Der berüchtigte Duke of Sommesby - Suzanne Enoch - E-Book
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Der berüchtigte Duke of Sommesby E-Book

Suzanne Enoch

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Beschreibung

Kann ein echter Schurke von der wahren Liebe gezähmt werden?
Der romantische historische Liebesroman von Bestsellerautorin Suzanne Enoch

Auch wenn es ihrem Willen widerstrebt, muss die schöne und temperamentvolle Miss Katherine Ralston sich der Anweisung ihres Onkels fügen und zur Saison nach London reisen. Dort ist die junge Frau, die auf dem Land aufgewachsen ist, überfordert mit dem Trubel, den die Bälle und Galas mit sich bringen. Gleichzeitig ist sie besorgt, dass ihr spielsüchtiger Onkel ihren geliebten Familienbesitz Crestley Hall verkaufen und die Familie in den Ruin treiben wird.

Nicholas Varon, der Duke of Sommesby, versucht diese Saison zu nutzen, um seinen Ruf als verwegener Schurke zu beseitigen. Dabei fällt ihm die reizende Miss Ralston auf, die sich anscheinend seinem unwiderstehlichen Charme entziehen kann. Wird es ihm gelingen die junge Lady davon zu überzeugen, dass er es ernst meint und auch der berüchtigtste Schurke sich zu einem Retter in der Not wandeln kann?

Erste Leser:innenstimmen
„Wunderbar aufbrausende Regency Romance mit sympathischen Charakteren.“
„Historischer Liebesroman zum Genießen und Abschalten.“
„Suzanne Enochs Schreibstil ist wirklich besonders. Unterhaltend, gefühlvoll und romantisch.“
„Katherine und Nicolas gehören einfach zusammen! Tolle Liebesgeschichte im historischen England!“

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Seitenzahl: 273

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Über dieses E-Book

Auch wenn es ihrem Willen widerstrebt, muss die schöne und temperamentvolle Miss Katherine Ralston sich der Anweisung ihres Onkels fügen und zur Saison nach London reisen. Dort ist die junge Frau, die auf dem Land aufgewachsen ist, überfordert mit dem Trubel, den die Bälle und Galas mit sich bringen. Gleichzeitig ist sie besorgt, dass ihr spielsüchtiger Onkel ihren geliebten Familienbesitz Crestley Hall verkaufen und die Familie in den Ruin treiben wird.

Nicholas Varon, der Duke of Sommesby, versucht diese Saison zu nutzen, um seinen Ruf als verwegener Schurke zu beseitigen. Dabei fällt ihm die reizende Miss Ralston auf, die sich anscheinend seinem unwiderstehlichen Charme entziehen kann. Wird es ihm gelingen die junge Lady davon zu überzeugen, dass er es ernst meint und auch der berüchtigtste Schurke sich zu einem Retter in der Not wandeln kann?

Impressum

Erstausgabe 1995 Überarbeitete Neuausgabe Januar 2023

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98637-998-8

Copyright © 1995 by Suzanne Enoch Titel des englischen Originals: The Black Duke's Prize

© für die deutsche Übersetzung © CORA-Verlag in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Published by Arrangement with Suzanne Enoch Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright © 1998, CORA-Verlag in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 1998 bei CORA-Verlag in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg erschienenen Titels Lady meines Herzens als Mylady Band 255.

Übersetzt von: Roy Gottwald Covergestaltung: Anne Gebhardt Unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © Artiste2d3d, © Marc Venema, © Radek Sturgolewski elements.envato.com: © digiselector, © PixelSquid360 periodimages.com: © Maria Chronis, VJ Dunraven Productions, PeriodImages.com Korrektorat: Katrin Ulbrich

E-Book-Version 22.08.2023, 16:07:03.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Der berüchtigte Duke of Sommesby

1. Kapitel

Es war eine Sache, davon zu träumen, in Nöten zu sein, doch ganz etwas anderes, sich tatsächlich in Schwierigkeiten zu befinden. Besonders irritierend fand Katherine, dass der Ritter, der sich in ihrer Einbildung sonst stets rechtzeitig einfand, jetzt nirgendwo zur Stelle war. Sie würde sich allein behelfen müssen. Zwar gewöhnte sie sich an den Gedanken, doch das machte ihr die missliche Lage nicht angenehmer.

„Nun begreifst du, dass alles erledigt ist, meine Liebe“, sagte Simon Ralston. „Die Passage wurde vor einer Woche gebucht.“ Er schaute von den Unterlagen seines verstorbenen Bruders auf, die er vor sich auf dem Schreibtisch liegen hatte, und sah dann, da Katherine nichts äußerte, wieder auf die Papiere. Nach einem Moment murmelte er: „Es ist alles arrangiert.“

„Ich reise nicht ab!“, erwiderte Katherine und starrte auf den Teppich, auf dem sie als Kind so oft gespielt hatte. Sie ballte die Hände, um der Versuchung nicht nachzugeben, sich undamenhaft aufzuführen. „Das ist mein Heim!“

„Nun, da ich dir von deinem Vater zum Vormund bestimmt wurde, verfüge ich über dieses Haus, wie es mir genehm ist, und in den nächsten zwei Jahren werde ich hier leben. Du wirst in dieser Angelegenheit nicht gefragt und die freundliche Einladung deiner Patentante annehmen, zu ihr nach London zu kommen.“

