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Anita, eine junge Kölnerin, und ihre Halbschwester Roswita haben sich erst nach dem Tod des Vaters kennen gelernt und angefreundet. Doch in ihrer beider Kindheit haben die Erzählungen des Vaters eine entscheidende Rolle gespielt. Zufällig entdecken sie in einem Antiquitätengeschäft einen Bernsteinring, der zu einer Geschichte aus dem mittelalterlichen Köln von 1498 passt, die der Vater ihnen hinterlassen hat: Eine Geschichte von Kuppelei, Mord und Hexenverdacht – und von der leidenschaftlichen Liebe der Stiftsdame Anna zum Ratsherrn Rabanus …
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Seitenzahl: 493
ANDREA SCHACHT Der Bernsteinring
BUCH
Die Halbschwestern Anita und Rose, die sich erst nach dem Tod des Vaters gefunden haben, entdecken in einem Antiquitätengeschäft einen antiken Bernsteinring, der in den Erzählungen des Vaters eine entscheidende Rolle gespielt hat. Anhand eines ungewöhnlichen Stundenbuchs rekonstruieren sie die Geschichte der Kölner Stiftsdame Anna von St. Maria im Kapitol.
Anna ist im Jahr 1498 nur durch Vermittlung des reichen Gewürzkaufmanns und Ratsherrn Hrabanus Valens in das vornehme Stift gelangt, denn sie ist von unehelicher Geburt. Nur ganz knapp ist sie dem Schicksal entkommen, den gleichen Lebensweg wie ihre Mutter gehen zu müssen, die eine Hure war. Die Amme Horsel, die sie zeitlebens betreut hat, hatte bereits Annas Jungfräulichkeit verkauft – für die Anna von dem Freier einen Bernsteinring erhielt mit der Inschrift: »Letum non omnia finit«.
Im Stift wird sie zur Schreibmeisterin ausgebildet und beginnt ein eigenes Stundenbuch zu entwerfen. Sie freundet sich mit Rosa an, der Witwe eines niederen Landadeligen, die eine etwas dubiose Vergangenheit zu verbergen sucht. Lange bleibt Rosa jedoch nicht in der keuschen Umgebung des Stifts, sondern heiratet bald schon den Ratshern Hrabanus. Als Annas Magd Valeska auf unheimliche Weise ermordet wird, gerät Rosa in Verdacht, das Mädchen zu magischen Zwecken missbraucht zu haben.
Anna versucht nun, Rosas Unschuld zu beweisen. Es gelingt ihr tatsächlich, ihre Freundin aus dem Kerker zu befreien – doch dazu muss sie den Mann aufsuchen, der ihr einst den Bernsteinring geschenkt hat...
AutorinAndrea Schacht, Jahrgang 1956, war lange Jahre als Wirtschaftsingenieurin in der Industrie und als Unternehmensberaterin tätig, hat dann jedoch den seit Jugendtagen gehegten Traum verwirklicht, Schriftstellerin zu werden. Sie lebt heute als freie Autorin mit ihrem Mann bei Bad Godesberg.
Von Andrea Schacht außerdem lieferbar:Der Siegelring. Roman (35990) Der dunkle Spiegel. Roman (geb. Ausgabe, 0156)
Andrea Schacht
Der Bernsteinring
Roman
BLANVALET
Blanvalet Taschenbücher erscheinen im
Goldmann Verlag, einem Unternehmen
der Verlagsgruppe Random House.
Datenkonvertierung eBook: Kreutzfeldt Electronic Publishing GmbH, Hamburgwww.kreutzfeldt.de
1. Auflage
Originalausgabe August 2004
Copyright © 2004 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: Design Team München
Umschlagmotiv: Sir Lawrence Alma Tadema
Verlagsnummer: 36033
Lektorat: SK
Redaktion: Petra Zimmermann
Herstellung: Heidrun Nawrot
ISBN 978-3-641-01145-1www.blanvalet-verlag.de
Denn frei vom Tod sind die Seelen.
Nachdem sie den früheren Sitz verlassen haben,
leben sie fort und wohnen immer wieder
in neuen Behausungen,
die sie aufnehmen.
Morte carent animae, semperque priore relicta
Sede novis domibus vivunt habitantque receptae.
