Das Vermächtnis von Talbrem: Das kleine Weihnachtswunder (Prequel) - J. K. Bloom - E-Book
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Das Vermächtnis von Talbrem: Das kleine Weihnachtswunder (Prequel) E-Book

J. K. Bloom

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Beschreibung

Auf einem traditionellen Weihnachtsfest in ihrer magischen Heimat Talbrem begegnet die sechzehnjährige Kira einem alten Mann namens Claus, der seine wertvolle Brosche verloren hat. Aus Mitleid beschließt sie, sich auf die Suche nach ihr zu machen – ein Entschluss, den auch der arrogante Gesandtensohn Kjell getroffen hat, den sie noch nie ausstehen konnte. Nun gut, da muss Kira jetzt durch, denn sie möchte Claus helfen. Auf der Suche aber entdecken Kira, Kjell und ihre Freunde, die sich ihnen anschließen, einen geheimen Weihnachtsmarkt. Dort erfahren sie, dass sie die Brosche nur erhalten, wenn sie an einem Wettbewerb teilnehmen und diesen auch gewinnen. Aber können Kira und Kjell überhaupt ihre Feindschaft beiseitelegen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen?

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Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Kapitel 1 - Talidusisches Weihnachten

Kapitel 2 - Der Fremde an der Bar

Kapitel 3 - Auf der Suche

Kapitel 4 - Ein lausiger Claus

Kapitel 5 - Gebrannte Mandeln und der Mistelzweig

Kapitel 6 - Lasst die Spiele beginnen!

Kapitel 7 - Nicht teamfähig

Kapitel 8 - Das Rätsel-Labyrinth

Kapitel 9 - Ein unerwarteter Zug

Kapitel 10 - Die Schneeballschlacht

Kapitel 11 - Das Blatt wenden

Kapitel 12 - Das Ass im Ärmel

Kapitel 13 - Kiras Plan

Kapitel 14 - Der geschickteste Schachzug in der Geschichte des Weihnachtsmarktes

Kapitel 15 - Der Sieg

Kapitel 16 - Ein Weihnachtswunder

Kapitel 17 - Ein bleibendes Gefühl

Dank/Nachwort

 

J. K. Bloom

 

 

Das Vermächtnis von Talbrem

Das kleine Weihnachtswunder

 

 

Fantasy

 

 

 

 

 

Das Vermächtnis von Talbrem: Das kleine Weihnachtswunder

Auf einem traditionellen Weihnachtsfest in ihrer magischen Heimat Talbrem begegnet die sechzehnjährige Kira einem alten Mann namens Claus, der seine wertvolle Brosche verloren hat. Aus Mitleid beschließt sie, sich auf die Suche nach ihr zu machen – ein Entschluss, den auch der arrogante Gesandtensohn Kjell getroffen hat, den sie noch nie ausstehen konnte. Nun gut, da muss Kira jetzt durch, denn sie möchte Claus helfen. Auf der Suche aber entdecken Kira, Kjell und ihre Freunde, die sich ihnen anschließen, einen geheimen Weihnachtsmarkt. Dort erfahren sie, dass sie die Brosche nur erhalten, wenn sie an einem Wettbewerb teilnehmen und diesen auch gewinnen.

Aber können Kira und Kjell überhaupt ihre Feindschaft beiseitelegen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen?

 

 

 

 

Die Autorin

J. K. Bloom schreibt schon, seit sie elf Jahre alt ist. Das Erschaffen neuer Welten ist ihre Leidenschaft, seitdem sie das erste Mal ein Gefühl für ihre Geschichten bekam. Sie ist selbst abenteuerlustig und reist sehr gern. Wenn sie ihre Nase nicht gerade zwischen die Seiten eines Buches steckt, schreibt sie, beschäftigt sich mit ihren zwei Katzen oder plant schon die nächste Reise an einen unbekannten Ort.

 

 

 

 

 

 

 

 

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, Dezember 2023

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2023

Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

Lektorat: Sternensand Verlag GmbH | Denise Mallon

Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

ISBN (epub): 978-3-03896-284-7

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für all die Leser,die an Talbrem genauso ihr Herz verloren,wie ich es beim Schreiben tat

Kapitel 1 - Talidusisches Weihnachten

Kira

 

»Daddy, wieso darf ich nicht mit?«, nörgelt Luca, mein jüngerer Bruder. Er sitzt neben dem Tannenbaum und hat wieder einmal seinen Hundeblick aufgesetzt.

