensatze zur Hoffnung. In den Verdammten freilich kann mit größerem Grunde sein die Furcht vor den Strafen wie in den Seligen die Hoffnung auf Herrlichkeit; denn bei den Verdammten wird sein Aufeinanderfolge in den Strafen und somit bleibt da der Charakter des Zukünftigen gewahrt, was der Gegenstand der Furcht ist. Die Herrlichkeit aber ist ohne alle Aufeinanderfolge, eine gewisse Teilnahme an der Ewigkeit, wo keine Vergangenheit und keine Zukunft, sondern nur Gegenwart ist. Und trotzdem ist es auch bei den Verdammten keine eigentliche Furcht. Denn die Furcht ist immer verbunden mit einer gewissen Hoffnung, dem drohenden Übel zu entgehen, was durchaus bei den Verdammten nicht statthat. Also nur in dem Sinne wird von Furcht bei den Verdammten gesprochen, in welchem jede Erwartung zukünftigen Übels Furcht genannt wird. III. Rücksichtlich der Herrlichkeit in der Seele kann bei den Seligen kein Verlangen sein; weil da kein Zukünftiges ist. Von Hunger und Durst wird da gesprochen, damit man nicht denke, es bestehe ein Ekel. Mit Rücksicht auf die Herrlichkeit des Leibes aber kann in den Seligen Verlangen sein, jedoch keine Hoffnung: weder als theologische Tugend, denn so ist nur Gott, nichts Geschaffenes ihr Gegenstand, noch im gewöhnlichen Sinne; denn das, dessen man sicher ist, trägt für uns nicht mehr den Charakter des Schwierigen, der zum Wesen des Gegenstandes der Hoffnung gehört. Wer z. B. Geld hat, um etwas zu kaufen, von dem sagt man eigentlich nicht, er hoffe, das zu haben, was er gleich, wenn er will, kaufen kann.
Fünfter Artikel. Nichts von Glaube oder Hoffnung bleibt nach diesem Leben.
a) Trotzdem scheint dies. Denn: I. Wenn das Besondere, Unterscheidende entfernt ist, bleibt zurück das Allgemeine, Gemeinsame; wie wenn (lib. de oausis 1.) ich das Vernünftige wegnehme, übrig bleibt das Lebendige oder das Sein. Wird also vom Glauben das Unvollkommene fortgenommen, was ihn unterscheidet von der Herrlichkeit, so bleibt übrig die Kenntnis, die ihm gemeinsam ist mit der Herrlichkeit. II. Der Glaube ist ein geistiges Licht, nach Eph 1.: „Erleuchtet seien die Augen eueres Herzens, um Gott zu erkennen.“ Dieses Licht nun ist unvollkommen im Vergleiche zu dem der Herrlichkeit, von dem es heißt: „In deinem Lichte werden wir Licht sehen.“ Das unvollkommene Licht aber bleibt bestehen, wenn auch das vollkommene hinzutritt, wie die Kerze fortfährt ihren Glanz zu verbreiten, wenn auch die Sonne hell am Himmel scheint. Also. III. Die Substanz eines Zustandes geht nicht verloren, wenn dessen Materie entfernt wird; wie z. B. die Tugend der Freigebigkeit bleibt, wenn jemand auch sein Vermögen verloren hat. Der Gegenstand des Glaubens aber ist die erste Wahrheit als nicht geschaute. Ist also dies durch das Schauen entfernt, so kann noch der Zustand des Glaubens dauern.
Auf der anderen Seite ist der Glaube ein gänzlich einfacher Zustand. Etwas in sich Einfaches, was keineswegs aus Teilen besteht, wird aber entweder ganz entfernt oder es bleibt ganz. Da also der Glaube nicht bleibt, sondern „leer gemacht wird,“ so folgt daraus, dass er ganz und gar entfernt wird.
b) Ich antworte; es war die Meinung einiger, dass wohl die Hoffnung ganz entfernt wird durch die Seligkeit; dass aber der Glaube, soweit er Kenntnis enthält, bleibt und nur soweit er „in Rätseln schauen“ lässt, entfernt wird. Wird nun dies so verstanden, dass die „Art“, wozu der Glaube und die Herrlichkeit gehört, nämlich die Kenntnis über Gott, bleibt, so ist das richtig; und es kann das Nämliche nicht von der Hoffnung gesagt werden, die mit der Seligkeit in der gemeinsamen Art nicht übereinkommt. Denn die Hoffnung verhält sich zum Genuss der Seligkeit wie die Bewegung zur Ruhe im Schlusspunkte. Der Glaube aber ist der „Art“ nach eine Kenntnis wie auch die Anschauung. Wenn jedoch gemeint wird, es sei in ein und demselben erkennenden Subjekte der Zahl nach die nämliche und gleiche Kenntnis die des Glaubens und die der Herrlichkeit, dass also danach der nämliche Zustand in der Herrlichkeit bleibt; so ist das nach allen Seiten hin durchaus unmöglich. Denn, wird der Unterscheidungsgrund, welcher die Wesensgattung herstellt, entfernt, so bleibt nicht der Substanz der „Art“ nach das betreffende Ding das nämliche; wie z. B. wenn die Weiße entfernt nicht der Zahl nach ganz dieselbe Substanz „Farbe“ bleibt. Es gibt eben keinerlei „Art“, die für sich bestände, ohne dass eine gewisse Gattung mit ihr verbunden wäre; wird somit die Gattung fortgenommen, so fällt das Ganze fort und es bleibt nicht der Zahl nach ein und dieselbe Substanz der Art nach. Nicht die nämliche Farbe der Zahl nach ist nun weiß, nun schwarz. Denn die „Art“ steht nicht im gleichen Verhältnisse zur Gattung wie etwa der Stoff zur Wesensform, so dass die Substanz der „Art“ nach dieselbe bliebe, nachdem der die Gattung herstellende Unterscheidungsgrund fortgefallen ist, wie der Zahl nach ein und dieselbe Substanz des Stoffes bleibt, nämlich das reine positive Vermögen, eine Wesensform zu tragen und so wirkliches Sein zu haben, nachdem die eine Wesensform fortgefallen ist. Die „Art“ und der Unterscheidungsgrund nämlich, die differentia, sind keine Teile, welche etwa die Teile der Gattung zusammensetzen, wie Leib und Seele den Menschen. Vielmehr wie die Gattung das Ganze bezeichnet, nämlich das aus Stoff und Form Zusammengesetzte in den stofflichen Dingen, so bezeichnet der Unterscheidungsgrund, die differentia, das Ganze; und ebenso wird von der „Art“ das Ganze bezeichnet. Nur bezeichnet die „Art“ das Ganze von seiten des bestimmbaren Momentes aus, das darin wie der Stoff etwa ist; der Unterscheidungsgrund aber, die differentia, bezeichnet das Ganze von seiten des bestimmenden Momentes her, das darin wie die Form etwa ist; und die Gattung bezeichnet das Ganze von beiden Seiten her. So verhält sich im Menschen die sinnliche Natur wie das materiale, bestimmbare Moment im Verhältnisse zur vernünftigen. Und sinnbegabtes Wesen wird deshalb genannt, was eine solche sinnliche Natur hat; vernünftig, was eine vernünftige Natur hat; Mensch aber, was Beides besitzt. Da also der Unterscheidungsgrund, die differentia, wie hier „vernünftig“, nicht bezeichnet außer so, dass die „Art“ mitbezeichnet wird, so kann, wenn dieser Unterscheidungsgrund oder die Differenz, verschwunden ist, die Substanz der „Art“ nach nicht dieselbe bleiben; es bleibt nicht das nämliche Sinnbegabte, wenn das fortfällt, was vom Sinnlichen der formende Grund ist. Also kann nicht ein und dieselbe (der Zahl nach) Kenntnis, welche früher „in Rätseln“ erkannte, nachher offenes Schauen werden. Nichts also bleibt der Zahl nach in jenem Zustande, der hier auf Erden Glauben war, zurück in der Herrlichkeit.