Ovid, METAMORPHOSEN
Anna Dennes – die uneheliche Tochter einer leichtfertigen Dame, die es allen Widrigkeiten zum Trotz schafft, zur ehrbaren Stiftsdame aufzusteigen. Sie frönt der nicht ganz respektierlichen Neigung zur Gelehrsamkeit und arbeitet an einem Stundenbuch.
Rosa sine cognomine – die Tochter eines reiselustigen Theriakhändlers und einer Tänzerin, die sich einen Mann aus dem Landadel angelt und nach seinem Tod in ein Stift abgeschoben wird.
Hrabanus Valens – ein pockennarbiger Gewürzhändler und großzügiger Wohltäter des Stiftes, dem trotz seiner Entstellung ein reiches Liebesleben nachgesagt wird.
Falkomar – Scharfrichter, der sein Geschäft mit Konsequenz und gelegentlicher Barmherzigkeit durchführt. Doch für Letztere verlangt er immer eine entsprechende Gegenleistung.
Marcel le Breton – Söldner im Dienste Maximilians I., später Büchsenmeister am Bayenturm zu Köln, hilfsbereit den schutzlosen Frauenspersonen gegenüber, aber nicht ganz ohne Fehl und Tadel.
Julius Cullmann – geschickter Gaukler, hinreißender Sänger und eifriger Sammler von Nachrichten, der eine Erinnerung mit sich trägt, die er nicht vergessen kann.
Horsel Beckersche – Annas Amme und Schenkenwirtin, die nach dem Tod von Annas Mutter Annas Karriere plant. Freiberufliche Kupplerin.
Valeska – ein polnisches Bettlerkind mit sonnigem Gemüt, später Annas Magd und noch später ein unschuldiges Opfer.
Im Stift: Ida-Sophia, die Äbtissin, Heilgard, die Pistorin, Elfrieda, die Schreibgehilfin, Dionysia, die Schreibmeisterin, und Feli, die Katze.
Im Hrabanus-Haushalt: Berlindis, Hrabanus erste Frau, Mathilde, die Beschließerin, Gerhard, der Verwalter, und Carolus, der Geschäftspartner.
In der Stadt: Fabio Pontes, Syndikus, Iwan, ein Gassenjunge, Erwin, Knecht bei Horsel, Cosima Dennes, Annas Mutter, und Thekla von Spangenberg, eine grün gewandete Reiterin.
Anahita Kaiser, genannt Anita – nach einem schweren Unfall auf dem Weg zur Genesung und auf der Suche nach einem verloren gegangenen Geliebten, den sie zunächst nur in der Vergangenheit wieder findet.
Rosewita van Cleve, genannt Rose – Glasdesignerin, eine etwas schüchterne, aber begnadete Künstlerin und Restaurateurin antiker Gläser, Anitas Halbschwester, die ein wichtiges Ereignis verdrängt.
Caesar King, bürgerlich Julian Kaiser – Anitas und Roses Vater, einst ein berühmter Schlagersänger, der durch einen Autounfall ums Leben kommt. Ihn hat ein altes Stundenbuch zu einer Geschichte inspiriert, die seine Töchter nun gemeinsam durchleben müssen.
Uschi Kaiser – Anitas Mutter, die den Tod ihres Mannes nicht verwinden kann und überall Schuldige sucht.
Gracilla Valerie van Cleve, genannt Cilly – die jüngere Schwester von Rose, die sich von einer alten Geschichte gefangen nehmen lässt und daraus einiges lernt.
Marc Britten – Sensationsfotograf und Abenteurer, der sich auf profunde Recherchen versteht, ansonsten jedoch zu den leicht flüchtigen Elementen gehört.
Falko – ein Erlebnis für Rose.
Valerius – ebenfalls ein Erlebnis, allerdings für Anita.
Weitere Personen im Leben der Heldinnen: Dr. Carl German, Chirurg, Dr. Fabian Pönsgen, Richter, Valentin Cornelius, ene jote Frönd, Hela Bernes, Astrologin, Belinda, eine ungeschickte Verkäuferin, Cosy, eine Asiatin, und Sophia, Roses und Cillys Mutter.
