Schottisch für Anfänger - Suzanne Enoch - E-Book

Schottisch für Anfänger E-Book

Suzanne Enoch

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Beschreibung

London, 1817: Der Highlander Arran MacLawry sucht nach ein wenig Ablenkung, und die braunhaarige Schönheit, die er auf einem Maskenball trifft, kommt ihm dafür gerade recht. Bis er erfährt, dass ihr Name Mary Campbell ist. Die Familie der Campbells ist seit Jahren mit den MacLawrys verfeindet. Arran tut deshalb gut daran, die aufkeimenden Gefühle für Mary schnell wieder zu vergessen. Denn eine Verbindung zwischen ihnen ist unmöglich. Zumal Mary einem anderen Mann versprochen ist ...

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

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Die Autorin

Die Romane von Suzanne Enoch bei LYX

Impressum

SUZANNE ENOCH

Schottisch für

Anfänger

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Britta Lüdemann

Zu diesem Buch

Der Highland-Krieger Arran MacLawry tanzt sich widerwillig durch die Bälle Londons, um im Auftrag seines Bruders, dem Chief der MacLawrys, ein wachsames Auge auf den feindlichen Clan der Campbells zu halten. Da kommt ihm der Flirt mit einer schönen Unbekannten gerade recht. Arran ist sich sicher, dass in ihren Adern Highland-Blut fließen muss – und tatsächlich kommt dies der Wahrheit näher, als ihm lieb sein kann: Die einzige Frau, der es je gelungen ist, sein Herz in Aufruhr zu versetzen, ist ausgerechnet Mary Campbell, die Tochter des Erzfeinds! Zuerst fühlt sich Arran hintergangen, dann allerdings herausgefordert, der frechen Schönen einen Kuss zu rauben. Doch das bringt ihn in Teufels Küche, als sie von Marys wütender Familie entdeckt werden. Trotz der brisanten Lage ist Arran nun eines klar: Ein Kuss ist bei weitem nicht genug. Aber sein Bruder befiehlt ihm, in die Heimat zurückzukehren, um den Waffenstillstand nicht zu gefährden, der gerade zwischen den verfeindeten Clans ausgehandelt wurde. Tatsächlich macht sich Arran auf den Weg, jedoch nur, um Mary in die Highlands zu entführen und aus dem knisternden Funken zwischen ihnen ein wahres Leuchtfeuer zu entfachen

Für meine gute Freundin und Autorenkollegin Karen Hawkins, die freiwillig eine zehnstündige Autofahrt an ihren Streckenflug angehängt hat, damit ich nicht allein fahren musste, und die mit meiner Musikauswahl sehr zufrieden war.

Und mit meinen Snacks.

1

Eines der Sprichworte, das sich im Laufe der Jahre im Clan MacLawry etabliert hatte, lautete: »Willst du dem Teufel ins Gesicht sehen, schau dir einfach einen Campbell an.«

Ein weiterer Ausspruch über London und seine hochwohlgeborenen verweichlichten Bewohner kam Arran MacLawry in den Sinn. Da er jedoch gerade mitten unter ihnen in einem Ballsaal in Mayfair weilte, behielt er ihn lieber für sich. Eine Gruppe junger Mädchen mit eleganten Schwanenmasken vor dem Gesicht zog wie eine Schar aufgeregt schnatternder Gänse vorbei. Mit einem Grinsen zersprengte er die Formation und sorgte so dafür, dass die Damen in den schrillsten weiblichen Tönen aufschrien und in Richtung des Tischs mit den Erfrischungen flohen.

»Hör auf damit, du Teufel.«

Arrans Blick ging zu seinem Bruder, der nur wenige Schritte von ihm entfernt neben einer vornehmen Eule saß und sich angeregt unterhielt – zumindest hatte er das gedacht. »Ich hab sie nur angelächelt. Du wolltest doch, dass ich mich von meiner besten Seite zeige, Ranulf.«

Ranulf, der Marquis of Glengask, schüttelte den Kopf. Auch wenn sein Gesicht halb hinter einer schwarzen Panthermaske versteckt war, gab es auf der Garreton-Soiree nicht einen einzigen Gast, der nicht ganz genau gewusst hätte, wer er war. »Ich sagte, du sollst dich benehmen. Keine Prügeleien, keine Beleidigungen und auch kein Aufregen zartbesaiteter Sassenach-Ladies.«

»Dann hätte ich vielleicht lieber mit einer Ochsen- oder Taubenmaske kommen sollen und nicht als Fuchs.« Oder er wäre besser gar nicht erst hergekommen; doch wer hätte dann die Campbells oder ähnlich widerliche Zeitgenossen im Auge behalten sollen?

Die Eule an der Seite seines Bruders gluckste. »Ob du dich verkleidest oder nicht, Arran«, sagte sie in ihrem feinen englischen Akzent, »die Aufmerksamkeit der Damenwelt ist dir gewiss, so oder so.«

»Ich werte das mal als Kompliment, Charlotte«, erwiderte er mit einem Neigen des Kopfes in Richtung der erst seit Kurzem mit seinem älteren Bruder verlobten Engländerin, »darum vielen Dank.« Der Anblick eines prachtvollen Pfaus in einem veilchenblauen Kleid, den er im selben Moment erspähte, entlockte ihm ein Lächeln, das jedoch erstarb, kaum dass sein Auge den grüngoldenen Schwan gleich daneben erfasste. Verdammt. Die beiden jungen Damen hakten sich zwar ein und schwenkten in seine Richtung ab, doch er glaubte, dass sie ihn noch nicht entdeckt hatten. »Deine hübsche Schwester ist heute Abend nicht zufällig ein Schwan, oder?«, fragte er Charlotte, während er sich langsam von der Wand aufrichtete, an der er lehnte.