c) I. Ist das „vernünftig“ fort, so bleibt nicht der Zahl nach das nämliche Lebendige. II. Das Unvollkommene im Leuchten der Kerze steht nicht im Gegensatze zum Leuchten der Sonne; denn es ist da nicht das nämliche Subjekt, welches leuchtet. Im Glauben und in der Herrlichkeit aber handelt es sich um das nämliche erkennende Subjekt und um wechselseitigen Gegensatz, wie zwischen Unvollkommenem und Vollkommenem. So kann nicht zugleich sein die Helle in der Luft und die Dunkelheit. III. Wer sein Vermögen verliert, der verliert nicht die Möglichkeit, von neuem Geld zu haben; und deshalb ist es zulässig, dass der entsprechende Zustand der Freigebigkeit bleibt. In der Herrlichkeit aber wird auch die Möglichkeit, nicht bloß der tatsächliche Gegenstand des Glaubens entfernt auf Grund der Unverrückbarkeit des seligen Anschauens.
Sechster Artikel. Die heilige Liebe bleibt im Vaterlande.
a) Dagegen spricht: I. 1 Kor 13.: „Wenn kommen wird, was vollkommen ist, wird entleert werden, was nur zum Teile ist.“ Die Liebe auf dem Pilgerwege aber ist nur „zum Teile“ d. h. unvollkommen. Also fällt sie fort, wenn die Herrlichkeit kommt. II. Zustände und Tätigkeiten werden gemäß den Gegenständen unterschieden. Der Gegenstand der Liebe aber ist das Gute, soweit es aufgefasst wird. Da also eine andere Auffassung es ist, die dem Pilgern entspricht; und eine andere, die der Herrlichkeit entspricht, so ist auch die heilige Liebe in beiden Zuständen eine andere. III. Was zu ein und derselben Natur gehört, das kann durch fortwährendes Anwachsen vom Unvollkommenen bis zur Gleichheit des Vollkommenen gelangen. Niemals aber kann die heilige Liebe hier auf dem Pilgerwege, so sehr sie auch wächst, zur Liebe im Vaterlande oder ihr gleich werden. Also bleibt die heilige Liebe nicht in der Seligkeit.
Auf der anderen Seite heißt es 1 Kor 13.: „Die Liebe endet nie.“
b) Ich antworte; wenn die Unvollkommenheit eines Dinges nicht zu dessen Wesen gehört, so steht dem nichts entgegen, dass Jenes, was früher unvollkommen war, nachher vollkommen werde; wie der nämliche Mensch zunimmt durch Wachsen und das Weiße weißer wird. Die heilige Liebe aber ist derart, dass sie in ihrem Wesen keine Unvollkommenheit einschließt; denn sie umfasst ebenso gut das, was man besitzt und was man nicht besitzt, was man schaut und was man nicht schaut. Also wird die Liebe nicht entleert durch das Herankommen der Herrlichkeit, sondern bleibt der Zahl nach dieselbe.
c) I. Das Unvollkommene in der Liebe ist bloß etwas zu ihrem Wesen Hinzutretendes, Zufälliges; es ist nicht im Wesen selber eingeschlossen. Wird aber von einem Dinge das Zufällige entfernt, so bleibt die Substanz unberührt. Nachdem also entleert ist, was unvollkommen war in der Liebe, bleibt die Liebe selber. II. Die Liebe hat nicht zum Gegenstande die Kenntnis selber; denn so wäre sie nicht die eine nämliche auf Erden und im Himmel. Sie hat vielmehr zum Gegenstande die gekannte Sache; die immer dieselbe ist, nämlich Gott. III. Die Liebe auf dem Pilgerwege kann niemals so anwachsen, dass sie der im Vaterlande gleich würde; und zwar ist dies der Fall wegen des Unterschiedes, der von seiten der Ursache obwaltet. Denn das Schauen ist eine gewisse Ursache für die Liebe, wie es 9 Ethic. 5 . heißt. Gott aber wird um so mehr geliebt, je mehr er geschaut wird.
Erster Artikel. Die Gaben sind unterschieden von den Tugenden.
a) Es scheint, Tugenden und Gaben bedeuten dasselbe. Denn: I. Gregor (1. moral. 12 .) sagt: „Sieben Söhne werden uns geboren, wenn vermittelst der Empfängnis des guten Gedankens die sieben Tugenden des heiligen Geistes in uns entstehen;“ und dann zählt er nach Isai. II. die sieben Gaben des heiligen Geistes auf. Also sind die Gaben des heiligen Geistes Tugenden. II. Augustin (1. de quaest. Evgl. 8.) schreibt: „Sieben Laster sind entgegen den sieben Tugenden des heiligen Geistes“ d. h. den sieben Gaben. Die sieben Laster aber stehen gegenüber den sieben gemeinhin so genannten Tugenden. III. Wo die Begriffsbestimmung die nämliche ist, da sind auch die bezeichneten Dinge selbst die gleichen. Die Begriffsbestimmung der Tugend aber kommt den Gaben zu; denn jede dieser Gaben ist eine „gute Eigenheit des Geistes, vermöge deren man recht lebt“. Und ebenso ist die Begriffsbestimmung der Gabe den eingegossenen Tugenden entsprechend: „Eine Gabe ist das Darbieten von etwas, was man nicht erstatten kann“ nach 4 “Top. 4. Also ist kein Unterschied zwischen Gaben und Tugenden. IV. Mehrere Gaben sind bereits Tugenden; wie die Weisheit, das Verständnis, die Wissenschaft; der Rat gehört zur Klugheit; die Gottergebenheit ist eine Untergattung der Gerechtigkeit; die Stärke ist eine Kardinaltugend.