Die Vergangenheit reicht in die Gegenwart hinein, und wenn man sie sucht, findet man überall ihre Spuren. Mich rührten die Äpfel an, die zu Füßen der Marienstatue in der ehemaligen Stiftskirche Maria im Kapitol noch immer von den Betenden hinterlassen werden, auf dass das Kind, das die Mutter im Arm hält, ihre Bitten wohlwollend gewähre. Man legt sie also heute genauso dort hin, wie es einst die Stiftsdamen wohl taten, die im Mittelalter dort ihre Andachten hielten. Und ihre Bitten lauteten um Hilfe, Gesundheit und Liebe. Nicht anders als heute auch, denke ich mir.
Köln schrumpfte, nachdem das Römische Reich untergegangen war, beinahe zur Bedeutungslosigkeit zusammen. Dann aber, im Mittelalter, erfuhr es eine ungeheure Belebung. Als Handelsstadt und als Stadt der Kirchen. Auf der einen Seite waren da also die kommerziellen Aktivitäten, auf der anderen Seite aber war die Stadt eine geistig rege Metropole, und in den Klöstern, Konventen und Stiften entstanden unzählige Kunstwerke zur höheren Ehre Gottes. Eine der wohl gepflegten Kunstformen war die der Buchmalerei, die selbst dann noch betrieben wurde, nachdem der Buchdruck Fuß gefasst hatte. Jene Miniaturen, die die Künstler ihrer Zeit gestaltet haben, sind heute für uns lebendige Quellen, um sich das damalige Alltagsleben vor Augen zu führen. Denn selbst wenn sie biblische Szenen zeigen, so spielen sie doch in der Gegenwart – in den Häusern, auf den Feldern, in den Gassen. In den Stundenbüchern und Kalendarien nutzten die Künstler ihre Freiheiten der Gestaltung aus. Und darum darf auch die Stiftsdame Anna ihr eigenes Buch entwerfen, das ich an die eine oder andere farbenprächtige Vorlage angelehnt habe.
Ende des 15. Jahrhunderts aber war der Wechsel zur neuen Zeit schon deutlich spürbar. In Köln gibt es zwei Ereignisse, die das erkennen lassen – das letzte Ritterturnier, das König Maximilian 1486 auf dem Alten Markt veranstaltet, und das erstmalige Auftreten der Syphilis 1496, die vermutlich aus der Neuen Welt in das alte Europa eingeschleppt wurde.
Doch wie sich die Zeiten auch wandeln, Spuren bleiben erhalten, Spuren von Menschen, die gelebt, geliebt und gelitten haben. Menschen wie Sie und ich. Und wenn die Seelen jener, die am breiten Fluss, dem Rhein, gelebt haben, eine neue Wohnstatt beziehen, mag es sein, dass sie eine wählen, die es dort wieder hinzieht.
1. KapitelWiederkehr
Sie starb. Es wurde dunkel um sie, doch das Gesicht ihres Geliebten war das Letzte, was sie mit ihren schwindenden Sinnen wahrnehmen konnte. Dann begann ihre Wanderung durch die Unendlichkeit, ohne Angst, wissend, dass sie sie finden würde – die Regenbogenbrücke, die sich über dem Abgrund zwischen den Welten spannte und über die sie in die Anderwelt gelangen würde. Mutig überschritt sie den farbigen, leuchtenden Bogen und erreichte die freundlichen Länder am anderen Ufer. Sie wandelte unter blühenden Apfelbäumen, entlang an silberhellen Bächen und schilfbestandenen Seen, sie begegnete den Ahnen und den Helden der Vergangenheit, aber auch anderen, manchmal Furcht erregenden, manchmal sie anwidernden Gestalten. Sie wandelte lange und vergaß Wehmut, Schmerzen und Trauer. Sie verlor nach und nach ihre Erinnerungen an das Leben auf Erden. Bis auf eine. Das tiefste Gefühl, das sie empfunden hatte, war bei ihr geblieben – ihre Liebe vergaß sie nie, und die Sehnsucht blieb immer bei ihr.
Als sie der Wanderungen müde geworden war, suchte sie den Kessel der Wiedergeburt auf und entschloss sich, darin zu baden...