»Doch«, entgegnete Charlotte. »Die Arme. Ich glaube nicht, dass ihr klar war, wie viele Damen heute Abend ebenfalls mit einer Schwanenmaske erscheinen würden.«

»Nun, wenn du sie und Winnie siehst, grüß sie herzlich von mir«, sagte er, ehe er sich zur Tür des Hauptballsaals wandte. »Ich schau mal, ob ich Onkel Myles finde; könnte mir vorstellen, dass er gern ein paar Worte mit mir wechseln würde.«

»Lügner«, erwiderte Ranulf. »Und bleib in der Nähe. Die Stewarts sollen heute Abend auch hier sein, und ich würde dich gern mit Deirdre Stewart bekannt machen.«

Arran zog den Kopf leicht ein, um sich hinter dem Gewimmel aus Masken vor dem grüngoldenen Schwan zu verstecken, als er abrupt stehen blieb. »Deirdre Stewart? Soll das ein Scherz sein?«

Sein älterer Bruder machte jedoch nicht den Eindruck, als scherze er. »Wie ich hörte, ist sie sehr nett, und auch erst zweiundzwanzig. Und sie ist die Nichte von Stewart. Dem Stewart.«

Das dürfte dann wohl der wahre Grund sein, warum sein Bruder ihn aufgefordert hatte, noch in London zu bleiben, ungeachtet der kleinen Handgreiflichkeiten, zu denen es gekommen war, und trotz Arrans offensichtlicher … Unzufriedenheit mit dem ziemlich englischen Benehmen, das Ranulf an den Tag gelegt hatte.

»Dann nimmst du mich jetzt also in die Pflicht, was?«, fragte er, kaum in der Lage, seinen Unmut zu verbergen.

»Wir haben Lord Allens Tochter doch noch gar nicht kennengelernt, also lass uns einfach abwarten.« Der Marquis blickte über Arrans Schulter hinweg. »Dein Vögelchen ist gleich da.«

Vögelchen? Jane Hanover hatte mehr von einem Geier, der über ihm kreiste und nur darauf wartete, dass er unter ihrem erbarmungslosen Charme zusammenbrach. Doch Arran hatte nicht vor, wie angewurzelt stehen zu bleiben und sich zu streiten, während sie immer näher kam. Denn er brauchte keine Fuchsmaske, um zu merken, wenn ihm Unannehmlichkeiten drohten, und nichts anderes verhieß Charlottes achtzehn Jahre alte Schwester. Ob sie nun die engste Freundin seiner Schwester Rowena war oder nicht, sie war eine Debütantin, eine Sassenach, eine Romantikerin. Arran erschauderte, als er einen Blick über die Schulter warf. Lieber sollte ihn der Teufel holen, als dass er sich mit so einem Mädchen einließe.

Und dann war da noch – ganz offensichtlich – der Stewart-Clan. Zwar herrschte kein offener Krieg zwischen ihren beiden Clans, doch wenn er jetzt so darüber nachdachte, hatte sein Bruder die Stewarts vergangene Woche öfter erwähnt als die Campbells. Und obwohl dies das erste Mal gewesen war, dass Ranulf ihn und Deirdre in einem Atemzug genannt hatte, so hatte Arran doch mehr als nur geahnt, was auf ihn zukam. Aus politischer Sicht wäre eine Allianz zwischen Deirdre und dem Chief des MacLawry-Clans zwar sicher noch besser gewesen, doch da Ranulf einer Engländerin verfallen war, blieb dieses Opfer – so folgerte Arran – wohl an ihm hängen. Daher konnte er nur hoffen, dass das Mädchen eher nach ihrer Mutter als ihrem froschgesichtigen Vater kam. Außerdem konnte er dankbar sein, dass sein Interesse bisher keinem anderen Mädchen gegolten hatte.

Irgendwo links hinter ihm setzte die Musik für den ersten Walzer des Abends ein. Verflixt. Gleich würde Jane Hanover ihn aufspüren und darüber in Kenntnis setzen, dass ihr noch ein Partner für eben diesen Tanz fehlte. Und da sie in Kürze verschwägert wären, käme er nicht umhin, ihn ihr der Höflichkeit halber zu gewähren. Und noch ehe die Musiker die letzten Takte gespielt hätten, stünde er mit einer Verlobten da – womit Ranulfs Pläne gehörig durchkreuzt wären, ganz zu schweigen von seinen eigenen.

Ein Pfau und ein Schwan eilten durch die Tür hinter ihm. Oh nein, er war ganz bestimmt nicht so dumm, sich in die Fesseln der Ehe mit einer kindlichen Debütantin zu begeben, die von seinem »herben« Aussehen schwärmte. Heilige Brigida, er wusste nicht einmal, was genau sie damit meinte. Nachdem er schnell durch zwei Gästegruppen geschlüpft war, drehte er sich wieder um … und stolperte in eine Dame mit rotgoldener Fuchsmaske.

»Sir Fox«, sagte sie, während ein überraschtes Lächeln um ihren Mund unterhalb der Maske spielte.

»Da ist er, Jane!«, hörte Arran seine Schwester Winnie rufen.

»Lady Fox«, erwiderte er. »Würden Sie einem Ihrer Artgenossen wohl die Ehre dieses Walzers gewähren?«

Im Schatten liegende grüne Augen sahen ihn ein halbes Dutzend Herzschläge lang an, während sein Verhängnis – eines seiner Verhängnisse – unaufhaltsam von hinten näher rückte. Wie viele konnte ein Mann von siebenundzwanzig wohl verkraften? »Es wäre mir ein Vergnügen«, antwortete die Füchsin, womit sie ihn in allerletzter Sekunde rettete.

Er reichte ihr die Hand, und von goldfarbenen Handschuhen bedeckte Finger schlossen sich um seine. Dann führte er die Dame, so schnell er konnte, ohne sie mitzuschleifen – oder den Anschein zu erwecken, auf der Flucht zu sein – auf die Tanzfläche, ließ die Hand um ihre schlanke Taille gleiten und nahm den Walzer mit ihr auf.

Seine Partnerin war, wie ihm erst jetzt auffiel, so klein, dass sie ihm gerade bis ans Kinn reichte. Außerdem besaß sie ein gewinnendes Lächeln. Darüber hinaus hätte sie, nach allem, was er wusste – oder was ihn interessierte – Königin Caroline sein können. Zumindest war sie nicht Jane Hanover, und das war das Einzige, was im Augenblick für ihn zählte.

»Wollen wir uns den ganzen Walzer über anschweigen?«, fragte sie mit dem unverkennbaren Klang einer Londoner Aristokratin in der Stimme. »Zwei Füchse inmitten einer Schar von Schwänen, Bären und Löwen?«

Arran grinste. »Als ich einen kurzen Blick auf den Desserttisch geworfen habe, war ich überrascht, dort keine Körbchen mit Körnern für all die vielen Vögel vorzufinden.«

Sie nickte, während sie ihm in die Augen sah. »Die Armen. Lady Jersey muss auf dem letztjährigen Ball hier mit einer besonders hübschen Schwanenmaske erschienen sein und damit eine wahre Begeisterungswelle ausgelöst haben.«

Als sie den Blick über die dichtgedrängte Menge im Saal schweifen ließ, musterte er sie noch einmal. Klein, schlank, hellgrüne Augen, und ihr Haar … Er war nicht sicher, wie er diese Farbe nennen sollte. In einer wahren Lockenflut lang aus einem Knoten fallend, sah es aus wie das Resultat eines Malers, der mit der braunen Spitze seines Pinsels abwechselnd durch Gold und Rot gefahren war – eine attraktive Mischung satter Farben, für die zusammengenommen es keine Bezeichnung gab.