Diese Aufforderung musste ihrem Onkel sehr genehm sein. Katherine war überzeugt, dass er, sobald sie nicht mehr in Crestley Hall war, das Anwesen umgehend veräußern und den Erlös in seine Tasche stecken würde. Sie hatte ihn nie gemocht, und in den seit dem Tod ihrer Mutter verflossenen Monaten war die Abneigung gegen ihn noch gestiegen. Sie konnte sich nicht vorstellen, was ihren Vater bewogen haben mochte, seinen jüngeren Bruder zu ihrem Vormund zu bestimmen, bis sie zweiundzwanzig Jahre alt war. Indes war damals, da er diese Verfügung getroffen hatte, noch nicht daran zu denken gewesen, dass er bei einem Kutschenunfall ums Leben kommen und ihre Mutter zwei Jahre später an Lungenentzündung sterben würde. Und nun sah Katherine sich ihrem Onkel ausgeliefert, der ihr Zuhause verkaufen und das Geld verwetten würde.

Er sah ihrem Vater nicht sehr ähnlich. Er war braunhaarig, wohingegen sie, ihr Vater und alle anderen Verwandten schwarzes Haar hatten. Lediglich die braune Augenfarbe war gleich. Ihr Vater hatte jedoch immer einen sanften, gutmütigen Blick gehabt, während in den Augen ihres Onkels stets ein kalter, abweisender Ausdruck stand. Katherine war froh, dass sie der von irischen Ahnen abstammenden blauäugigen Mutter nachschlug. Es tröstete sie, dass sie und ihr Onkel sich nicht ähnlich sahen. Je weniger sie mit ihm gemein hatte, desto besser.

„Schmolle oben weiter und kümmere dich um dein Gepäck“, sagte Simon Ralston, ohne seine Nichte anzusehen. „Ich will nicht noch einmal einen deiner Temperamentsausbrüche miterleben müssen. Die Kutsche fährt in aller Frühe.“

Absichtlich blieb Katherine aus Trotz noch einen Moment sitzen, erhob sich dann widerwillig und verließ den Raum. In der vergangenen Woche hatte sie sich mehrmals mit ihrem Onkel über die von ihm befohlene Abreise gestritten. Ihr war klar geworden, dass sie ihn nicht umstimmen konnte. Daher hatte sie bereits die wenigen Habseligkeiten eingepackt. Sie wurde mit dem fortgeschickt, was sie tragen konnte, und bezweifelte, dass der Rest ihrer Sachen ihr nachgesandt wurde, wie ihr Onkel angekündigt hatte.

Seit seiner Ankunft vor neun Monaten waren die meisten Dienstboten von ihm entlassen worden. Die Kündigungen hatten eingesetzt, als ihre Mutter zu krank geworden war, um das Schwinden des Personals zu bemerken. Katherine wiederum war zu sehr um das Befinden der Mutter besorgt gewesen, als dass sie ihr mitgeteilt hätte, was im Haus vorging.

Nun wirkte es noch ruhiger denn sonst, und sie fragte sich, ob die düstere Stimmung ihrem Onkel ebenso auf das Gemüt schlug wie ihr. Sie hoffte, es möge so sein, doch nach kurzem Überlegen bezweifelte sie, dass er die Grabesstille überhaupt bemerkte.

Zwei Jahre zuvor war sie anlässlich ihres gesellschaftlichen Debüts in London gewesen. Nach vierzehn Tagen hatte sie jedoch, bedingt durch den Tod ihres Vaters, auf weitere Vergnügungen verzichten müssen. Es war ihr gleich, ob sie je wieder in die Hauptstadt kam. Sie musste nur dorthin, weil ihr Onkel, wie er ihr deutlich zu verstehen gegeben hatte, sie loswerden wollte. Sie erwog die Möglichkeit, ob er dahintersteckte, dass sie vor einem Monat von Lady Clarey, der besten Freundin ihrer Mutter und ihrer Patentante, eingeladen worden war, glaubte es indes nicht. Der Gedanke, Lord Clarey oder dessen Gattin könnten sich von jemandem wie ihrem Onkel für dessen Zwecke einspannen lassen, war selbst für sie, bei aller Einbildungskraft, unvorstellbar.

***

Am nächsten Morgen erschien der betagte Butler, einer der wenigen noch im Haus verbliebenen Dienstboten, um das Gepäck hinunterzutragen. Er nahm die beiden Koffer, ging zur Tür und blieb kurz davor stehen.

Er räusperte sich, drehte sich um und fragte: „Miss Ralston?“

„Ja, was gibt es, Timms?“ Sie hatte, wahrscheinlich zum letzten Mal, in den Park und auf die dahinterliegenden Wälder geblickt, und wandte sich widerstrebend um.

