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Kira erwacht an einem Ort, von dem sie nicht gedacht hätte, ihn so schnell zu betreten. Dort trifft sie auf eine der mächtigsten Frauen, die es in der Geschichte der Taliducz je gab. Diese verrät ihr nicht nur, dass ihre Begegnung vom Schicksal vorherbestimmt war, sondern lüftet auch ein Geheimnis über die Regentin, das der jungen Frau förmlich den Boden unter den Füßen wegreißt. Die Gefahr, die von der Tyrannin ausgeht, könnte jeden Moment über Talbrem hereinbrechen – und der Preis, um dies zu verhindern, übersteigt alles, was von Kira jemals gefordert wurde. Wird sie tatsächlich bereit sein, das Vermächtnis von Talbrem anzunehmen und diesen Weg bis zum Schluss zu gehen, wenn sie damit nicht nur ihr eigenes Glück aufgeben muss?
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Seitenzahl: 642
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Informationen zum Buch
Impressum
1 - Die Welt der Toten
2 - Die wahre Geschichte
3 - Ein ewiger Hass
4 - Die Sehnsucht
5 - Die Wiedervereinigung
6 - Unter den Lebenden
7 - Zu Hause
8 - Die Totengöttin
9 - Alte Zeiten genießen
10 - Nur wir beide
11 - Ein Morgen mit Sorgen
12 - Pläne schmieden
13 - Eine Liebe, die über den Tod hinaus geht
14 - Ein Gespräch unter Männern
15 - Der Hüter Eldorados
16 - Planänderung
17 - Familie ist alles
18 - Von alten Büchern und Geheimnissen
19 - Der Oberboss Henrik
20 - Die Wahrheit über die Brooks und Evensens
21 - Tafelkritzelei
22 - Dublin
23 - Das Comeback
24 - Sicherheit geht vor
25 - Da war doch noch was …
26 - Mad Shitday
27 - Warum man auf sein Bauchgefühl hören sollte
28 - Die Hinrichtung einer Göttin
29 - Talbrem gegen die Unsterblichkeit
30 - Eine Stadt in Trümmern
31 - Der Turm
32 - Zwei gegen zwei
33 - Antheas Geschichte
34 - Der Tali der endlosen Macht
35 - Der Abschied
36 - Die Zwischenwelt
37 - Erlösung
38 - Ein verständnisvoller Lauscher
39 - Harte Wochen
40 - Bis zum Schluss
41 - Das letzte Jahr
Epilog
Dank/Nachwort
J. K. Bloom
Das Vermächtnis von Talbrem
Band 4: Kalte Asche
Fantasy
Das Vermächtnis von Talbrem (Band 4): Kalte Asche
Kira erwacht an einem Ort, von dem sie nicht gedacht hätte, ihn so schnell zu betreten. Dort trifft sie auf eine der mächtigsten Frauen, die es in der Geschichte der Taliducz je gab. Diese verrät ihr nicht nur, dass ihre Begegnung vom Schicksal vorherbestimmt war, sondern lüftet auch ein Geheimnis über die Regentin, das der jungen Frau förmlich den Boden unter den Füßen wegreißt. Die Gefahr, die von der Tyrannin ausgeht, könnte jeden Moment über Talbrem hereinbrechen – und der Preis, um dies zu verhindern, übersteigt alles, was von Kira jemals gefordert wurde. Wird sie tatsächlich bereit sein, das Vermächtnis von Talbrem anzunehmen und diesen Weg bis zum Schluss zu gehen, wenn sie damit nicht nur ihr eigenes Glück aufgeben muss?
Die Autorin
J. K. Bloom schreibt schon, seit sie elf Jahre alt ist. Das Erschaffen neuer Welten ist ihre Leidenschaft, seitdem sie das erste Mal ein Gefühl für ihre Geschichten bekam. Sie ist selbst abenteuerlustig und reist sehr gern. Wenn sie ihre Nase nicht gerade zwischen die Seiten eines Buches steckt, schreibt sie, beschäftigt sich mit ihren zwei Katzen oder plant schon die nächste Reise an einen unbekannten Ort.
www.sternensand-verlag.ch
1. Auflage, September 2023
© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2023
Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski
Lektorat: Sternensand Verlag GmbH | Denise Mallon
Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH
Satz: Sternensand Verlag GmbH
ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-213-7
ISBN (epub): 978-3-03896-214-4
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Mein Kopf fühlt sich grauenvoll an. Es ist kein Schmerz, sondern eher ein seltsamer Druck, der sich vom Hinterkopf bis zu meiner Stirn zieht.
Als ich die Augen aufschlage, erkenne ich einen wunderschönen blauen Himmel und es riecht nach Erde und Gänseblümchen. Die Sonne scheint angenehm warm auf meinen Körper herab – weder zu heiß noch zu kalt. Es erinnert mich sofort an das Land der Zeitlosen, dessen Klima ähnlich war.
Langsam kehren die Erinnerungen Stück für Stück zurück. Wie ein rasend schneller Film ziehen die Bilder vor meinem geistigen Auge vorbei, bevor sie in einem bedeutsamen Moment anhalten. Meine Hand tastet panisch den Bauch ab, ehe ich mich erhebe und die Umgebung genauer betrachte.
Ich liege auf einem vermoosten Felsen, inmitten einer Landschaft, die mich an die Highlands in Schottland erinnert. An meinem Körper trage ich einen Pullover, der mit Blut besudelt ist, aber ein Loch kann ich nicht entdecken. Das wundert mich, denn schließlich hat mir Victor den Magiedolch in den Bauch gerammt.
Mein Onkel Victor … meine Tante Elaine … die Regentin Josephine … und Kjell, den Mann, den ich liebe …
Victor hatte mich erdolcht, um zu verschleiern, dass meine Tante in Wahrheit die Regentin ist. Meine Freunde eilten mir zu Hilfe – doch sie kamen zu spät.
Die Trauer kehrt zurück und ich lege die Hand über den Mund, um einen Schluchzer zu unterdrücken.
Wo bin ich? In der Totenwelt? Soll das bedeuten, ich habe es nicht geschafft? Ich bin wirklich gestorben?
Zusätzlich setzt mir der Verrat von Victor und Elaine zu. Ich kann einfach nicht glauben, auf ihren Schein hereingefallen zu sein. Sie gehörten zur Familie. Besonders meine Tante Elaine und ich haben so viele Hürden überstanden, lustige Abende miteinander verbracht und über unsere Gefühle gesprochen. War das nur ein hinterlistiges Schauspiel?
Ich will das alles nicht wahrhaben.
Victor – mein Onkel! – hat mich getötet! Er hat mich ausgetrickst, mein Vertrauen ausgenutzt, um mich letztendlich aus dem Weg zu räumen. In mir wütet Enttäuschung und Trauer, weil ich von einer Person, der ich blind vertraut habe, verraten wurde.
Zudem ist meine Tante in Wahrheit die Regentin Josephine Morrell – Verbündete des Verbrechers Michael Cameron, der vor Monaten noch mein einziges Problem gewesen war.
Nachdem Josephine – aka Elaine – ihren eigenen Mann, Georg Morrell, getötet hatte, erledigte sie auch Cameron, um die Beweise für ihr Doppelleben zu beseitigen. Warum ist sie in all den Jahren nie aufgeflogen? Hatte sie das ihren Komplizen zu verdanken?
Kjells letzte Worte vor meinem Tod kommen mir in den Sinn, als er sich mit mir per Telepathie-Magie verbunden hat. Mit letzter Kraft habe ich ihm mitteilen können, dass Tante Elaine und Victor die Verräter sind. Kann er sie aufhalten? Auch ohne mich?
Ach Kjell, und du kannst dich noch nicht einmal mehr an unsere gemeinsame Zeit erinnern. Durch die Sigille und sein Sklavendasein im Land der Zeitlosen verlor er ein Teil seines Gedächtnisses. Für ihn war ich nur Kira-Jane Brooks, die Tochter eines Gesandten. Unbedeutend. Überflüssig.
Dennoch … seine letzten Worte wollen mir nicht aus dem Kopf gehen.
›Gib sie mir zurück!‹, ruft Kjell, und aus seiner Stimme kann ich ein Weinen heraushören, gemischt mit einem Flehen. ›Bitte.‹
Dieses Flehen in seiner Stimme überrascht mich … Er dürfte gar keine Gefühle mehr für mich hegen.
Der Felsen, auf dem ich liege, sieht aus wie ein uralter Altar, der mit weichem Moos und Schlingpflanzen bewachsen ist.
Langsam erhebe ich mich und fahre mir durch die Haare. Meine Beine baumeln über dem Boden und mein Blick fällt auf die Wiese. »Ich bin tot«, wispere ich und spüre, wie all der Kummer in mir erneut hochkriecht. »Ich bin wirklich gestorben.«
Dabei habe ich noch so viel vorgehabt. Was wird nur mein kleiner Bruder Luca denken? Ob Kjell ihm helfen kann? Er darf nicht in die Klauen von Elaine und Victor geraten.
Aber wie soll Kjell ihn retten, wenn er doch gar keine Erinnerungen an ihn hat? Woher soll er wissen, wer Luca ist? Hoffentlich wird Emily ihn schnell aufklären, damit meine Freunde ihn vor den Hewys beschützen.