Er blinzelte verwirrt. Zwar war er bekannt dafür, sich zuweilen recht poetisch auszudrücken, aber normalerweise nicht, wenn es um das Haar eines Mädchens ging. »Wie kommt es, dass Lady Fox bei einem Walzer noch keinen Tanzpartner hatte?«, fragte er.

»Ich bin erst seit wenigen Minuten hier«, erklärte sie mit ihrer samtweichen Stimme. »Wie kommt es, dass Sir Fox auf der Flucht vor einem Pfau ist?«

Dann hatte sie es also gemerkt. »Ich war nicht vor dem Pfau auf der Flucht. Dieser Vogel ist meine Schwester. Es war der Schwan, der mir Angst macht.«

Ihre grünen Augen klebten förmlich an seinen, und er stellte fest, dass er sich wünschte, mehr von ihrem Gesicht sehen zu können. Als einem MacLawry und Bewohner des Hochlands hatte die Fähigkeit, sich durch einen finsteren Blick oder das Zucken eines Auges ankündigende Gefahren schnell und richtig einschätzen zu können, ihm schon mehrfach das Leben gerettet. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Ranulf hatte gesagt, dass die Stewarts heute Abend ebenfalls zu Gast sein würden. Was, wenn diese Füchsin Lady Deirdre war? Machte sie sich gerade ein Bild von ihm, so wie er sich gern ein Bild von ihr machen wollte?

»Schwäne im Allgemeinen oder dieser eine im Besonderen?«, entgegnete sie. »Gibt es in den Highlands etwa keine Schwäne?«

Natürlich wusste sie, woher er stammte; selbst wenn die rüpelhafte Art und Weise, in der die MacLawrys in den vergangenen Wochen die Salons Mayfairs erobert hatten, nicht in aller Munde gewesen wäre, hätte sein Akzent kaum einen Zweifel an seiner Herkunft gelassen. Denn ganz im Gegensatz zu seiner Schwester Rowena bemühte er sich nicht, seinen Akzent zu verschleiern oder gar völlig zu unterdrücken. Soweit es ihn betraf, erfüllte ihn die Tatsache, ein MacLawry zu sein, mit Stolz. »Doch, gibt es, wenn auch nicht viele. Aber in den Highlands, wo ich mich auskenne und man schlichtweg mehr Übersicht und Platz hat, ist es leichter, ihnen aus dem Weg zu gehen.«

»Ich hatte ja keine Ahnung, dass Schwäne so gefährlich sind.«

»Aye. Ehe man sichs versieht, haben sie einen gepackt; und ihre Bindungen gelten fürs ganze Leben.«

Sie lachte. »Und bei Füchsen ist das anders?«

Äh … waren Füchse sich ein Leben lang treu? Darauf wusste er gerade keine Antwort. Nachdem er zwei Wochen lang versucht hatte, frühzeitig zu erkennen, ob von einem Menschen – sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechts – eine Gefahr ausging, war ein Gespräch über Tiere irgendwie … erfrischend – auch wenn es eher sinnbildlicher Natur war. »Dieser Fuchs sucht nur eine Tanzpartnerin für diesen Walzer, mehr nicht«, erwiderte er mit einem Gegenlächeln. So. Sollte sie tatsächlich Lady Deirdre sein, wusste sie jetzt, dass er nicht hinter einem anderen Mädchen her war. »Und die Füchsin?«

»Ich habe gerade nach einer Freundin Ausschau gehalten. Da ist ein Intermezzo mit einem Artgenossen eine unerwartete … Ablenkung. Und wenn Sie jetzt etwas Schmeichelhaftes sagen, will ich mich auch gar nicht gekränkt fühlen, dass Sie mich nur um diesen Tanz gebeten haben, um einem Vogel zu entrinnen.«

War das etwa eine Zurechtweisung gewesen? Ein Scherz? Der Umstand, dass er nicht wusste, wie sie es gemeint hatte, übte einen gewissen Reiz auf ihn aus. Nach seiner Erfahrung kannten englische Mädchen sich, von nur wenigen Ausnahmen abgesehen, bis ins kleinste Detail mit dem Wetter aus und konnten stundenlang über dieses Thema plaudern. Mehr war allerdings kaum von ihnen zu erwarten. »Etwas Schmeichelhaftes«, wiederholte er laut, während er überlegte, wie viel Mühe für eine Antwort zu investieren er bereit war. Schließlich hatte er vor, nur aus einer Position der Stärke heraus in den Stand der Ehe zu treten. Zugegeben graute es ihm vor der Vorstellung zu heiraten nicht mehr gar so sehr wie noch vor vielleicht fünf Minuten, aber bereit zur Kapitulation war er noch nicht. Noch lange nicht. Ein MacLawry bettelte nicht um eine Allianz. »Sie sind eine sehr elegante Tänzerin«, erwiderte er schließlich.

Sie lachte noch einmal, obwohl es nicht mehr so herzlich klang wie vor einer Minute. »Tja, ob Sie es glauben oder nicht, Sie sind nicht der erste Schotte, der das sagt. Damit unterscheiden Sie sich also nicht unbedingt von den anderen.«

Arran ging davon aus, soeben beleidigt worden zu sein, verkniff sich jedoch eine finstere Miene … nicht dass sie sie hinter der Fuchsmaske überhaupt hätte sehen können. Wenn sie tatsächlich Deirdre war, täte er vielleicht gut daran, sich etwas … charmanter zu verhalten. »Ich kenne Sie gerade einmal zwei Minuten, Mädchen«, erklärte er, wobei er sie noch eine Spur näher zog. »Mir lag zwar ein Kompliment über Ihren hübschen Pelz und Ihre wundervoll spitzen Öhrchen auf der Zunge, aber ich glaube nicht, dass Sie sich darüber gefreut hätten.«

»Und weshalb sollte eine Fuchsdame wohl nicht hören wollen, wie viel Bewunderung ihr Pelz bei einem Fuchs erregt?«

»Weil Sie keine Fuchsdame sind, genauso wenig wie ich ein Fuchs bin. Sie haben sich entschieden, hier nicht als Schwan zu erscheinen, womit Sie sich immerhin von einem Dutzend anderer Mädchen auf diesem Ball unterscheiden. Aber ich trage eine Fuchsmaske nur deshalb, weil meine Schwester meinte, mich unbedingt damit ausstaffieren zu müssen. Ansonsten wäre ich, offen gestanden, eher als Wolf gekommen.« Ja, in seiner Familie galt er gemeinhin als der Schlaue, und Rowena hatte ihm die Maske mit so großer Überzeugung und Begeisterung schmackhaft zu machen versucht, dass er sich schließlich hatte erweichen lassen. Letzten Endes jedoch war eine Maske nur ein hübsch bemaltes Stück Pappmaschee. Mehr nicht.