Mann Luca, denke ich. Hättest du nicht solche Kulleraugen, würde Dad dir viel mehr verbieten.

Mein Vater, Adriel Francis Brooks, beißt sich auf die Unterlippe und blickt seinem Sohn in die Augen. »Luca, wir haben das doch schon besprochen. An Weihnachten sind wir alle zusammen. Versprochen.«

»Aber in Talregnum soll es einen riesigen Tannenbaum geben. Ich will ihn nur sehen! Bitte! Bitte! Bitte!«

Ich atme tief durch. »Lu, nerv nicht.«

Mein Bruder wirft mir einen seiner üblichen Todesblicke zu. »Halt dich daraus, du Zicke!«

Mir entfährt ein Seufzen.

»Kira, hör auf, dich einzumischen«, weist mich nun auch mein Vater zurecht.

Teils scherzhaft, teils verärgert stecke ich ihnen die Zunge heraus und lasse mich auf dem Sofa ins Kissen fallen, ehe ich nach meinem Handy greife und Emily schreibe.

Luca nervt weiter: »Biiiiitttee!«

Dad massiert sich gefrustet die Stirn. »Womit habe ich ein nörgelndes Kind und eine pubertierende Teenagerin verdient?«

Ich richte mich auf. »Wer pubertiert hier?«, frage ich empört und zeige auf Luca. »Der hört doch nie!« Außerdem weiß doch jeder, dass man mit vierzehn Jahren in diese schwierige Phase gerät und nicht mehr mit sechzehn. Ich benehme mich doch wie immer, denke ich. Dad sucht auch für alles eine Ausrede.

Mein Vater zerschneidet mit den Armen wild die Luft. »Schluss damit! Kira, zieh dir etwas an. Elaine und Victor kommen uns gleich abholen.« Er atmet tief aus. »Lu, Paul macht dir heute Abend dein Leibgericht. Wann wir zurückkehren werden, weiß ich noch nicht.«

Mein Bruder wirkt traurig und lässt den Kopf hängen. Er schnappt sich sein Modellflugzeug und schiebt es auf dem Boden hin und her.

Ich seufze. Kann man von einer Person eigentlich genervt sein und sie dennoch lieben?

In knappen Sätzen tippe ich eine rasche Nachricht an Emily, die ich gleich in Talregnum treffen werde, da wir zu dem alljährlichen Vorweihnachtsfest eingeladen sind. Es findet immer am dreiundzwanzigsten Dezember statt.

Wir verkehren in den hohen Kreisen Talbrems, weswegen ich es gewohnt bin, überall präsent zu sein. Schließlich habe ich vor, irgendwann in die Fußstapfen meines Vaters zu treten. Denn bis auf unser Regierungsoberhaupt, Georg Morrell, gibt es keine höher angeseheneren Regierungsmitglieder, als die dreizehn Gesandten, von denen mein Vater der VI. ist.

Ich stehe von der Couch auf, während Dad in seine Hände klatscht und mich dazu auffordert, schneller zu laufen. »Komm schon! Du hast fünfzehn Minuten, sonst fahren wir ohne dich.«

Ein Teil von mir wünscht sich tatsächlich, dass sie mich hierlassen, aber das würde mir Emily nie verzeihen. Denn meine beste Freundin liebt Weihnachten. Ich hingegen …

Oben in meinem Zimmer angekommen, schnappe ich mir rasch meine Kleidung vom Bett, die ich mir zuvor zurechtgelegt habe. Um mich der Gesellschaft anzupassen, habe ich mir ein Rentierkostüm ausgesucht, das aus einem langärmligen Kleid und einem Geweihhaarreif besteht. Dazu habe ich braune Stiefeletten mit Stulpen besorgt. Damit ich an den Beinen nicht friere, ziehe ich eine hautfarbene Strumpfhose an.