Auf der anderen Seite unterscheidet Gregor der Große (I. c.) die sieben Gaben des heiligen Geistes von den drei theologischen Tugenden; die nach ihm die drei Töchter Jobs bedeuten. Ebenso unterscheidet er sie (2. moral. 26 .) von den vier Kardinaltugenden.
b) Ich antworte; was den Charakter des Namens anbetrifft, haben die Tugenden und Gaben keinen Gegensatz zu einander. Denn die Natur der Tugend ist es, den Menschen zu vollenden, dass er gut wirke. Die vom Namen angezeigte Natur der Gabe nimmt Bezug auf die Ursache, von der sie ist. Nichts steht aber dem entgegen, dass das, was von einem anderen gegeben ist, vollende die Seele, damit sie gut wirke; zumal einige Tugenden von Gott eingegossen sind. Also danach ist kein Anhaltspunkt gegeben, die Tugend von der Gabe zu unterscheiden. Und deshalb meinten einige, die Gaben seien tatsächlich nicht unterschieden von den Tugenden. Indes bleibt diesen die Schwierigkeit, zu erklären, warum einzelne Tugenden nur Gaben genannt werden und nicht alle; und warum die Furcht z.B. nicht unter den Tugenden aufgezählt sei. Andere also nahmen einen Unterschied an. Jedoch bezeichneten sie nicht in gebührender Weise die Ursache für die Unterscheidung, insofern dieselbe nämlich derart gemeinsam sein muss für die Tugenden, dass sie keineswegs auf die Gaben angewendet werden könne und umgekehrt. Sie berücksichtigten nämlich, dass von den Gaben vier der Vernunft angehören, die Weisheit, die Wissenschaft, das Verständnis, der Rat; und drei dem begehrenden Teile, die Stärke, die Gottergebenheit, die Furcht; — sie meinten deshalb, die Gaben vollendeten das freie Urteil, insofern dasselbe eine Fähigkeit der Vernunft sei; die Tugenden aber vollendeten es, insofern dasselbe als eine Fähigkeit des Willens sich darstelle; — denn nur zwei Tugenden fanden sie in der Vernunft, den Glauben und die Klugheit, die anderen fanden sie im begehrenden Vermögen. Sollten sie aber Recht haben, so müssten alle Tugenden im begehrenden Teile sein und alle Gaben in der Vernunft. Andere nun berücksichtigten, dass Gregor der Große (2. moral. 26 .) sagt: „Das Geschenk des heiligen Geistes, welches im vernünftigen Geiste, der ihm unterworfen ist, die Klugheit, Mäßigkeit, Gerechtigkeit und Stärke herstellt, festigt diesen selben vernünftigen Geist gegen die einzelnen Versuchungen durch die sieben Gaben.“ Und demgemäß nahmen sie an, dass die Tugenden da sind, um gut zu wirken; die Gaben, um den Versuchungen zu widerstehen. Aber auch kraft der Tugenden widersteht man den Versuchungen, die zu dem, was den Tugenden entgegen ist, anleiten wollen; denn jegliches Wesen widersteht seiner Natur gemäß dem ihm Entgegenstehenden; wie Cant. 8. es von der heiligen Liebe heißt: „Viele Wasser konnten nicht auslöschen die Liebe.“ Deshalb meinten wieder andere, dass ja diese Gaben in der Schrift gelehrt würden als dem Herrn Jesu Christo eigentümlich und dass deshalb die Tugenden wohl die Vollendung gäben, um gut zu wirken; die Gaben aber Christo gleichförmig machten, zumal was sein heiliges Leiden betrifft, wo diese Gaben am meisten leuchteten. Aber auch das ist nichts. Denn der Herr selbst leitet uns an, Ihm gleichförmig zu werden gemäß der Demut und Sanftmut, also gemäß den Tugenden, indem Er sagt: „Lernet von mir, wie ich sanftmütig bin und demütig von Herzen;“ und gemäß der Liebe, zudem Er sagt (Joh 18.): „Liebet euch gegenseitig, wie ich euch geliebt habe.“ Und diese Tugenden leuchteten ebenso im Leiden Christi. Und deshalb soll man bei der Unterscheidung zwischen Tugenden und Gaben vielmehr der Redeweise der heiligen Schrift folgen, welche uns über die Gaben belehrt; nicht aber unter dieser Benennung „Gaben“, sondern vielmehr unter dem Ausdrucke „Geister“. Denn so heißt es Jes 11.: „Es wird ruhen auf Ihm der Geist der Weisheit und des Verständnisses“ etc. Daraus geht offenbar hervor, dass diese sieben in der erwähnten Stelle aufgezählt werden, insofern sie in uns sind infolge göttlichen Einhauchens. „Einhauchen“ aber drückt aus eine gewisse Bewegung, die von außen herkommt. Denn es ist zu erwägen, dass im Menschen ein doppeltes, in Tätigkeit setzendes Prinzip sich findet: das eine ist innen, die Vernunft; das andere außen, Gott. (Vgl. Kap. 9, Art. 4. u. 6.; ebenso Aristoteles cap. 8. lib. 7. magn. moral.) Notwendig aber ist es, dass Alles, was in Bewegung gesetzt wird, im gebührenden Verhältnisse stehen muss zur bewegenden Kraft; und das ist eben die Vollkommenheit des Beweglichen als solchen: die Verfassung, durch welche es in ein gutes Verhältnis gesetzt wird, dass es gebührend bewegt werde von der geeigneten bewegenden Kraft. Je höher also die bewegende Kraft steht, desto notwendiger ist es, dass das Bewegliche durch eine vollendetere Verfassung dieser Kraft entsprechend gestaltet werde; wie wir sehen, dass ein Schüler schon mehr vorbereitet sein muss, um von einem höher stehenden Lehrer Belehrung zu empfangen wie von einem nicht so hoch stehenden. Nun vollenden die Tugenden den Menschen wohl, insoweit er geeignet ist, von der Vernunft aus in ihm zu dem hin, was er wirkt, in Tätigkeit gesetzt zu werden; sei dies ein Wirken was in ihm bleibt oder was auf das Äußere sich richtet. Sonach müssen dem Menschen höhere Vollendungen gegeben werden, auf dass er in der gehörigen Verfassung sei, um von Gott her in Bewegung gesetzt zu werden. Und diese Vollendungen nun nennt man Gaben, nicht nur weil sie von Gott eingegossen werden, sondern weil durch sie der Mensch in die rechte Verfassung kommt, dass er ohne weiteres beweglich wird von seiten der göttlichen Eingebung, des göttlichen Einhauchens her; wie es Jes 50. heißt: „Der Herr hat mir das Ohr geöffnet; ich aber widerspreche nicht, zurück bin ich nicht gegangen.“ Und Aristoteles sagt ebenfalls (l. c.): „Denen, die da bewegt werden durch göttlichen Antrieb, ist es nicht ersprießlich, Rat zu nehmen gemäß der menschlichen Vernunft, dass sie dem inneren Antriebe folgen; denn dieser kommt von einem höheren Prinzip,“ als die menschliche Vernunft es ist. Und danach sagen manche, die Gaben vollendeten den Menschen zu höheren Tätigkeiten hin als dies sind die Tätigkeiten der Tugenden.
