Summa Theologica, Band 9: Tertia Pars, Quaestiones 1 - 49 - Thomas von Aquin - E-Book

Summa Theologica, Band 9: Tertia Pars, Quaestiones 1 - 49 E-Book

Thomas von Aquin

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Beschreibung

Die Summa Theologica (übersetzt "Zusammenfassung der Theologie"), oft einfach als Summa bezeichnet, ist das bekannteste Werk von Thomas von Aquin (1225-1274), einem scholastischen Theologen und Kirchendoktor. Sie stellt ein Kompendium der wichtigsten theologischen Lehren der katholischen Kirche dar, das als Leitfaden für Theologiestudenten, Seminaristen und Laien dienen soll. Die Themen der "Summa", in denen die Argumentation für fast alle Inhalte der christlichen Theologie im Abendland dargelegt wird, folgen dem folgenden Zyklus: Gott, die Schöpfung, der Mensch, die Bestimmung des Menschen, Christus, die Sakramente und zurück zu Gott. Obwohl sie unvollendet ist, gehört die "Summa" nicht nur zu den Klassikern der Philosophiegeschichte, sondern ist eines der einflussreichsten Werke der abendländischen Literatur und bleibt Aquins vollkommenste Schrift, die Frucht seiner reifen Jahre, in der sich das Denken seines ganzen Lebens verdichtet. Der Autor zitiert immer wieder christliche, muslimische, hebräische und heidnische Quellen, darunter die Heilige Schrift, Aristoteles, Augustinus von Hippo, Avicenna, Averroes, Al-Ghazali, Boethius, Johannes von Damaskus, Paulus der Apostel, Pseudo-Dionysius, Maimonides, Anselm von Canterbury, Platon, Cicero und einige andere. Dies ist Band neun von zehn mit den Quaestiones 1 - 49 der Tertia Pars.

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Seitenzahl: 854

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Summa Theologica

 

Band 9

 

Quaestiones 1 – 49

(Tertia Pars)

 

THOMAS VON AQUIN

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Summa Theologica, Band 9, Thomas von Aquin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849663957

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

3. Hauptteil. Der Weg zur Herrlichkeit.2

Prooemium... 2

Erste Abhandlung. Der Erlöser.2

Quaestio 1. Über die Zukömmlichkeit der Menschwerdung.2

Quaestio 2.18

Quaestio 3. Über die Art und Weise der Einigung von seiten der annehmenden Person aus.43

Quaestio 4. Über die Art und Weise der Einigung von seiten der angenommenen Natur.56

Quaestio 5. Über die Art und Weise der Einigung mit Rücksicht auf die Teile oder Kräfte der menschlichen Matur.65

Quaestio 6. Die Ordnung im „Annehmen“ der menschlichen Natur und ihrer Teile.72

Quaestio 7. Über die Gnade Christi als eines einzelnen Menschen.81

Quaestio 8. Die Gnade Christi als des Hauptes der Kirche.98

Quaestio 9. Über das Wissen Christi im allgemeinen.109

Quaestio 10.116

Quaestio 11. Über das eingegossene Wissen Christi.124

Quaestio 12. Über die von Christo erworbene Wissenschaft.131

Quaestio 13. Die Macht der Seele Christi.136

Quaestio 14. Über die Mängel am Körper, die der Sohn Gottes angenommen.143

Quaestio 15. Über die Mängel der Seele, die der Herr angenommen hat.149

Quaestio 16. Über der Einigung Folgende mit Rücksicht auf das, was Christo dem Sein und dem Werden nach zukommt.162

Quaestio 17. Nun ist zu handeln über die Einheit Christi im Sein, im Wollen, im Wirken.180

Quaestio 18. Über die Einheit in Christo rücksichtlich des Willens.186

Quaestio 19. Über die Einheit im Tätigsein Christi.195

Quaestio 20.203

Quaestio 21. Über das Gebet Christi.207

Quaestio 22. Über das Priestertum Christi.213

Quaestio 23. Über die Adoptivkindschaft Christi.221

Quaestio 24. Über die Vorherbestimmung Christi.226

Quaestio 25. Über die Anbetung Christi.231

Quaestio 26. Über Christum, den Mittler zwischen Gott und den Menschen.239

Quaestio 27. Über die Heiligung der seligsten Jungfrau Maria.242

Quaestio 28. Über die Jungfrauschaft Marias.254

Quaestio 29. Über die Verlobung der Mutter Gottes.263

Quaestio 30. Mariä Verkündigung.268

Quaestio 31.274

Quaestio 32. Über die Empfängnis Christi mit Rücksicht auf das wirksam tätige Prinzip.291

Quaestio 33. Über die Art und Weise und die Ordnung bei der Empfängnis.299

Quaestio 34. Von der Vollendung der empfangenen Frucht.305

Quaestio 35. Über die Geburt Christi.310

Quaestio 36. Über das Offenbarwerden des neugeborenen Heilandes.321

Quaestio 37. Über Christi Beschneidung und die Erfüllung der Gesetzesvorschriften.335

Quaestio 38. Über die Taufe des heiligen Johannes im allgemeinen.341

Quaestio 39. Über die Taufe Christi durch Johannes.349

Quaestio 40. Über das gewöhnliche tägliche Leben Christi.362

Quaestio 41. Über die Versuchung Christi.369

Quaestio 42. Über die Lehre Chrristi.377

Quaestio 43. Über die Wunder Christi im allgemeinen.384

Quaestio 44. Über die einzelnen Gattungen der Wunder Christi.390

Quaestio 45. Über die Verklärung Christi.401

Quaestio 46. Über das Leiden Christi.407

Quaestio 47. Über die wirkende Ursache im Leiden Christi.427

Quaestio 48. Über die Art und Weise wie Christi Leiden wirkte.435

Quaestio 49. Über die Wirkungen des Leidens Christi.442

Summa Theologica, Band 9

Bibliographische Angaben:

Summe der Theologie / Die katholische Wahrheit oder die theologische Summa des Thomas von Aquin deutsch wiedergegeben durch Ceslaus Maria Schneider. Verlagsanstalt von G. J. Manz, Regensburg 1886-1892. [12 Bände] 1880

Vorwort des Herausgebers

Sehr geehrter Leser,

die "Summa Theologica" war in ihrer Gänze sicher das herausforderndste Werk innerhalb der Reihe "Die Schriften der Kirchenväter." Es gibt kaum eine Textvorlage, ganz speziell von dieser Schneider-Übersetzung, die diesen Begriff – "Vorlage" – verdient hätte.

Wir haben versucht, so viele Fehler wie möglich auszumerzen. Dennoch ist dieses Werk nicht perfekt, da ein komplettes Korrektorat schlicht nicht wirtschaftlich ist. Bitte sehen Sie uns nach, wenn Sie an der einen oder anderen Stelle über einen Fehler stolpern, insbesondere bei der Umsetzung von griechischen Buchstaben. Thomas von Aquinas war nicht perfekt, seine "Summa" mitnichten, wir sind es schon gar nicht. Wir glauben dennoch, dass das Preis-Leistungsverhältnis dieser Ausgabe stimmt und jeder interessierte Leser auf seine Kosten kommen wird.

Herzlich Grüße,

Ihr Jazzybee Verlag (Jürgen Beck)

3. Hauptteil. Der Weg zur Herrlichkeit.

Prooemium

Weil der Erlöser, unser Herr Jesus Christus, wie der Engel bezeugt, „sein Volk erretten will aus seinen Sünden und heil machen“ uns den Weg der Wahrheit gezeigt hat in Sich selber, auf dem wir kraft der Auferstehung zur Seligkeit des unsterblichen Lebens gelangen können; so ist es erfordert, dass wir, um unsere theologische Betrachtung zu vollenden, nachdem wir über den letzten Zweck des ganzen menschlichen Lebens, über die Tugenden und Laster gehandelt, nun über den Erlöser aller und über die Gnaden, die von Ihm aus auf das Menschengeschlecht sich ergießen, sprechen.

Zuerst nun handeln wir über den Erlöser selbst; 2. über die Sakramente, die zum Heile führen; 3. über den letzten Endzweck des unsterblichen Lebens, zu dem wir durch die Auferstehung gelangen.

Über den Erlöser selbst handeln wir, indem wir 1. über das Geheimnis der Menschwerdung sprechen, wonach für unser Heil Gott Mensch geworden ist; und 2. über das, was unser Erlöser, also der menschgewordene Gott, für uns getan und gelitten hat.

Erste Abhandlung. Der Erlöser.

Quaestio 1. Über die Zukömmlichkeit der Menschwerdung.

Erster Artikel. Es war zukömmlich, dass Gott Fleisch annahm.

a) Das Gegenteil wird behauptet. Denn:

I. Da Gott von Ewigkeit her das Wesen selber der Güte ist, so ist es das Beste, dass Er so ist, wie Er von Ewigkeit Sein hat. Von Ewigkeit aber war Gott nicht im Fleische. Also war es im höchsten Grade zukömmlich, dass Er nicht Fleisch annahm; somit war es nicht zukömmlich, dass Er Fleisch annahm.

II. Wenn, zwei Dinge eine unendliche Entfernung trennt, so werden sie unzukömmlicherweise verbunden; wie z. B. es schon unzukömmlich wäre, wenn jemand ein Bild malen wollte, in welchem mit dem Haupte eines Menschen der Rücken eines Pferdes verbunden sein würde. Gott aber und das Fleisch sind durch eine unendliche Entfernung voneinander getrennt; denn Gott ist im höchsten Grade einfach, das Fleisch und zumal das menschliche im höchsten Grade zusammengesetzt. Also war es unzukömmlich, dass Gott Fleisch annahm.