Was ist mit Dad? Es wird ihn zerstören, wenn er erfährt, dass ich gestorben bin. Er wird sich das niemals verzeihen. Die Schuldgefühle werden ihn zerfressen, und ich kann nicht einmal erahnen, was er dann tut. Moms Tod konnte er gerade noch verkraften, aber was ist mit dem Verlust seiner Tochter?
Ich vermisse schon jetzt meine Freunde und Familie. Kyan, Emily, Sosa, Arran, Luise, Nathan, Raik und sogar die doofe Schnepfe Mary. Ganz besonders jedoch meinen Teufel, von dem ich geglaubt habe, ihn noch ein letztes Mal in den Arm nehmen zu können.
Erschüttert lege ich das Gesicht in meine Hände und beginne zu weinen.
Ich wollte niemals sterben. All meine Träume, Wünsche und Ziele werden nun nicht mehr in Erfüllung gehen. Stattdessen werde ich nur noch tagein, tagaus auf ihre Schatten herabblicken.
Die Tür zu den Lebenden hat sich endgültig geschlossen.
Ich bereue es, all das nicht kommen gesehen zu haben. Ich hätte Victor durchschauen müssen.
Meine Tränen laufen zwischen meinen Fingern hindurch und ich lasse mich zurück ins Moos fallen.
Diese Welt fühlt sich real und surreal zugleich an, etwas, das es bei den Lebenden nicht gegeben hat. Bevor ich bewusstlos geworden bin, spürte ich, wie ein Druck aus meiner Brust wich, als wäre er mein letzter Atemzug gewesen.
Ich muss auf dem Felsen eingeschlafen sein, denn plötzlich erwache ich wieder und frage mich, wie ich im Reich der Toten, in dem nur meine Seele existiert, schlafen kann.
Meine Tränen sind mittlerweile getrocknet, aber mir geht es nicht besser. Die Erkenntnis, gestorben zu sein, klafft wie eine offene Wunde in meiner Brust.
Gerade als ich mich erhebe, erkenne ich in der Ferne eine blonde, schlanke Frau, die auf einem Hügel steht und in meine Richtung schaut. Neugierig blicke ich ihr entgegen.
Dann geht alles rasend schnell. Während sie einen Schritt in meine Richtung macht, verwandelt sich ihr Körper in weißen Nebel und kommt blitzartig auf mich zugeschossen. Sie ist dabei schneller als ein Wimpernschlag und bleibt nur wenige Meter vor mir stehen.
Der Nebel verwandelt sich wieder in ihren Körper zurück und graue, schon beinahe weiße Augen sehen mich abwartend an. Ihre Lippen umspielt ein vorsichtiges Lächeln. »Hallo, Kira.«
»Wer bist du?«, entfährt es mir beinahe atemlos.
Diese Frau ist von unsagbarer Schönheit. Ob sie auch eine Tote ist? Doch ihre Stimme kommt mir bekannt vor.
»Ich bin hier, um dich in deiner Welt willkommen zu heißen«, beginnt sie.
Ich schüttle verwirrt den Kopf. »In meiner Welt?«
Sie nickt. »Du gehörst hierher. Dein Schicksal sollte dich zu uns führen, an den Ort, den du eines Tages regieren wirst.«
»Regieren?«, platzt es nun etwas lauter als beabsichtigt aus mir heraus. »Was ist das denn für eine Welt?«, frage ich und spüre etwas Hoffnung in mir auflodern, doch nicht gestorben zu sein.
»Die Welt der Toten«, antwortet die blondhaarige Schönheit.
Ein tiefer Schmerz zieht sich durch das Innere meiner Brust. Jetzt, da ich es aus dem Mund der Fremden höre, fühlt es sich endgültig an. Meine Zeit als Lebende ist vorbei, und ich kann es nicht mehr rückgängig machen.
»Dann bedeutet das …«, setze ich an, breche jedoch ab, als sich ein Kloß in meinem Hals bildet. Erneutes Bedauern überkommt mich und ich muss mich wirklich zusammenreißen, um nicht wieder zu weinen.
»Du bist gestorben. Richtig«, spricht sie die Worte aus, die ich nicht zu äußern wage. »Aber das wärst du sowieso eines Tages.«
»Das stimmt, aber erst, wenn ich alt und gebrechlich gewesen wäre. Wenn ich mein Leben gelebt hätte …«
Plötzlich reicht mir die Fremde ihre Hand und lächelt mich aufmunternd an. »Komm, ich habe dir viel zu erzählen.«
Mit Tränen in den Augen blicke ich sie an. »Wer bist du?«
»Das wirst du noch früh genug erfahren. Aber erst gilt es, dir die Welt zu zeigen, über die du bald gebietest. Komm.«
Ich bin ohnehin tot, denke ich. Was habe ich schon für eine Wahl? Was kann mir hier passieren?
Auch, wenn ich mir nicht vorstellen mag, über eine ganze Welt zu regieren, beschließe ich, alles auf mich zukommen zu lassen. Durch meinen eigenen Tod fühlt sich alles, was nun nach meinem Leben kommt, irgendwie gleichgültig an. Denn ich habe ohnehin nichts mehr zu verlieren.
Mit einem Nicken lege ich meine Hand in ihre, die sich im ersten Moment samtweich anfühlt. Doch als sie zupackt, steckt eine enorme Kraft dahinter. Ich bin mir sicher, dass sie keine gewöhnliche Tote in diesem Reich ist. Sie hat etwas sehr Seltsames an sich. Allein die Tatsache, dass sie mir ihren Namen nicht verrät, wirkt verdächtig.
Ich bin barfuß, sodass ich das weiche Gras unter mir spüren kann. Diese Welt enthält keine Makel, nur Schönheit und Reinheit.
Die Blondhaarige verschränkt ihre Hand fest mit meiner, als befürchtete sie, dass ich mich ihr wieder entziehen könnte. Mit der anderen malt sie einen Halbkreis in die Luft, und eine Nebelschwade bildet sich vor uns. »Komm, ich will dir später noch jemanden vorstellen.«
Neugierig lasse ich mich von der Frau in den Nebel lotsen und erkenne schnell, dass wir ein Portal betreten.
Auf der anderen Seite umhüllen uns dieselben Magie-Wolken, die es in Talbrem gibt. Wir stehen auf einem schwebenden, mit Gras überzogenen Felsen.
Doch das ist nicht das Faszinierendste, was ich erblicke. Über mir erstreckt sich eine Art Tunnel, der aus Nebelschwaden und sich bewegenden Gemälden besteht. Er windet sich wie ein Strudel nach oben und lässt kein Ende erkennen – als wäre er unendlich. Diese Konstruktion erinnert mich an etwas, allerdings will mir gerade nicht einfallen, an was. Möglicherweise ist mein Kopf immer noch dabei, alles zu sortieren.
»Was ist das?», frage ich und versuche mehr Details zu erkennen.
Kleine Lichtpunkte schießen zwischen den Gemälden hin und her. Das Schauspiel ist zugleich faszinierend und surreal, sodass ich meinen Blick gar nicht abwenden kann.
»Wir nennen sie die ›Spirale der Zeit‹.«
Mir klappt die Kinnlade herunter. »Moment mal! Die gibt es auch in Talbrem.«
Die Schönheit nickt. »Richtig.« Ein kleines Lächeln umspielt ihre Lippen. Doch als sie die Spirale hinaufschaut, erstirbt es. »Vor sehr langer Zeit war die Welt der Lebenden und der Toten miteinander verbunden. Den Lebenden war es gewährt, einen letzten Blick auf die Verstorbenen zu werfen, um sich von ihren Seelen zu verabschieden.«
Da fällt mir etwas ein. »In unserer Welt wurde ein Teil der Spirale getilgt. Hat das etwas mit dieser Welt hier zu tun?«
Sie stößt einen schweren Seufzer aus. »Zum Teil, ja. Aber ich will dir die Geschichte von Anfang an erzählen, damit du verstehst, wer ich bin und weshalb du hierhergehörst.«
Warum sollte ich bitte ausgerechnet in eine Welt der Verstorbenen gehören? Und wenn ich tot sein und hierhergehören soll, warum vermisse ich dann so sehr das Leben?
Meine rätselhafte Begleitung macht erneut eine Armbewegung und zaubert auf die Wiese vor uns eine weiße Sitzbank. Freundlich deutet sie mir mit der Hand, darauf Platz zu nehmen.