c) I. Derartige Gaben werden manchmal Tugenden genannt gemäß der gewöhnlichen Auffassung der Tugend. Durch sie tritt jedoch etwas hinzu zum gemeinsamen Wesen der Tugenden, insofern sie gewisse göttliche Kräfte sind, die den Menschen zu dem Zwecke vollenden dass er leicht beweglich sei mit Rücksicht auf Gott. Deshalb setzt auch Aristoteles (7 Ethic. 1 .) über die gewöhnliche Tugend hinaus eine gewisse heroische oder göttliche Tugend an, der gemäß in Tätigkeit gesetzt werden „göttliche“, gottbegeisterte Männer. II. Die Laster stehen den Tugenden entgegen, insoweit sie gegen das von der Vernunft bemessene Gute sind. Insoweit die Laster gegen den göttlichen Antrieb sich richten, sind sie den Gaben entgegengesetzt. Denn das Gleiche ist entgegengesetzt Gott und der Vernunft, deren Licht ja sich von Gott ableitet. III. Diese Begriffsbestimmung wird gegeben gemäß der gewöhnlichen„ gemeinen Auffassung von der Tugend. Eigentlich müsste es heißen, um die Tugenden von den Gaben zu unterscheiden: „kraft deren man recht lebt“ entsprechend jener Geradheit des Lebens, wie sie durch die Regel der Vernunft gekennzeichnet wird. Und die Gabe müsste definiert werden, um sie von der eingegossenen Tugend zu unterscheiden „was von Gott gegeben wird mit Beziehung auf die bewegende Kraft, die von Ihm ausgeht und die den Menschen folgsam macht gegenüber dem göttlichen Antriebe.“ IV. „Weisheit“ als Tugend der Vernunft ist jene, die und insoweit sie vom Urteile der Vernunft ausgeht; „Weisheit“ als Gabe ist jene, die und insoweit sie wirkt vom göttlichen Antriebe aus.
Zweiter Artikel. Die Gaben sind dem Menschen zum Heile notwendig.
a) Dies scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Die Gaben ordnen zu einer Vollendung hin, welche über die gewöhnliche Vollendung der Tugenden hinausgeht. Eine solche Vollendung aber fällt unter den Rat, nicht unter das Gebot. Also sind sie nicht notwendig. II. Durch die theologischen Tugenden verhält sich jemand gut zu den göttlichen Dingen, durch die moralischen ist das nämliche der Fall rücksichtlich der menschlichen Dinge. Also bedarf es, um das Heil zu erlangen, keiner besonderen Gaben. III. Gregor (2. moral. 26 .) sagt: „Der heilige Geist gibt Weisheit gegen die Torheit, Verständnis gegen die stumpfe Gleichgültigkeit, die Gabe des Rates gegen die Übereilung, Stärke gegen die Furcht, Wissenschaft gegen die Unwissenheit, Gottergebenheit gegen die Herzenshärte, Demut gegen den Stolz.“ Dies Alles aber kann auch hinreichenderweise entfernt werden durch die Tugenden.
Auf der anderen Seite scheint die Weisheit die höchste Gabe zu sein, die am tiefsten stehende die Furcht. Beides aber ist notwendig zum Heile, nach Weish 7.: „Niemanden liebt Gott außer den, der mit der Weisheit zusammenwohnt“; und Sir 1.: „Wer ohne Furcht ist, wird nicht gerechtfertigt werden können.“ Also sind auch die dazwischen liegenden Gaben notwendig.
b) Ich antworte, dass die Gaben gewisse Vollendungen des Menschen sind, vermittelst deren dieser dazu geeignet wird, dass er mit Bereitwilligkeit dem göttlichen Antriebe folge. Wo also der Antrieb seitens der Vernunft nicht genügt, da ist notwendig der des heiligen Geistes; und folgegemäß eine Gabe. Die menschliche Vernunft aber ist von seiten Gottes in doppelter Weise vollendet: 1. durch natürliche Vollendung, gemäß der Leuchte der natürlichen Vernunft; — 2. durch eine gewisse übernatürliche Vollendung, vermittelst der theologischen Tugenden. (Kap. 26, Art. 1.) Obgleich nun diese letztere Vollendung größer und umfangreicher ist wie die erste, so wird doch die natürliche Vollendung in einer mehr vollkommenen Weise besessen wie die übernatürliche; denn die erste wird voll und ganz besessen, die letztere nur mangelhaft, da wir unvollkommen Gott kennen und lieben. Offenbar aber ist es, dass jegliches Ding, welches eine Natur oder eine Eigenschaft oder eine Tugend in vollkommener Weise hat, von sich selbst aus gemäß derselben wirken kann, immer vorausgesetzt natürlich das Einwirken Gottes als erster Ursache, der in jeder Natur und innerhalb jeglichen Willens wirkt. Was aber eine Natur oder eine Eigenschaft oder eine Tugend in unvollkommener Weise besitzt, das kann nicht von sich aus wirken, sondern muss von außen her in Tätigkeit gesetzt werden. So kann die Sonne, welche vollkommen lichtvoll ist, von sich aus erleuchten; der Mond aber, in dem die Natur des Lichtes nur unvollkommen sich findet, leuchtet nur, insoweit er selber von außen her erleuchtet ist. Der Arzt auch, der vollkommen die Arzneikunde kennt, kann von sich aus wirken; sein Schüler aber, dessen Unterricht noch nicht vollendet worden, kann nicht von sich aus wirken außer wenn er vorher von seinem Lehrer über den vorliegenden Fall belehrt worden ist. So kann also auch der Mensch mit Rücksicht auf das, was dem menschlichen Urteile unterliegt, in Anbetracht des seiner Natur entsprechenden Zweckes, vermittelst des Urteiles der Vernunft genügend von sich aus wirken und wird es in diesem Falle ein Zeichen überfließender Güte sein, wenn er dazu von Gott durch speziellen Antrieb unterstützt wird, so dass selbst nach den Philosophen nicht wer auch immer erworbene moralische Tugenden hatte, damit heroische oder gottbegeisterte Tugenden besaß. Mit Rücksicht aber auf den letzten, den übernatürlichen Zweck, zu dem hin die Vernunft bewegt, insofern sie in etwa und unvollkommen vermittelst der theologischen Tugenden herangebildet und geformt ist, genügt diese von der Vernunft ausgehende Bewegung nicht, wenn nicht damit verbunden ist der Antrieb und die Bewegung des heiligen Geistes nach Röm 8.: „Die durch den Geist Gottes getrieben werden, diese sind Söhne Gottes… und Erben;“ und nach Ps 142.: „Dein Geist wird mich hinabführen in das rechte Land;“ weil nämlich zur Erbschaft jenes Landes der Seligen niemand gelangen kann außer bewegt und geführt vom heiligen Geiste. Um also jenen Zweck zu erreichen, bedarf es der Gaben des heiligen Geistes.