Auf meinem Frisiertisch liegt der Schmuck für heute Abend, der mein Outfit perfekt vervollständigt: ein Samtband mit einem eingearbeiteten roten Tali. Dieser Edelstein ist für uns Taliducz essenziell. Ohne die magischen Steine würden wir nämlich keine außergewöhnlichen Fähigkeiten besitzen.

Nachdem ich den Schmuck angelegt habe, gehe ich in mich und rufe die Magie des Steins hervor.

Meine Fingerspitzen kribbeln und ein Schauer läuft mir den Rücken hinunter, als sich die Kraft durch meinen Körper bahnt. Es handelt sich dabei um einen Illusions-Tali, der mir ein passendes Make-up ins Gesicht zaubert und meine langen schwarzen Haare zu einer niedlichen Frisur zurechtrückt. Einzelne Strähnen sind am Hinterkopf zu einem Zopf geflochten und fallen in den übrigen Wellen am Rücken hinab.

Zufrieden mit meinem Kostüm schnappe ich mir zum Schluss meine Pelzjacke und eile nach unten zu meinem Vater, der ungeduldig im Foyer auf mich wartet.

Als er mich sieht, mustert er mich von oben bis unten. »Na endlich.«

Ich verdrehe die Augen und betrachte sein Outfit. Er ist komplett in Schwarz gekleidet, trägt einen roten Schal um den Hals und einen Zylinder auf dem Kopf. »Dad? Wen willst du denn darstellen?«

Er grinst. »Ebenezer Scrooge.«

Na, das passt ja. Ich beginne zu lachen. »Nicht dein Ernst. Ganz der Miesepeter.«

Er rümpft die Nase. »Seit deine Mom …«

Ich mache eine verstehende Handbewegung. »Du bist immer noch in Trauer.«

Er schüttelt den Kopf. »Nicht nur das. Bei dieser Raubtier-Gesellschaft kann ich einfach nicht anders.«

»Recht hast du«, stimme ich meinem Vater zu.

Paul taucht im Foyer auf und öffnet uns die Haustür, hinter der uns am Ende der Treppe eine weihnachtlich dekorierte Limousine erwartet.

Elaine, meine Tante, steigt aus dem Wagen und winkt uns voller Vorfreude zu. »O Bruderherz! Kira! Ihr seht toll aus. Beeilt euch, sonst kommen wir noch zu spät.« Dann verschwindet sie eilig wieder im Fahrzeug.

Leise kichere ich, als ich Dad einen knappen Blick zuwerfe. »Dein Kostüm hätte eher zu Halloween gepasst, Dad.«

Er schnaubt und geht die Treppe hinunter.

Elaines und Victors Butler öffnet uns eine der hinteren Türen des Wagens. »Mr. und Ms. Brooks. Wenn Sie bitte einsteigen würden.«

Der ältere Butler nickt uns knapp zu, ehe wir einsteigen und gegenüber von meiner Tante und meinem … Onkel Platz nehmen. Sie sind erst seit Kurzem verheiratet, deshalb fällt es mir noch schwer, ihn als meinen Onkel zu akzeptieren. Ihm untersteht als Oberbefehlshaber die komplette Elite und zudem ist er der III. Gesandte.

»Hallo Kira«, grüßt der blondhaarige Gesandte uns und sieht dann Dad mit ernstem Ausdruck an. »Adriel.«

Dad nickt nur.

Nachdem das Fahrzeug losgefahren ist, ergreift Elaine meine Hände und strahlt vor Freude. »Du siehst hinreißend aus! Mann, wie lange haben wir uns nicht gesehen, Süße? Ein paar Monate, oder? Du wirst immer größer und schöner.«

Ich hebe einen Mundwinkel und entziehe mich ihrer Berührung. »Ähm, ja, Tantchen.« Am liebsten würde ich im Boden versinken, wenn sie mich wie eine Zwölfjährige verhätschelt. »Danke, du siehst auch klasse aus.«

Elaine trägt meistens die teuersten und auffälligsten Outfits von Talregnum. Wenn sie einen Raum betritt, richten sich alle Augen auf sie. Sie liebt es, im Rampenlicht zu stehen. So und nicht anders kenne ich sie.