„Geben Sie gut auf sich acht, Madam.“

„Das werde ich“, erwiderte sie mit gezwungenem Lächeln und verließ bald darauf den Raum. In der Halle sah sie ihren Onkel warten, und ihre Stimmung wurde noch gedrückter. Sie hatte gehofft, er möge sich nicht die Mühe machen, so zeitig aufzustehen. Sie wollte nicht, dass ihr letzter Blick auf Crestley Hall ihn einschloss. Das würde sich nun jedoch nicht vermeiden lassen, da er ihr, wiewohl sie schweigend an ihm vorbeiging, zur Droschke folgte. Sie blieb stehen, drehte sich zu ihm um und bedauerte, dass sie nicht so hochgewachsen war wie ihr Vater. „Ich warne dich“, sagte sie kühl. „Es kommt dich teuer zu stehen, sollte während meiner Abwesenheit auch nur ein Gegenstand aus dem Haus verschwinden.“

„Benimm dich ordentlich, wenn du bei Lord und Lady Clarey bist“, erwiderte Simon Ralston unbeeindruckt. „Vielleicht bitte ich sie, einen Gatten für dich zu suchen, vorausgesetzt, jemand will einen solchen Zankapfel wie dich zur Frau haben. London ist ein gefährliches Pflaster, also sei auf der Hut.“

Einen Moment lang starrte Katherine ihren Onkel an. Sie schwankte zwischen Zorn über die von ihm ausgesprochene Kränkung und jähem Unbehagen. Falls er die letzte Beteuerung als Warnung verstanden wissen wollte, hatte er ihr jetzt zum ersten Male offen gedroht. Er hatte bestimmt Arges im Sinn.

Sie ließ sich vom Butler in den Wagen helfen. Die Droschke sollte sie zum „Roten Bären“ bringen, wo sie Anschluss zu der nach London fahrenden Postkutsche hatte. Der Wagen rollte an, und auf der langen Allee warf sie einen Blick zurück auf Crestley Hall, dem bereits die Anzeichen des vom Onkel verursachten Verfalls anzusehen waren. Ihr Onkel stand am Fuß der Freitreppe und schaute der Kutsche hinterher. Katherine schwor sich, zurückzukehren und einzufordern, was rechtens ihr gehörte.

***

„Noch eine Runde, Sommesby“, sagte Francis Dupres und beugte sich vor.

Nicholas Varon, Duke of Sommesby, überging die Aufforderung, stand auf und erwiderte: „Es tut mir leid, meine Herren, doch auch ich brauche gelegentlich Schlaf, selbst wenn man das Gegenteil von mir behauptet.“

„Ihr Schlafbedürfnis hat doch wohl kaum etwas damit zu tun, dass Sie jetzt Ihre Gewinne einstreichen und gehen wollen.“

„Nein, in der Tat nicht“, sagte Simon Ralston, nahm eine Münze aus dem vor ihm liegenden Haufen und schob sie, ohne sich ihres Wertes zu vergewissern, Mr. Dupres zu. „Mit meinen besten Empfehlungen“, fügte er leichthin an.

Neben ihm lachte Thomas Elder, Viscount of Sheresford. „Hören Sie auf, sich zu beschweren, Dupres“, warf er ein. „Der Sovereign ist mehr wert, als Sie heute Abend eingenommen haben.“ Er steckte das wenige ihm verbliebene Geld ein und fragte scherzhaft: „Was hältst du davon, Nicholas, wenn du mir auch einen Sovereign zukommen lässt?“

„Nicht viel“, antwortete Nicholas und bemühte sich, nicht zu gähnen. „Hoffentlich ist dir das Lehre genug und du verzichtest darauf, dein Geld für den Lusitano-Hengst auszugeben, mit dessen Kauf du liebäugelst.“

„Mit ,nicht viel‘ ist der heutige Abend gut beschrieben“, schaltete Francis Dupres sich ein.

„Wie sollen wir das verstehen?“, fragte Nicholas steif und überlegte, ob er auf dem besten Wege sei, sich in dieser Saison mehr Ärger denn je einzuhandeln. Zwei Tage zuvor hatte er sich auf reichlich spektakuläre Weise von der schönen Miss Bettreaux getrennt, und nun reizte ihn Mr. Dupres. Die Saison hatte soeben erst begonnen. Mr. Dupres war ein unangenehmer Partner beim Faro gewesen und schien jetzt auch noch gewillt zu sein, die Gerüchte über Nicholas’ Jähzorn auf die Probe stellen zu wollen. So es an dem war, würde Nicholas ihm gern den Gefallen tun.

„Sie wissen, worauf ich angespielt habe“, antwortete Francis Dupres selbstsicher und stand auf.

„Seien Sie kein Narr, Sir“, mischte Captain Reginald Hillary sich ein, zweiter von vier Söhnen der äußerst fruchtbaren Hillary-Familie, ergriff ihn beim Arm und wollte ihn auf den Stuhl zurückziehen.

Nicholas legte die Handschuhe auf den Tisch, da Mr. Dupres nicht wieder Platz nahm, und murmelte: „Also, was haben Sie mir vorzuwerfen?“

Jeder, der ihn kannte, hätte gemerkt, dass seine Stimme gefährlich leise geklungen hatte und sein Blick drohend geworden war.

Thomas ahnte, was geschehen würde, und wich vom Tisch zurück.

Auch Reginald zog sich aus Mr. Dupres’ Nähe zurück.

Das Gemurmel im Raum erstarb, und neugierige Blicke wurden herübergeworfen. Francis Dupres spürte sich erbleichen, war jedoch nicht zum Nachgeben bereit. „Heute Abend haben Sie kaum eine Partie verloren, Sir“, sagte er missmutig. „Ich verstehe nicht, warum man uns so anstarrt. Jeder kennt doch Ihren Ruf, Sir …“

Nicholas schlug zu. Mr. Dupres torkelte rückwärts, stürzte über seinen Stuhl und krachte gegen den dahinter stehenden Tisch. Etliche Gläser ergossen den Inhalt auf ihn, als er auf den Fußboden fiel, und ruinierten ihm den Abendfrack und das brokatene Gilet. Reglos blieb er liegen. Blut sickerte aus der verletzten Unterlippe und ließ ihn noch blasser aussehen, als er ohnehin gewesen war.