c) I. Diese Gaben überragen den gewöhnlichen Stand der Tugenden nicht mit Rücksicht auf die Art der Werke, wie etwa die Räte den Geboten vorangehen; sondern mit Rücksicht auf die Art und Weise zu wirken, insofern der Mensch von einem höheren Prinzip aus in Tätigkeit gesetzt wird. II. Durch die moralischen und theologischen Tugenden wird der Mensch nicht in der Weise vollendet für den letzten Zweck, dass er nicht fortwährend bedürfte, in Tätigkeit gesetzt zu werden vermittelst eines höheren Antriebes des heiligen Geistes. III. Der menschlichen Vernunft ist nicht Alles bekannt und nicht Alles möglich, mag sie als vervollkommnet durch die natürlichen oder durch die theologischen Tugenden angesehen werden. Deshalb kann sie nicht mit Rücksicht auf Alles die „Torheit“ u. s. w. zurückweisen. Jener aber, dessen Weisheit und Macht Alles Untertan ist, macht uns infolge der Bewegung, die von Ihm ausgeht, sicher gegen alle Gefahren, die aus der „Torheit“, „Unwissenheit“ etc. sich ergeben. Und deshalb wird gesagt, die Gaben des heiligen Geistes, die da bewirken, dass wir gebührend folgen seinem Antriebe, werden gegen dergleichen Mängel und Gefahren gegeben.
Dritter Artikel. Die Gaben des heiligen Geistes sind Zustände.
a) Das Gegenteil stützt sich auf folgende Gründe: I. Ein Zustand schließt Dauer in sich. Denn er ist eine „schwer verrückbare Eigenschaft.“ Den Gaben aber ist es eigen, dass sie nur in Christo ruhen nach Jes 11. Und Joh 1, 33. heißt es: „Er, über welchen du siehst den Geist herabsteigen und bleiben über Ihm; Er tauft im heiligen Geiste;“ wozu Gregor (2. moral. 27 .) bemerkt: „In alle Gläubigen kommt der heilige Geist, im Mittler allein bleibt Er stets in besonderer Weise.“ II. Die Gaben des heiligen Geistes vollenden den Menschen, insoweit er getrieben wird vom heiligen Geiste. Da verhält sich aber der Mensch wie ein Werkzeug. Insofern nun nicht dem Werkzeuge es zukommt, durch einen Zustand vollendet zu werden, sondern dem Haupteinwirkenden, ist die Gabe des heiligen Geistes kein Zustand im Menschen. III. Wie die Gaben des heiligen Geistes, so kommt auch die Gabe der Prophetie vom Einhauchen oder Einsprechen Gottes. Diese aber ist kein Zustand, wie Gregor (1. hom. in Ezech.) sagt, da der prophetische Geist dem Propheten nicht immer gegenwärtig ist.
Auf der anderen Seite sagt der Herr zu seinen Aposteln und Jüngern (Joh 14.): „Zu euch wird Er (der heilige Geist) kommen und bei euch wird Er bleiben und in euch wird Er sein.“ Der heilige Geist aber ist nicht im Menschen ohne seine Gaben. Also bleiben diese im Menschen und sind somit Zustände.
b) Ich antworte; durch die Gaben des heiligen Geistes wird der Mensch in die rechte Verfassung gesetzt, dass er dem Antriebe des heiligen Geistes folge. Offenbar nun vollenden die moralischen Tugenden den begehrenden Teil, insoweit derselbe von Natur geeignet ist, von der Vernunft aus in Bewegung gesetzt zu werden. So verhalten sich also die Gaben des heiligen Geistes zu dem Menschen, wie die Tugenden zum begehrenden Teile. Letztere aber sind Zustände. Also sind es auch die Gaben. Wie jene machen, dass man bereitwillig der Vernunft gehorcht, so diese, dass man gern dem heiligen Geiste gehorcht.
c) I. Gregor sagt gleich darauf (cap. 28.): „Rücksichtlich jener Gaben, die notwendig sind zum Heile, bleibt der heilige Geist in allen Auserwählten; nicht aber mit Rücksicht auf alle Gaben.“ Die sieben Gaben aber sind notwendig zum Heile. II. Jener Einwurf spricht von einem Werkzeuge, das nur getrieben wird, nicht aber selber treibt und wirkt. Der Mensch jedoch empfängt so das Einwirken des heiligen Geistes, dass er auch selber wirkt kraft seines freien Willens. Also bedarf er eines Zustandes. III. Die Prophetie ist nicht notwendig zum Heile, sondern dient zur Offenbarung des Geistes.
Vierter Artikel. Die sieben Gaben werden zukömmlicherweise aufgezahlt.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Vier Gaben beziehen sich da auf die Vernunft, nämlich Weisheit, Wissenschaft, Verständnis, Rat, der mit zur Klugheit gehört. Nichts aber wird gesetzt mit Bezug auf die Kunst, die fünfte Tugend der Vernunft. Ebenso steht da Gottergebenheit, die zur Gerechtigkeit gehört, und Stärke; nichts aber, was sich auf die Mäßigkeit bezöge. Also genügen die sieben Gaben nicht. II. Die Gottergebenheit oder Frömmigkeit ist ein Teil der Gerechtigkeit. Mit Rücksicht auf die Stärke aber wird diese selbst gesetzt und nicht ein Teil derselben oder eine Untergattung. Also musste auch Gerechtigkeit selber und nicht ein Teil derselben gesetzt werden. III. Mit Bezug auf die theologischen Tugenden stehen gar keine Gaben verzeichnet. Gerade aber insoweit der Mensch von Gott bewegt wird, bestehen Gaben. Also musste man mit Rücksicht auf die theologischen Tugenden vorzugsweise Gaben ansetzen. IV. Wie Gott gefürchtet wird, so wird Er auch geliebt und man hofft auf Ihn und ergötzt sich an Ihm. Also musste nicht nur die Furcht als Gabe gesetzt werden, sondern auch Liebe, Hoffnung und Freude. V. Zum Verständnisse wird die Weisheit gesetzt als leitende Richtschnur, zur Stärke der Rat, zur Gottergebenheit die Wissenschaft. Also musste auch zur Furcht eine leitende Richtschnur hinzugefügt werden.