Meine Tante streicht sich über ihr offenherziges Weihnachtskleid, in dessen Stoff farblose Steine funkeln. Der Saum besteht aus weißem Fell, das kleine Schneeflocken herabrieseln lässt. Sobald sie den Boden berühren, lösen sie sich in Nichts auf.

Als ich meine Tante und meinen Onkel näher betrachte, stelle ich schmunzelnd fest, dass sie sogar ein Pärchenoutfit tragen. Elaine ist ganz offensichtlich als Weihnachtsfrau verkleidet und mein Onkel scheint den helfenden Weihnachtswichtel darzustellen.

 

Die Fahrt dauert nicht lange, da wir uns mit einem Portal direkt vor den Festeingang bringen lassen. Die Limousine hält vor einem roten Teppich, der zu einem glitzernden Palast führt. Seine Fassade schillert wie eine lichtreflektierende Wasseroberfläche und überall hängt Weihnachtsdeko.

Wenn die hohen Kreise Talbrems etwas können, dann übertreiben.

Unser Regierungsgebäude sieht aus wie ein leuchtender Tannenbaum. Dank Magie fliegen etliche Weihnachtsmann-Illusionen über die Dächer hinweg – Weihnachtsmänner, die im Schlitten von Rentieren gezogen werden. Dabei werfen einige ihre Geschenke ab, die sich wie Elaines Schneeflocken auflösen, sobald sie den Boden berühren.

Erneut rolle ich mit den Augen. Ich hasse diese protzige Gesellschaft.

Der Butler öffnet uns die Tür und Victor steigt als Erster aus. Die Presse wartet bereits darauf, von ihm ein Foto zu schießen, genau wie die vielen Journalisten, die ihn um ein kurzes Statement zum heutigen Abend bitten.

Ich verlasse als Letzte den Wagen und bleibe dicht hinter Dad, da ich Kameras verabscheue.

»Oh! Adriel Brooks! Hätten Sie einen kurzen Moment? Wie gefällt Ihnen die Aufmachung unseres historischen Gebäudes? Was erhoffen Sie sich von diesem besonderen Abend?«

Elaine genießt für einen Moment die ihr geltende Aufmerksamkeit, bevor sie sich eiligen Schrittes zur großen Tür aufmacht.

Ich folge Elaine und versuche die Journalisten zu ignorieren.

Doch einer von ihnen erwischt mich kurz vor dem Betreten des Gebäudes. »Kira Brooks! Sie sehen wie immer bezaubernd aus.«

Der Blitz seiner Kamera blendet mich, verärgert schirme ich mit dem Arm mein Gesicht ab. Schleimer, denke ich mir, schenke ihm ein knappes Lächeln und eile weiter.

Hinter einem langen Flur erreichen wir endlich den pompösen Festsaal. Wow! Mir klappt kurz die Kinnlade herunter. Jetzt verstehe ich, weshalb Luca unbedingt mitkommen wollte.

Der Tannenbaum ist mindestens vierzig Meter hoch. Er leuchtet in allen Farben, und auf seiner Spitze prangt ein farbloser Kristall, der wohl den Talismon, unser Heiligtum, darstellen soll.

Er sieht wirklich umwerfend aus.

Ich hole mein Handy heraus und schieße ein Foto, damit ich meinem kleinen Bruder zumindest ein Bild zeigen kann.

Ehe ich es schaffe, Elaine in Richtung VIP-Bereich zu folgen, fangen mich auch schon zwei Arme auf. »Da bist du ja! Du siehst so süß aus, Kira!«

Wir lösen uns voneinander, und ich betrachte lächelnd meine beste Freundin in ihrem grünen Kleid mit rot-weißen Kniestrümpfen. »Eine Weihnachtselfe?«

Sie nickt. »Ich wollte nicht wie jedes Jahr als Weihnachtsfrau gehen.«

Ich kichere.

Emilys Familie gehört leider nicht zum Gesandten-Kreis, weswegen ihr der Zutritt zum VIP-Bereich verwehrt wird. Ihre Familie ist eine der zweitklassigen Regierungsmitglieder, die rangmäßig unter den Gesandten stehen. Aber trotzdem hält mich das nicht auf, den ganzen Abend an ihrer Seite zu sein.