„Parbleu!“ murmelte Thomas staunend. „Du hast ihn mit einem Hieb bewusstlos geschlagen.“

Nicholas schaute sich mit verengten Augen um. Niemand wagte, sich ihm zu nähern. Die Herren sahen ihn wachsam an. Er lächelte spöttisch und sagte sich, dass, falls er sich nicht irrte, und das war selten der Fall, in der nächsten Zeit niemand sich erdreisten würde, Beschuldigungen gegen ihn zu erheben. Er schob dem Saaldiener eine noch gültige Guinee zu, sah den Mann ihn dankbar anlächeln und warf dann einen weiteren Sovereign auf Mr. Dupres’ Brust. „Das dürfte für den Kauf einer neuen Weste genügen“, äußerte er verächtlich und wandte sich zum Gehen.

Thomas schloss sich ihm an. Die Leute wichen ihnen aus, und einige Minuten später war er mit dem Freund auf der Straße.

Da Nicholas nicht weit von White's entfernt wohnte, schickte er den Kutscher mit der Equipage voraus und zog es vor, zu Fuß heimzukehren, um sich etwas zu beruhigen und die Wirkung des genossenen Champagners abklingen zu lassen.

Thomas zögerte einen Moment und folgte ihm dann. „Das hättest du nicht tun dürfen“, bemerkte er kopfschüttelnd.

„Und warum nicht?“

„Mr. Dupres hat sich dumm verhalten, aber er ist durchtrieben, Nicholas. Du hast ihn jetzt zum zweiten Mal beleidigt.“

„Auf dem Fußboden wirkte er nicht durchtrieben“, erwiderte Nicholas spöttisch. „Im Übrigen war ich nicht bereit, mir anzuhören, was er an Unverschämtheiten über mich sagen wollte.“

„Er hält sich für einen Beau. Du hast ihn der Lächerlichkeit preisgegeben.“

„Er ist ein Lackaffe, der nicht den mindesten Geschmack hat.“

„Nun, nicht jeder ist so wie du.“

Nicholas schmunzelte und erwiderte, die Äußerung absichtlich falsch interpretierend: „Dafür solltest du dankbar sein.“

„Ich befürchte, du hast dir Mr. Dupres zum Feind gemacht. Hüte dich vor ihm.“

Nicholas ging nicht auf die Bemerkung ein.

„Ach, fahr zur Hölle!“ brummte Thomas, machte kehrt und ging zu seiner Kutsche.

***

Nicholas sah sich genötigt, zeitiger aufzustehen, als ihm lieb war. Er konnte nicht mehr schlafen, weil ihm der Schädel dröhnte und der Lärm sich auf der Straße streitender Kutscher ihn störte. Er läutete dem Kammerdiener, machte Toilette und begab sich dann in das Arbeitszimmer. Er setzte sich und hörte, als er begann, die tags zuvor eingegangene Post durchzusehen, dass jemand am Haupteingang Einlass begehrte. Auf die meisten der erhaltenen Einladungen würde er mit einer höflichen Absage reagieren. Flüchtig überlegte er, wie viele Damen der Gesellschaft bedauern würden, ihn zu sich gebeten zu haben, nachdem sie erfahren hatten, dass er zum zweiten Mal in einen Skandal verwickelt war. Andererseits hatte er den Eindruck, dass die Zahl der Einladungen stieg, je größer das von ihm erzeugte Aufsehen war. Seufzend blickte er auf die vor sich stehende Säulenpendule und sah, dass es erst neun Uhr war. Die Saison hatte erst vor fünf Tagen begonnen, er hatte indes dem guten Namen seiner Familie bereits ein weiteres Mal Schande gemacht.

Er hob den Kopf und sah seine Mutter in der offenen Tür stehen. Sie war wie immer sehr elegant gekleidet. Das Chemisenkleid aus lindgrünem Foulard stand ihr vorzüglich und brachte ihr schwarzes Haar sowie die grauen Augen gut zur Geltung. „Du siehst bezaubernd aus, Mama“, bemerkte er anerkennend und erhob sich.

„Bezaubernd ist ein Wort, das den jungen Damen vorbehalten sein sollte, denen du so viel Kummer bereitest. Ich glaube, ich bin in dem Alter, in dem man mein Aussehen als ,distinguiert‘ bezeichnen sollte.“

„Du wirkst sehr distinguiert, Mama“, sagte Nicholas lächelnd.

„Überwindest du nie diese Tendenz, Ärger zu machen?“, fragte sie, nahm auf dem Sofa Platz und ließ sich vom Butler Tee einschenken.

„Diesmal bin ich nicht schuld“, nahm Nicholas sich in Schutz. „Ich habe lediglich unseren guten Namen verteidigt.“

„Und Miss Bettreaux?“

Er straffte sich, drehte sich zum Fenster um und antwortete: „Auch das kann man mir nicht anlasten.“

„Nein?“

„Nein! Ich habe sie nicht fortgeschickt, irgendeinen jungen Trottel zu finden und ihn zu ermutigen, auf mich zu schießen. Das war ihr Einfall.“ Er wäre in jener Nacht daheim geblieben, hätte er geahnt, was seiner einfallsreichen ehemaligen Mätresse in den Sinn gekommen war, um seine Eifersucht zu wecken.