»Ich wollte unbedingt die Fuchsmaske tragen«, erklärte sie nach einem Moment. »Mein Vater dagegen bestand auf der Schwanenmaske.«

Das interessierte ihn jetzt. »Nichtsdestotrotz sind Sie hier, und einen Schwan sehe ich nicht vor mir.« Auf jeden Fall aber sah er eine junge Frau, vielleicht drei oder vier Jahre älter als Rowena – dem Alter, in dem Deirdre Stewart sein sollte –, mit einem verführerischen Mund und Lippen, die von Natur aus offensichtlich immerzu lächeln wollten, sowie im Schatten liegenden grünen Augen, deren Winkel sich vermutlich gerade kräuselten. Wären Arrans Hände nicht schon durch den Tanz beschäftigt gewesen, wäre er jetzt vielleicht der Versuchung erlegen, ihr die Maske vom Gesicht zu nehmen, um es im Ganzen zu betrachten und herauszufinden, ob die schon bei einzelner Betrachtung sehr attraktiven Bestandteile ein nicht minder attraktives Gesamtbild ergaben.

Ihre Lippen formten sich wieder zu einem Lächeln. »Das hingegen ist ein Kompliment, Sir Fox.« Sie legte den Kopf schräg, worauf die Lichter des Kronleuchters ihrem Haar einen goldenen Glanz verliehen. »Oder möchten Sie lieber Sir Wolf genannt werden?«

»Nennen Sie mich Arran«, erwiderte er mit einem Grinsen. Sie reagierte nicht auf seinen Namen. Andererseits wusste sie bestimmt schon längst, wer er war. Unter den jungen Herren der Londoner Gesellschaft waren nicht viele, die frisch aus den Highlands stammten.

»Erzählen Sie mir, warum die Schwanendame – die dort gerade bei den Getränken steht und vorgibt, Sie nicht unentwegt anzustarren – Sie in die Flucht schlägt, Arran«, sagte die Füchsin.

Er zuckte mit den Schultern. »Sie ist die beste Freundin meiner Schwester, und mein älterer Bruder ist mit ihrer Schwester verlobt.«

»Aha«, entgegnete die Fuchsdame, während ihr herrliches goldrotes Kleid gegen seine Beine schwang. »Und seit dem Moment, wo sie entdeckte, dass ihr zukünftiger Schwager noch einen unverheirateten Bruder hat, träumt sie von einer Doppelhochzeit.«

»Aye. So in der Art. Ich breche ihr zwar nur ungern das Herz, aber ich lasse mich bestimmt nicht in eine Heirat drängen, nur um mir den Anblick eines herzerweichenden Schmollmunds zu ersparen.«

»Sie müssen ein vortrefflicher Tänzer sein, wenn Sie es schaffen, die Damenwelt mit einem einzigen Walzer zu einer spontanen Verlobung hinzureißen. Jemand hätte mich warnen sollen.«

»Necken Sie mich ruhig, Mädchen, aber ich bin nicht hier, um den Prinzen im Märchen einer Debütantin zu spielen.« Der Allmächtige und die Heilige Brigida wussten, dass es in den Highlands nur so von hübschen Mädchen wimmelte, die auf seine Zuwendung warteten – und das ohne solch alberne Vorstellungen von Romantik und Gefahr. Sobald Ranulf, das Oberhaupt des MacLawry-Clans, den Bund der Ehe mit seiner englischen Braut schloss, flösse schon genügend sanftes Tieflandblut in die Familie ein. Wie dem auch sei, sah alles danach aus, dass er eine Verbindung zu den Stewarts herstellen sollte.

»Wenn Sie nicht hier sind, um zu heiraten, was führt Sie dann nach London? Das milde Klima?«

Arran schnaubte verächtlich. »Wer sich durch nichts bezwingen lässt, trotzt auch jedem Wetter. Ich bin nur hier, um ein Auge auf meine Geschwister zu haben. Und um zu zeigen, dass ich auch zivilisiert sein kann.«

Er warf einen Blick zu dem großen schwarzen Panther, der mit seiner Eule tanzte. Solange Ranulf sich von einem Paar hübscher Haselnussaugen ablenken ließ und Rowena für alles Englische schwärmte, musste wenigstens ein MacLawry ein wachsames Auge auf die Campbells haben. Aus genau diesem Grunde hatte er seinen jüngeren Bruder Bear auf Glengask zurückgelassen und war nach London geritten. Weil William Campbells Erklärung, der Campbell-Clan erkenne den Burgfrieden mit den MacLawrys an, nichts als Worte waren. Gefährlich zerbrechliche Worte. Arran hatte schon genügend schlimme Taten gesehen, um den Unterschied zu kennen.

»›Dass Sie auch zivilisiert sein können‹?«, wiederholte sie. »Ein sehr … interessanter Vorsatz. Sind Sie sonst denn kein zivilisierter Mensch?«

Wahrscheinlich war es kein Zufall, dass sie jetzt schon zum wiederholten Male den pikantesten Teil seiner Bemerkungen aufgegriffen hatte. Sie reizte ihn – und das ganz bewusst. Was ihm gefiel. »Ich bin sogar ein sehr zivilisierter Zeitgenosse«, sagte er laut, »außer gegenüber Leuten, die es nicht verdient haben, dass man ihnen freundlich begegnet.«

Heitere grüne Augen sahen hoch, um seinem Blick erneut zu begegnen. »Und zu welcher Kategorie rechnen Sie mich?«, fragte sie.