Auf der anderen Seite steht die Autorität der Schrift.
b) Ich antworte; da die Gaben dazu dienen, dass der Mensch bereitwilliger dem Antriebe des heiligen Geistes folge, wie die Tugenden dazu sind, dass er bereitwilliger der Vernunft gehorche, so sind in allen jenen Vermögen, welche Prinzipien sein können für menschliche Tätigkeiten, nämlich in der Vernunft und im Begehrvermögen, ebenso Gaben, wie da Tugenden sich finden. Die Vernunft nun teilt sich in eine beschauliche und in eine auf das Tätigsein gerichtete. Bei beiden wird die Erfassung der Wahrheit berücksichtigt, die dazu gehört, um die Wahrheit zu finden und nach ihr zu urteilen. Mit Rücksicht auf die Erfassung der Wahrheit also wird die beschauliche (spekulative) Vernunft vollendet durch die Gabe des Verständnisses; die auf das Tätigsein nach außen hin gerichtete (praktische) Vernunft durch die des Rates. Für das Urteilen wird die erstere Vernunft vollendet durch die Weisheit, die zweitgenannte durch die Wissenschaft. Die begehrende Kraft nun wird, soweit es die Beziehungen zu anderen angeht, vollendet durch die Gottergebenheit (Frömmigkeit); soweit es die Beziehung zu sich selber angeht, durch die Stärke, nämlich gegenüber den Todesgefahren; und mit Bezug auf die Begierlichkeiten nach ungeordneten Ergötzungen besteht da die Gabe der Furcht, nach Spr 15.: „Jeglicher entfernt sich vom Übel aus Furcht vor Gott;“ und Ps 118.: „Durchbohre mit Furcht mein Fleisch; vor Deinen Ratschlüssen hatte ich Furcht.“ Und so erstrecken sich diese Gaben auf Alles, worauf die Tugenden sich richten.
c) I. Die Gaben des heiligen Geistes vollenden den Menschen, dass er recht lebe; damit hat aber die Kunst als rechte Richtschnur des äußeren Werkes nichts zu tun. Es kann auch zudem gesagt werden, beim Eingießen der heiligen Gaben gehöre die „Kunst“ dem heiligen Geiste selber an als dem Haupteinwirkenden; nicht aber den Menschen, die nur Werkzeuge sind und von Ihm bewegt werden. Der Tugend der Mäßigkeit entspricht die Furcht, dass jemand nämlich von den schlechten Ergötzungen sich entferne aus Furcht vor Gott und nicht bloß auf Grund des von der Vernunft gekennzeichneten Guten. II. Der Name „Gerechtigkeit“ wird beigelegt von der Geradheit der Vernunft aus. Und da kommt mehr der Charakter der Tugend in Betracht wie der einer „Gabe“. Der Name „Gottergebenheit“ oder Frömmigkeit schließt ein die Ehrfurcht vor dem Vater aller Dinge, vor Gott und sonach dann auch vor dem irdischen Vater und dem Vaterlande. Deshalb nennt man auch die Ehren, die man Gott erweist, Gottesdienst. Zukömmlicherweise also wird die Gottergebenheit, auf Grund deren man aus Ehrfurcht vor Gott allen Gutes erweist, als „Gabe“ bezeichnet. III. Dass der Mensch vom heiligen Geiste in Tätigkeit gesetzt werde, dies setzt voraus, dass er in irgend einer Weise mit dem heiligen Geiste eins sei; wie das Werkzeug vom Künstler nur bewegt ist, insoweit es von ihm berührt wird oder sonst wie mit ihm verbunden ist. Die erste Einigung des Menschen mit Gott nun vollzieht sich vermittelst der theologischen Tugenden. Dieselben also werden für die Gaben vorausgesetzt, wie gewissermaßen die Wurzeln derselben. Die Gaben setzen somit das von den theologischen Tugenden Gewirkte nur fort. IV. Liebe, Hoffnung, Freude haben zum Gegenstande das Gute. Da nun das höchste Gut Gott ist, so werden diese Namen übertragen auf die theologischen Tugenden, kraft deren die Seele mit Gott verbunden wird. Der Gegenstand der Furcht aber ist das Schlechte, was Gott in keiner Weise zukommt. Also schließt sie nicht die Verbindung mit Gott ein, sondern vielmehr eine Entfernung von gewissen Dingen auf Grund der Ehrfurcht vor Gott. Und deshalb ist die Furcht nicht der Name einer theologischen Tugend, wohl aber einer „Gabe“; denn eine solche „Gabe“ zieht mit höherer Gewalt vom Bösen ab wie die moralische Tugend. V. Durch die Weisheit wird geleitet die Vernunft und die Hinneigung des Menschen; und deshalb entsprechen der Weisheit zwei Gaben als von ihr zu leitende; — nämlich von seiten der Vernunft das Verständnis und von seiten der Hinneigung die Furcht. Denn der Grund, Gott zu fürchten, ist vor allem die Betrachtung der göttlichen hocherhabenen Majestät und diese wird betrachtet von der Weisheit.
Fünfter Artikel. Die Gaben des heiligen Geistes sind miteinander verbunden.
a) Dies ist zuerst: I. Dem Apostel zuwider (1 Kor 12.), der da sagt: „Dem einen wird vom Geiste verliehen die Rede der Weisheit, dem anderen die Rede der Wissenschaft durch den nämlichen Geist.“ Weisheit und Wissenschaft aber sind Gaben des heiligen Geistes. Also sind dieselben nicht in derselben Person verbunden. II. Augustin (14. de Trin. 1 .), der da schreibt: „Von der Wissenschaft sind nicht viele angefüllt, obgleich sie vollen Glauben haben.“ Den Glauben aber begleitet zum mindesten immer die Gabe der Furcht. Also sind nicht alle Gaben in ein und demselben miteinander verbunden. III. Gregor (1. moral. ), der da sagt: „Die Weisheit ist geringer, wenn sie des Verständnisses ermangelt; und sehr unnütz ist das Verständnis, wenn es nicht von der Weisheit her seinen Bestand ableitet. Wertlos ist der Rat, wo Stärke fehlt; und zerrüttet ist im höchsten Grade die Stärke, wenn sie nicht ihre Stütze im Rate hat. Die Wissenschaft ist nichts, wenn sie den Nutzen der Gottergebenheit nicht in sich schließt; und sehr unnütz ist die Gottergebenheit, wenn sie der Unterscheidungsgabe, die vom Wissen kommt, ermangelt. Und die Furcht selber steht ebenso nicht auf zum guten Werke, wenn sie nicht alle diese Tugenden hat.“ Danach ergibt sich, dass eine Gabe ohne die andere besessen werden kann.