Juliette furchte die Stirn und äußerte tadelnd: „Ist es nicht ein wenig früh, um schon Cognac zu trinken?“

Nicholas wurde sich bewusst, dass er nach der Karaffe gegriffen hatte. Im allgemeinen schätzte seine Mutter ihn nicht so falsch ein, aber vermutlich war sie wütend auf ihn. „Noch etwas?“, fragte er gereizt, zog jetzt absichtlich den Stöpsel aus der Karaffe und schenkte sich ein. Er trank einen langen Schluck und warf seiner Mutter über das Glas einen Blick zu, der sie warnen sollte, ihn nicht noch mehr zu verärgern.

„Nachdem du Mr. Dupres gedemütigt hast, kommst du hoffentlich nicht auf den Gedanken, ihn zum Duell zu fordern, oder doch?“

Seine Mutter sprach zwar ausgezeichnet Englisch, befleißigte sich indes noch immer gern eines melodischen Akzents, da sie aus Frankreich stammte.

„Ich erinnere mich an Zeiten, da du um mein Wohlergehen besorgt warst“, erwiderte Nicholas.

„Ja, aber damals ging es um dich“, sagte Juliette in täuschend ruhigem Ton und nippte an der Teetasse.

„Ich glaube, Mr. Dupres hat seine Lektion gelernt. Da ich Miss Bettreaux geraten habe, eine Weile in Frankreich zu leben, nehme ich an, dass auch sie zur Vernunft kommen wird.“

„Mir ist ohnehin nicht klar, wie deine Wahl ausgerechnet auf jemanden wie sie fallen konnte. Sie hat kein Gefühl für Anstand.“

„Das ist kein Thema, das ein Mann mit seiner Mutter bespricht“, entgegnete Nicholas, leerte den Schwenker und schenkte sich ein. Er wusste, dass er sie damit noch mehr gegen sich aufbringen würde.

„Jemand muss mit dir darüber reden. Du hast alle Leute, auf deren Rat du dich verlassen könntest, aus deiner Umgebung vertrieben.“

Nicholas drehte sich um, hob in geheucheltem Erstaunen die Brauen und sagte: „Ich habe niemanden verstört.“

„Du vergisst, dass ich durch deinen Vater seit dreißig Jahren dieses ungebärdige Wesen kenne und weiß, wie ich damit umgehen muss. Wenn du verärgert bist, hast du eine Art, die deine Umgebung einschüchtert. Und du hast Angst, Leuten, die dir wohlwollend gesinnt sind, Vertrauen zu schenken.“

Nicholas setzte sich in einen Fauteuil, ließ den Cognac im Schwenker kreisen und hielt ihn gegen das Licht. Er wusste, er war leicht reizbar, und sein aufbrausendes Naturell diente ihm oft dazu, Menschen auf Distanz zu halten.

„Du musst nicht jemanden wie Miss Bettreaux um dich haben“, sagte seine Mutter ruhig. „Ist dir das nicht klar?“

„Bist du hergekommen, um mir meine Verfehlungen vorzuhalten und den Versuch zu unternehmen, mich zur Heirat zu bewegen?“ Nicholas trank noch einen Schluck Cognac und genoss den süffigen Geschmack. „Auf wen bist du diesmal verfallen? Ich habe dich neulich mit Lady Belning im Gespräch gesehen. Geht es um ihre Tochter? Wie heißt sie? Azalea? Althaea? Amarintha?“

„Antonia“, sagte Juliette unwirsch. „Hast du je ein Wort mit ihr gewechselt?“

„Im vergangenen Jahr habe ich versucht, mit ihr zu reden. Sie sah aus, als fiele sie gleich in Ohnmacht.“

Juliette nippte wieder an der Tasse und bemerkte dann, wider Willen lächelnd: „Du kannst sehr einschüchternd sein.“

„Nun, ich bin nicht willens, mit einer Frau verheiratet zu sein, die jedes Mal, wenn ich das Wort an sie richte, in Ohnmacht fällt. Zudem habe ich damals in einer Minute über alles mit ihr gesprochen, was sie und ich gemein haben.“

Juliette lachte leise und wurde schnell wieder ernst. „Du bist fast dreißig Jahre alt“, sagte sie, stellte die Tasse ab und schaute streng ihren Sohn an. „Wann gedenkst du, dich zu binden?“

„Vielleicht nie“, antwortete er, stand auf und schlenderte erneut zum Fenster. Diese Art Fragen erzeugte ihm jedes Mal Unbehagen. Hin und wieder hatte er daran gedacht, sich zu vermählen, doch die Ehe als solche und sein Wesen schienen unvereinbar zu sein. „Meinst du nicht, dass es für die Gesellschaft ein Segen wäre, wenn das aufbrausende Temperament der Varons nicht weitervererbt würde?“

Die verwitwete Duchess erhob sich, schaute ihn strafend an und antwortete spitz: „So etwas darfst du nicht sagen! Damit beleidigst du deinen Vater und mich!“

Nicholas bedauerte die Äußerung. Er hatte nicht die Absicht gehabt, seine Mutter zu kränken, sondern nur zum Ausdruck bringen wollen, was ihm in dieser Hinsicht in der letzten Zeit durch den Kopf gegangen war. „Du hast kein hochfahrendes Wesen, Mama“, entschuldigte er sich.