III. Der Körper ist in ähnlicher Weise geschieden vom höchsten Geiste wie die Bosheit von der höchsten Güte. Dass Gott aber, die höchste Güte, die Bosheit annähme, wäre durchaus unzukömmlich. Also ist es unzukömmlich, dass Gott Fleisch wird.

IV. Unzukömmlich ist es, dass, wer Großes überragt, in etwas Kleinem enthalten sei und dass, wer für große Dinge zu sorgen hat, mit Kleinigkeiten sich befasst. Gott aber trägt Sorge für das gesamte All und die ganze Welt reicht nicht hin, um Ihn zu umfassen. Also scheint es unzukömmlich, dass, wie Volusianus schreibt an Augustin (ep. 135. Inter op. Aug.), „im kleinen Körper eines Kindes verborgen sei, für den etwas Kleines ist das gesamte All; und so lange Zeit von seinen Sitzen fern bleibe der Weltregierer, damit Er die Vorsorge für die ganze Welt übertrage auf ein kleines Körperchen.“

Auf der anderen Seite erscheint es im höchsten Grade zukömmlich, dass durch das Sichtbare dargetan werde jenes Unsichtbare, was Gott eigen ist. Denn dazu ist nach Röm 1. die ganze Welt gemacht, „dass das Unsichtbare Gottes, durch das was gemacht ist verstanden, geschaut werde.“ Wie aber Damascenus sagt (3. de orth. fide 1 .), wird durch das Geheimnis der Menschwerdung dargetan zu gleicher Zeit und auf einmal die Güte und die Weisheit und die Gerechtigkeit und die Macht oder Kraft Gottes; und zwar „die Güte, weil Gott nicht verachtete die Schwächlichkeit dessen, was Er selbst gebildet; die Gerechtigkeit, weil Er, nachdem der Mensch überwunden war, nur durch einen Menschen wieder den Tyrannen besiegen ließ und nicht mit Gewalt den Menschen dem Tode entriss; die Weisheit, weil Gott für einen überaus mit Schwierigkeiten verknüpften Preis die geziemendste Weise fand, ihn zu bezahlen; die Macht oder seine unendliche Kraft, weil es nichts Größeres gibt, als dass Gott Mensch werde.“ Also war es zukömmlich, dass Gott Mensch wurde.

b) Ich antworte, einem jeden Wesen sei alles das zukömmlich, was zu seiner Natur im entsprechenden Verhältnisse steht; wie z. B. dem Menschen es zukömmlich ist, durch vernünftiges Schließen vom Einen zum Anderen vorzugehen; denn dies entspricht durchaus seiner Natur. Nun ist die Natur Gottes nichts Anderes wie das Wesen der Güte, nach Dionysius (1. de div. nom. ). Also steht dies im entsprechenden Verhältnisse zum höchsten Gute, dass dieses sich in der höchsten Weise dem Geschöpfe mitteilt. Und dies geschieht an erster Stelle dadurch, dass Gott „eine geschaffene Natur in der Weise mit Sich verbindet, dass eine einige Person werde aus dreien: dem Worte, der Seele und dem Fleische“ (13. de Trin. 17 ).

c) I. Die heilige Menschwerdung hat sich nicht in der Weise vollzogen, dass Gott irgendwie im Zustande oder in der Beschaffenheit seines Seins geändert worden ist, in dem Er von Ewigkeit her war. Vielmehr geschah dies so, dass Er in einer neuen Weise Sich mit der Kreatur vereinigte oder genauer diese zu Sich, zu einer neuen Art Einheit erhob; dies aber ist etwas Zukömmliches, dass die von Natur veränderliche Kreatur nicht immer in der nämlichen Weise sich verhält. Wie also die Kreatur begonnen hat, zu sein, nachdem sie vorher nicht war; so ward sie in durchaus zukömmlicher Weise mit Gott in der zweiten Person verbunden, da früher solche Art Einigung nicht bestand.

II Mit Gott vereinigt zu werden gemäß der Einigung in der Person war dem menschlichen Fleische nicht zukömmlich gemäß der Seinsbeschaffenheit seiner Natur; denn es ragte dies über die Bedeutung der Natur hervor. Gott aber war dies zukömmlich gemäß der unendlichen, über Alles hervorragenden Fülle seiner Güte, dass Er das menschliche Fleisch mit Sich vereinigte für das ewige Heil des Menschen.

III. Was auch immer für eine Seinsbeschaffenheit, welcher gemäß irgend eine Kreatur sich unterscheidet vom Schöpfer, es ist; sie rührt von der göttlichen Weisheit her und hat zum Zwecke die Güte Gottes. Denn auf Grund seiner Güte brachte Gott, der da ungeschaffen, unbeweglich und unkörperlich ist, hervor körperliche und der Bewegung unterliegende Kreaturen. Ebenso ist das Übel der Strafe ein Werk Gottes, das von der göttlichen Gerechtigkeit ausgeht und die Verherrlichung und Ehre Gottes zum Zwecke hat. Das Übel der Schuld aber wird dadurch begangen, dass man sich entfernt von der Kunst und dem Plane der göttlichen Weisheit und von der Ordnung der göttlichen Güte. Und danach konnte es Gott wohl zukömrnlich sein, zu Sich in persönlicher Einheit zu erheben eine geschaffene, körperliche, der Bewegung und Veränderlichkeit unterliegende und mit Strafen heimgesuchte Natur; nicht aber war es zukömmlich, dass Er das Übel der Schuld in die Gemeinschaft mit Sich annahm. IV. Darauf antwortet Augustin (ep. 136. ad Vous. ): „Nicht ist dies in der christlichen Glaubenslehre enthalten, als ob Gott so mit dem menschlichen Fleische sich vereinigt habe, dass Er darüber die Vorsorge für die Weltregierung daran gegeben oder verloren oder auf ein kleines Körperchen wie in gewisse Grenzen übertragen hätte; das hieße, nur wie ein Mensch meinen in rein menschlicher Weise, wonach man nichts als Körperliches sich vorstellen kann. . . Gott ist groß, nicht durch seinen Umfang, sondern durch seine Kraft. Daher ist die Größe seiner Kraft, selbst im engsten Raum, keinerlei Beengung zugänglich. Denn wenn schon das vorübergehende Wort eines Menschen von vielen gehört wird und ganz von jedem einzelnen; wie soll es dann unglaublich sein, dass das immer dauernde Wort Gottes zugleich ganz sei überall.“ Sonach folgt aus der Menschwerdung des göttlichen Wortes nichts Unzukömmliches.

Zweiter Artikel. Die Notwendigkeit der Menschwerdung zur Erneuerung und Wiederherstellung des Menschengeschlechtes.

a) Es bestand keine Notwendigkeit, dass Gottes Wort Fleisch annehme, damit das Menschengeschlecht erlöst werde. Denn:

I. Zum Worte Gottes, da es in aller Vollkommenheit Gott selber ist, trat keinerlei neue Kraft auf Grund der Menschwerdung hinzu. Hat also das fleischgewordene Wort Gott die menschliche Natur erlöst oder wiederhergestellt, so konnte es dies auch tun, ohne Fleisch anzunehmen.

II. Zur Wiederherstellung der menschlichen Natur scheint nichts Weiteres erfordert zu sein, wie dass der Mensch genugtue für die Sünde. Der Mensch aber konnte, so scheint es, genugtun für die Sünde; da Gott vom Menschen nicht mehr verlangen darf als dieser leisten kann. Und da Gott in höherem Maße dazu hinneigt, Barmherzigkeit zu üben als zu strafen; so muss Er, wie Er dem Menschen zur Strafe anrechnet den Akt der Sünde, ihm zum Verdienste anrechnen den gegenteiligen Akt. Also bedurfte es dafür nicht der Menschwerdung des göttlichen Wortes.

III. Zum Heile des Menschen ist in erster Linie erforderlich, dass Gott die gebührende Ehre erwiesen werde. Deshalb heißt es Mal 1.: „Wenn ich euer Vater bin, wo ist meine Ehre? Wenn ich der Herr bin, wo ist die Furcht vor mir?“ Aus dem Grunde aber verehren die Menschen in höherem Grade Gott, weil sie Ihn betrachten, soweit Er erhaben ist über Alles und fern von den Sinnen der Menschen, nach Ps 112.: „Erhaben über alle Völker ist der Herr; und über die Himmel hinaus ragt seine Herrlichkeit“ und gleich darauf: „Wer ist wie der Herr unser Gott?“ was zur Ehrfurcht vor Gott gehört. Also scheint es von der Natur des Menschen aus dem menschlichen Heile nicht zukömmlich zu sein, dass Gott uns ähnlich werde durch die Menschwerdung.