»O Emily«, begrüßt meine Tante sie freudig, ehe sie mit Victor und meinem Dad die Empore hinauf zum VIP-Bereich steigt.

»Hallo, Elaine«, grüßt Emily freudestrahlend zurück.

»Liebling, wir sind oben, falls du uns suchst, ja?«, ruft mein Vater.

Ich nicke ihm zu.

Emily und ich schauen gleichzeitig die Empore hinauf, um abzuchecken, wer sich von der hohen Gesellschaft bereits vor Ort befindet.

Es sind fast alle vertreten, außer …

»Die Evensens sind normalerweise nie zu spät«, bemerkt Emily, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

»Stimmt«, sage ich und will nicht zugeben, dass ich nach ihnen Ausschau gehalten habe.

Diese Familie ist unser absoluter Erzfeind. Seit es vor einigen Generationen einen heftigen Konflikt zwischen unseren Familien gegeben hat, kann das Oberhaupt, Henrik Evensen, die Brooks nicht ausstehen. Wir reden kaum miteinander. Und für uns Brooks gelten die Evensens als hinterlistig und arrogant, besonders die Zwillinge. Oder besser gesagt: Kjell Evensen. Gott, wie ich diesen Kerl hasse.

»Nun ja, vielleicht liegt es daran, dass es ihr erstes Weihnachten ohne die älteste Tochter ist«, spekuliert Emily.

Ich sehe sie skeptisch an. Möglich wäre es.

Vor einigen Monaten ist Vera Evensen auf dem Heimweg von unbekannten Leuten gekidnappt worden und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Die Elite sucht zwar immer noch nach ihr, allerdings schwindet mit jedem Tag die Hoffnung, dass sie noch leben könnte. Vermutlich haben die Entführer sie längst getötet und ihre Leiche irgendwo entsorgt. Das ist das Risiko, wenn man zu einer Gesandtenfamilie zählt. Man ist immer das Ziel irgendwelcher Erpressungen oder Racheakte. Da kein Lösegeld oder dergleichen gefordert wurde, gehe ich eher davon aus, dass Henrik jemanden verärgert hat und dieser mit der Entführung seiner Tochter Vergeltung leistete.

Obwohl ich die Familie nicht ausstehen kann, empfinde ich dennoch ein klein wenig Mitleid mit ihnen. Ich kenne den Schmerz, wenn eine geliebte Person aus dem Leben gerissen wird. Vor drei Jahren ist auch meine Mutter an einer Krankheit gestorben, und ich habe den Verlust bis heute nicht überwunden. Es gibt keinen Tag, an dem ich sie nicht vermisse.

»Die Evensens sind doch nie kleinzukriegen«, sage ich schließlich und versuche nicht mehr an meine Mom zu denken.

»Na komm«, meint Emily und hakt sich bei mir unter. »Lass uns den Weihnachtspunsch probieren. Den gibt’s auch ohne Alkohol.«

Wir schlendern zur Bar hinüber, neben der ein Tisch mit etlichen Punsch-Sorten steht. Kleine Schilder benennen die jeweiligen Getränke. Nachdem wir einem Butler unsere Punschauswahl mitgeteilt haben, gießt er uns davon ein wenig in ein kelchförmiges Glas, in das kleine Schneeflocken eingraviert sind.

Gerade als wir uns umdrehen, wären wir beinahe mit einer hochgewachsenen, schlanken Frau zusammengestoßen.

»Hey, Vorsicht!« Grinsend schaut sie uns mit ihren roten Lippen an. Ihr Haar schmückt ein weihnachtliches Bandana.

»Entschuldigung«, fiepe ich rasch.

Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. »Alles gut. Es ist ja nichts passiert.«

Ihre dunkelbraunen Augen und das lange, gewellte Haar, das sie sich zu einem Pferdeschwanz gebunden hat, verraten mir sofort, wer sie ist. »Sosa?«

»Kira?«, erwidert sie.

Wir kennen uns von der Akademie hier in Talbrem – eine Art Eliteschule. Dort lernt man Kampftechniken, alte Geschichten über unsere Vorfahren, wie man Talis einsetzt und viele andere Dinge, mit denen die Menschen nichts anfangen können.