„Ich habe mich jedoch in diesen Charakterzug deines Vater verliebt.“

Nicholas wusste, dass sie noch immer unter dem Tod ihres Gatten litt, obwohl sein Vater inzwischen seit acht Jahren unter der Erde lag. Rasch ging er zu ihr, umarmte sie und sagte trocken: „Ich glaube, ohne uns beide wäre es in London reichlich langweilig.“ Er hatte sich mit seinem Vater nicht immer gut verstanden, doch es gab Zeiten, da er ihn sehr vermisste.

Sacht löste sich seine Mutter von ihm und erwiderte lächelnd: „Bitte, halte dich von Miss Bettreaux und Mr. Dupres eine Weile fern.“

„Nein, das tue ich nicht. Ich verstecke mich nicht vor ihr und diesem ungehobelten Klotz. Sollten die beiden mir jedoch aus dem Weg gehen, habe ich nichts dagegen.“

„Danke.“

Nicholas nickte und setzte sich wieder. „Du weißt so gut wie ich“, fuhr er fort, „dass ich irgendwann erneut mit jemandem aneinandergeraten werde. So ist es immer. Es ist eine meiner größten Begabungen, Leute zu verärgern.“

„Ich würde diese Eigenschaft nicht kultivieren.“

2. Kapitel

Katherine betrachtete Lord und Lady Clareys Residenz. Das Gebäude war so groß wie Crestley Hall. Ihrem Patenonkel gehörte außerdem ein herrliches, etliche Tagesreisen im Westen des Landes gelegenes Gut. Sie hatte keine Ahnung, warum Lord und Lady Clarey sie bei sich haben wollten. Jäh kam ihr der Gedanke, sie könnten gar nicht in der Stadt sein. Sie wusste nicht, ob ihr Onkel ihnen einen bestimmten Tag für ihre Ankunft benannt hatte. In der Hoffnung, nicht zu ihnen zu müssen, hatte sie es unterlassen, ihnen mitzuteilen, wann sie eintreffen würde. Möglicherweise hatten sie nicht mehr auf sie gewartet und waren auf Reisen gegangen.

Nun, sie würde nicht herausfinden, wie die Dinge lagen, wenn sie weiterhin auf der Straße stehenblieb. Sie hob die schweren Koffer auf, drückte die Schultern durch und ging zum Haupteingang. Dort stellte sie einen Koffer ab, betätigte den hübsch gestalteten Messingklopfer und hörte das Pochen durch das Vestibül hallen. Einen Moment später wurde ihr geöffnet. Ein schmaleres und hagereres Gesicht als das des Dieners hatte sie noch nie gesehen.

„Sie wünschen?“

„Ich bin Miss Katherine Ralston“, antwortete sie und ärgerte sich, weil sie angesichts des strengen Blicks des Butlers so unsicher geworden war. „Ich möchte Lord und Lady Clarey sprechen.“

„Die Herrschaften sind heute Abend nicht daheim“, antwortete er, warf einen Blick auf ihre Koffer und sah dann wieder Katherine an. „Ich schlage vor, Miss, Sie werden morgen Vormittag noch einmal vorstellig.“

Zumindest waren der Baron und seine Gattin in der Stadt. „Einen Moment noch, bitte“, sagte Katherine hastig, als der Butler Anstalten machte, die Tür zu schließen. „Meine Mutter war Lady Ralston, eine gute Freundin Ihrer Ladyschaft. Lady Clarey hat mich eingeladen. Für heute Nacht habe ich keine Unterkunft.“ Sie sah den Butler nicken. Offenbar wusste er, wer ihre Mutter gewesen war. Dennoch ging er nicht beiseite. Sie wusste, dass sie einen lächerlichen Eindruck machte, klein, wie sie im Vergleich zum Diener war, die beiden Koffer neben sich. Sie wurde wütend und fragte ungehalten: „Lassen Sie mich nun hinein?“

„Nein“, antwortete er.

„Dann wüsste ich gern, ob Lord Clarey Sie eher des Dienstes verweisen wird, wenn Sie eine Fremde ins Haus lassen, oder wenn Sie die Tochter einer Freundin der Familie auf der Straße stehenlassen.“

„Bitte, treten Sie ein, Miss Ralston“, erwiderte er, ließ sie an sich vorbei und schloss das Portal.

Das Vestibül war sehr elegant eingerichtet. Von der in die Beletage führenden Prunktreppe gelangte man auf eine Galerie, wo mehrere Türen zu erkennen waren. Der Butler bat Katherine, in einem der Sessel Platz zu nehmen. Sie kam seiner Aufforderung nach und stellte das Gepäck neben sich ab.

„Ich lasse Ihnen eine Tasse Tee bringen“, sagte er. „Sollten Sie etwas benötigen, läuten Sie bitte. Mein Name ist Rawlins. John Rawlins.“

„Danke“, erwiderte Katherine.

Er verbeugte sich und ging zur Küche.

Katherine war froh, dass sie im Haus war, wenngleich die Ankunft sich anders denn gedacht gestaltet hatte. Im Entrée war es jedoch entschieden wärmer denn in der kühlen Nachtluft. Ein Dienstmädchen servierte eine Tasse heißen Tee. Bedächtig trank sie und fühlte sich nach einem Weilchen wohler. Wenngleich ihre Patentante und deren Gatte nicht anwesend waren, wirkte die Residenz belebter auf sie als Crestley Hall in den letzten Jahren. Sie vernahm gedämpft Stimmen und das Klappern von Geschirr. Offenbar wurde in der Küche Ordnung geschaffen.