Auf der anderen Seite ist das, wodurch das Menschengeschlecht vom Verderben befreit wird, notwendig zum menschlichen Heile. So beschaffen aber ist das Geheimnis der Menschwerdung, nach Joh 3.: „So hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen Eingebornen Sohn dahingab, damit Keiner, der an Ihn glaubt, verloren gehe, sondern das ewige Leben besitze.“ Also war die Menschwerdung zum Heile des Menschen notwendig.

b) Ich antworte, um zu einem Zwecke zu gelangen, ist etwas in doppelter Weise notwendig: Einmal so, dass ohne dasselbe der Zweck nicht bestehen kann; wie die Speise notwendig ist zur Erhaltung des menschlichen Lebens; — dann so, dass damit besser und entsprechender der Zweck besteht; wie ein Pferd notwendig ist für die Reise. In der erstgenannten Weise war die heilige Menschwerdung keine Notwendigkeit für das Heil der menschlichen Natur. Denn Gott konnte auf Grund seiner allgewaltigen Kraft vielfach andere Art und Weisen finden, um die menschliche Natur wiederherzustellen. In der zweitgenannten Weise aber war es notwendig, dass Gott Fleisch annahm, um die menschliche Natur wiederherzustellen. Deshalb sagt Augustin (13. de Trin. 10 ).): „Zeigen wir jedoch nun, dass wohl eine andere Weise, den Menschen zu erlösen, für Gott möglich war, dessen allwaltender Kraft Alles gleichermaßen unterliegt; aber um unser Elend zu heilen, gab es keine zukömmlichere Art und Weise.“

Und dies kann erwogen werden: 1. Mit Rücksicht auf den Fortschritt des Menschen im Guten; und zwar mit Rücksicht auf den Glauben, welcher dadurch zuverlässiger wird, dass der Mensch Gott selber glaubt, der zu ihm spricht, wie Augustin sagt (11. de civ. Dei 2. ): „Damit der Mensch mit mehr Zutrauen gemäß der Wahrheit wandle, hat die ewige Wahrheit selber, der menschgewordene Sohn Gottes, den Glauben festgestellt und begründet;“ — b) mit Rücksicht auf die Hoffnung, nach Augustin (13. de Trin. I. c. ): „Nichts war so notwendig, um unsere Hoffnung auszurichten, als dass uns dargetan würde, wie sehr uns Gott liebe. Welches Zeichen kann aber offenbarer diese Liebe ausdrücken als dass der Sohn Gottes selber in die engste Gemeinschaft mit unserer Natur treten wollte;“ — c) mit Rücksicht auf die Liebe, welche durch dieses Geheimnis im höchsten Grade geweckt wird, so dass Augustin (de catechiz. rudib. 4 .) sagt: „Wo wäre eine höhere Ursache für die Ankunft des Herrn zu finden als darin, dass Gott zeigen wollte seine Liebe zu uns unter uns selber. . . Wenn es also verdrießt zu lieben, so verdrieße es wenigstens nicht, Gegenliebe zu beweisen;“ — d) mit Rücksicht aus das gute, zweckgemäße Wirken, worin der Erlöser uns Beispiel ward; wonach Augustin sagt (serm. 22. de Temp.): „Man sollte dem Menschen nicht folgen, den man sah; man sollte Gott folgen, den man nicht sah. Damit also dem Menschen vorgestellt werde wer gesehen werden könnte vom Menschen und dem der Mensch folgen dürfte, ist Gott Mensch geworden;“ — e) mit Rücksicht auf die volle Teilnahme an der Gottheit, worin der letzte Endzweck des menschlichen Lebens besteht; und diese Teilnahme ist uns geworden durch die Menschheit Christi. Denn Augustin sagt (serm. 13. de Temp.): „Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch Gott würde.“

2. Dies ist nützlich, um das Übel fernzuhalten. Denn a) wird durch dieses Geheimnis dahin unterrichtet, dass er nicht den Teufel sich selber vorziehe und ihn, der da als Urheber der Sünde dasteht, verehre. Daher sagt Augustin (13. de Trin. 17 ).): „Da nun in der Weise die menschliche Natur mit Gott verbunden ward, dass eine einige Person ausbeiden erstand, so sollen jene stolzen Geister es nicht wagen, sich dem Menschen voranzustellen, weil sie ohne Fleisch sind;“ — dann werden wir b) darüber belehrt, wie hoch die Würde der menschlichen Natur sei, so dass Augustin schreibt (de vera relig. c. 16.): „Gott hat gezeigt, einen wie hohen Platz unter den Kreaturen einnimmt die menschliche, dadurch dass Er den Menschen erschien als wahrer Mensch;“ und Leo der Große sagt (serm. 1. de nativ. ): „Erkenne an, o Christ, deine Würde; und Teilhaber geworden an der göttlichen Natur, wolle nicht vermittelst entarteter Sitten zu der alten Niedrigkeit zurückkehren;“ — es wird c), „um dem menschlichen Vermessen entgegenzutreten, die Gnade Gottes im Menschen Christus empfohlen, insoweit in uns keine Verdienste ihr vorhergehen“ (Aug. 13. de Trin. 17 ).); — kann „der menschliche Hochmut, welcher das größte Hindernis bildet, um Gott anzuhängen, durch so große Erniedrigung Gottes, als das was er ist gezeigt und geheilt werden“ (l. c.); — wird der Mensch befreit von der Knechtschaft der Sünde, was nach Augustin (13. de Trin. 13 ).) „so geschehen musste, dass der Teufel durch die Gerechtigkeit des Menschen Jesus Christus überwunden würde.“ Dies geschah dadurch, dass Christus für uns genugtat. Ein bloßer Mensch nämlich konnte nicht genugtun für das ganze Menschengeschlecht; Gott aber geziemte es nicht genugzutun. Also musste Jesus Christus zugleich Gott und Mensch sein. Deshalb sagt auch Leo der Große (l. c. ): „Von der Kraft wird die Schwäche getragen, von der Majestät die Niedrigkeit, von der Ewigkeit die Sterblichkeit; damit, wie dies sich als Heilmittel für uns geziemte, der eine und nämliche Mittler zwischen Gott und den Menschen sowohl sterben könnte infolge der menschlichen Schwäche als auch auferstehen infolge der göttlichen Majestät. Denn wäre Er nicht wahrer Gott, so würde Er kein Heilmittel uns bringen; wäre Er nicht wahrer Mensch, so böte Er kein Beispiel.“ Zudem bestehen noch überaus viele andere Nützlichkeiten, welche der heiligen Menschwerdung gefolgt sind über die Auffassung des menschlichen Sinnes hinaus.

c) I. Dieser Einwurf geht von der ersten Art des Notwendigen aus, was so beschaffen ist, dass ohnedem der Zweck nicht erreicht werden kann.

II. Es kann eine Genugtuung in zweifacher Weise als hinreichend bezeichnet werden: einmal in vollkommener Weise, insofern sie nämlich tatsächlich gleichkommt der begangenen Schuld. Und danach konnte die Genugtuung eines bloßen Menschen für die Sünde nicht hinreichend sein. Denn 1. war die ganze menschliche Natur durch die Sünde verdorben worden; und es konnte deshalb nicht das von einer einzelnen oder auch von mehreren Personen getane Gute in der Weise eines dem Umfange der Schuld gleichkommenden Wertes das Verderben der ganzen Natur heben. Sodann hat 2. die gegen Gott begangene Schuld eine gewisse Unendlichkeit auf Grund der Unermesslichkeit oder Unendlichkeit der göttlichen Majestät, die beleidigt worden; da um so schwerer die Beleidigung ist je höher derjenige steht, welchen man beleidigt hat. Deshalb musste, sollte anders die Genugtuung eine vollkommene sein, die Handlung des genugtuenden eine unendlich wirksame Kraft haben, nämlich als angehörend jemandem, der zugleich Mensch und Gott sei.

Dann kann eine Genugtuung als unvollkommen zureichend bezeichnet werden; wenn nämlich derjenige, dem gegenüber sie geleistet wird, damit sich zufrieden erklärt, wenn sie auch nicht gleichwertig ist; — und so konnte die Genugtuung eines bloßen Menschen hinreichend sein. Weil aber alles Unvollkommene zur Voraussetzung hat als Quelle, woraus es fließt und wo es seine Stütze hat ein entsprechend Vollkommenes; so hat alle Genugtuung eines bloßen Menschen ihre Wirksamkeit von der Genugtuung Christi her.

III. Gott hat, da Er Fleisch annahm, keine Minderung in seiner Majestät erlitten. Also ist kein Grund vorhanden, dass die Ehrfurcht vor Ihm eine mindere werde. Vielmehr hat Er, da die Ehrfurcht vor Gott vermehrt wird durch die Kenntnis von Gott, die Gründe dieser Ehrfurcht vermehrt, als Er Fleisch annahm und so, uns näher geworden, mehr uns an Sich zog, um Ihn tiefer zu erkennen.

Dritter Artikel. Hätte der Mensch nicht gesündigt, so wäre Gott nicht Mensch geworden.

a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Bleibt die Ursache bestehen, so bleibt auch die Wirkung. „Vieles Andere aber ist,“ nach Augustin (13. Trin. 17. ) „als Grund zu denken bei der Menschwerdung Christi, abgesehen von der Befreiung von der Sünde.“ Hätte also der Mensch auch nicht gesündigt, so wäre trotzdem Gott Mensch geworden. II. Der Allmacht Gottes gehört es zu, dass Er seine Werke vollende und sich offenbare durch eine unendliche Wirkung. Da nun keine Kreatur, die ja immer in ihrem Wesen begrenzt ist, bezeichnet werden kann als unendliche Wirkung, sondern nur im Werke der Menschwerdung, durch welche zwei unendlich weit voneinander abstehende Naturen vereinigt werden, da in demselben Gott Mensch ist, in hervorragender Weise eine unendliche Wirkung der göttlichen Kraft vorliegt; da zumal durch dieses Werk im höchsten Grade vollendet wird das All der Geschöpfe, insoweit die letzte Kreatur, der Mensch nämlich oder das Fleisch, in Einheit tritt mit dem ersten Prinzip aller Dinge, nämlich mit Gott; — so scheint es, Gott hätte Fleisch angenommen, auch wenn Adam nicht gesündigt hätte. III. Die menschliche Natur ist aus Grund der Sünde nicht geeigneter oder bereitwilliger geworden für die Gnade. Nach der Sünde aber ist sie geeignet für die Gnade der persönlichen Einigung mit Gott, welche die größte Gnade ist. Hätte also der Mensch nicht gesündigt, so wäre die menschliche Natur jedenfalls geeignet gewesen für diese letztgenannte Gnade und Gott hätte der menschlichen Natur nicht das Gute entzogen, dessen sie fähig gewesen wäre. Also wäre Gott Mensch geworden, auch wenn der Mensch nicht gesündigt hätte. IV. Die Vorherbestimmung von seiten Gottes ist von Ewigkeit. Röm 1. aber heißt es von Christo: „Der vorherbestimmt ist als Sohn Gottes in der Kraft.“ Also bestand auch vor der Sünde die Notwendigkeit für die Menschwerdung, damit die Vorherbestimmung von seiten Gottes erfüllt werde. V. Das Geheimnis der Menschwerdung ist dem ersten Menschen geoffenbart worden, wie dies aus Gen 2. hervorgeht, wo Adam sagt: „Dies nun ist Bein von meinem Bein . . .“, was nach dem Apostel (Eph 5.) „ein großes Sakrament ist in Christo und in der Kirche.“ Der Mensch aber konnte ebenso wenig wie der Engel (nach Augustin 11. sup. Gen. ad litt. 18.) seinen zukünftigen Fall vorherwissen. Also wäre Gott Mensch geworden, auch abgesehen von der Sünde.