Und im Jahre des Herrn 1470 wurde in der Colonia, jetzt das »Heilige Köln« genannt, ein Kind der Schande geboren. Ein Mädchen mit rabenschwarzem Haar...
Ihre Mutter nannte es Anna.
2. Kapitel Der Unfall
Der Sommerabend war angenehm kühl geworden, und die Sonne warf lange Schatten über das bergige Land. Nicht mehr lange, und sie würde hinter den Baumwipfeln versinken. Die Autobahn war noch belebt, der Fernverkehr kannte keinen Feierabend. Mühsam quälte sich eine Schlange von Schwertransportern den langen Anstieg empor. Der Mann am Steuer des Sportwagens setzte zum Überholen an und beschleunigte. Einen Lkw nach dem anderen ließ er hinter sich. Doch mit seinen Gedanken war er ganz woanders, und viel zu spät erst bemerkte er den Kleinwagen vor sich, der sich kaum schneller als die schweren Transporter bewegte. Mit einer Vollbremsung konnte er gerade noch einen Unfall verhindern.
Entsetzt über sein Verhalten ordnete er sich auf der rechten Spur ein. Lähmende Müdigkeit war die Ursache seiner Achtlosigkeit – unnatürliche und fast an Benommenheit grenzende Müdigkeit.
Eine Tankstelle mit einem Rastplatz tauchte vor ihm auf, und er beschloss, dort anzuhalten und einen Kaffee zu trinken. Zu seiner Verabredung kam er nun sowieso schon zu spät, denn genau diese Schwere, diese unheimliche Unkonzentriertheit, hatte ihn schon die richtige Ausfahrt verpassen lassen. Er fuhr in eine freie Parklücke und stellte den Motor ab. Seufzend lehnte er den Kopf zurück. Er würde eine Pause machen und einfach die Erinnerung an die wundervollen Stunden auskosten, die er noch vor kurzem in den Armen seiner Geliebten verbracht hatte. Mit einem Gähnen schloss er die Augen und war sofort eingeschlafen.
Er erwachte in der Dunkelheit. Träge schlug er die Lider auf und musste eine Weile intensiv darüber nachsinnen, warum er um vier Uhr morgens in seinem Wagen an einer Autobahnraststätte saß. Ihm war kalt geworden, und mit steifen, bleischweren Gliedern wand er sich aus dem Fahrzeug. Geisterhaft huschten die Scheinwerfer der wenigen vorbeifahrenden Autos über den asphaltierten Platz, doch das Gebäude neben der Tankstelle war noch hell beleuchtet. Er streckte sich, atmete die kühle Morgenluft ein und rieb sich die Augen. Die Benommenheit war trotz der acht Stunden Schlaf nicht von ihm gewichen. Er würde noch an diesem Tag seinen Arzt aufsuchen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Aber jetzt würde er erst einmal einen Kaffee trinken. Vielleicht munterte der ihn ja auf.
Eine übermüdete Kellnerin stellte eine große Tasse bitterschwarzen Kaffee vor ihn hin. Aber er trank ihn und bestellte sich sogar noch einen zweiten. Dann suchte er die Waschräume auf und befeuchtete sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Ein wenig munterer kehrte er zu seinem Fahrzeug zurück. Um den üblen, säuerlichen Geschmack auf seiner Zunge zu vertreiben, steckte er sich gleich drei der Pfefferminzbonbons in den Mund, die er immer bei sich hatte. Er startete den Wagen, legte eine CD ein und rollte auf die Autobahnauffahrt, um nach Hause zu fahren.
Der Himmel wurde allmählich hell, schon glühten die zarten Federwolken, die über den Bergen hingen, in rosigen Farben auf. Die Strecke war jetzt beinahe frei, und er erhöhte die Geschwindigkeit. Die Musik und der prachtvolle Sonnenaufgang, der sich jetzt vor ihm entfaltete, versetzten ihn in eine beinahe rauschhafte Stimmung. Er dachte voll süßer Sehnsucht an die Frau, die ihm endlich ihre Liebe geschenkt hatte. Trotz aller Hindernisse würde es einen gemeinsamen Weg für sie geben. Irgendwie. Er fühlte sich losgelöst und frei von allen irdischen Banden.