Für einen Moment sitzen wir beide nur so da. Dann atmet sie tief ein und aus. Ihre Augen blicken dabei in die Ferne, als spielte sich dort die Geschichte ab, die sie zu erzählen bereit ist. »Vor Tausenden Jahren reiste eine Frau in die Wildnis, um nach ihrer Bestimmung zu suchen. Sie kehrte dafür sogar ihrem eigenen Dorf den Rücken. Sie reiste über viele Jahre durch die Welt, lernte neue Völker kennen, erfuhr einiges über ihre Gebräuche und Rieten.« Sie macht eine kleine Pause und holt abermals tief Luft, ehe sie fortfährt. »Eines Tages, als diese Frau sich in einer Höhle niederließ, betrachtete sie eine Höhlenmalerei. Dabei fiel ihr auf, dass die Malereien aller ihr bekannten Völker etwas gemeinsam hatten. Sie alle enthielten bestimmte Zeichen, welche offensichtlich die rituelle Beschwörung einer höheren Macht symbolisierten. Die Frau begann daraufhin, jedes dieser Zeichen nacheinander an eine Wand zu malen. Als sie die finalen Linien des letzten Symbols zeichnete, geschah etwas Unglaubliches. Alle Symbole begannen zu leuchten und übertrugen sich auf die Frau.«
Ich blinzle. »Wow! Was ist dann passiert? Ist sie gestorben?«
Meine Begleitung schüttelt den Kopf. »Nein, sie wurde zur ersten Taliducz.«
Ich reiße meine Augen auf. »Wie bitte?«
»Eine unbekannte Magie, die wir bis heute nicht erklären können, ging auf diese Frau über, sodass sie plötzlich die Fähigkeit besaß, bestimmte Zeichen zu kontrollieren. Aus den Zeichen an der Wand tropfte silberne Flüssigkeit auf den Boden und bildete eine Pfütze. Daraus hervor entstiegen Bilder, die dieser Frau – ähnlich einer Vision – ihr Schicksal zeigten und den Weg, dieses Schicksal zu erfüllen. Ihr wurde viel Mut abverlangt.«
Ich schlucke, als mir bewusst wird, worauf meine Begleitung hinaus will. Sigillen! Um sich eine Sigille in die Haut zu ritzen, benötigt man einen Taliducz-Knochen und die Flüssigkeit des Talismon.
»In ihrer Vision, opferte sie einen ihrer Finger, um sich mit ihrem eigenen Knochen die magischen Zeichen in die Haut einzubrennen.«
Ich schlage mir die Hände vor den Mund. »Hat sie es getan?«
Die rätselhafte Frau neben mir lacht leise. »Sonst wären wir nicht hier, oder?«
Stimmt. Dennoch erschreckt es mich, dass sie sich eigenhändig einen Finger abtrennte.
»Damit wurde sie zu einer ganz besonderen Frau«, fährt sie fort, »denn sie war die erste Lessia.«
Ich atme scharf die Luft ein.
Aber, dieser Begriff … das ist doch …
O Gott! Bitte lass Kyan nicht recht behalten!Dann existierte die Lessia wirklich. Wie alt mag dieses Buch über die Lessia gewesen sein, das Kyan gemeinsam mit seiner Großmutter aufbewahrt hatte?
Bevor ich etwas erwidern kann, setzt meine seltsame Begleitung ihre Geschichte fort: »Sie war die Erste und wurde angeführt von der – ihr nun selbst innewohnenden – unbekannten Macht. Sie kehrte mit einem vollen Topf silbernen Wassers in ihr Dorf zurück. Dort ließ die unbekannte Macht sie ein Ritual durchführen, das alle Dorfbewohner zu Taliducz machte.«
Ich werde stutzig. »Und das haben sie einfach so mit sich machen lassen?«
Die wundersame Frau neben mir zuckt nur mit den Schultern. »Die Geschichte ist so alt, Kira, dass niemand mit Sicherheit sagen kann, wie die erste Lessia gelebt hat. Mit den Jahren wurden viele Details ausgelassen oder sogar verändert. Wichtig an dieser Stelle ist nur, dass diese Gemeinschaft, das erste überhaupt existierende Taliducz-Dorf war.« Sie streicht sich eine gewellte Strähne hinters Ohr. »Die Lessia wurde ihre Anführerin. Nur sie allein konnte den Dorfbewohnern Sigillen einbrennen. Sie konnte die Magie steuern, die andere Taliducz ausführten. Somit wahrte sie eine gewisse Ordnung. Doch bald heiratete die Lessia und bekam eine Tochter – die Erbin der Macht. Mit dem Tod der ersten Lessia, verfügte die Tochter über die gesamten Fähigkeiten ihrer Mutter und wurde zu ihrer Nachfolgerin.«
»Warum überließ sie das Einbrennen nicht anderen?«, will ich gefesselt wissen.
»Um Ordnung zu bewahren und die Kontrolle nicht zu verlieren. Weshalb sich das jedoch eines Tages änderte, erkläre ich dir noch«, sagt sie und lehnt ihren Rücken gegen die Bank. »Nachdem die erste Lessia gestorben war, erwachte sie aufs Neue und glaubte, wiedergeboren zu sein. Schnell merkte sie jedoch, wie surreal und anders ihre neue Umgebung war.«
Ich lächle vorsichtig und ahne es bereits. »Die Welt der Toten, oder?«
Sie nickt. »Korrekt. Die Welt der toten Taliducz. Denn sie bekamen ihr eigenes Totenreich aus einem ganz besonderen Grund.« Sie erhebt sich und schaut wieder hinauf zur Spirale. »Der Kreislauf des Lebens, Kira, ist das Wichtigste, was es auf dieser Welt gibt. Er existiert auch bei den Menschen, doch er ist mit dem unseren nicht zu vergleichen.«
»Der Kreislauf des Lebens?«
»Ja, in der alten Sprache wird er auch als der ›Kreislauf der Magie‹ beschrieben. Denn sowohl die Seelen als auch die Macht, die wir vor so vielen Jahren erhalten haben, sind ein essenzieller Bestandteil unseres Daseins. Stirbt eine Seele, wandert diese mit ihrer gesamten Magie in die Welt der Toten, in der sie ewig verweilen darf, wenn sie möchte. Entscheidet sie sich dafür, diese Welt zu verlassen, löst sie sich in ihre Bestandteile auf und wird zu Magiestaub. Aus diesem wird eine neue Seele erschaffen, die in einen neuen Körper einkehrt. Und der Kreislauf beginnt von vorn.«
»Gibt es denn Seelen, die schon seit Anbeginn der Zeit hier sind?«, frage ich neugierig und blicke ebenfalls zur Spirale hinauf.
Sie wendet sich mir zu. »Nein. Selbst die erste Lessia ist längst wieder zu einem Bestandteil der Welten geworden.«
»Bedeutet das also, niemand hält die Ewigkeit aus?«
Trauer schleicht sich in den so freundlichen Ausdruck der Fremden. Sie senkt den Blick und ballt in ihrem Schoß die Hände zu Fäusten. »Nein, denn die Lessia besitzt die Macht, darüber zu entscheiden, welche Seele sich in ihre Bestandteile auflöst. Gerät das Gleichgewicht ins Wanken, ist sie gezwungen zu handeln. Zu viele Seelen in der Welt der Toten könnten sowohl hier als auch in Talbrem Chaos verursachen.«
Und da wird es mir auf einen Schlag klar, wen ich hier eigentlich vor mir habe. Ich hatte es die ganze Zeit schon im Gefühl, doch ihre Geschichte hat mich zu sehr in den Bann gezogen.
Aber nun bin ich mir sicher, dass sie aus einem bestimmten Grund zu mir gekommen ist. Weshalb sie diejenige ist, die mir die Welt der Toten zeigt.
Meine Lippen werden zu einer schmalen Linie und ich schaue die Frau mit den fast weißen Augen eindringlich an. »Ich verstehe.«
Sie seufzt und nimmt meine Hände in ihre. »Hätte ich dir gleich zu Anfang verraten, wer ich bin, hättest du mir sicherlich Tausende von Fragen gestellt und Angst vor mir gehabt.«
Angst wäre der falsche Ausdruck dafür. Es handelt sich bei dem Gefühl eher um Respekt. Schließlich ist sie die Lessia, eine Heilige, die von den Taliducz einst verehrt wurde. Sie ist die Nachkommin einer besonderen Frau, ohne die es uns gar nicht gäbe. Allein diese Vorstellung beschert mir eine Gänsehaut.
Und jetzt ist sie hier, hält meine Hand, als wäre ich für sie von größter Wichtigkeit. Und genau das bin ich wohl, denn ich scheine zu ihr, zu ihrem Volk zu gehören. Kyans Thesen kommen mir wieder in den Sinn. Er war davon überzeugt, dass ich eine Nachfahrin ihrer Blutlinie bin.
Die Erbin der Lessia.
Es klingt so unfassbar unreal und doch weiß ich, dass es stimmt.
Ich erinnere mich an die Worte, die kurz vor meinem Tod durch meine Gedankenwelt rauschten. Das war nicht irgendeine Frau, die zu mir sprach, sondern die Lessia höchstpersönlich.
›Ich bin ihre Brücke und geleite sie in die Welt, in die sie schon seit Anbeginn ihrer Geburt gehört. Sie ist kein Teil der Menschen, kein Teil von Talbrem. Sie ist ein Teil von uns.‹
Ein Teil der Totenwelt.
Wenn ich also für all das hier bestimmt gewesen bin, hat sie meinen Tod vorhergesehen? »Hast du geahnt, dass Victor mich töten würde?«
Sie drückt zart meine Hand. »Nein. Wir können nicht in die Zukunft sehen. Aber ich wusste, wenn du Josephine folgst, wird es deinen Tod bedeuten. Deswegen wollte ich mich mit dir verbinden, um dich zu warnen.«
Und ich habe ihr nicht geglaubt. So dumm …
»Du solltest jedoch wissen, dass ich all deine Erinnerungen kenne. Die Lessia ist dazu bemächtigt, wenn eine Seele in diese Welt gelangt.«
Dann weiß sie alles. Über meine Freunde, meine Familie, meine Liebe. Ich fühle mich ein wenig nackt.
»Kannst du mit jedem eine Telepathie aufbauen oder nur mit mir?«, hake ich nach.