Auf der anderen Seite sagt Augustin (lib. de Verbis Dom. ad Luc. 19. venit filius hominis quaerere, serm. 36. 6. ult. et de verb. apost. serm 8. c. 2.): „Hätte der Mensch nicht gesündigt, so wäre der Menschensohn nicht gekommen.“ Und zu 1 Tim 1. (Christus venit in hunc mundum, ut pecatores salvos feceret) sagt die Glosse (Aug. de verb. apost. serm. 9.): „Keine Ursache bestand für Christum, um in die Welt zu kommen, außer damit Er die Sünder errette. Nimm die Krankheiten fort, entferne die Wunden; und keine Ursache besteht für die Medizin.“

b) Ich antworte, in diesem Punkte beständen verschiedene Meinungen. Manche nämlich sind der Ansicht, Gottes Sohn würde Fleisch angenommen haben, auch wenn der Mensch nicht gesündigt hätte. Andere aber sind der gegenteiligen Ansicht; und ihnen scheint in höherem Grade beigestimmt werden zu müssen. Denn Alles, was rein von dem guten Willen Gottes abhängt, ohne dass dafür ein irgend welches Erfordernis von seiten der Natur oder eine Schuld ihr gegenüber bestände, kann nur durch die Schrift uns bekannt werden, welche uns erkennen lässt den Willen Gottes. In der heiligen Schrift aber wird überall als Grund und Veranlassung der heiligen Menschwerdung einzig die Existenz der ersten Sünde des Menschen angegeben. Also wird mit vollem Grunde gesagt, das Werk der Menschwerdung sei von Gott ausgegangen, um das Heilmittel für die Sünde zu sein; so zwar dass, hätte der Mensch nicht gesündigt, Gott nicht Mensch geworden wäre. Freilich sollen damit der Macht Gottes keine Schranken gezogen werden; denn allerdings hätte Gott, auch abgesehen von der Existenz der Sünde, Mensch werden können. Es ist hier nur die Rede vom tatsächlich Offenbarten; und da behaupten wir: Gemäß den Quellen unserer Kenntnis wäre Gott nicht Mensch geworden, wenn die Sünde nicht existiert hätte.

c) I. Alle anderen angegebenen Ursachen (cf. Art. 2) für die Menschwerdung lassen sich zurückführen auf diese, dass sie Heilmittel für die Sünde sei. Denn hätte der Mensch nicht gesündigt, so würde ihn durchflossen haben das Licht der göttlichen Weisheit und er wäre vervollkommnet gewesen durch die Geradheit der Urgerechtigkeit; und demgemäß würde er alles ihm Notwendige erkannt und gewirkt haben. Weil aber der Mensch, nachdem er Gott verlassen, zum Körperlichen hinabgefallen war, so war es zweckdienlich, dass Gott vermittelst der Annahme der Menschnatur und somit des Fleisches durch Körperliches ihm das Heilmittel für die Erreichung der Seligkeit böte. Deshalb sagt Augustin (ad Joh 1. Verbum caro, tract. 2. ): „Das Fleisch hatte dich verblendet, das Fleisch heilt dich; denn Christus kam in der Weise, dass Er die Sünden, die mit Hilfe des Fleisches begangen worden, zerstöre.“ II. Bereits durch die Hervorbringung der Dinge aus Nichts wird die Unendlichkeit der göttlichen Macht gezeigt. Und zur Vollendung des All genügt es ebenso, dass in natürlicher Weise die Kreatur zu Gott bezogen werde als auf den letzten Zweck. Die Einigung der Kreatur mit Gott in der Person aber überragt die Grenzen der Vollendung, wie die Natur sie verlangen kann. III. Eine doppelte Fähigkeit kann in der Natur unterschieden werden: Die eine ist nach der Ordnung der natürlichen Vermögen; und dieser wird von Gott immer genuggetan, der jedem Dinge gibt gemäß der demselben von Natur eigenen Fähigkeit. Die andere richtet sich nach der Ordnung der göttlichen Macht, welcher jede Kreatur auf den Wink, ohne Verzug, gehorcht; und dazu gehört die hier berührte Fähigkeit. Einer solchen Fähigkeit nun der Natur tut Gott nicht immer genug; sonst könnte Gott in der Natur nichts Anderes tun wie das, was Er eben tut; was falsch ist, nach I. Kap. 105, Art. 6. Nichts aber steht dem entgegen, dass nach der Sünde die menschliche Natur zu einem größeren Gute gelangt sei; denn Gott lässt zu, dass Übles geschehe, damit Er daraus etwas Besseres erstehen lasse, nach Röm 5.: „Wo überfloss die Sünde, da floss auch über die Gnade.“ Demgemäß wird auch beim Segen der Osterkerze gesagt: „O glückliche Schuld, welche die Ursache war, dass wir einen so guten und so großen Erlöser haben.“ IV. Die Vorherbestimmung hat zur Voraussetzung das Vorherwissen. Wie also Gott das Heil jemandes so vorherbestimmt, dass es durch die Gebete anderer erlangt werde; so hat Er auch die Menschwerdung vorausbestimmt als Heilmittel gegen die menschliche Sünde. V. Es kann jemandem ganz wohl eine Wirkung vorher bekannt gemacht werden, ohne dass ihm damit zugleich die Ursache davon kundgegeben wird. Dem ersten Menschen also konnte offenbart werden das Geheimnis der Menschwerdung, ohne dass er seinen Fall vorauswusste. Denn nicht immer weiß jener, der eine Wirkung voraus weiß, auch davon die Ursache.

Vierter Artikel. Die Menschwerdung Christi war in hervorragenderem Grade darauf gerichtet, die Erbsünde hinwegzunehmen wie die persönliche, aktuelle Sünde.

a) Die Menschwerdung ist vielmehr ein Heilmittel gegen die persönlichen Sünden wie gegen die Erbsünde. Denn: I. Je schwerer eine Sünde ist, desto mehr richtet sie sich gegen das Heil des Menschen. „Die geringste Strafe aber ist der Erbsünde geschuldet,“ sagt Augustin (cont. Julian. 5, 11. ). Also ist die Erbsünde geringer wie die persönliche und bedarf somit weniger des Heilmittels der Menschwerdung. II. Nur die Strafe des Verlustes (poena damni), nicht die Strafe der Pein (sensus) ist der Erbsünde geschuldet (nach I., II. Kap. 87, Art. 5 ad II.; vgl. II. dist. 33. q. 2. art. 1.). Christus aber erlitt, um für die Sünder genugzutun, die Strafe der Pein am Kreuze; und nicht die Strafe des Verlustes, da Er immer der Anschauung Gottes genoss. Also kam Er mehr, um die aktuellen, persönlichen Sünden zu tilgen wie die Erbsünde. III. Nach Chrysostomus (2. de compunct. cordis 5.) „ist dies das Zeichen der Zuneigung eines treuen Dieners, dass er die Wohltaten von seiten seines Herrn, die gemeinsam allen gegeben worden, so ansieht, als ob sie ihm allein verliehen wären.“ Denn wie von sich allein spricht Paulus (Gal 2.): „Er hat mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben.“ Die aktuellen Sünden aber sind unsere eigenen persönlichen, während die Erbsünde in allen die nämliche, gleiche ist. Also müssen wir in der Weise Zuneigung haben zum Herrn, dass wir erachten, Er sei in erster Linie wegen unserer aktuellen, persönlichen Sünden gestorben.