Auf der anderen Seite schickt Gregor diesen Worten vorher: „Das müssen wir bei den Gastmählern der Söhne erforschen, dass sie nämlich sich gegenseitig Speise bieten.“ Unter den sieben Söhnen Jobs aber versteht Gregor die sieben Gaben des heiligen Geistes. Also sind sie alle insgesamt immer verbunden.
b) Ich antworte, die Wahrheit könne hier aus dem vorher Gesagten festgestellt werden. Denn wie die moralischen Tugenden den Menschen vollenden mit Beziehung auf die Richtschnur der Vernunft, so die Gaben mit Beziehung auf den heiligen Geist, der da bewegt. Der heilige Geist aber wohnt in uns durch die heilige Liebe nach Röm 5.: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den heiligen Geist, der uns verliehen worden;“ ähnlich wie die Vernunft vollendet wird durch die Klugheit. Wie also alle moralischen Tugenden miteinander verbunden werden in der Klugheit, so haben die Gaben des heiligen Geistes ihre gegenseitige Verbindung in der heiligen Liebe. Wer somit die heilige Liebe hat, der hat alle Gaben des heiligen Geistes; und keine dieser Gaben kann besessen werden ohne die heilige Liebe.
c) I. Die Weisheit und Wissenschaft sind nicht nur Gaben, sondern auch Gnaden, die zum Besten anderer gegeben werden (gratis datae); und danach überfließen sie in dem, der sie hat, so dass dieser auch andere unterrichten kann. Und so erwähnt sie der Apostel, weshalb er treffend sagt: „Die Rede der Weisheit etc.“ Hier aber werden sie als „Gaben“ genommen, wonach jemand vorbereitet wird, dem Antriebe des heiligen Geistes zu folgen in der Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge. Und so sind beide Gaben in allen, wo die Liebe wohnt. II. Augustin erklärt diese Stelle des Apostels; also spricht er in derselben Weise von der „Wissenschaft“. Deshalb fügt er hinzu: „Etwas Anderes nämlich ist es, nur zu wissen, was der Mensch glauben muss, um zum ewigen Leben zu gelangen; und etwas Anderes, zu wissen, wie diese Erkenntnis selber den Gläubigen nützt und wie sie gegen die Gottlosen verteidigt wird; dieses letztere Wissen nun meint hier der Apostel.“ III. Gregor will gerade beweisen, dass eine Gabe ohne die andere nichts nützt; wie auch eine Kardinaltugend ohne die andere nicht nützlich ist. (Vgl. oben.) Deshalb schickt er vorher: „Sehr wankt jede von diesen Tugenden, wenn sie nicht durch die andere gestützt wird.“
Sechster Artikel. Die Gaben des heiligen Geistes bleiben im anderen Leben.
a) Dagegen spricht: I. Gregor (2. moral. 26 .) mit den Worten: „Der heilige Geist erzieht unseren Geist gegenüber allen Versuchungen durch die sieben Gaben.“ Im anderen Leben aber gibt es keine Versuchungen mehr: „Sie werden nicht mehr schaden oder töten auf meinem heiligen Berge,“ sagt Jes 11. II. Die Gaben des heiligen Geistes sind Zustände. Diese aber bleiben nicht, wo sie ihre Tätigkeiten nicht mehr entwickeln können; sie wären ja sonst vergeblich da. Die Tätigkeiten mancher Gaben können nun nicht mehr im Himmel sich vollziehen; wie Gregor (1. moral. 15 .) sagt: „Das Verständnis macht, dass man das Gehörte durchdringt; der Rat behütet vor Übereilung; die Stärke lässt nicht die Feinde fürchten; und die Gottergebenheit füllt das heilige Verlangen im Herzen an mit den Werken der Barmherzigkeit.“ Alles dies aber hat im Himmel keine Stelle mehr. III. Manche Gaben vollenden den Menschen für das beschauliche und manche für das tätig wirksame Leben. Letzteres aber hört mit dem Tode auf. Also sind diese Gaben fortan unnütz. Nicht alle Gaben bleiben somit in der Heimat.
Auf der anderen Seite sagt Ambrosius (I. de Spir. S. 20.): „Jene himmlische Stadt Jerusalem wird durch kein Hindurchfließen eines irdischen Stromes abgewaschen; sondern der heilige Geist, der vom Lebensquell ausgeht, den wir hier nur mangelhaft, wie im Vorübergehen genießen, wird da in jenen himmlischen Kräften reichlicher überfluten, in glühender Liebe ausgehend, die sieben geistigen Tugenden.“
b) Ich antworte; von den Gaben können wir in doppelter Weise sprechen, einmal mit Rücksicht auf ihr inneres Wesen; und so werden sie in der Heimat in höchster Vollendung sein, wie Ambrosius eben sagte. Der Grund davon ist, dass die Gaben den menschlichen Geist vollenden, damit er der vom heiligen Geiste ausgehenden bewegenden Kraft bereitwillig folge; das aber wird in vorzüglicher Weise in der Heimat stattfinden, wann „Gott sein wird Alles in Allem,“ nach 1 Kor 15., und wann der Mensch durchaus Gott unterworfen sein wird. Dann können die Gaben betrachtet werden mit Rücksicht auf die Materie oder den Gegenstand, worauf sie sich richten; und so richten sie jetzt ihre Tätigkeit auf etwas, worauf sie dieselbe dort nicht richten werden. Und danach bleiben die Gaben nicht in der Heimat; wie das auch mit den Kardinaltugenden der Fall sein wird. (Kap. 67, Art. 1.)
c) I. Gregor spricht da von den Gaben, wie sie dem gegenwärtigen Leben zukommen. Im Himmel werden wir durch die Gaben durchaus im Guten vollendet werden. II. Gregor setzt in die einzelnen Gaben immer zugleich etwas, was mit diesem Leben vorübergeht: „Die Weisheit erquickt den vernünftigen Geist mit der Hoffnung auf das Ewige und mit der Gewissheit,“ wovon die Gewissheit bleibt, die Hoffnung vorübergeht: „Das Verständnis dringt durch das Gehörte durch, erquickt das Herz und erleuchtet seine Finsternisse.“ Davon fällt das Gehör fort: „denn nicht mehr wird da der Mann seinen L. Mitbruder belehren“ (Jer 31.); die Erleuchtung des Verstandes bleibt. Der Rat behütet vor Übereilung,“ was hier im Leben nur notwendig ist „und füllt die Seele an mit dem Lichte der Vernunft,“ was dort notwendig erscheint. „Die Stärke fürchtet keine Gegner,“ was von hier gilt, „und speist den Geist mit froher Zuversicht,“ was für die Zukunft Geltung hat. „Die Wissenschaft überwindet das Fasten der Unkenntnis,“ das gilt nur für hier; was er aber hinzufügt, „im Bauche des Geistes,“ das kann figürlich verstanden werden von der Fülle des Wissens, was im Himmel sein wird. „Die Gottergebenheit füllt an das Innere des Herzens mit Werken der Barmherzigkeit,“ was nach den Worten zwar nur für das gegenwärtige Leben dient; jedoch die innigste Hinneigung zum Nächsten, die durch das „Innere, viscera, des Herzens“ angedeutet wird, bleibt in der Ewigkeit, wo die Gottergebenheit nicht mehr helfen, aber beglückwünschen wird den Nächsten. „Die Furcht drückt zusammen den Geist, dass er nicht anmaßend werde in seinem Stolze auf Grund des gegenwärtigen Glückes“ und „stärkt den Geist mit der Speise der Hoffnung,“ was Letzteres rücksichtlich der Hoffnung auf die Gegenwart geht, jedoch mit Rücksicht auf die Kräftigung auch auf die Zukunft gehen kann, wo man das Gehoffte erreicht hat. III. Dies gilt vom Gegenstande oder der Materie der Gaben hier auf Erden.