»Nur mit Blutsverwandten, und da du meine Erbin bist, ist es möglich, mich mit dir zu verbinden. Aber es verlangt ein Stück meiner Kraft ab, wenn ich diese Fähigkeit nutze. Da zwischen unseren Leben fast ein Jahrtausend liegt, war es sehr schwer, dich zu erreichen. Je ferner die Verwandtschaft, desto schwieriger ist es.«
Mir klappt die Kinnlade herunter. »Ein Jahrtausend!?«
Die Lessia nickt. »So alt bin ich schon«, gibt sie lachend von sich, wird dann jedoch wieder ernst. »Ich habe es aus der Not heraus getan. Ich musste dich vor der Falle warnen.«
Hätte ich auf ihre Worte gehört, wäre ich jetzt noch am Leben.
Verärgert über meine Fehlentscheidung lege das Gesicht in meine Hände. »Verdammter Mist.«
Die Lessia streicht mir tröstend über den Rücken. »Es ist nicht so schlimm, wie du vielleicht im Moment denken magst. Eines Tages wärst du ohnehin hierhergekommen, um meine Regentschaft zu übernehmen.«
Ich beiße die Zähne zusammen. »Aber ich hatte noch ein ganzes Leben vor mir! Außerdem sind Josephine und Victor weiterhin auf freiem Fuß und ich kann nichts dagegen tun.« Frustriert blicke ich auf meine Handflächen hinab und spüre, wie sich neue Tränen anbahnen.
»Ich kenne diesen Schmerz zu gut«, sagt die Lessia traurig. »Als ich starb, war ich gerade einmal neunundzwanzig Jahre alt. Ich musste meinen Mann und meine fünfjährige Tochter zurücklassen.«
»Warum?«, frage ich vorsichtig.
»Das werde ich dir noch erzählen. Aber jetzt muss ich meine Geschichte fortsetzen.«
Ich atme tief ein, schiebe meinen Kummer beiseite und lausche gespannt ihrer Stimme.
»Die Jahrhunderte vergingen und das Volk der Taliducz wurde größer. Irgendwann wuchs ein ganzes Königreich heran, welches in der Menschenwelt jedoch keinen Platz mehr fand. Denn die Magie und Macht der Taliducz bereiteten den Menschen solche Angst, dass die beiden Völker Kriege gegeneinander führten. Die Kraft der Lessia reichte nicht mehr aus, um die Sigillen unter Kontrolle zu halten. Es waren zu viele. Am Ende verlor sie schließlich den Überblick.«
Sie macht eine Pause und ich bemerke, wie sich ihre Finger im Stoff ihres Kleides verkrampfen. Ihre Miene wird hart und aus irgendeinem Grund fällt es ihr schwer, die Erzählung fortzusetzen. »Was hast du?«
»Das, was nun kommt, ist meine Geschichte«, haucht sie und so stark die Lessia mir anfangs auch vorkam, wirkt sie nun wie eine gebrochene Frau. »Ich kam in einem abgeschiedenen Taliducz-Dorf auf die Welt. Meine Mutter wusste nichts von ihrem Erbe, genauso wenig wie ich.«
Erstaunt öffne ich den Mund. »Wie ist das möglich? Sagtest du nicht, die Lessia herrschte seit jeher über die Taliducz?«
Sie schüttelt traurig den Kopf. »Es gab nicht nur Kriege zwischen den Menschen und uns, sondern auch unter uns Taliducz. Die letzte bekannte Lessia wurde sechshundert Jahre vor meiner Geburt durch eine Intrige in ihren eigenen Reihen getötet.«
Verständnislos schüttele ich den Kopf. Warum wollten die damaligen Taliducz ihre Lessia töten? Waren sie mit ihrer Herrschaft nicht einverstanden? Oder wollten sie selbst an die Macht? Wie undankbar! Hatten sie denn nicht erkannt, dass es ohne die Lessia keine Taliduzc gegeben hätte?
»Jene letzte Lessia hinterließ eine Tochter. Um ihre Blutlinie zu erhalten, wurde sie von den letzten verbliebenen Anhängern der Lessia gerettet und versteckt. Das Kind wuchs noch mit dem Glauben an die Lessia heran. Doch im Laufe der nächsten sechs Jahrhunderte ging dieser Glaube verloren. Ebenso die Macht, die in ihr schlummerte.«
»Das ist grauenvoll.«
»Ja, das ist es. Doch genau wie du, Kira, habe ich nicht ahnen können, welche Macht in mir schlummert. Eines Tages erwachten die Kräfte in mir und ich war in der Lage, Sigillen zu kontrollieren. Die letzte Lessia sprach schließlich auch mit mir in der Totenwelt und beauftragte mich, die Macht zurückzuerlangen.«
»Sie lehrte dich?«
»Zugegeben, es war nicht einfach, die Verbindung aufrechtzuerhalten, aber dank ihr konnte ich meine Kräfte weiterentwickeln.« Sie schaut zum endlosen Himmel hinauf und seufzt schwer. »Dir ist die Geschichte über Horaz, Anthea und Glaucus bekannt?«
Mein Mund ist plötzlich ganz trocken. »Ja, ist sie«, sage ich, denn ich weiß, dass diese drei Taliducz in der Tat besonders waren. Sie haben dazu beigetragen, Talbrem zu erschaffen.
»Zwei von ihnen waren meine Mörder.«
Was!?
»Ich will dir die Geschichte aber dieses Mal nicht erzählen, sondern zeigen. Jede noch so kleine Erinnerung ist in meiner Seele eingeschlossen. Komm!« Auffordernd reicht sie mir ihre Hand, die ich nur zögerlich ergreife.
Langsam bewegen wir uns auf den Rand des Plateaus zu. Obwohl ich bereits tot bin, bereitet es mir doch Angst, hinunterzufallen. »Was würde geschehen, wenn ich in die Wolken stürzen würde?«
»Dann landest du wieder hier. Diese Welt lässt es nicht zu, dass dir etwas geschieht.«
Die Lessia zeichnet erneut einen Halbkreis in die Luft und vor uns erscheint wie aus dem Nichts eine Nebelschwade. Eilig springen wir durch diesen portalähnlichen Übergang hindurch.
Der Nebel verschwindet augenblicklich und ich fühle mich ins frühe Mittelalter zurückversetzt. Gerade als ich glaube, von einem heftigen Windstoß fortgerissen zu werden, begreife ich, dass eine Kutsche an uns vorbeifährt.
Ruckartig packt die Lessia meine Hand und zieht mich zurück. Pferde, auf denen bewaffnete Soldaten sitzen, folgen dem Gefährt auf vier Rädern, welches ein gefährliches Tempo beibehält.
Bevor sie um die nächste Kurve biegt, gerät die Kutsche aus dem Gleichgewicht und kippt schlitternd zur Seite. Die Tiere brechen mit ihr zusammen.
Sofort versammeln sich die Soldaten um die Kutsche. Auch ich verspüre den Impuls, ebenfalls zum Geschehen zu eilen. Doch die Lessia hält mich zurück. Ein einsamer Reiter kapselt sich unauffällig von seinen Gefolgsleuten ab und kommt direkt auf uns zu. Dann bleibt er vor uns stehen. Niemand bemerkt sein Innehalten, da alle auf die Kutsche fixiert sind.
»Temaya!«, ruft der Mann, der sein Gesicht hinter einem Helm verbirgt. »Beeil dich!«
Ein kleines Mädchen, vielleicht gerade einmal elf Jahre alt, springt hinter einer der Hecken hervor und rennt mit wild entschlossenem Blick auf uns zu. Ihre goldenen Locken wehen anmutig im Wind.
Sie scheint uns nicht zu sehen und rennt einfach weiter. Ich schaffe es nicht, rechtzeitig auszuweichen und befürchte, dass wir zusammenprallen. Doch nichts dergleichen geschieht. Sie läuft durch meinen Körper hindurch, als wäre ich ein Geist.
Ich kann es kaum glauben, aber die Anwesenden nehmen mich nicht wahr. Dies scheint nur eine Illusion zu sein, auch wenn sich die Umgebung vollkommen real anfühlt.
»Ein Freund meiner Familie brachte mich an einen Burghof, weit abseits der Hauptstadt«, erzählt mir die Lessia.
Ich hatte die Ähnlichkeit zwischen dem Mädchen und ihr sofort bemerkt. »Temaya ist ein schöner Name.«
Sie lächelt ein wenig verlegen. »Danke.« Ihr entgleitet ein Seufzer, als sie die Hand hebt und das Bild um uns herum anhält – die Zeit stoppt. »Der damalige Herrscher hatte ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt, um ein für alle Mal die Ära der Lessia zu beenden. Denn ohne Nachkommen kann die Lessia ihre Kräfte nicht weitergeben.«
»Warte!« Plötzlich wird mir etwas Erschreckendes klar, als ich an meinen eigenen Tod denke. »Aber, wenn ich als deine Nachfahrin gerade gestorben bin, habe ich die Ära der Lessia damit nicht auch beendet?«
Sie lacht. »Nein, keine Sorge. Es gibt ja noch deinen Bruder, und wie du weißt, werden Gene und Erbmassen immer weitergegeben. Er wird die Linie fortführen. Die Lessia-Kräfte aber können zu unserem Bedauern nur an Frauen weitergereicht werden.«
»Also werden seine Kinder dann meinen Posten irgendwann übernehmen?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, deren Urenkelinnen, die er nicht mehr erleben wird. Es müssen noch viele Jahre vergehen, aber dazu später mehr.«
Mit ihrem Arm zeichnet sie einen Halbkreis in die Luft und die Welt beginnt sich zu verändern. Die Umgebung krümmt sich, als würden wir irgendwo hineingesogen werden. Ein leichter Druck bildet sich auf meiner Brust, doch dieser verschwindet rasch, als wir plötzlich in einem Burghof landen.