Nach einiger Zeit wurde Katherine müde und schrak hoch, als das Portal geöffnet wurde. Der Butler nahm soeben Lord und Lady Clarey die Mäntel ab. Dann wies er auf sie, und hastig erhob sie sich.

„Miss Katherine Ralston ist vorhin eingetroffen“, sagte er. „Ich hielt es für angebracht, sie hier auf Sie warten zu lassen.“

Erstaunt schaute Lady Clarey sie an.

Katherine bewunderte deren modische Ballrobe und kam sich in ihrem schlichten Kleid schäbig vor.

„Katherine!“

„Ja, Tante Alison. Es tut mir leid, dass ich euch meine Ankunft nicht vorher mitgeteilt habe.“

Alison eilte zu ihr und umarmte sie.

Auch ihr Patenonkel schloss Katherine in die Arme. Nun wusste sie, dass sie Lord und Lady Clarey willkommen war.

„Du bist das Ebenbild deiner Mutter“, stellte er fest.

„Es tat uns leid, als wir von ihrem Ableben hörten“, äußerte Tante Alison bekümmert. „Ich wünschte, wir hätten dir beistehen können. Aber damals waren Neville und ich in Spanien.“

Katherine wurden die Augen feucht.

Er bemerkte, dass sie leidvolle Erinnerungen hatte, räusperte sich und winkte den im Hintergrund stehengebliebenen Butler herbei. „Lassen Sie Miss Ralstons Gepäck in das Grüne Appartement bringen und es für sie herrichten“, befahl er.

„Sehr wohl, Sir.“ Rawlins nahm die Koffer an sich und stieg die Treppe hinauf.

„Begleite uns in den Salon.“ Alison nahm ihre Patentochter bei der Hand, schritt mit ihr in die obere Etage und machte die Tür zum Salon auf.

Katherine folgte der Hausherrin in den großen, hübsch eingerichteten Raum. Vor dem Kamin waren mehrere Sitzgelegenheiten um einen niedrigen Tisch gruppiert. Nippsachen und Kunstgegenstände aus aller Herren Länder schmückten den Sims, Wände und Etageren. Von Lady Clarey zum Platznehmen aufgefordert, setzte Katherine sich neben ihr auf das Sofa. Der Baron ließ sich in einem Sessel nieder.

„Wie war die Reise?“ erkundigte sich Tante Alison.

„Ich bin ein wenig müde“, gestand Katherine. „Nachmittags wurde die Postkutsche durch einen Molkereiwagen aufgehalten. Abends nächtigte ich in einer Herberge, die so dünne Wände hatte, dass ich den Mann nebenan schnarchen hörte und nicht richtig schlafen konnte.“

„Du bist mit der Postkutsche gefahren?“ wunderte sich Neville. „Warum hat dein Onkel dich nicht in eurer Berline reisen lassen oder zumindest eine Droschke für dich besorgt? Für eine junge Dame ist eine Postkutsche kein geeignetes Transportmittel.“

Katherine fand es unpassend, den Gastgebern so schnell nach der Ankunft alle ihre Sorgen anzuvertrauen. „Er hielt es so für besser“, antwortete sie und ärgerte sich, weil sie durch ihn herabgesetzt worden war. „Aber ich bin nicht hier, um euch mit meinen Problem zu belasten.“ Sie sah, dass Lord und Lady Clarey einen vielsagenden Blick tauschten.

„Ich hoffe, nichts Peinliches zu äußern, wenn ich gestehe, dass ich deine Mutter zwar sehr gern hatte, den Bruder deines Vaters indes nicht ausstehen kann.“

„Ich bitte dich, Neville!“ Entrüstet schaute Tante Alison ihren Gatten an.

„Ich kann meinen Onkel auch nicht leiden“, gab Katherine zu. „Ich hatte nicht vor, darüber zu sprechen, doch da das Thema angeschnitten wurde, ist es wahrscheinlich besser, ich weihe euch in meine Schwierigkeiten ein.“ Sie berichtete Lord und Lady Clarey von der langen Krankheit der Mutter, der plötzlichen Ankunft des Onkels und den testamentarischen Verfügungen des Vaters, die ihr nach dem Tod der Mutter mitgeteilt worden waren. Nach einigem Zögern erwähnte sie auch den Verdacht, der Onkel habe vor, Crestley Hall zu verkaufen, und setzte hinzu, dass sie ihn leider nicht daran hindern könne.

„Der Schurke!“, sagte Alison ärgerlich. „Was können wir dagegen unternehmen, Neville?“

„Ach, ich werde versuchen, die Angelegenheit selbst zu handhaben“, warf Katherine rasch ein. „Ich habe das alles nur erzählt, weil ihr so freundlich zu mir seid.“

„Deine Mutter war meine beste Freundin, Katherine“, erwiderte Alison herzlich. „Ich hatte sie sehr gern. Du bist meine Patentochter, und auch dich habe ich ins Herz geschlossen. Betrachte unser Haus als dein Heim, ganz gleich, was mit Crestley Hall geschieht. Wir sehen dich jetzt als unsere Tochter an.“

Wieder wurden Katherine die Augen feucht. „Ich danke euch“, sagte sie bewegt.

Alison tätschelte ihr die Hand. „Du musst erschöpft sein. Komm, ich zeige dir, wo du wohnen wirst.“ Sie erhob sich und verließ mit ihr den Salon.