»Beinahe hätte ich dich nicht erkannt«, sage ich und lächle.

Wir sind keine Freunde, aber wir kennen uns eben.

Sie deutet auf ihr rotes Elfenkostüm. »Nun ja, wenn ich ehrlich bin, ist dieser Aufriss so gar nicht mein Ding. Aber meine ganze Familie hat sich in ähnliche Fummel geworfen, und ich wollte nicht wieder das schwarze Schaf sein.«

Emily und ich prusten los.

»Dann habt mal noch viel Spaß«, meint sie, ehe sie sich von uns abwendet und Richtung Punschstand verschwindet.

»Du auch«, rufen Emily und ich wie aus einem Mund.

»Weswegen ist ihre Familie eigentlich wieder so angesehen?«, flüstert mir meine beste Freundin ins Ohr.

»Ich glaube, die sind ziemlich begabt im IT-Bereich«, meine ich.

»Stimmt.« Emily überlegt kurz. »Komm!«, ruft sie mir zu und deutet in Richtung ihrer Eltern, die an einem Stehtisch mit zwei älteren Herrschaften reden.

Bei der kleinen Runde angekommen, werden wir von allen höflich begrüßt. Umarmungen oder übermäßige Freude ist in einer Gesellschaft wie unserer nicht gern gesehen. Bei Veranstaltungen in Talregnum herrscht stets Diskretion und Anstand.

Ehe wir eine Unterhaltung beginnen, zieht eine Familie am Eingang des riesigen Saales die Aufmerksamkeit auf sich.

Mir entfährt ein genervter Seufzer, auch wenn ich innerlich das Gegenteil empfinde. Es kann sich nur um eine Familie handeln – die Evensens.

Diese Familie ist wie ein Juwel. Ganz gleich bei welcher Veranstaltung sie auftauchen, alle Anwesenden halten sprichwörtlich den Atem an und unterbrechen sogar ihre Gespräche, als würde der Regierungschef höchstpersönlich den Raum betreten. Allerdings kommt dieser erst in einer Stunde, um seine Ansprache zu halten.

Mein Blick fixiert sofort den Mann, der neben seinem Vater steht. Seine eisblauen Augen sondieren den Saal, um sich eine rasche Übersicht der Anwesenden zu verschaffen. Seine dunkelbraunen Haare hat er sich zurückgestrichen, wobei ihm eine Strähne entflohen ist. Er trägt einen schwarzen Smoking, mit einer weiß-rot gestreiften Krawatte, die als einzige etwas Weihnachtliches symbolisiert.

Ein Schauer gleitet meinen Rücken hinab. Dafür, dass er einfach unverschämt gut aussieht, würde ich ihn am liebsten noch mehr hassen. Aber ein Teil von mir kann das nicht.

Sein Zwilling, der neben ihm steht, ist der geborene Weihnachtsengel, in den sich vermutlich jedes Mädchen verlieben würde. Dem weißen Smoking fehlen eigentlich nur noch Flügel und Raik Evensen wäre der perfekte Himmelsbote.

Michelle Evensen, die Mutter, wirkt wie eine Weihnachtskönigin. Sie trägt ein langes, rotes Kleid, dessen Saum weiße Ränder besitzt. Mistelzweige schmücken ihr dunkelbraunes Haar. Sie scheint aus der Familie die Einzige zu sein, die sich wirklich verkleidet hat.

Die Familie begrüßt die Anwesenden mit einem knappen Lächeln, ehe sie sich zur VIP-Lounge aufmacht.

»Soviel ich weiß, hassen die Evensens kostümierte Veranstaltungen. Besonders Kjell Evensen sträubt sich dagegen. Die Krawatte ist für ihn vermutlich schon grenzwertig. Ich habe gehört, dass er eher jemanden töten würde, als ein Kostüm zu tragen«, sagt Emily kichernd. »Stell dir mal vor, er würde ein Ganzkörperkostüm tragen. Ich würde Tränen lachen.«

Daraufhin muss ich laut losprusten. »Das wäre zu köstlich.«

Gerade als ich ihnen den Rücken zukehren will, merke ich, wie Kjell für einen kurzen Augenblick zu unserem Tisch herübersieht.