Vier Jugendliche laufen lachend durch uns hindurch, als ich gerade die neue Gegend wahrnehme. Die goldenen Locken und die leuchtend grauen Augen einer der jungen Frauen geben mir Aufschluss darüber, dass es sich bei ihr um Temaya handelt, die nun älter geworden ist.
Sie trägt wie die andere Frau, die rotblonde Haare hat und gemeinsam mit ihr vor den zwei jungen Männern davonläuft, ein seidenes Kleid mit goldener Spitze. Als sie in eine Sackgasse getrieben werden, kichern die Frauen belustigt und einer der Männer nimmt die Rothaarige in seine Arme. »Hab ich dich.«
Temaya will das Spiel noch nicht aufgeben und versucht ihrem Gegenüber zu entkommen, doch gerade als sie eine Lücke entdeckt hat, schlingt dieser ebenfalls seine Arme um sie und drückt sie liebevoll an sich.
Die Lessia seufzt verträumt neben mir.
Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. »Ich gehe mal davon aus, dass das dein Mann ist, richtig?«
Ihre Wangen färben sich rosa, während sie den relativ schlanken, aber dafür muskulösen Kerl anschmachtet. »Ja, das war er.«
Meine Mundwinkel senken sich, als ich ihren traurigen Tonfall wahrnehme. »War?«
Sie lächelt. »Ich habe seine Seele bereits erlöst. Er wollte es so. Gemeinsam mit meiner Tochter und all den Verwandten, die ich zur damaligen Zeit kannte«, erklärt sie mir. »Und es ist in Ordnung, Kira. Auch eine Ewigkeit kann irgendwann zu viel werden. Ich schenke jedem Erlösung, der sie sich wünscht – sofern dadurch das Gleichgewicht nicht außer Kontrolle gerät.«
Bevor ich weiterfragen kann, tut sich etwas in Temayas Erinnerung. Ihr Mann küsst sie und zieht ihren schlanken Körper in seine Arme, um ihr mit jeder Berührung zu zeigen, wie sehr er sie liebt. Der Anblick verpasst mir einen Stich in die Brust, da ich mich nach einer Liebe sehne, die ich nicht mehr haben kann.
Eine Sache spendet mir tatsächlich Trost. Kjell wird durch seinen Gedächtnisverlust keinen Schmerz empfinden – er hat also Glück im Unglück.
Trotzdem vermisse ich ihn unendlich, und es wird wohl sehr viel Zeit brauchen, bis ich diese Qual überwunden habe. Das Loch in meiner Brust wird allerdings für immer bleiben.
»Zu ihm hatte ich eine ganz besondere Verbindung, weißt du? Seine Talis und seine Aura fühlten sich … anders an. Vertraut, geborgen, einfach richtig.«
Ich nicke schwach. Wie gut ich all dies hier nachvollziehen kann.
»Er war mehr als mein Seelenverwandter. Mehr als ein Freund. Mehr als die Liebe meines Lebens.« Sie lächelt verliebt. »Sogar meine Fühler haben das gespürt. Zwischen uns lag eine Verbindung, die mit Worten und Magie nicht zu beschreiben ist.«
Ihr Mann sieht Temaya so tief in die Augen, dass mir bei diesem innigen Anblick die Knie weich werden.
Allerdings hält der Moment nicht lange an.
Die Lessia reißt mich aus meinen Gedanken. »Nun, wird es wichtig, Kira.«
Ich horche auf. Wie gebannt beobachte ich die Situation, die vor meinen Augen weiter seinen Lauf nimmt.
»Hoffentlich wirst du verstehen, weshalb die Vergangenheit bedeutend ist und dass manchmal eine Geschichte aus Lügen gesponnen wird, um die Wahrheit zu verschleiern.«
Als Temayas Freundin sich von ihrem Geliebten löst, tritt sie ins Licht. Zum ersten Mal sehe ich in ihr wahres Gesicht und was ich erblicke, reißt mir den Boden unter den Füßen weg.
Diese fuchsroten Haare, die in der Sonne fast wie Flammen leuchten, die meerblauen Augen, die mich an den Ozean erinnern und die eleganten Gesichtszüge, die ich nie wieder vergessen werde. Mein Magen verkrampft sich bei ihrem Anblick und mir stockt der Atem. »Elaine?«
Dieses … Miststück! Wie …? Das ist unmöglich! Wie kann sie gleichzeitig in meiner Welt und in der von Temaya leben?
Die Lessia drückt tröstend meine Hand. »Ich weiß, dass das nicht leicht für dich ist, aber sie ist es. Ohne jeden Zweifel.«
Ich kann es noch immer nicht fassen und mache unwillkürlich einen Schritt auf die Frau zu, die mich auf dem Gewissen hat. Sie behandelte Kjell und Vera wie Sklaven. Sie kidnappte meinen Bruder und sperrte meinen Dad ins Gefängnis. Sie hat sogar meine Mom auf dem Gewissen. »Was soll das bedeuten? Ist sie wirklich meine Tante?«
»Nein«, antwortet Temaya und verpasst mir damit innerlich einen Magentritt. Mein Vater hat also wirklich eine Lügnerin zur vermeintlichen Schwester. Wie mischte sich diese Schlange nur in unser Leben ein?
»Dad hat doch …?«
Die Lessia hält das Bild an und tritt seufzend neben mich. »Dazu solltest du wissen, wer Elaine in Wirklichkeit ist.«
Ich richte meinen Blick auf meine Nicht-Tante und beobachte, wie sich die Personen vor mir wieder bewegen.
»Anthea«, ruft Temaya, als sie sich von ihrem Geliebten löst, dessen warmes Lächeln mich ein wenig an den engelsblonden Raik erinnert.
Anthea … Wieso kommt mir dieser Name so bekannt vor?
Da schießt mir eine Erinnerung in den Sinn, die mich noch einmal stärker in eine tiefe Dunkelheit zieht. Wie konnte ich nur so blind sein?
»Die ersten Taliducz, die jemals existierten, waren Horaz, auch der erste Werth genannt, Anthea, die von unvergleichlicher Schönheit war und Glaucus, der erste Gelehrte und Archivar.«
Sie war es die ganze Zeit. Aber wie hat sie all die Jahre überdauert?
»Als Horaz über ihrem leblosen Körper Tränen der Trauer und der Wut vergoss, verwandelten sich die kleinen Tropfen in eine außergewöhnliche blaue Kette, die sich wie Perlen um ihren Hals formten. Daraufhin erwachte Anthea und ihr neues Schmuckstück ist die dritte entworfene Schöpfung namens die ›Tränen der Unsterblichkeit‹. Wer sie trägt, erlangt ewiges Leben.«
Ich sinke auf meine Knie, schlinge die Arme um meine Mitte und spüre von Sekunde zu Sekunde, wie sich ein Puzzleteil nach dem anderen zusammenfügt. Anthea ist in Wahrheit eine ewig lebende Taliducz und hat sich mein ganzes Leben lang als meine Tante ausgegeben.
Die Lessia kniet sich besorgt zu mir herunter, und ich sehe, wie die vier Jugendlichen lachend durch einen Torbogen verschwinden.
In meinem Hals stecken unzählige Worte fest, die ich am liebsten hinausschreien würde. Doch ich bin sprachlos.
Warum hat sie sich in meine Familie eingemischt? Welche Ziele verfolgt sie damit? Sie tat uns so viel Leid an …
Mom, Dad, Luca, Kjell …
Ich kann das einfach nicht glauben.
Die Lessia legt einen Arm um meine Schulter und spendet mir mit einem vorsichtigen Lächeln Trost. »Früher war Anthea anders. Erst ihr Rachedurst hat sie zu dem Monster werden lassen, das sie heute ist.«
Tränen stauen sich in meinen Augen. Ich will einfach nicht wahrhaben, dass meine Tante Anthea ist, die vor tausend Jahren geboren wurde. »Aber, wieso ich? Wieso meine Familie?«
Mitfühlend streicht die Lessia über meinen Oberarm. »Es geschah vor vielen Jahren. Anthea war auf der Suche nach den Schöpfungen, um über die Taliducz zu herrschen – allerdings nicht in Talbrem, sondern im Land der Zeitlosen. Eines Tages bekam sie Wind davon, dass die Familie Brooks Eldorado besitzt.«
Ich blinzle entsetzt. »Wieso will sie über die Taliducz im Land der Zeitlosen herrschen?«
Traurig presst sie die Lippen aufeinander, nimmt meine Hand in ihre und erhebt sich mit mir. »Lass mich zuerst meine Geschichte fortführen.«
Auch wenn ich am liebsten alles auf einmal in Erfahrung bringen würde, nicke ich zustimmend.
Mein Schädel brummt mit einem Mal und ich wundere mich, dass ich als Tote solch unangenehme Empfindungen spüren kann. Die Tatsache, von meiner über die Jahre liebgewonnenen Tante verraten worden zu sein, ist schon schwer zu ertragen. Doch zu erfahren, dass sie obendrein eine uralte rachsüchtige Taliducz ist, entzieht mir jegliche Kraft. Ich werde einige Zeit aufbringen müssen, um diese Tatsache zu verarbeiten.