Siebenter Artikel. Die Würde der Gaben entspricht der Aufeinanderfolge in der Aufzählung des Propheten.
a) Dies scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Die hauptsächliche Gabe scheint das zu betreffen, was Gott am meisten vom Menschen verlangt. Dies ist aber die Furcht nach Dtn 10.: „Und jetzt, Israel, was fordert Gott von dir Anderes als dass du Ihn fürchtest, den Herrn, deinen Gott?“ Und Malach. 1.: „Wenn ich der Herr bin, wo ist die Furcht vor mir?“ Also scheint die letzte Gabe, die Furcht, in der Würde die hauptsächlichste, die erste, zu sein. II. Die Gottergebenheit scheint gewissermaßen ein allumfassendes Gut zu sein nach 1. Trin. 4 .: „Die Gottergebenheit oder Frömmigkeit ist zu Allem nütze.“ Ein allgemeines, d. i. allumfassendes Gut aber ist vorzuziehen einzelnen, besonderen Gütern. Also ist die Frömmigkeit, die pietas, die hauptsächlichste Gabe; und doch steht sie da nur an vorletzter Stelle. III. Die Wissenschaft vollendet das Urteil der Vernunft, der Rat gehört dem Untersuchen seitens der Vernunft an. Das Urteil aber steht höher als das Untersuchen. Also müsste die Wissenschaft vor dem Rate kommen. IV. Die Stärke gehört zum Begehren, die Wissenschaft zur Vernunft. Letztere aber steht an Würde höher wie die begehrende Kraft. Also dürfte nicht die Stärke vor der Wissenschaft aufgezählt werden. Sonach entspricht jene Aufeinanderfolge bei Isaias nicht der Würde dieser Gaben.
Auf der anderen Seite sagt Augustin (I. de serm. Dom. in monte 4.): „Die siebengestaltete Tätigkeit des heiligen Geistes, von der Isaias spricht, scheint mir diesen Stufen (der acht Seligkeiten) zu entsprechen. Isaias fängt an von den würdevolleren; hier aber ist der Beginn bei den niedrigeren.“
b) Ich antworte; die Würde der einzelnen Gaben kann erwogen werden entweder schlechthin d. h. mit Rücksicht auf die ihnen eigene Tätigkeit oder nach einer gewissen Seite hin, nämlich mit Rücksicht auf die Art der Materie, auf die sie gerichtet sind. Die erste Betrachtung ist die, welche wir schon bei den Tugenden gemacht haben; insoweit nämlich die Gaben den Menschen vollenden für all jene Tätigkeit der Vermögen, für welche diese selben Vermögen bereits von seiten der Tugenden einigermaßen vollendet werden. Wie also die Tugenden in der Vernunft vorgezogen werden den moralischen Tugenden, und in diesen Tugenden die beschaulichen den auf das tätige Leben gerichteten, wie die Weisheit, das Verständnis und die Wissenschaft der Klugheit und der Kunst; — so werden bei den Gaben vorgezogen die Weisheit und das Verständnis, die Wissenschaft und der Rat der Gottergebenheit oder Frömmigkeit, der Stärke und der Furcht; und in diesen wird die Gottergebenheit vorgezogen der Stärke und diese der Furcht; wie auch die Gerechtigkeit voransteht der Stärke und diese der Mäßigkeit. Kommt es aber auf die Materie dieser Gaben an, so wird die Stärke und der Rat vorgezogen der Wissenschaft und der Gottergebenheit, weil die Stärke und der Rat sich auf das mit Schwierigkeiten Verbundene beziehen, die Gottergebenheit und die Wissenschaft aber auf das Gewöhnliche gerichtet sind. So also entspricht die Würde der Gaben ihrer Aufeinanderfolge beim Propheten; zum Teil schlechthin und ohne Ausnahme, wie die Weisheit und das Verständnis allen vorgezogen werden, zum Teil aber gemäß der vorliegenden Materie, wonach der Rat und die Stärke vorgezogen werden der Wissenschaft und der Gottergebenheit.
c) I. Die Furcht wird erfordert wie ein Beginn der durch die Gaben veranlassten Vollendung, weil „der Anfang der Weisheit die Furcht Gottes ist;“ nicht weil sie würdevoller wäre. Denn zuerst entfernt man sich nach der Ordnung des Entstehens oder der Zeugung vom Schlechten, was nach Spr 16. durch die Furcht geschieht, ehe man das Gute tut, was den anderen Gaben gedankt wird. II. Der Apostel vergleicht da die Gottergebenheit oder Frömmigkeit nicht mit den anderen Gaben, sondern mit der alleinigen körperlichen Übung, von der er vorher sagt, sie sei in etwa nützlich. III. Mit Rücksicht auf das Urteilen wird die Wissenschaft dem Rate vorgezogen; mit Rücksicht aber auf den Gegenstand oder die Materie der Rat dem Wissen. Denn Ratschlagen findet nur statt bei schwierigen Sachen, während Urteilen überall statthat. IV. Die „leitenden“ Gaben, die in der Vernunft sind, stehen freilich als würdevoller da wie jene Gaben, denen die Ausführung obliegt; wenn sie nämlich mit ihrer Beziehung zur Tätigkeit in Betracht gezogen werden, insoweit sie von dem Vermögen ausgehen, da die Vernunft den begehrenden Teil überragt, wie die Regel das Geregelte. Jedoch mit Rücksicht auf den Gegenstand oder die vorliegende Materie wird zur Stärke der Rat hinzugefügt und zur Gottergebenheit das Wissen; denn Rat und Stärke richten sich auf Schwieriges, Wissenschaft und Gottergebenheit auf Gewöhnliches.
Achter Artikel. Die Gaben stehen höher wie die Tugenden.