Auf der anderen Seite heißt es bei Joh 1.: „Siehe das Lamm Gottes, das da hinwegnimmt die Sünde der Welt,“ wozu Beda (him. in octavam Epiph.) bemerkt: „Das heißt die Erbsünde, welche gemeinsam ist der ganzen Welt.“

b) Ich antworte; dies steht vor Allem fest, dass Christus in die Welt gekommen ist, nicht nur um die Erbsünde, sondern um alle anderen Sünden ebenfalls zu tilgen, welche nachher hinzugefügt worden sind. Nicht freilich als ob wirklich alle getilgt würden, was vom Mangel in den Menschen herkommt, nach Joh 3.: „Das Licht ist in die Welt gekommen; und die Menschen liebten mehr die Finsternisse wie das Licht;“ — sondern vielmehr weil Christus darbot das, was genügend war für die Tilgung aller Sünden. Deshalb heißt es Röm 5.: „Nicht wie die Sünde, so die Gabe . . .; denn das Gericht ging von der einen Sünde über in alle zu deren Verderben; die Gnade aber rechtfertigt trotz vieler Sünden.“ Jedoch kam der Herr in dem Sinne vorzugsweise in die Welt wegen der Tilgung einer Sünde, insofern jene Sünde als eine größere dasteht. Größer nun wird etwas genannt in doppelter Weise: einmal gemäß der größeren Anspannung, intensive, wie jene Weiße größer ist, die mehr von der weißen Farbe hat; und danach ist die persönliche, aktuelle Sünde größer, denn sie nimmt mehr teil am Freiwilligen (I., II. Kap. 81, Art. 1.); — dann gemäß der größeren Ausdehnung, extensive, wie eine größere Weiße jene ist, die auf einer umfangreicheren Oberfläche sich findet; und danach ist die Erbsünde, welche sich auf das ganze menschliche Geschlecht ausdehnt, größer wie jede aktuelle oder persönliche Sünde, die nur der einzelnen Person angehört. Und mit Rücksicht darauf kam Christus vorzugsweise, um die Erbsünde zu tilgen, insoweit „das Beste der Gesamtheit höher steht und Gott näher ist wie das Beste eines einzelnen,“ nach 1 Ethic. 2 .

c) I. Dieser Einwurf geht von der erstgenannten Art Größe der Sünde aus. II. Allerdings gebührt der Erbsünde, soweit es auf das künftige Leben ankommt, nicht die Strafe der Pein, die poena sensus. Die Übel aber, an denen wir in diesem Leben in sinnlich empfindlicher Weise leiden, wie Hunger, Durst, Krankheit, Tod u. dgl. haben in der Erbsünde ihre Quelle. Um also voll ausreichend genugzutun für die Erbsünde, wollte der Herr in seinem Körper leiden; damit Er den Tod und Ähnliches in Sich selber aufzehre. III. „Jene Worte,“ so antwortet Chrysostomus (1. c. 7.), „sprach der Apostel; nicht als ob Er einschränken wollte die überaus umfangreichen und über die ganze Erde sich ergießenden Gaben Christi, sondern damit er sich an die Stelle aller setze als zugänglich denselben. Denn was liegt daran, dass, was Christus dir gegeben, Er auch allen verliehen, wenn das, was Er dir gegeben, so vollständig, so vollendet ist, als ob es dir allein verliehen worden wäre?“ Dass also jemand die Gaben Christi als seiner eigenen Person gegeben betrachtet; dies schließt nicht aus, dass dieselben nicht auch den anderen verliehen worden sind. Und demnach besteht darin kein Widerspruch mit der Tatsache, dass Christus hauptsächlich gekommen ist, um die Erbsünde zu tilgen und weniger wegen der Sünden einer einzelnen Person. Jene Natursünde aber ist in so vollkommener Weise in einem jeden geheilt worden, als ob sie in ihm allein getilgt worden wäre. Auf Grund der Einheit in der Liebe also muss ein jeder das wie sich allein gegeben betrachten, was allen zu teil geworden ist.

Fünfter Artikel. Es war nicht zukömmlich, dass Gott vom Beginne der Welt an Fleisch annehme.

a) Das Gegenteil geht aus folgenden Gründen hervor: I. Das Werk der Menschwerdung ging hervor aus der Unermesslichkeit der göttlichen Liebe, nach Eph 2.: „Weil Gott reich ist an Barmherzigkeit, hat Er auf Grund seiner überaus großen Liebe, mit der Er uns liebte, da wir tot waren wegen unserer Sünden, uns belebt in Christo.“ Die Liebe aber gestattet kein Zögern im Gewähren des Beistandes dem Freunde gegenüber, nach Spr 3.: „Sage nicht zu deinem Freunde: Gehe von hinnen und komme morgen zurück, da werde ich dir geben; so du doch alsbald geben kannst.“ Also durfte Gott nicht zögern mit dem Werke der Menschwerdung; sondern gleich im Beginne musste Er dem Menschengeschlechts beistehen. II. Nach 1 Tim 1. „kam Christus in die Welt, um die Sünder zu retten.“ Mehrere aber würden gerettet worden sein, wenn Er gleich im Beginne gekommen wäre; da viele im Verlaufe der Jahrhunderte zu Grunde gegangen sind, weil sie Gott nicht kannten. Also wäre es zukömmlicher gewesen, wenn Gott gleich im Beginne Fleisch angenommen hätte. III. Das Werk der Gnade ist nicht minder geregelt wie das der Natur. Die Natur aber nimmt immer ihren Anfang vom Vollkommenen her, wie Boetius sagt (3. de consol. prosa 10.). Also musste das Werk der Gnade im Beginne vollkommen sein. Nun enthält das Werk der Menschwerdung die Vollendung der Gnade, nach Joh. I.: „Das Wort ist Fleisch geworden … voll der Gnade und der Wahrheit.“ Also musste Gott von Anfang an Fleisch annehmen.

Auf der anderen Seite heißt es Gal 4.: „Aber als die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn,“ wozu die Glosse des Ambrosius bemerkt: „Die Fülle der Zeit ist jene Zeit, welche vom Vater vorausbestimmt war, dass Er da seinen Sohn senden wolle.“ Gott aber hat Alles in seiner Weisheit vorausbestimmt. Also zu der Zeit, die am zukömmlichsten war, ist Gott Mensch geworden; und demnach war es nicht zukömmlich, dass Gott vom Beginne des Menschengeschlechts an Fleisch annahm.

b) Ich antworte; da das Werk der Menschwerdung an erster Stelle zum Zwecke hat die Wiedererneuerung der menschlichen Natur vermittelst der Tilgung der Sünde, so war es offenbar von vornherein nicht zukömmlich, dass Gott Fleisch annahm vor der Sünde im Beginne des Menschengeschlechts; denn nur denen, die krank sind, wird Medizin gegeben. Deshalb sagt der Herr selbst: „Nicht die gesunden bedürfen des Arztes, sondern die kranken; denn nicht bin ich gekommen, die gerechten zu rufen, sondern die Sünder“ (Mt 9.). Aber auch nicht gleich nach der Sünde war es zukömmlich, dass Gott Fleisch annahm. Und zwar: 1. auf Grund der Beschaffenheit der menschlichen Sünde, welche aus dem Hochmute entstanden war, so dass in der Weise der Mensch befreit werden musste dass er wohl erkenne, wie er eines Retters und Befreiers bedürfe. Darum sagt zu Gal 3. (Ordinata per angelos) die Glosse: „Tief war der Ratschluss Gottes, durch den es geschehen ist, dass nach dem Falle des Menschen nicht allso gleich Gottes Sohn gesandt wurde.“ Denn Gott überließ den Menschen zuerst der Freiheit seines Willens im Bereiche des Naturrechts, damit er so die Kräfte seiner Natur erkenne. Als er immer schwächer wurde, erhielt er das Gesetz Mosis, unter welchem noch schwerer wurde die Krankheit; nicht als ob das Gesetz fehlerhaft gewesen wäre, sondern wegen der Schwäche der Natur, damit so der Mensch seine Ohnmacht allseitig erkenne und nach dem Arzte, nämlich nach dem Beistände der göttlichen Gnade, rufe. 2. Auf Grund der Ordnung im Fortschreiten zum Guten hin. Denn danach gelangt man vom Unvollkommenen zum Vollkommenen; wie der Apostel sagt (1 Kor 15.): „Nicht zuerst das, was geistig ist; sondern was dem Sinne entspricht und darauf das, was geistig ist. Der erste Mensch aus Erde, ein irdischer; der zweite Mensch vom Himmel, ein himmlischer.“ 3. Auf Grund der Würde des fleischgewordenen Wortes; wonach Augustin sagt (tract. 31. in Joan. ad Gal 4. At ubi venit): „Je höher der Richter steht, der da kommt, eine um so längere Reihe von Herolden geht ihm vorher.“ 4. Damit die Wärme des Glaubens während der zu großen Länge der Zeit nach der Menschwerdung nicht lau werde; denn am Ende der Welt wird erkalten die Liebe vieler. Deshalb heißt es Lk 18.: „Wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, Er werde Glauben finden auf Erden.“

c) I. Die Liebe schiebt es nicht auf, dem Freunde zu helfen; jedoch immer vorausgesetzt die gute Gelegenheit und die Beschaffenheit der betreffenden Person. Denn wollte der Arzt gleich im Beginne der Krankheit das stärkste Heilmittel geben, so würde er dem kranken schaden anstatt ihm zu helfen. Der Herr also hat das Heilmittel nicht gleich im Beginne dem menschlichen Geschlechte gegeben, damit es dasselbe nicht aus Hochmut verachte, ehe es nämlich seine Krankheit erkannte. II. Darauf antwortet Augustin (ep. 102. , de 6. quaest. paganor.): „Zu jener Zeit und dort wollte Christus den Menschen erscheinen und seine Lehre predigen lassen, zu welcher Zeit und wo Er wusste, dass man an Ihn glauben würde. Denn Er wusste vorher, dass zu jenen Zeiten und an jenen Orten, in welchen sein Evangelium nicht gepredigt worden ist, alle bei dieser Predigt so sein würden, wie, wenn nicht alle so doch viele, bei seiner körperlichen Gegenwart waren, die noch nicht an Ihn glauben wollten, trotzdem Er bereits von den toten auferstanden war.“ Jedoch missbilligt er (in de persev. c. 9. ) diese Meinung und schreibt: „Oder können wir sagen, die Tyrier und Sidonier hätten nicht glauben wollen, wenn solche Wunder wie vor den Juden bei ihnen gewirkt worden wären; da Gott selbst bezeugt, sie hätten in aller Demut Buße gewirkt, wenn solche Zeichen und Wunder bei ihnen geschehen wären? Deshalb (c. 11. ) muss man mit dem Apostel (Röm 9.) vielmehr sagen: Nicht dem wollenden und nicht dem laufenden, sondern dem erbarmenden Gotte gebührt alle Ehre. Denen, die Er voraussah, dass sie seinen Wundern, wenn sie bei ihnen geschähen, glauben würden, kam Er zu Hilfe, welchen Er wollte; — anderen aber kam Er nicht zu Hilfe, über welche Er in seiner Vorherbestimmung, geheimnisvoll zwar aber immer gerecht, einen anderen Ratschluss gefasst hatte. Also glauben wir an seine Barmherzigkeit in denen, die gerettet werden; und an seine Wahrheit in denen, die gestraft werden, ohne im geringsten einen Zweifel zuzulassen.“ III. In Ein und demselben ist immer das Unvollendete früher wie das Vollendete der Zeit nach, obgleich es der Absicht oder der Natur nach später ist. In den verschiedenen Dingen aber ist das Vollendete der Zeit und der Natur nach früher wie das Unvollendete, da ja letzteres durch etwas, was vollendet ist, zur Vollendung geführt werden muss. Der Unvollendung der menschlichen Natur also geht voraus in Gott, der dem Wesen nach von ihr verschieden ist, die ewige Vollendung. Es folgt aber dieser Unvollendung innerhalb der menschlichen Natur selber deren letzte Vollendung in der Einigung mit Gott.