Die Lessia lässt das Bild erneut verzerren, bis wir uns inmitten einer Schlacht befinden. Schwerter werden durch Körper gestoßen, Blut tränkt den sandigen Boden und Magie erfüllt die Atmosphäre, die mir beinahe die Luft zum Atmen nimmt. Vollkommen erschrocken über die neue Situation, gehe ich instinktiv in eine Angriffsstellung über, bis mir wieder klar wird, dass ich nur ein Geist bin.
Ich blicke zur Lessia, die vollkommen ruhig auf dem Schlachtfeld steht. Ihre Miene ist streng und undurchsichtig.
Schreie, Wehklagen und das Klirren von Eisen dringen ohrenbetäubend zu mir. Körper fallen leblos zu Boden, nachdem sie Gliedmaßen verloren haben oder von Waffen durchbohrt wurden. Feuerschwaden brennen über den Köpfen der Kämpfenden. Der Boden bebt, bricht auf und einige Personen fallen die dunkle Schlucht hinab.
Die Sonne brennt heiß über der steppenähnlichen Landschaft, in der es nichts gibt außer Sand und Dürre.
»Horaz, pass auf!«, höre ich eine bekannte Stimme schreien und erkenne in der Menge Anthea. In glänzender Rüstung stürzt sie sich auf einen Taliducz, um Horaz, den ersten Werth, zu beschützen. Ihr Körper ist dabei von magischen Barrieren umgeben.
Horaz? Dann waren die Kerle vorhin Horaz und Glaucus?
Sie kannten sich also schon aus Kindheitstagen.
Anthea bohrt ihre Klinge durch die Brust eines Taliducz, der gerade dabei war, sie von ihrem Sitz herunterzustoßen. »Wir kommen nach«, sagt sie an Temaya gewandt.
Diese sitzt auf einem Pferd, nickt zustimmend und prescht davon.
Der Rest ihrer Mitstreiter hält sich mit Magie Feinde vom Leib. Körper werden durch die Luft geschleudert, überall brechen sich enorme Druckwellen einen Weg und hinterlassen nichts als Zerstörung.
Entsetzt lege ich eine Hand über meinen Mund. »So sieht ein Taliducz-Krieg aus?«
Die Lessia seufzt. »Wir haben sechs Jahre lang nach Verbündeten gesucht. Als wir schließlich für den Krieg gerüstet waren, stellten wir uns dem damaligen König der Taliducz. Mit geballter Kraft drangen wir bis zu seinem Schloss vor. Wir überfielen ihn und nahmen ihn gefangen.«
Die Schlacht verschwimmt vor meinen Augen und plötzlich stehen wir in einem bemerkenswerten Thronsaal, dessen Treppen zu einer Empore hinaufführen, die eines Herrschers würdig ist.
»Wir beschlossen, Gnade walten zu lassen. Doch Anthea hatte andere Pläne und damit ihr Schicksal selbst besiegelt«, höre ich die Lessia sagen und bemerke in ihrer Stimme eine Spur von Bedauern.
Am Boden wimmert ein Mann. Eilig laufe ich die Stufen hinauf, um näher am Geschehen zu sein.
Horaz, Glaucus, Anthea und Temaya stehen in einem Kreis um ihn herum. Er drückt sich eine blutende Wunde an der Brust zu. In seinem Gesicht erkenne ich tiefe Falten. »Das Volk wird sich euch niemals beugen«, ruft er.
Anthea zischt wütend und zieht einen Dolch aus dem Heft an ihrem Gürtel. »Bringen wir ihn zum Schweigen!«
Glaucus hält sie zurück und schüttelt den Kopf. »Nein! Dann sind wir nicht besser als er. Wir haben versprochen, Gnade walten zu lassen. Wir sollten das Temaya überlassen.«
Auch Horaz blickt erwartungsvoll zu Temaya. »Ja, lassen wir die Lessia entscheiden.«
Doch ehe Temaya ihre Entscheidung aussprechen kann, ruft Anthea: »Das kann ich nicht zulassen!« und stößt ihren leuchtend weißen Magiedolch durch die Brust des Königs.
Dieser gibt einen erstickten Laut von sich und fällt zu Boden. Im selben Moment stürmen Soldaten durch die große Tür in den Thronsaal und sehen mit eigenen Augen, wie ihr König von den Feinden ermordet wird.
Die Szene stoppt schlagartig und die Lessia tritt zu mir. Sie sieht ihre damalige Verbündete traurig an. »Antheas Dorf war ihr Ein und Alles. Als Kind musste sie zusehen, wie ihre Mutter von den Soldaten des Königs vergewaltigt und danach abgeschlachtet wurde. Letztendlich hat sie es ihrem Vater zu verdanken, dass sie fliehen konnte und als Einzige überlebte.«
Ich schlage schockiert die Hände über dem Mund zusammen und blicke die Königsmörderin fassungslos an. In Antheas Augen erkenne ich Rache und Zorn.
Die Lessia lässt erneut die Szene verschwimmen und vor meinen Augen tut sich ein neues, klares Bild auf. Auf dem Thronsaal – er sieht verändert aus – sitzt nun Temaya. Glaucus und Horaz befinden sich neben ihr. Vor ihr kniet Anthea am Boden. Ihr wurden Ketten angelegt.
»Das Volk hätte sich niemals einer Lessia gebeugt, die den König ermorden ließ. Um keine Zwietracht zu säen, mussten wir Anthea – die Königsmörderin – bestrafen.« Sie schließt schmerzerfüllt ihre Lider. »Ich hatte damals keine andere Wahl. Und auch wenn meine Entscheidung der Grund dafür war, dass Anthea sich veränderte, bereue ich sie nicht.«
Die Figuren beginnen sich vor mir zu bewegen.
»Temaya, das kannst du nicht zulassen«, appelliert Horaz angstvoll an ihren Verstand.
Die damalige Lessia hat längst entschieden, wie ich in ihren unbeugsamen, hellgrauen Augen erkennen kann.
Es vergehen mehrere Sekunden und eine derart bedrückende Stille legt sich über den Saal, dass ich Gänsehaut bekomme. Wie gebannt sehen die Anwesenden zu Temaya, ihrer neuen Königin.
Schließlich stößt sie einen tiefen Atemzug aus und verkündet ihre Entscheidung: »Nehmt sie mit.«
Blankes Entsetzen spricht aus Horaz’ Blick.
»Verräterin!«, ruft Anthea ihrer alten Freundin wütend zu. »Das werde ich dir nie verzeihen!«
Die Szene vor uns hält erneut an und die Herrscherin der Totenwelt tritt neben mich. In ihrem Blick liegt Bedauern. »Das war eine der schwersten Entscheidungen meines Lebens. Aber was Horaz und Anthea nicht wussten, war, dass Glaucus und ich vorhatten, unsere Freundin wieder zu befreien. Die Festnahme war nur Schau, um das Volk zu besänftigen. Danach hätten wir sie unter falschem Namen weiterleben lassen.«
Ich wende mich ihr zu und wage kaum zu fragen: »Was geschah dann?«
Sie schluckt schwer und setzt sich auf eine der Treppenstufen. »Wir versuchten Anthea heimlich zu retten. Das Volk durfte nicht mitbekommen, dass dabei meine Finger – die Finger der Königin – im Spiel waren.« Sie macht eine Pause und seufzt, ehe sie fortfährt. »Doch es lief alles schief. Wir kamen zu spät. Anthea starb in Horaz’ Armen und ich glaubte, die beiden nie wiederzusehen.«
»Bis sie zurückkehrten.«
Die Lessia nickt und hebt ihren Arm. »Jahre vergingen und ich bekam zusammen mit Glaucus eine Tochter.« Erneut verwandelt sich die Umgebung und ich erkenne Anthea und Horaz, die gemeinsam den Thronsaal betreten.
»Bist du es wirklich?«, will die Lessia von damals wissen. Überrascht erhebt sie sich von ihrem Thron und nähert sich dem Paar. In ihren Augen sehe ich Erleichterung. »An-thea?«
Die alte Freundin nickt aufgeregt. »Horaz hat mich zurückgeholt.«
»Aber wie?«, haucht die Königin.
Der erste Werth legt einen Arm um seine Geliebte und schenkt ihr einen Kuss auf die Stirn. Er zieht ein wenig den Kragen ihres Oberteils nach unten und eine wunderschöne, aus blauen Tränen geformte Halskette kommt zum Vorschein. »Zuerst habe ich von dieser Kette geträumt, dann hat dieses Schmuckstück Anthea das Leben gerettet. Ich kann es mir nicht erklären, vermutlich ist es Schicksal gewesen.«
Ich ziehe scharf die Luft ein. »Die Tränen der Unsterblichkeit.«
Die Herrscherin der Totenwelt sieht mich mit ihren grauen Augen an. »Exakt. Verstehst du jetzt, Kira? Die Geschichte, die du kennst, basiert nur zur Hälfte auf der Wahrheit.«
Ich bin verblüfft. Horaz hatte demzufolge Anthea nicht zurückgeholt, weil sie sich für ihn aufgeopfert hat, sondern weil er ihren Tod bedauerte. »Wie ging es weiter?«, frage ich gespannt.