Mit beinahe zweihundert Stundenkilometern prallte er an den Brückenpfeiler.
Julian Kaiser, bekannt als der Schlagersänger Caesar King, war auf der Stelle tot.
3. Kapitel Das Stundenbuch
»Meine Mutter kennt Gott und die Welt und Tod und Teufel und noch einige andere mehr. Unter anderem diesen hervorragenden Chirurgen«, hatte Rose, meine Halbschwester, zu mir gesagt.
Darum hatte ich vor Weihnachten Kontakt mit Dr. Carl German aufgenommen, der sich meines Problems mit großer Fachkenntnis annahm. Er war mir zudem sympathisch, was ich nicht von allen Ärzten behaupten konnte, denen ich jüngst begegnet war. Und das waren nicht wenige. Jetzt saß ich also in dem Büro von Dr. Carl German und unterhielt mich mit ihm und einer weiteren Ärztin über die in fünf Tagen anstehende Operation.
Meine tiefen Brand- und Schnittverletzungen waren die Folge eines entsetzlichen Flugzeugunglücks auf den Kanaren. Vor einem halben Jahr hatte ich miterleben müssen, wie der Flieger, der meine Freunde und mich nach Rom bringen sollte, vor meinen Augen explodierte. Ich hatte nicht in der Maschine gesessen, weil mich kurz vor dem Abflug ein Anruf meiner Mutter Uschi erreicht hatte, der mich davon in Kenntnis setzte, dass mein Vater in der Nacht tödlich verunglückt war. Ich hatte auf einen Flug nach Köln umgebucht, der jedoch erst am nächsten Morgen abgehen sollte. Als ich vor dem Flughafenhotel stand, war das Entsetzliche passiert. Direkt nach dem Abheben gab es eine gewaltige Detonation. Flugzeugtrümmer schlugen wie Bomben im weiten Umkreis ein. Und auch mich traf glühendes Metall.
Die Spuren sollten jetzt beseitigt werden. Ich hatte einen Schnitt im Gesicht, er zog sich von der Stirn über das Auge bis zur Oberlippe. Die Wunde war sehr gut verheilt, und eigentlich war die Narbe jetzt nur noch ein schmaler Strich, den ich mit einem guten Make-up durchaus verdecken konnte. Die Wunde vom Schlüsselbein über die Brust bis zum Bauch war schlimmer gewesen, eine Brandwunde, die länger brauchte, um zu heilen. Die erste Hauttransplantation war schon in einem sehr frühen Stadium vorgenommen worden. Ich wusste also in etwa, was mir jetzt blühte. Mein linker Arm war nämlich am stärksten betroffen, und hier würde nun die nächste Operation hoffentlich dazu führen, dass ich zukünftig auch wieder kurzärmlige Kleider tragen konnte.
Dr. German erklärte mir sehr ausführlich, was er zu tun gedachte, und ich hatte den Eindruck, dass er wirklich so kompetent war, wie Sophia, Roses Mutter, behauptet hatte.
»Wir werden, wenn dieser Eingriff überstanden ist, dann auch noch einen Termin vereinbaren, um uns Ihrem Gesicht zu widmen!«, sagte die Ärztin, eine resolute Frau Anfang Vierzig.
»Nein, das werden wir nicht!«, antwortete ich mit einer plötzlichen Heftigkeit, die mich selbst überraschte.
»Aber Frau Kaiser! Sie wollen doch nicht Ihr Leben mit dieser Narbe verbringen. Es gibt fantastische Möglichkeiten...«
»Mag sein, dass es sie gibt, aber ich ziehe es vor, diese Erinnerung an ein Ereignis zu behalten, das mein Leben nachhaltig verändert hat.«
Sie wirkte richtiggehend empört, die Frau Doktor. Als hätte ich ihre persönliche Ehre angegriffen. Mit beredt schilderte sie mir die herausragenden Erfolge der kosmetischen Chirurgie, aber als sie geendet hatte, meinte Dr. German trocken: »Liebe Kollegin, es ist die Entscheidung der Patientin. Ganz abgesehen davon, werden wir einen Schritt nach dem anderen gehen und uns zunächst um den Arm kümmern.«
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