Wer auch immer dieses Mädchen sein mochte, schüchtern war sie nicht. »Sie haben Highlander-Blut in den Adern, stimmt’s?«

Für die Dauer eines Herzschlags senkte sie den Kopf. »Das stimmt. Aber wie kommen Sie zu dieser Feststellung?«

Als der Walzer mit einem Crescendo endete, stand Arran einen Moment lang da und wünschte sich kurz, er hätte sich nicht selbst zum Wachhund seiner Familie deklariert. Dann hätte er ihr jetzt vorschlagen können, das Gespräch an einem etwas privateren Ort fortzusetzen. »Reservieren Sie mir eine Quadrille oder etwas Ähnliches, dann werde ich es Ihnen verraten«, schlug er stattdessen vor.

Mit einiger Verzögerung löste sie sich aus seinen Armen. »Das würde ich gern, aber es sind noch so viele andere Herren anwesend, dass es sehr … ungebührlich wäre. Vielleicht ein anderes Mal?«

»Aye, dann ein andermal. Aber verraten Sie mir wenigstens Ihren Namen.«

Als erneut ein sehr attraktives Lächeln um ihren Mund spielte, reagierte diesmal auch sein Körper – mit einem Ziehen in den Lenden. Um Himmels willen, wenn sie jetzt hoffentlich Deirdre Stewart sagte, könnte er davon ausgehen, dass die seltsame Antwort seines Unterleibs auf Instinkt beruhte. Sie trat einen Schritt näher, stützte sich mit einer Hand auf seiner Schulter ab und erhob sich auf die Zehenspitzen. »Ich glaube«, murmelte sie an sein Ohr, wobei sie es mit ihren warmen Lippen streifte, »wir sollten es bei … Lady Fox belassen, Sir Fox.«

Mit diesen Worten zog sie sich zurück, drehte sich um und spazierte davon. Bevor sie daraufhin in dem Meer aus glänzenden Masken verschwand, warf sie ihm noch einen letzten Blick über die Schulter zu. Hm. Was zum Teufel das auch immer zu bedeuten hatte, er hätte jetzt gut ein kühles Bad im nächsten See gebrauchen können. Weil sie an seinem Ohr geknabbert hatte, war sein bestes Stück schon drauf und dran, sich auf ungebührliche Weise zu erheben. In aller Öffentlichkeit. Während er von der Tanzfläche marschierte, nahm er sich ein Glas Wodka vom Tablett eines Lakaien und leerte es in einem Zug.

»Wer war das, Arran?«, fragte seine Schwester, als sie neben ihm auftauchte und seinen linken Arm ergriff.

Er schüttelte sich. Wenn Winnie hier war, konnte Jane Hanover nicht weit sein. »Eine alte Freundin«, improvisierte er und neigte den Kopf, als der Schwan dem Pfau auf dem Fuße folgte. Immerhin hatte er sich erfolgreich um den Walzer mit ihr gedrückt. »Hat sich auf Ihrer Tanzkarte schon jemand für diese Quadrille eingetragen, Lady Jane? Und du, Winnie, hast du noch einen Kontratanz für deinen Bruder übrig?«

Umrahmt von ihrem sonnengelben Haar, errötete Jane unter ihrer kunstvollen Maske. »Nun ja, ich – ja, aber – eigentlich hatte ich … äh, gehofft, dass Sie –«

Wenn er ihr hilfloses Gestammel jetzt nicht unterbrach, würde sie sich noch die Zunge brechen. »Reichen Sie mir Ihre Karte, damit ich meinen Namen hinzusetzen kann«, half er ihr weiter, während er versuchte, sich eine Antwort auf ihre Frage einfallen zu lassen, an wen er denn den verflixten zweiten Walzer vergeben hatte – denn diese Frage würde kommen; todsicher.

Mit einem hörbaren Seufzer gab die jüngere Hanover-Schwester ihm Karte und Stift. Wie er sah, waren beinahe all ihre anderen Tänze reserviert, inklusive des zweiten Walzers. Luzifer sei Dank. Kein Wunder, dass sie ihn vorher mit dieser Hartnäckigkeit verfolgt hatte. Offensichtlich schuldete er der geheimnisvollen Fuchsdame mehr, als ihm klar gewesen war.

Er unterdrückte ein Seufzen, als er sich eintrug und ihr die Karte zurückreichte, um dann dasselbe mit der seiner Schwester zu wiederholen. Rowenas Gesicht zeigte noch immer das aufgeregte Lächeln, das seit nahezu dem Moment hineingemeißelt war, als sie ihm gestern die Fuchsmaske präsentiert hatte. Sie musste doch wissen, dass er sich nicht für ihre Freundin interessierte. Warum also hatte er den Eindruck, dass sie Jane dazu ermunterte, ihm nachzustellen? Er würde mal ein Wörtchen mit ihr reden müssen, und zwar bald. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass sich gleich zwei seiner Geschwister darum bemühten, ihm eine Frau anzuhängen, zumal er sich genötigt fühlte, der Wahl seines Bruders den Vorzug zu geben.

»Ich verstehe nicht ganz, wie ausgerechnet sie eine alte Freundin sein kann«, erklärte Jane mit einem etwas schrillen Unterton. »Winnie hat gesagt, die MacLawrys und die Campbells könnten einander nicht ausstehen.«

Sofort hatte sie Arrans Aufmerksamkeit wieder. Wie bitte? »Wovon reden Sie?«, verlangte er zu erfahren.

Jane wich einen halben Schritt zurück. »Die … Ihre Freundin mit der Fuchsmaske. Sie sagten, Sie seien alte Freunde. Sie haben das gesagt, nicht ich.«

»Ich –«

Winnie versetzte ihm mit ihrem spitzen Ellbogen einen Stoß in die Rippen. »Bràthair.«

Er ignorierte sie. Es gab Zeiten, in denen höfliches Verhalten gefragt war, und dann gab es noch die Campbells. »Wissen Sie, wer sie ist, Jane?«

»Dass das Mary Campbell ist, weiß doch jeder. Ihr Großvater ist der Duke of Alkirk.«

Rowena stieß ein Keuchen aus, während Arran die Kiefer zusammenpresste, um das Brüllen zurückzuhalten, das rasend schnell in seiner Brust anschwoll. Die charmante, faszinierende Fuchsdame war gar nicht Deirdre Stewart, sondern eine Campbell. Und dann auch nicht nur irgendeine Campbell, sondern die Enkelin von William Campbell, dem Chief des Campbell-Clans. Dem Campbell.