Die Lessia seufzt schwer. »Wir versöhnten uns.«
»Lass mich raten, Horaz und Anthea haben nur so getan, als wollten sie die Freundschaft wiederaufbauen. In Wahrheit aber haben sie euch hinterrücks getötet?«
Die Lessia lässt die Welt um uns herum abermals einfrieren, damit sie mir in Ruhe antworten kann. »Ja. Bis zu meinem Tod dauerte es noch einige Wochen. Anthea und Horaz hatten die Tat gut geplant und den passenden Augenblick abgewartet.« Sie presst die Lippen aufeinander und dreht sich dann in Richtung einer der Nebenräume. »Es gibt aber noch einen Teil der Geschichte, den ich dir zeigen muss, bevor wir zum Ende kommen.«
Ich folge ihr und spüre, wie sich die Umgebung in die Länge zieht und alles surreal verzerrt wird.
Wir landen im Raum des Talismon, der über der silbrigen Flüssigkeit schwebt. »Am Anfang gab es noch keinen Kristall, oder?«, frage ich.
Die Lessia schüttelt den Kopf. »Nachdem wir dem Wasser ein Becken aus Gold gebaut hatten, war der Kristall plötzlich eines Tages da. Wie ein Geschenk der alten Lessia.« Sie fixiert Antheas Geliebten. »Das hier ist nun wichtig, Kira. Sieh genau hin.«
Ich blicke zu Horaz, der über die Quelle gebeugt dasitzt, nachdenklich und allein. Wir gesellen uns zu ihm, auch wenn er uns gar nicht wahrnehmen kann. Horaz hält sich abwechselnd die Ohren zu und blickt wie erstarrt in die silberne Flüssigkeit hinein.
»Was macht er da?«, will ich wissen.
»Das Wasser spricht zu ihm. Das erfuhr ich aber erst, als er bei mir in der Totenwelt ankam und es mir selbst erzählte.« Sie deutet mit einem Kopfnicken zu seinen Händen, die er aneinanderdrückt und in Richtung Wasser bewegt. Etwas zu nah. Er wird sich verbrennen!
Meine Hand schnellt reflexartig nach vorne, um seinen Arm wegzuziehen. Doch, als sie wie ein Nebel durch seinen Körper hindurchgleiten, wird mir wieder bewusst, wo ich bin und dass ich die Vergangenheit nicht ändern kann.
Horaz’ Finger landen in der Flüssigkeit, und er schreit schmerzerfüllt auf. Verkrampft kneift er die Augen zusammen und legt seinen Kopf in den Nacken. Schließlich eilen Schritte herbei. Es sind Antheas und Temayas.
»Bei den Sigillen! Was hast du getan?«, ruft Temaya entsetzt.
Dampf steigt von seiner verbrannten Haut auf, als er die Hände aus dem Becken reißt. Sie werden rot, schwellen an und lassen sogar das Weiß des Knochens hervorblitzen. Das Talismon-Wasser frisst sich komplett durch.
Anthea kniet sich sogleich zu ihrem Geliebten hinunter, um sich seine Hände anzusehen.
Der Geruch von verbranntem Fleisch kriecht in meine Nase.
»Ich bin nur für den Moment eingeschlafen, da ich schon seit einiger Zeit hier sitze«, erklärt er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Warum?«, will die Lessia von damals wissen.
Er schüttelt nur den Kopf und atmet mehrmals tief ein und aus. Die Schmerzen scheinen ihn zu überwältigen.
»Ich heile dich«, flüstert Anthea und legt ihre eigenen Hände über seine. Gleich darauf entfährt Horaz ein erleichterter Seufzer und Schweißperlen rinnen ihm an den Schläfen entlang.
»Was ist das?«, fragt Temaya, als sie etwas zwischen Horaz’ Händen zu entdecken scheint.
Horaz folgt ihrem Blick und erkennt selbst, dass er etwas in seinen Händen hält. Er löst seine Finger voneinander und heraus fällt ein kleiner, blauer Stein.
»Woher hast du das?«, fragt Anthea und nimmt den Kristallsplitter an sich.
Horaz keucht und lässt erschöpft seinen Kopf sinken. »Ich weiß es nicht … Er war einfach da.«
Die Lessia von damals zieht die Augenbrauen zusammen. »Das ist unmöglich …«
Vermutlich spürt sie die Kraft des Steines und versucht zu verstehen, weshalb in ihm Magie pulsiert. Ich kenne dieses Gefühl zu gut.
Erneut stockt die Szene und die Lessia neben mir verschränkt ihre Finger vor dem Körper. »Es war der erste Tali, den Horaz jemals erschaffen hat. Der Tali der endlosen Macht. Auch von ihm hatte Glaucus zuvor geträumt, ebenso wie von einem Symbol, das er eines Tages auf einem Berg in ein Steinmonument malte. Es glühte auf und bei seiner Berührung erschien eine alte, vergoldete Tür, die nach Eldorado, die Stadt der Vervielfältigung, führte.«
Ich erinnere mich an die Geschichte von Horaz, dem ersten Werth, und dem Tali der endlosen Macht. »Wann kamen die schwarzen Ringe um die Steine zum Einsatz?«, hake ich weiter nach.
»Kurz nachdem wir angefangen hatten, uns die Talis in die Haut zu setzen. Um Kontrolle über sie zu erlangen, betete ich an der Quelle, bat um Hilfe und erhielt als Antwort die schwarzen Ringe um jeden Stein.«
»Also antwortete dir eine höhere Macht?«
Die Lessia zögert kurz. »Möglicherweise. Niemand weiß, woher all die Magie stammt.«
»Weißt du, wo Der Tali der endlosen Macht nun ist? Den Schlüssel zu Eldorado besitzt mein Bruder, und Die Tränen der Unsterblichkeit trägt weiterhin Anthea.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung, Kira. Ich kann zwar die Erinnerungen der Toten ergründen, aber das mache ich nicht bei jeder Seele. Das würde meine eigenen Fähigkeiten übersteigen. Derjenige, der damals den Tali der endlosen Macht versteckt hat, muss es in der Totenwelt für sich behalten haben.«
Mir kommt es seltsam vor, dass sie ausgerechnet das nicht weiß. Die Lessia wirkt so allwissend und mächtig. Weshalb hat sie keine Antwort auf meine Frage?
»Warum hat Anthea die Geschichte anders erzählt?«, frage ich weiter.
»Sie wollte eine Heldin sein. Denn Anthea hatte das Gefühl, zu all dem nichts beigetragen zu haben – was meiner Meinung nach nicht stimmt. Seit ihrer Wiederauferstehung war sie zu einer regelrechten Egoistin mutiert. Sie erkannte ja nicht einmal, wie sehr Horaz sie geliebt hatte. Am Ende mordete er sogar für sie.«
»Der Mörder der Königin«, ergänze ich.
»Ja, während Anthea daneben stand und mir bei meinem letzten Atemzug siegreich in die Augen schaute.«
Wie grausam. Kann die Liebe uns zu solch rücksichtslosen Wesen machen – zu Mördern? »Was ist mit deiner Tochter und Glaucus geschehen?«
»Sie flohen und kamen bei alten Verwandten aus meinem Heimatdorf unter. Doch mein Mann starb, noch bevor er in Sicherheit sein konnte. Anthea und Horaz übernahmen danach die Herrschaft, nutzten alle drei Schöpfungen und öffneten damit das Portal nach Talbrem. Sie krönten sich selbst zu König und Königin und wurden somit die ersten Herrscher Talbrems.«
Ich reibe mir nachdenklich das Kinn. »Wieso ist Anthea nicht an der Macht geblieben?«
Die Lessia deutet mir mit dem Kopf an, ihr weiter zu folgen.
Wir durchqueren einen Gang und unsere Umgebung ändert sich erneut. Jetzt stehen wir am großen See von Talbrem, an dessen Horizont das Wasser über den Rand des Plateaus schwappt. An diesem Ort wurden oft Bestattungsriten vollzogen – ähnlich denen der Wikinger. Doch statt eines Bootes, welches auf dem Wasser treibt, betteten die Taliducz ihre Toten auf magische Wolken, die am Rand Talbrems in die Tiefe stürzten und sich in Staub auflösten.
Als wir nun durch die Leute von damals wandeln, die uns nicht wahrnehmen, entdecke ich am Wasser einen dichten, weißen Nebel, der einen alten Mann einhüllt, der offensichtlich das Zeitliche gesegnet hat. Er trägt auf dem Kopf eine goldene Krone und ein blaues, edles Gewand.
Sein Aussehen gibt mir Aufschluss darüber, um wen es sich handeln könnte.
»Während Anthea schön und jung geblieben ist, musste sie mitansehen, wie Horaz immer älter wurde und eines Tages starb.«
Bei diesen Worten fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Josephine! Sie wollte alles dafür tun, um den ersten Werth zu erwecken. Josephine, die die Taldiducz entführt und in die Welt der Zeitlosen einsperrt, eine Welt, in der man nicht mehr altert. Sie tut das aus einem einzigen Grund.
Für Horaz. Für ihre Liebe.
In mir tobt noch immer ein solcher Hass auf diese Frau, dass ich es mit Worten nicht beschreiben kann. Doch zum ersten Mal beginne ich sie zu verstehen. Ich erkenne ihren Schmerz, ihre Liebe, ihre Taten, ihr böses Wesen, zu dem sie in den letzten Jahrhunderten geworden ist.
Sie ist eine armselige Frau. Verbittert. Gebrochen. Getrieben von Hass.