Sechster Artikel. Die Menschwerdung durfte nicht verschoben werden bis zum Ende der Welt.

a) Dies scheint aber. Denn: I. Ps 91. heißt es: „Mein Greisenalter,“ d. i. nach der Glosse Augustins zu diesen Worten, mein Letztes „in reicher Barmherzigkeit“. Die Zeit der Menschwerdung aber ist im höchsten Grade die Zeit der Barmherzigkeit, nach Ps 101.: „Denn es kam die Zeit, dass Er Sich erbarmte.“ Also musste die Menschwerdung verschoben werden bis zum Ende der Welt. II. Was vollendet ist, das ist in Ein und demselben, wie eben (Art. 5.) gesagt, der Zeit nach später. Nun ist die höchste Vollendung der menschlichen Natur ihre Einigung mit dem Worte, weil „in Christo alle Fülle der Gottheit wohnen wollte“ (Kol 1.). Also musste sie der Zeit nach am spätesten sein. III. Besser geschieht auf einmal, was so geschehen kann, als dass es geteilt wird. Die einige Ankunft Christi aber hätte genügt zur Vollendung der Menschheit, wie solche Vollendung am Ende der Welt sein wird. Also brauchte nicht vor dem Ende der Welt die Menschwerdung stattzufinden.

Auf der anderen Seite heißt es (Habak. 3.): „In der Mitte der Zeiten wirst Du offenbarmachen.“ Also durfte das Mittel dieser Offenbarung, die Menschwerdung, nicht bis an das Ende der Zeiten verschoben werden.

b) Ich antworte: Dass, sowie es nicht zukömmlich war, dass Gott im Beginne der Welt Fleisch annahm, ebenso wenig dies der Fall ist mit der Annahme, er hätte dies am Ende der Welt tun sollen, erhellt 1. aus der Einigung selber der göttlichen und menschlichen Natur. Denn sowie in Ein und demselben das Unvollendete früher ist wie das Vollendete; so ist, wenn von dem die Rede ist, was im Anderen die Vollendung verursacht, mit Rücksicht darauf das Vollendete früher wie das Unvollendete. Sowie also, kommt allein die menschliche Natur als Ein und dasselbe in Betracht, die durch die Menschwerdung zur höchsten Vollendung gelangt ist, es zukömmlich war, dass das Unvollendete vorherging dem Vollendeten, und deshalb die Menschwerdung nicht im Beginne der menschlichen Natur statthatte; — so ist es

Auf der anderen Seite zukömmlich, dass die Menschwerdung als wirkende Ursache für die Vollendung der menschlichen Natur, nach Joh 1.: „von seiner Fülle haben wir alle empfangen,“ nicht verschoben ward bis zum Ende der Welt. Vielmehr wird am Ende der Welt sein die Vollendung der Herrlichkeit, wozu durch das fleischgewordene Wort die menschliche Natur hingeleitet werden soll. Es erhellt das Nämliche 2. aus der Wirkung des menschlichen Heiles. Denn, heißt es bei Augustin (de Qq. vet. et nov. Test. q. 83.), „es steht dies beim gebenden, wann und in welchem Umfange er sich erbarmen will. Er kam also, wann Er wusste, dass nun der Beistand notwendig sei und dass die Wohltat angenehm sein werde. Als nämlich wie auf Grund einer Krankheit im menschlichen Geschlechte die Kenntnis Gottes unter den Menschen abzunehmen anfing und die Sitten sich verkehrten, hat Gott sich gewürdigt, den Abraham auszuwählen, in welchem die Form und Richtschnur sich finden sollte für die erneuerte Kenntnis Gottes und für die Sittlichkeit. Und als noch mehr die Verehrung Gottes nachließ, gab Er durch Moses sein Gesetz. Und weil die Völker dasselbe verachteten und auch jene, die es empfangen hatten, dasselbe nicht beobachteten, sandte Er, von Barmherzigkeit angetrieben, seinen Sohn, damit dieser den Nachlass der Sünden allen gewähre und sie gerechtfertigt Gott dem Vater darbringe.“ Würde aber dieses Heilmittel verschoben worden sein bis an das Ende der Welt, so würde die gute Sitte und die Kenntnis Gottes ganz und gar, zugleich mit der Ehrfurcht vor Gott, auf Erden verschwunden sein. Dasselbe erhellt 3. aus dem Offenbarwerden der göttlichen Macht, welche in mehrfacher Weise den Menschen errettete; sowohl nämlich durch den Glauben an den kommenden Erlöser wie durch den Glauben an den gegenwärtigen und den an den gekommen seienden.

c) I. Jene Glosse spricht von der Vollendung der Herrlichkeit. Soll sie aber auf die Barmherzigkeit bezogen werden, welche dem Menschengeschlechte dargeboten ward durch die Menschwerdung Christi; so kann die Zeit der Menschwerdung (nach Aug. I. Retr. 26.) verglichen werden mit der Jugendzeit des Menschengeschlechts „wegen der Kraft und der Glut des Glaubens, der durch die Liebe tätig ist“; mit dem Greisenalter aber, welche die sechste Zeitepoche des menschlichen Lebens ist, wegen der Zahl der Zeitepochen, welche der Ankunft Christi, der in dem sechsten Zeitalter kam, vorangegangen sind. Nun kann wohl nicht im Körper zugleich Jugend- und Greisenalter sich zusammenfinden, jedoch ganz gut in der Seele: die Jugend nämlich aus Grund der geistigen Lebendigkeit, das Greisenalter auf Grund der reifen Überlegung. Deshalb sagt Augustin (I. c. q. 44.), dass „der göttliche Lehrmeister nicht zum Menschengeschlechte kommen musste außer zur Zeit der Jugend, damit durch seine Nachahmung es zu den besten Sitten herangebildet werde.“ Dagegen schreibt der nämliche heilige Lehrer an anderen Stellen (l. de Gen. cont. Maich. 23.), Christus sei im sechsten Zeitalter des Menschengeschlechts, in dessen Greisenalter also gleichsam, gekommen. II. Die Menschwerdung ist nicht der Abschluss der Vollendung vom Unvollendeten aus, sondern auch das wirkende Prineip von Vollendung im Menschengeschlechte; vgl. oben. III. Darauf antwortet Chrysostomus (hom. 27. sup. Joh 3. non misit Deus): „Zuerst kam Christus, damit Er die Sünden nachlasse; das zweite Mal wird Er kommen, damit Er richte die Welt. Denn hätte Er es nicht in dieser Weise gemacht, so würden alle verloren gegangen sein; da alle gesündigt haben und der Gnade Gottes bedürfen.“ Also durfte der Herr die Ankunft der Barmherzigkeit nicht verschieben bis zum Ende der Welt.

 

 

Quaestio 2.

 

Nun müssen wir betrachten die Art und Weise der Einigung im fleischgewordenen Worte und zwar: 1. mit Rücksicht auf die Einigung selber; 2. mit Rücksicht auf die annehmende Person; 3. mit Rücksicht auf die angenommene Natur.

 

Erster Artikel. Die Einigung im fleischgewordenen Worte hat sich nicht vollzogen in der Natur.

 

a) Es scheint, dass bloß eine Natur in Christo sei. Denn: I. Cyrillus sagt (conc. Chalced. part. 2. art. 1.): „Man darf nicht zwei Naturen hier annehmen, sondern die eine fleischgewordene Natur Gottes des Wortes.“ Also vollzieht sich die Einigung in der Natur. II. Nach Athanasius im Symbolum „ist Gott und Mensch der eine Christus, wie das Fleisch und die vernünftige Seele der eine Mensch ist.“ Letztere zwei Elemente aber bilden eine einige Natur; also ist dies auch der Fall mit der Einigung zwischen Gott und dem Menschen. III. Die eine von zwei Naturen wird nicht von der anderen aus benannt, wenn nicht in irgend einer Weise beide ineinander übergehen, eine also in die andere irgendwie verwandelt wird. Die göttliche und menschliche Natur aber in Christo werden voneinander benannt; wie Cyrillus spricht „von der göttlichen Natur, die Fleisch geworden sei“ und Gregor von Nazianz „von der menschlichen, die vergöttlicht worden“ (ep. 1. ad Cledonium), nach Damascenus (3. de orth. fide 6 .). Also wird aus der göttlichen und menschlichen Natur in Christo eine einige Natur.