Kein Wunder, dass sie ihm ihren Namen nicht verraten wollte.

Aber getanzt hatte sie mit ihm. Und gescherzt. Wahrscheinlich dachte dieses kleine Ding, sich über ihn lustig machen zu können. Ganz sicher aber hatte sie ihn zum Narren gehalten.

»Was ist los?«, erklang Ranulfs tiefe Stimme hinter ihm, als er und Charlotte Hanover sich zu ihnen gesellten. »Die Stewarts sind soeben eingetroffen. Wer war denn die Fuchsdame, Arran?«

Arran holte tief Luft. »Wenn du keine Lust hast, dich um die Campbells zu kümmern«, erwiderte er, nicht gerade erpicht darauf, sich von seinem Bruder einen Dummkopf schimpfen zu lassen, »ist es wohl an mir, sie im Auge zu behalten. Die Füchsin war Campbells Enkelin.«

Selten hatte er Ranulf so überrascht gesehen wie in diesem Augenblick. Der Älteste der vier MacLawry-Geschwister schob seine Panthermaske in die Stirn. Das darunter zum Vorschein kommende Gesicht sah zwar nicht schlecht aus, hatte aber eindeutig etwas Grimmiges an sich. Dunkelblaue Augen verengten sich zu Schlitzen, und dann hob Ranulf die Hand, wie um Arran in der nächsten Sekunde an den Kragen zu gehen. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich benehmen«, erklärte er mit ruhiger, doch gefährlich leiser Stimme.

Arran hielt dem Blick seines Bruders und Clanoberhaupts stand, bis Ranulf die Hand wieder sinken ließ. Keiner von ihnen war bekannt dafür nachzugeben, aber dies hier erweckte eher den Eindruck, als seien sie übereingekommen, eine Szene – die nächste Szene – mitten in einem Ballsaal in Mayfair vermeiden zu wollen. »Du hast gesagt, ich solle zeigen, dass ich auch zivilisiert sein könne«, stellte er richtig, »und das habe ich getan.«

»Ich kann mich nicht entsinnen, irgendeinem von meinen Leuten erlaubt zu haben, mit einer Campbell zu tanzen«, erwiderte Ranulf.

Und das von einem Mann, der etwas getan hatte, das mindestens genauso skandalös war, wie mit einer Campbell zu tanzen – er hatte sich eine englische Braut gewählt und die Absicht, sie in die Highlands mitzunehmen. Ja, Charlotte Hanover besaß mehr Charakter und Verstand als die meisten Sassenachs, aber vor diesem kleinen Urlaub in London hätte Ranulf sein Bett lieber verbrannt, anstatt es mit einer Engländerin zu teilen.

»Du bist doch derjenige, der losgegangen ist und Frieden mit den Campbells geschlossen hat«, rief Arran ihm in Erinnerung, wobei ihm auffiel, dass er seine Worte vor wenigen Wochen noch mit erheblich mehr Bedacht gewählt hätte. Offenbar schuldete er Charlotte, jetzt wo er so darüber nachdachte, einigen Dank dafür, dass sein Bruder nicht mehr so aufbrausend war.

»Damit wir uns nicht mehr gegenseitig umbringen, Arran, und nicht, um unbekümmert Walzer mit ihnen zu tanzen.«

»Und kennst du einen besseren Weg, um herauszufinden, welche Stimmung in ihren Reihen herrscht? Ich persönlich glaube nämlich nicht, dass dieser Friede noch das Ende dieser Woche erlebt.«

Natürlich stand und fiel seine Argumentation damit, ob Jane und Winnie petzten, dass er nicht die geringste Ahnung gehabt hatte, wer die Füchsin war. Als das Orchester die Quadrille anstimmte, reichte er der jungen Jane mit einem Kopfschütteln die Hand. Offensichtlich ließ er sich lieber vorwerfen, einen Fehler begangen, als sich wie ein Schafskopf benommen zu haben.

Gleichzeitig glaubte er tatsächlich nicht daran, dass der Waffenstillstand noch lange anhielt. Dafür reichte ihm ein kurzer Blick in die Vergangenheit. Und deshalb war es ihm auch so wichtig gewesen zu wissen, welche Campbells sich gerade wo aufhielten, wie sie aussahen und wie ihre Stimmung war. Außerdem kannte er ihre Verbündeten und wusste im Allgemeinen, wann sich einer von ihnen seinem Bruder und seiner Schwester auf weniger als ein halbes Dutzend Schritte näherte. Doch dann war das Ungemach aus einer Richtung gekommen, mit der er nicht gerechnet hatte.

Und ob nun mit einer Füchsin, einem Fuchs, einem Wolf oder einer Campbell als Ziel, morgen würde er auf Jagd gehen. Mary Campbell sollte nicht glauben, dass man einen MacLawry einfach so zum Narren halten konnte. Schon gar nicht, wenn dieser MacLawry in London war, um auf seine Familie aufzupassen. Auch dann nicht, wenn ihr Lächeln und ihr Verstand ihn fasziniert hatten. Zu dem Zeitpunkt hatte er sie nämlich für eine andere Frau gehalten.

»Wo ist denn nun diese Deirdre Stewart, mit der du mich verheiraten willst?«, fragte er unwirsch. »Lass uns die Sache vorantreiben, ehe das Blutvergießen von vorn beginnt.«

»Wie bitte?«, fragte Rowena und zuckte zusammen, als Jane plötzlich wie eine verwundete Katze aufjaulte.

»Ich hab nicht gesagt, dass du sie heiraten sollst«, entgegnete Ranulf und schaffte es fast, sich die Panthermaske wieder aufzusetzen, bevor man sein Stirnrunzeln sah. »Schon gar nicht, bevor ich nicht ein oder zwei Worte mit Viscount Allen gewechselt habe. Tanz jetzt deine Quadrille und halt dich von den Campbells fern. Ich unterhalte mich in der Zwischenzeit mit den Stewarts.«

Immerhin hatte Ranulf nicht von ihm verlangt, sich Lord Allen und seiner Tochter mit entblößten Beinen und gebleckten Zähnen zu präsentieren, damit sie ihn begutachten konnten. Wenn eine Ehe vonnöten war, um die beiden Clans näher zusammenzubringen, bitte, dann würde er diese Ehe eingehen. Gleichzeitig jedoch fragte er sich, ob der Walzer mit Mary Campbell und seine Absicht, sie morgen zur Rede zu stellen, zu den letzten freiwilligen Handlungen zählte, die ihm zugestanden wurden. Und dieser Gedanke behagte ihm nicht besonders. Als jemandem, der es gewohnt war, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, konnte er sich weitaus eher vorstellen, Lady Mary die Meinung zu sagen, als mit vornehm abgespreiztem Finger Tee mit Lady Deirdre zu trinken. Doch der Clan kam an erster Stelle. Wie immer.