Unsere Blicke treffen sich, und ich ertappe mich dabei, wie ich in dem eisigen Blau seiner Augen für den Bruchteil einer Sekunde versinke.

Kapitel 2 - Der Fremde an der Bar

Kjell

 

Es klopft an der Tür. »Bist du so weit? Wir wollen los«, höre ich Raiks Stimme dumpf durch die Tür dringen.

»Ja, gleich«, brumme ich und betrachte mich ein letztes Mal in dem großen Spiegel neben meinem Kleiderschrank.

Ich hasse Weihnachten. Ich hasse diese Veranstaltungen. Ich hasse es, überhaupt das Anwesen verlassen zu müssen.

Seit Monaten wünsche ich mir nichts Sehnlicheres, als von meiner Familie und Talregnum in Ruhe gelassen zu werden. Die Inkompetenz der Elite und deren erfolglose Suche nach meiner Schwester haben meine schlechte Laune nur noch bestärkt.

Wenn ich ein Lächeln aufsetze, ist es bis zur kleinsten Falte gelogen. Nichts daran fühlt sich echt an.

Ich fühle mich nicht mehr echt an, sondern leer und kraftlos.

»Kjell?«, hakt Raik erneut nach. »Kann ich reinkommen?«

Ich verdrehe die Augen. Es ist anstrengend eine Familie zu haben.

Obwohl ich nichts erwidere, scheint mein Zwilling dies als ein Ja zu deuten. Er kommt herein. »Alles okay?«

Ich atme tief ein. Wie oft wurde mir diese Frage in den letzten Monaten gestellt? Mittlerweile macht sie mich nur noch wütend. »Ja, verdammt.«

»Haben wir wieder schlechte Laune?«, fragt er knurrend.

Ich balle eine Hand zur Faust, ehe ich mich zu ihm umdrehe. »Ist das so schlimm?«

»Ja, Mann! Es nervt! Das geht schon seit Monaten so!«

Ich zische und laufe an ihm vorbei. »Leb damit.«

Im Wohnzimmer stoße ich auf meine Eltern, die sich ebenfalls fertig gemacht haben. Mom lächelt.

Sie ist der einzige Sonnenschein in dieser Familie – eigentlich das aktuelle Gegenteil von mir. Wenn es sie nicht gäbe, würde unsere Familie zerbrechen. Zwar kämpft sie ebenfalls mit dem Verlust ihrer Tochter, trotzdem gibt sie sich alle Mühe, uns aus dieser Trauer herauszuholen.

Vater wollte die heutige Veranstaltung in Talregnum sein lassen, aber Mom hat darauf bestanden.

Ich hoffe einfach, dass wir den Abend schnell hinter uns bringen werden.

 

Mit dem Fahrstuhl fahren wir bis in die Tiefgarage. Dort wartet schon ein Wagen auf uns, der uns mittels eines Portals bis vor die Türen des Regierungsgebäudes bringt.

Als wir aussteigen, versuchen mir etliche Journalisten ein Statement zu entlocken, doch ich ignoriere sie gekonnt. Ich habe keine Lust zum Reden.

Raik übernimmt den Plausch, genau wie mein Vater.

Mutter hakt sich bei mir unter und sieht lächelnd zu mir auf. »Alles in Ordnung, mein Sohn?«

Ich blicke in die Ferne, entreiße mich allerdings nicht aus ihrer Berührung. Das bringe ich nicht übers Herz. »Jaja.«

»Vielleicht wird der Abend noch recht amüsant. Ein bisschen Gesellschaft schadet niemandem.«

Ich zucke bloß mit den Schultern.

»Hör mal, Kjell. Ich weiß, dass dich Veras Verschwinden mitnimmt. Uns alle nimmt es mit, aber wir haben Verpflichtungen zu erfüllen. Dein Vater allen voran.«

Vater, denke ich ... Obwohl ich sein eigen Fleisch und Blut bin und er mir wichtig sein sollte, tut er es nicht. Dafür ist zu viel geschehen. Es wird zwischen uns nie wieder so sein, wie es einmal war. Angefangen mit dem besagten Abend im Strandhaus, als er Vera …

Ich schüttle den Kopf. Daran darf ich jetzt nicht denken.