Katherine war sehr abgespannt und konnte kaum noch die Augen offenhalten. Das Zimmer, in das sie von der Baroness geführt wurde, war in grünen und weißen Farbtönen gehalten. Im Kamin brannte ein Feuer. Ihr rannen die Tränen über die Wangen.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Alison besorgt und legte ihr den Arm um die Schultern.

„Ich habe soeben gemerkt, wie schön es ist, Freunde um sich zu haben“, antwortete Katherine seufzend.

„Wir hätten dich schon viel früher zu uns holen sollen“, murmelte Alison und drückte sie an sich. „Soll ich dir meine Zofe schicken?“

„Ja, bitte“, antwortete Katherine und zwang sich, nicht zu gähnen.

„Schlaf gut, mein Kind“, erwiderte Alison lächelnd und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Und mach dir keine Sorgen. Du kannst bleiben, solange du willst.“

***

Nach zwei mit Besuchen von Sehenswürdigkeiten und Einkäufen angefüllten Tagen fühlte Katherine sich entschieden wohler. Ihre Patentante hatte eine Einladung zum Ball bei Lord und Lady Albey beschafft, und sie sah dem Fest voller Vorfreude entgegen. In der letzten Zeit hatte sie kaum Gelegenheit zum Tanzen gehabt. Das Palais ihres Patenonkels war schön und erinnerte sie daran, wie Crestley Hall in früheren Tagen, vor dem Tod des Vaters, gewesen war. Nun sah sie indes die Gefahr, sich in der Residenz des Barons so gut aufgehoben zu fühlen, dass sie vergaß, was ihrem Heim widerfuhr. Sie gelobte sich, nicht zuzulassen, dass Crestley Hall Schaden nahm, und schrieb ihrem Onkel einen betont freundlichen Brief, vornehmlich aus dem Wunsch zu sehen, ob er ihr antwortete.

Es überraschte und freute sie, dass Lady Clarey eine Zofe für sie engagiert hatte. Die erste bei der Modistin bestellte Abendrobe traf ein, und lange vor der Zeit zum Umkleiden läutete Katherine Miss Worrall. Nachdem sie für den Ball angezogen worden war, setzte sie sich an den Frisiertisch und ließ sich von der Zofe das Haar aufstecken.

„Sie haben sehr widerspenstiges Haar, Miss“, stellte diese lächelnd fest.

„Ich weiß“, bestätigte Katherine seufzend. „Meine frühere Zofe hat sich ebenfalls stets darüber beklagt.“

Emily kämmte das Haar über ihren Ohren nach hinten und befestigte es mit den beiden silbernen Nadeln, die Katherine tags zuvor erstanden hatte. Schließlich trat sie zurück und bewunderte ihr Werk. „Sie sehen hinreißend aus, Miss“, stellte sie begeistert fest.

Katherine begutachtete sich von allen Seiten im Pilasterspiegel. Natürlich war sie schon früher hübsch angezogen gewesen, doch nun hatte sie zum ersten Mal den Eindruck, schön zu sein. Der blaue Seidenstoff passte in der Farbe ausgezeichnet zu ihren Augen. Vor Aufregung hatte sie gerötete Wangen bekommen. „Bringen Sie mir bitte die Schatulle aus der obersten Mittellade des Frisiertisches, Emily“, sagte sie eifrig.

Emily holte das Gewünschte und übergab ihr das Kästchen.

Katherine klappte es auf und entnahm ihr ein Perlenkollier, das ihrer Mutter gehört hatte.

Emily seufzte hingerissen, während sie es ihr um den Hals legte. „Das war das i-Tüpfelchen“, äußerte sie beeindruckt.

„Danke für das Kompliment.“ Einige Augenblicke später verließ Katherine das Ankleidekabinett und wurde im Salon von Lord und Lady Clarey bewundert. Sie sah Tränen in den Augen ihrer Patentante und fragte bestürzt: „Was hast du?“

„Nichts“, antwortete Alison und drückte ihr gerührt die Hand. „Du siehst deiner Mutter sehr ähnlich. Du bist eine Schönheit.“

Neville räusperte sich. „Kommt!“ forderte er die Damen auf. „Heute Abend wird jeder Mann mich um die Gesellschaft des beiden schönsten Damen in London beneiden.“

Eine halbe Stunde später stellte er seine Patentochter Albey und dessen Gattin vor und geleitete sie anschließend in den Ballsaal.

Lady Clarey besorgte Katherine eine Tanzkarte, doch da sie von den Anwesenden niemanden kannte, hegte sie nicht viel Hoffnung, von einem Kavalier zum Tanzen aufgefordert zu werden. Sie verweilte mit Lord Clarey und dessen Gemahlin am Rande des Parketts und beobachtete die Tänzer.

„Guten Abend, Alison.“

Katherine drehte sich mit ihrer Patentante um. Eine zierliche schwarzhaarige Dame in eleganter Balltoilette stand lächelnd vor ihnen.

„Oh, Juliette!“, erwiderte Alison erfreut und küsste ihre Freundin auf die Wange. „Ich habe dich letzte Woche in Vauxhall vermisst.“

Neugierig betrachtete Katherine die fremde Dame, die mit leichtem französischem Akzent gesprochen und eindrucksvolle graugrüne Augen hatte.

„Wer ist die Dame in deiner Begleitung?“ erkundigte sie sich bei Tante Alison.

„An wen erinnert sie dich?“