»Und deine Tante Felicia meinte sogar, du hättest gestern Abend alle anderen jungen Damen in den Schatten gestellt, Mary«, sagte Joanna Campbell, Lady Fendarrow, lächelnd, als sie in den Frühstückssaal spazierte. »Und das obwohl sie selbst doch ihre Dorcas dabeihatte. Dem Himmel sei Dank, dass es mir gelungen war, deinen Vater davon zu überzeugen, dass eine Schwanenmaske nun wirklich nichts für dich wäre.«

Mary erwiderte das Lächeln und wandte ihrem Vater für einen Kuss die Wange zu, als dieser zu ihnen stieß. An ein solches Gespräch konnte sie sich zwar nicht erinnern – genauso wenig wie wahrscheinlich Walter Campbell, der Marquis of Fendarrow –, aber wenn ihre Mutter die Lorbeeren für diese banale Sache gern für sich beanspruchte, wollte zumindest sie ihr diese nicht verwehren. »Der Abend war großartig«, stimmte Mary ihr zu.

Ihre Mutter hielt an der Anrichte inne. »Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«

Mary machte sich daran, ihrem Vater eine Tasse Tee einzuschenken. »Was sollte ich denn noch dazu zu sagen haben?«

»Na, zum Beispiel, wer dieser große, gut gebaute Gentleman war, mit dem du den Walzer getanzt hast?«

Verflixt. »Meinst du Harry Dawson? Du kennst ihn doch, Mutter.« Sie nippte von ihrem eigenen Tee.

Ihr Vater nahm am Kopfende des Tisches Platz und beugte sich vor, um sich seine Tasse heranzuziehen. »Sie spricht von dem Mann mit der Fuchsmaske. Arran MacLawry.«

Mary begann zu husten und zu keuchen, als ihr der Tee in die falsche Kehle geriet. Krampfhaft rang sie nach Luft, bis Gerns, der Butler, ihr zu Hilfe kam, indem er ihr auf den Rücken klopfte. Mit einer vornehm in einer Servierzange gehaltenen Scheibe geröstetem Brot in der Hand, verharrte ihre Mutter wie erstarrt, während ihr Vater gelassen einen Schluck von seinem Tee trank.

»Danke, Gerns«, krächzte Mary und schickte den Butler mit einem Wink zurück.

»Bitte sehr, Mylady«, erwiderte er höflich, um dann an seinen Platz neben ihrem Vater zurückzukehren.

»MacLawry?«, half der Marquis ihr weiter.

»Er … hat mich überrascht«, gelang es ihr schließlich zu sagen, obwohl sie immer noch husten musste.

»Hm.«

Mary sah ihren Vater bitterböse an. »Er hat mich wirklich überrascht. Ich war gerade auf dem Weg zu Elizabeth, als er in mich rannte. Und als er mich dann um den Walzer bat, konnte ich ihm doch keinen Korb geben, ohne … ihn dadurch zu beleidigen.«

»Du hättest doch einfach sagen können, dass du den Tanz schon vergeben hast«, entgegnete ihre Mutter, auf deren von Natur aus recht blasse Wangen ein Hauch von Farbe zurückkehrte. »Dein Vater oder deine Cousins hätten sicher sofort mit dir getanzt, wenn du auch nur den Finger gehoben hättest. Und was ist mit dem gut aussehenden Roderick MacAllister? Es war doch der ausdrückliche Wunsch deines Vaters, dass du mit Lord Delaveer tanzt.«

»Ich habe mit Roderick getanzt. Außerdem tanze ich sogar ziemlich oft mit ihm.«

»Einen Kontratanz. Das zählt nicht richtig.«

»Und ich hätte gewiss keine Skrupel, einen MacLawry zu beleidigen«, warf ihr Vater ein. »Schon gar nicht zugunsten eines MacAllisters.«

»Ich schon, Walter. Die MacLawrys sind ein ganz wilder und gefährlicher Haufen. Hast du nicht das Handgemenge gesehen, das sie auf dem Ball bei den Evanstones angezettelt haben? Sie haben Lord Berling fast umgebracht. Deinen eigenen Cousin.«

»Meinen Cousin zweiten Grades«, verbesserte Lord Fendarrow. »Außerdem ist er ein Narr. Aber ja, du hast recht, Liebes. Du hättest ihn ja nicht gleich beleidigen müssen, aber mit ihm zu tanzen war keine gute Idee, Mary.«

Mary nickte. »Aber wir haben doch einen Waffenstillstand, oder nicht? Arnold, Charles und all meine anderen Cousins werden Arran MacLawry doch wohl nicht dafür umbringen, dass er mit mir getanzt hat, oder? Ich glaube nämlich, dass er nicht die leiseste Ahnung hatte, wer ich war.«

Und diese Ahnungslosigkeit hatte sie ziemlich genossen. Für ihn war sie Lady Fox gewesen, und sie hatten sich einfach nur ein bisschen unterhalten. Ja, geneckt hatte sie ihn auch ein paarmal, aber er war schließlich ein MacLawry. Trotzdem hatten ihre spitzen Bemerkungen ihn weder aus der Ruhe gebracht noch geärgert noch veranlasst, eine Abwehrhaltung einzunehmen. Vielmehr hatte er sich als unerwartet intelligent und humorvoll erwiesen – immerhin war sie mit zahlreichen Geschichten über die MacLawrys mit ihren fürchterlich haarigen Händen und hässlichen Visagen aufgewachsen.

Sie wünschte, sie hätte mehr von seinem Gesicht sehen können, denn sein Mund mit diesem zynisch-heiteren Zucken um die Lippen, die harmonische Art und Weise, wie die schmale Fuchsmaske in seine Gesichtszüge überging … er machte ihr beileibe nicht den Eindruck, eine hässliche Visage zu besitzen. Tatsache war, dass er sie neugierig machte; natürlich nur ein ganz kleines bisschen.