Auf der anderen Seite wird im Konzil von Chalcedon gesagt: „Wir bekennen, dass in den letzten Tagen der Eingeborene Sohn Gottes erschienen sei in den zwei Naturen, der göttlichen und menschlichen, unvermischt, ungeändert, ungeteilt, untrennbar, so dass trotz der Einigung niemals der Unterschied der Naturen hinweggenommen worden ist.“ Also ist die Einigung nicht geschehen in den Naturen.

b) Ich antworte, zur Klarstellung dieses Punktes müsse man erwägen, was denn „Natur“ sei. Der Name „Natur“ also ist hergenommen vom Geborenwerden, vom Entstehen, nasci, natus. Demnach diente dieser Name zuerst, um die Erzeugung der lebenden Wesen zu bezeichnen (natura quasi nascitura). Sodann ist dieser selbe Name übertragen worden, um das Prinzip dieser Zeugung zu kennzeichnen. Und weil das Prinzip der Zeugung in den lebenden Wesen ein diesen innerliches ist, deshalb hat man diesen Namen noch genommen, um jegliches Prinzip der Bewegung zu bezeichnen, welches und soweit es dem betreffenden Dinge innerlich ist. Und danach sagt Aristoteles (2 Physic. ): „Die Natur ist das Prinzip der Bewegung in dem Dinge, wo sie ist, von sich aus und nicht auf Grund von etwas Äußerlichem“ (per se, et non seecundum accidens). Ein solches innerliches Prinzip aber ist der bestimmbare Stoff oder die bestimmende Form. Bisweilen also wird „Natur“ genannt die Form, bisweilen der Stoff. Und weil der Zweck oder der Abschluss der natürlichen Zeugung in dem ist, was erzeugt wird, nämlich das Wesen der Gattung, insoweit solches durch die Begriffsbestimmung ausgedrückt erscheint; — daher kommt es, dass solches Wesen der Gattung ebenfalls „Natur“ heißt. Und danach definiert Boetius (de duab. nat.) die Natur, wenn er sagt: „Die Natur in einem jeden Dinge ist das, was diesem Dinge vom Inneren aus die Form gibt vermittelst des Wesensunterschiedes der Gattung nach,“ wodurch nämlich die Begriffsbestimmung der Gattung vervollständigt wird. Und in dieser letzten Weise sprechen wir nun von der Natur, insofern „Natur“ nämlich ausdrückt das Wesen der Gattung, welches der Begriffsbestimmung entspricht. Wenn man nun in dieser Weise den Ausdruck „Natur“ auffasst, so ist es ganz unmöglich, dass die Einigung im fleischgewordenen Worte sich vollzogen habe in der Natur. Denn in dreifacher Weise wird aus zwei oder mehreren Elementen etwas Eines, eine Einheit, hergestellt: 1. so, dass die zwei Elemente, ein jedes vollständig, bestehen bleiben, wo dann die Form des Ganzen nur die Figur ist oder die Zusammenstellung oder eine gewisse Ordnung. So ergibt sich aus vielen Steinen, die ohne Ordnung bei einander liegen, als Ganzes, einfach aus dem Zusammensein, der Steinhaufe; sind aber Steine und Hölzer etc. gemäß einer gewissen Ordnung oder Figur miteinander verbunden, so entsteht als Ganzes das Haus. Und danach haben manche angenommen, dass so die Einigung sich vollzogen, nämlich in der Weise des Zusammenseins ohne Ordnung oder in der Weise der nach einer gewissen Ordnung und Abmessung bestehenden Zusammenstellung, wie dies bei einem Hause statthat. Doch dies kann nicht sein. Denn

ist ein solches ordnungsloses Zusammensein oder selbst die Ordnung und Figur selber nicht eine substantiale, d. h. innerlich die Substanz bestimmende Form, sondern eine akzidentale d. h. rein von außen hinzutretende; danach also wäre die Einigung der zwei Naturen in Christo nicht eine von innen kommende, eine selbständige, sondern eine von äußerer Gewalt her hinzutretende; sie wäre nicht per se sondern per accidens, was noch des weiteren im sechsten Artikel verworfen werden wird. Sodann fände sich

hier nur etwas Eines oder eine Einheit in gewisser Beziehung, nur unter Voraussetzung, und nicht etwas Eines schlechthin; denn es bleibt da immer dem tatsächlichen Sein nach eine Mehrheit; die Steine im Hause oder im Haufen bleiben Steine dem tatsächlichen Sein nach. Endlich ist

die Form solcher Dinge vielmehr Kunst wie Natur; und so entstände nicht eine einige Natur in Christo, wie diese ja wollen. 2. Ferner ergibt sich etwas Eines oder eine Einheit aus Elementen, die wohl jedes für sich vollendet sind, aber durch die Verbindung geändert werden; und so entsteht aus Elementen ein Ganzes als Mischung. Danach nun, meinten andere, sei die Einigung bei der Menschwerdung zu denken. Doch auch dies kann nicht sein. Denn

ist die göttliche Natur durchaus unveränderlich, so dass sie weder in Anderes übergehen kann, weil sie unvergänglich ist, noch in sie etwas übergehen kann, weil sie nicht entsteht oder erzeugt wird. Sodann ist

was als gemischt dasteht mit keinem der mischbaren Elemente ein und dasselbe der Gattung nach; Fleisch z. B. ist verschieden der Gattung nach von einem jeden der es zusammensetzenden Elemente. Und so wäre Christus in der Einigung weder der gleichen Natur mit dem Vater noch der gleichen Natur mit der Mutter. Endlich kann aus Elementen, welche sehr weit voneinander abstehen, keine Mischung erfolgen als ein Ganzes; denn die Gattung eines der beiden Elemente geht verloren, wie z. B. wenn jemand einen Tropfen Wasser in einen Krug Wein schüttet. Da also die göttliche Natur unendlich weit überragt die Natur des Menschen, so könnte da keine Mischung stattfinden, sondern die göttliche Natur würde allein zurückbleiben. 3. Endlich wird etwas Eines oder eine Einheit hergestellt durch Elemente, welche im Sein noch nicht bereits vollendet oder entsprechend verändert sind, die vielmehr in sich kein bestimmtes vollendetes Sein haben; wie aus Leib und Seele der Mensch entsteht oder aus den verschiedenen Gliedern der eine Körper. Aber auch dies kann beim Geheimnisse der Menschwerdung keine Geltung beanspruchen. Denn

ist jede von beiden Naturen, die göttliche und die menschliche, auf ihrer Gattungsstufe vollendet. Sodann können

beide Naturen nicht ein Ganzes Herstellen weder in der Weise von Teilen eines gewissen Umfanges, wie die Glieder den Leib herstellen, weil die göttliche Natur unkörperlich ist; — noch in der Weise von Stoff und Form, von Bestimmbarem und Bestimmendem, weil die göttliche Natur nicht bestimmende Wesensform sein kann, zumal nicht von etwas Körperlichem; die Folge wäre nämlich, dass die sich ergebende Gattung vielen mitteilbar sein würde und so mehrere Christus es gäbe. Endlich hätte Christus in diesem Falle weder die göttliche Natur noch die menschliche; denn jeder Wesensunterschied, der hinzugefügt wird, ändert die Gattung; der Mensch z. B. ist weder Geist noch Tier.

c) I. Jener Ausdruck Cyrills wird in der fünften Synode (Constant. II., generali. 5., collat. 8., can. 8.) folgendermaßen erklärt: „Wenn jemand von einer einigen fleischgewordenen Natur Gottes des Wortes spricht und dies nicht so auffasst, wie die Väter lehrten, dass nämlich aus der göttlichen und menschlichen Natur eine Einigung gemäß der Subsistenz oder Person sich vollzogen und in dieser Weise der eine Christus geworden ist; sondern er dies vielmehr so auffasst, dass aus Beidem eine einzige Natur hergestellt worden, und er demnach versucht, eine einzige Natur oder Substanz der Gottheit und des Fleisches Christi einzuführen; — der sei im Banne.“ Der Sinn dieser Ausdrucksweise Cyrills also geht nicht dahin, dass aus zwei Naturen in der Menschwerdung eine einige Natur hergestellt worden ist, sondern dass die Natur des göttlichen Wortes mit sich das Fleisch vereinigt hat in der Person. II. Aus Leib und Seele entsteht bei uns eine doppelte Einheit: die der Natur und die der Person. Eine Einheit der Natur entsteht, insoweit die Seele mit dem Körper verbunden wird als substantiell diesen zu einer einzigen Substanz oder Natur bestimmende und vollendende Wesensform; wie aus dem Bestimmbaren und Bestimmenden, aus Stoff und Form eine einzige Natur wird. Danach also besteht die erwähnte Ähnlichkeit nicht; denn, nach I., Kap. 3, Art. 8. kann die göttliche Natur nicht die Wesensform eines Körpers sein. Die Einheit in der Person aber ist vorhanden, insoweit einer existiert, der in Fleisch und Seele für sich besteht. Und danach wird die Ähnlichkeit berücksichtigt; denn der eine einige Christus besteht für sich in der göttlichen und menschlichen Natur. III. Wie Damascenus da schreibt, wird die göttliche Natur als fleischgewordene bezeichnet, weil sie der Person nach mit dem Fleische vereint ist; nicht weil sie in Fleisch verwandelt worden wäre. Ähnlich wird vom Fleische gesagt, es sei zu Gott geworden, weil es mit dem „Worte“ geeint worden; während die Eigenheiten beider Naturen die nämlichen blieben. Das Fleisch ist geworden das Fleisch Gottes des Wortes, nicht ist es in Gott verwandelt worden.

 

Zweiter Artikel. Die Einigung des „Wortes“ mit dem Fleische hat sich in der Person vollzogen.