Sie hat durch mich versucht, Horaz wiederauferstehen zu lassen, um mit der Liebe ihres Lebens zusammen sein zu können. Nur hatte Kjell ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht, indem er sein und mein Herz zerstörte.
»Als Horaz meine Welt betrat«, fährt die Lessia neben mir fort, »habe ich seine Erinnerungen nicht gelesen. Ich tat es aus Respekt ihm gegenüber. Er erzählte mir schließlich die Geschichte aus freien Stücken. Dasselbe tat ich bei Glaucus. Ich brachte es nicht übers Herz, rücksichtslos in ihre Köpfe zu blicken.«
Verständlich. Auch ich brächte es nicht fertig, einen meiner Freunde auszuspionieren und ihre tiefsten Geheimnisse zu ergründen.
Plötzlich erkenne ich Anthea, die in einem schwarzen Samtkleid aus der Menge hervorgetreten kommt. Ihre Wangen sind feucht, die Augen mit Tränen gefüllt. Sie geht ganz nah an die magische Wolke heran und greift nach Horaz’ Hand. Sie scheint etwas zu sagen.
Eilig nähere ich mich ihr, um etwas zu verstehen, auch wenn mir bewusst ist, dass es Worte sind, die wohl nur für Horaz allein bestimmt sind.
»Ich hasse diese Welt, Liebster. Ich hasse diese Welt, weil sie mir dich genommen hat. Talbrem braucht uns. Gemeinsam. Nicht getrennt.« Sie schluchzt und hält sich weinend die Hand vor Nase und Mund.
Mir fällt es so schwer, Menschen weinen zu sehen. Mitleid überkommt mich und ich ertappe mich dabei, wie ich gegen den Impuls ankämpfe, Antheas Hand halten zu wollen.
Die Lessia hingegen wirkt während dieser berührenden Erinnerung beherrscht. Sie scheint in all den Jahren gelernt zu haben, dass diese Taten der Vergangenheit angehören. Wir werden nichts an dem ändern können, was passiert ist. Doch wir können es akzeptieren und daraus unsere Lehre ziehen, um die Gegenwart positiv zu beeinflussen. Denn so viel Leid Anthea auch in ihrem Leben widerfahren sein mag, es gibt ihr nicht das Recht, anderen Leid zuzufügen und unsere Welt zu zerstören.
Da fällt mir plötzlich etwas ein. »Lessia, weshalb trage ich Horaz’ Herz in mir?«
Sie lächelt stolz. »Glaucus und ich hatten eine Tochter, wie du weißt. Anthea und Horaz hatten einen Sohn. Er verliebte sich in unsere Tochter und beide bekamen ein Kind. Mit ihm verbanden sie unser aller Blut.« Sie hebt bedeutungsvoll einen Finger, als würde sie noch etwas anfügen wollen. »Horaz‘ Magie manifestierte sich im Laufe der Jahrhunderte – ähnlich einer wachsenden Pflanze – in jedem seiner Nachkommen. Bei dir entfaltete sich diese Macht in deinem Herzen. Es ist eine Art ... Wunder.«
Kjell hatte es damals zerstört, um die Wiedererweckung des ersten Werths zu verhindern. Es war eigentlich für ihn gedacht, da er mir ja seines geschenkt hatte, nachdem ich wegen meiner Herzlosigkeit beinahe gestorben wäre.
»Und was ist mit Camerons Theorie über mein Herz? Er hat damals zu mir gesagt, wenn man es mir einsetzen würde, würde ich sterben und eine Bombe entfesseln.«
Die Lessia wirkt verwirrt. »Das wäre mir neu und macht überhaupt keinen Sinn.« Nachdenklich legt sie den Kopf schief. »Es sei denn, Anthea hat Cameron diesen Floh ins Ohr gesetzt, um im entscheidenden Moment zu verhindern, dass du dir dein Herz zurück in deinen Körper setzt und somit Horaz’ Wiederauferstehung misslingt.«
Das darf nicht wahr sein! Wenn Cameron nicht gewesen wäre, hätte alles anders enden können! Kjell hätte mein Herz nicht zerstört, sondern es mir zurück in den Körper gesetzt und somit den Blutpakt mit Anthea verhindert. »Aber wie stieß Anthea nun auf das Land der Zeitlosen, und weshalb erinnert sich niemand an die Taliducz vor dieser Wende?«
Die Lessia verändert unsere Umgebung, indem sie wieder einen Halbkreis in die Luft malt. Doch anstatt in eine neue Erinnerung geschleudert zu werden, stehen wir inmitten eines surrealen Tunnels, der mit Hunderten von verschiedenen Bildern und Momenten bestückt ist. Ich kann unter, neben und über mir bewegte Gesichter und Umgebungen erkennen, die alle ineinander übergehen und sich wie ein Filmstreifen vor mir abspielen.
»Sie gab mir die Schuld an allem und wollte mich ihren Zorn spüren lassen. Es waren bereits dreihundert Jahre vergangen, in denen sie über Talbrem regierte und den Menschen verbot, über die alten Geschichten zu sprechen. Sie ließ Bücher, Statuen, Pergamente und sogar Angehörige vernichten, bis die Leute allmählich das Leben vor Talbrem vergaßen. Doch Antheas Rachedurst blieb ungestillt. Schließlich wollte sie mich aufspüren, im Reich der Toten. Dafür nutzte sie die Spirale der Zeit und öffnete mit Magie ein Portal. Doch statt ins Reich der Toten zu gelangen, erschuf sie einen Weg ins Land der Zeitlosen. Obwohl es zum größten Teil nur aus Dürre und Sand besteht, verfolgte Anthea den Plan, dort eine neue Welt zu erschaffen. Ihre Gelehrten und Vertrauten aber waren wenig begeistert von der Idee. Sie beabsichtigten in Talbrem zu bleiben, da es ihr Zuhause geworden war.«
Ich kann mir denken, wie es weiterging. »Sie lehnten sich gegen Antheas Vorhaben auf, nicht wahr?«
Die Geschichte verbindet sich mit den Worten der Lessia, denn plötzlich ändern sich die Bilder um uns herum. Vor mir erkenne ich Anthea, die mit wutverzerrtem Gesicht auf der Empore der Spirale der Zeit steht und in die Tiefe blickt. Ihre Hände hat sie hocherhoben und wirkt auf die alte Galerie Magie aus. Sie reißt ein schwarzes Loch in die Spirale der Zeit, das mich an die Rückseite des Spiegels aus Eldorado erinnert. Blitze schießen gegen die Wände aus Mosaikfliesen, die nun zersplittern und ins Nichts fallen.
Hat sie damit das Portal zum Land der Zeitlosen erschaffen?
Außerdem sehe ich wütende Taliducz, die sich gegen ihre Königin auflehnen. Kämpfe und Kriege folgen. Es scheint viel Blut in Talbrem vergossen worden zu sein.
»Anthea zerstörte Büchereien, Museen – einfach alles, was der Vergangenheit angehörte. Ihr Ziel war es, die Zeit auszulöschen. Heute kann sich von deinen Nachfahren nahezu niemand mehr daran erinnern.«
»Das ist ja grausam«, sage ich seufzend. »Wie kann man nur so voller Hass sein?«
»Hass?«, hakt die Lessia nach. »Du meinst wohl Wahnsinn. Antheas ewiges Leben hat sie zu einem Monster werden lassen.«
»Ja, und irgendwann entriss man ihr das Zepter und verbannte sie?«
»Nicht ganz. Anthea ergriff rechtzeitig die Flucht, ehe sie gefangen genommen werden konnte. Sie floh in die Menschenwelt und tauchte Jahrhunderte lang unter.« Versonnen dreht die Lessia einen goldenen Ring an ihrem Finger. Vermutlich ihr Ehering. »Das Loch, das sie in die Spirale der Zeit riss, habe ich von der Totenwelt aus wieder geschlossen, um die Menschen daran zu hindern, weder dieses noch das Land der Zeitlosen zu betreten. Dabei musste ich jahrhundertealte Geschichte zerstören. Der Prozess ließ Anomalien entstehen, die zwar nur kleine Auswirkungen auf unsere Existenz haben, aber uns dennoch gefährlich werden können. Eine dieser Anomalien führte dazu, dass in Eldorado ein Portal auf der Rückseite des Spiegels entstand, und eine andere sorgte dafür, dass der Untergrund der Spirale der Zeit ins Nichts führt, aus dem man nie wieder herauskommt.«
»Was ist eine Anomalie in unseren Welten?«
Sie verschränkt die Hände vor ihrem Körper und holt tief Luft. »Das ist schwierig zu erklären. Es ist eine Art Fehler, bei dem man weder sagen kann, woher er kam noch wie er zu beheben ist.«
»Aber aus irgendeinem Grund hat Anthea es geschafft, ins Land der Zeitlosen zurückzukehren«, entgegne ich.
»Sie muss einen Portal-Tali besitzen, den sie vor der Schließung hat anfertigen lassen. Nachdem sie geflohen war, wartete sie die Jahre ab, bis meine Kräfte nachließen und ich eine Nachfolgerin brauchte.«
Stimmt, das macht Sinn.
Die Lessia legt eine Hand auf meine Schulter. »Es tut mir leid, dass ich dich so hart mit der Wahrheit konfrontieren musste, Kira. Vermutlich sind noch nicht all deine Fragen beantwortet, aber ich denke, es ist Zeit, dass du jemanden wiedersiehst, den du lange als verloren geglaubt hattest.«