 

a) Dem wird widersprochen. Denn: I. Die Person in Gott hat kein anderes Sein als die Natur Gottes, nach I. Kap. 3, Art. 3. Ist also die Einigung nicht in der Natur geschehen, so auch ebenso wenig in der Person. II. Die menschliche Natur in Christo hat nicht weniger Würde wie in uns. In uns aber schließt der Charakter der Person eine Würde der Natur in sich ein. Da also in uns die Natur eine eigene Persönlichkeit hat, muss sie eine solche auch um so mehr in Christo haben. III. Nach Boetius ist „die Person die einzeln bestehende Substanz der vernünftigen Natur“ (de duab. nat.). Das Wort Gottes hat aber eine einzeln bestehende menschliche Natur angenommen; denn „eine Natur im allgemeinen ist an sich betrachtet nicht fürsichbestehend, sondern einzig Gegenstand bloßer Betrachtung“ (Dam. 3. de ortlh. fide 11.). Also hat die menschliche Natur in Christo ihre eigene Persönlichkeit.

Auf der anderen Seite bestimmt das Konzil von Chalcedon: „Nicht dass Christus in zwei Personen geteilt sei, sondern den einen und nämlichen Eingeborenen Sohn, Gott, das Wort, bekennen wir als unseren Herrn Jesum Christum.“ Also ist die Einigung in der Person geschehen.

b) Ich antworte, „Person“ bezeichne etwas Anderes wie „Natur“. Denn „Natur“ bezeichnet das Gattungswesen, wie solches durch die Begriffsbestimmung oder Definition ausgedrückt wird. Träte nun zu solchem Gattungswesen nichts Weiteres hinzu, so bestände keinerlei Notwendigkeit, zu unterscheiden die Natur vom Suppositum der Natur d. h. von dem, was als Einzelnes in dieser Natur für sich besteht; denn es würde dann solches Einzeln-Fürsichbestehende ganz und gar zusammenfallen mit der Natur, wie sie das Gattungswesen vorstellt. Es trifft sich aber, dass in fürsichbestehenden Dingen sich Manches findet, was nicht zur Wesensgattung gehört und nicht in ihr eingeschlossen ist, wie die hinzutretenden Eigenschaften und die Prinzipien des Einzelseins; was im höchsten Grade erscheint bei den Dingen, die aus Stoff und Form zusammengesetzt sind. Und deshalb besteht dem tatsächlichen Sein nach ein Unterschied zwischen Natur und Einzelbestehen oder suppositum. Nicht als ob Beides ganz und gar voneinander getrennt wäre; aber das Einzelbestehen schließt in sich ein das Wesen der Gattung und noch dazu Manches, was zu diesem hinzugetreten ist und nicht in der Wesensgattung inbegriffen erscheint. Demgemäß bezeichnet man das Einzelbestehen oder suppositum als das Ganze, welches die Natur als den formal bestimmenden d. h. den Charakter der Wesensgattung vollendenden Teil seines Seins trägt. Und deshalb wird in dem stofflich Zusammengesetzten die Natur nicht ausgesagt vom Einzelbestehenden oder dem suppositum; wir sagen z. B. nicht, dass dieser Mensch seine Menschheit d. h. seine menschliche Natur sei. Besteht aber in einem Wesen, wie dies in Gott der Fall ist, durchaus nichts, was außerhalb der inneren Natur der Wesensgattung stände; so ist in einem solchen Sein kein Unterschied zwischen Natur und Fürsichbestehen oder suppositum, außer etwa nach der verschiedenen Auffassung. Denn man spricht dann von „Natur“, insoweit man die Wesenheit auffasst; von „Fürsichbestehen“ oder „suppositum“ aber, insoweit etwas in dieser Wesenheit einzeln für sich besteht. Was nun hier im allgemeinen vom „Einzelbestehen“ oder suppositum gesagt worden, das gilt auch insbesondere von der Person, soweit es die vernünftige Natur angeht (cf. Boetius de duab. nat.). Alles also, was einer einzelnen Person innewohnt, sei dies „Natur“ oder nicht, wird mit dieser eins in der Einheit der Person. Wird also die menschliche Natur mit dem Worte Gottes nicht eins in der Person, so wird sie mit Ihm in keiner Weise vereinigt; und damit würde durchaus das Geheimnis der Menschwerdung fallen, was nichts Anderes als den christlichen Glauben zerstören hieße. Da somit das göttliche Wort mit Sich verbunden hat die menschliche Natur, die Einheit aber nicht dasteht mit Rücksicht auf die Natur, so folgt, dass sie nur in der Person bestehen kann.

c) I. Allerdings ist dem tatsächlichen Sein nach in Gott dasselbe: Person und Natur. Ein Unterschied aber besteht gemäß der Weise der Auffassung oder Bezeichnung, wie oben gesagt, weil „Person“ sagen will: das Fürsichbestehende. Und weil die menschliche Natur so mit dem „Worte“ geeint ist, dass das „Wort“ in ihr für sich besteht; nicht aber dass zu ihr als Natur etwas hinzugefügt oder sie in etwas Anderes verwandelt wird; — deshalb ist die Einigung der menschlichen Natur mit dem Worte Gottes geschehen in der Person und nicht in der Natur; denn die menschliche Natur ist vollständig da. II. Der Charakter der Persönlichkeit schließt insoweit Würde in sich ein, als es eine Würde ist, fürsichzubestehen. Würdevoller aber ist es, dass etwas selbständig fürsichbesteht in etwas Würdevollerem oder Höherem und Selbständigerem als dass es aus sich allein heraus fürsichbesteht. Die menschliche Natur in Christo also hat mehr Würde, weil sie da fürsichbesteht in der Person des „Wortes“; in uns aber hat sie nur die eigene Persönlichkeit. So gehört auch das, was die Wesensgattung vervollständigend vollendet, zur Würde der Form; trotzdem aber ist das Sinnliche im Menschen höherstehend und würdevoller wegen der Verbindung mit einer höheren, würdigeren vollendenden Form, wie im vernunftlosen Tiere, wo es selber, das Sinnliche, vollendende oder bestimmende Form ist. III. Das Wort Gottes hat die menschliche Natur angenommen, „nicht als eine allgemeine, sondern als einzelne, in atomo, wie Damascenus sagt (l. c.). Sonst müsste es jedem Menschen zukommen, Gottes Wort zu sein, wie dies Christo zukommt. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass nicht jegliches Einzelbestehen oder individuum, auch nicht in der vernünftigen Natur, im Bereiche der Art „Substanz“ den Charakter der Person hat; sondern dies hat nur jenes Einzelbestehen, was fürsichbesteht, nicht aber jenes, was in etwas anderem Vollendeterem sein Bestehen hat. So ist die Hand des Sokrates wohl ein Einzelbestehen, ein individuum; aber sie ist nicht Person, weil sie in etwas Vollendeterem ihr Bestehen hat, nämlich im Ganzen, und nicht in sich selbst. Deshalb wird auch gesagt, die Person sei eine einzelne Substanz, substantia individua; denn die Hand ist keine vollständige Substanz, sondern Teil einer Substanz. Es ist also ganz wohl die menschliche Natur etwas Einzelnes im Bereiche der Art „Substanz“; weil sie aber nicht ein getrenntes Fürsichbestehen hat, sondern in etwas Vollendeterem, in der Person des „Wortes“ nämlich, fürsichbesteht; so folgt, dass sie keine eigene Persönlichkeit hat. Und sonach ist die Einigung gemacht in der Person.

 

Dritter Artikel. In Christo gibt es nur ein einziges Fürsichbestehen und das ist die Person des göttlichen Wortes.

 

a) Dem scheint entgegenzustehen: I. Augustin, der (Enchir. c. 35. ) schreibt: „Die göttliche und menschliche Substanz, beide sind ein und derselbe Sohn Gottes; etwas Anderes aber ist auf Grund des Wortes, etwas Anderes auf Grund des Menschen.“ Und Leo der Große (ad Flavianum): „Das Eine glänzt in Wundern, das Andere unterliegt den Beleidigungen.“ „Anderes“ aber und „Anderes“ sind unterschieden mit Rücksicht auf das Fürsichbestehen oder suppositum. Also ist die Einigung wohl geschehen in der Person, soweit diese das Fürsichbestehen des vernünftigen Teiles ist; aber außerdem gibt es noch ein weiteres Fürsichbestehen in Christo. II. „Fürsichbestehen“ oder suppositum besagt nichts Anderes als eine einzelnbestehende, besondere Substanz (Boetius, de duab. nat.). Ohne Zweifel aber ist in Christo, abgesehen vom Fürsichbestehen des „Wortes“, eine andere besondere Substanz, nämlich der Leib und die Seele und das aus beiden Zusammengesetzte. Also ist da außer dem ewigen Worte noch ein weiteres Prinzip des Fürsichbestehens. III. Das Fürsichbestehen, die hypostasis des „Wortes“, ist in keiner „Art“ und in keiner Gattung inbegriffen (I. Kap. 3, Art. 3.). Christus nun ist als Mensch enthalten und inbegriffen in der menschlichen Gattung; wie Dionysius (1. de div. nom. ) sagt: „Innerhalb der Grenzen unserer Natur kam Er, der alle mit der Natur gegebene Ordnung unendlich überragt.“ Nur aber insoweit Christus fürsichbesteht in der menschlichen Gattung, ist Er in dieser enthalten. Also ist in Christo noch ein weiteres Fürsichbestehen wie das des göttlichen Wortes.

Auf der anderen Seite schreibt Damascenus (3. de orth. fide 4 . et 5.): „Zwei Naturen anerkennen wir im Herrn Jesu Christo; aber nur ein Fürsichbestehen, nur eine hypostasis.“