»Damit wir uns richtig verstehen«, sagte ihr Vater, womit er sie aus ihren Gedanken an schwarzes, im Wind wehendes Haar und ein ausdrucksstarkes Kinn riss, »du tanzt weder mit Arran MacLawry noch Ranulf MacLawry noch mit Munro MacLawry, sollte der sich auch noch von Glengask hierunter verlieren. Und du freundest dich auch nicht mit Rowena MacLawry an, oder den Mackles, den Lenoxes, MacTiers oder sonst einer Familie aus ihrem Clan oder von ihren Verbündeten.«

»Ich –«

»Ich bin mir sicher, dass du weißt, wo dein Platz ist, Mary«, fuhr er ungeachtet ihrer Unterbrechung fort. »Ich weiß, du hast es schon hundertmal gehört, welchen Wert du als meine Tochter und Enkelin deines Großvaters sowohl für unsere Freunde als auch für unsere Feinde besitzt. Als die MacLawrys nicht aus ihren Highlands herausgekommen sind, war das nicht so … lebenswichtig, doch jetzt sind sie hier, in London. Und nur weil mein Vater entschieden hat, dass wir gegenüber dem Marquis of Glengask ein gewisses Maß an Diplomatie an den Tag legen sollen, heißt das nicht, dass man dieses Verhalten auch von dir verlangt.«

»Ich habe verstanden, Vater«, beeilte Mary sich zu antworten in der Hoffnung, sich nicht auch noch den Rest der üblichen Rede anhören zu müssen. Denn sie hatte es noch keine hundertmal gehört … sie hatte es schon tausendmal gehört. »Wirklich.«

»Gut. Denn die gegenwärtige Situation beschert uns eine Gelegenheit, die wir uns nicht entgehen lassen werden.«

»Eine Gelegenheit, bei der es auf dich ankommt«, fügte ihre Mutter hinzu, als sie sich zu guter Letzt setzte. »Obwohl ich mit einundzwanzig schon verheiratet war, scheinen deine … Sturheit und die Nachsichtigkeit deines Großvaters uns am Ende sogar noch zugute zu kommen.«

»In der Tat«, pflichtete der Marquis ihr bei. »Deine bisherige Zurückhaltung beim Thema Heirat hat zwar nicht dazu beigetragen, die Spannungen zwischen den Clans abzubauen, aber dein Großvater ist derselben Meinung wie wir, dass uns dieser Burgfrieden zum Vorteil gereichen kann.«

Einen Vorteil für sich konnte sie bislang nicht darin erkennen, mit Ausnahme eines Walzers mit einem Mann, den sie sonst nicht einmal durchs Fernrohr hätte betrachten dürfen. Erst da wurde ihr klar, was ihre Eltern mit Gelegenheit gemeint hatten. »Ihr wollt mich mit Roderick MacAllister verkuppeln«, erklärte sie fassungslos, wobei ihr das Herz bis zum Hals schlug.

»Dieser Friede wird nicht halten«, erläuterte ihr Vater sachlich. »Eine Heirat zwischen William Campbells Lieblingsenkelin und dem Sohn der MacAllisters wird uns die Größe bescheren, die wir brauchen, um die MacLawrys herausfordern zu können. Doch ohne den bestehenden Waffenstillstand werden die MacAllisters sich nicht auf den Handel einlassen – so reizend er auch sein mag. Wir müssen aber jetzt zuschlagen.« Er beugte sich vor und legte eine Hand auf ihre Tasse, ehe sie sie erneut zum Mund führen konnte. »Und das ist der Grund, warum du nicht riskieren darfst, diesen Waffenstillstand zu brechen, indem du mit Arran MacLawry tanzt.«

Eiskalte Schauder liefen ihr über den Rücken. Ja, sie hätte es vermeiden können, mit einem MacLawry zu tanzen – wenn sie denn nur gewollt hätte. Als ihr seine Ahnungslosigkeit, wer da vor ihm stand, bewusst geworden war, hatte sie … Aufregung verspürt; als täte sie etwas, das verboten war, gefährlich war. Etwas, das sie … in Unruhe versetzte. Zugegeben, Roderick MacAllister war nicht unsympathisch. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte er einmal zu ihren Verehrern gezählt – wie jeder andere männliche Cousin des Campbell-Clans auch. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass ein Walzer mit einem Schurken etwas … Aufwühlendes an sich gehabt hatte.

Ihr Vater ließ ihre Teetasse los und lehnte sich wieder zurück. »Wir hätten dieses Gespräch vermutlich schon vor drei Jahren führen sollen, als du dein Debüt hattest.«

»Das haben wir doch«, entgegnete die Marquise mit einer schmalen Furche zwischen den Augenbrauen. »Aber wer hätte gedacht, dass die MacLawrys jemals aus den Highlands herauskämen? Ich jedenfalls nicht.«

»Das stimmt wohl«, erwiderte Mary bedächtig, »aber wenn wir versuchen, diesen Waffenstillstand mit Lord Glengask und seinem Clan zu bewahren, sollten wir ihnen dann nicht mit etwas mehr … Freundlichkeit begegnen? Vielleicht ließe sich durch ein oder zwei Tänze jedes weitere Blutvergießen verhindern. Das wäre das Risiko doch sicher wert.«

»Hast du nicht gehört, was dein Vater gesagt hat? Wenn Charles Calder oder Arnold Haws sehen, dass du dich mit einem MacLawry einlässt, fassen sie das als eine Kampfansage auf. Stellt man also fest, dass du diesen Schurken Lord Delaveer vorziehst, gefährdest du damit die bedeutendste Allianz des letzten Jahrhunderts.«

In dieser Saison war es bereits zu einer Auseinandersetzung – eigentlich waren es sogar schon mehrere – zwischen den Campbells und den MacLawrys gekommen. Tatsächlich hatte sie keinerlei Erklärung dafür, wie Lord Glengask und ihr Großcousin George Gerdens-Dailey es geschafft hatten, so lange miteinander zu reden, bis sie sich auf den Versuch geeinigt hatten, von gegenseitigem Töten abzusehen. Aber irgendwie hatten sie diese Abmachung zustande gebracht, mit der jetzt niemand so recht etwas anzufangen zu wissen schien. Oder besser gesagt hatte ihre Familie sich in der Erwartung, dass der Waffenstillstand scheiterte, dazu entschlossen, die seltenen Momente des Friedens zu nutzen, um ihre Schlagkraft zu verdoppeln. Und damit stand und fiel alles.

Sie stieß sich vom Tisch hoch. »Dann soll ich also mit keinem MacLawry mehr tanzen und auch keinen MacAllister schroff behandeln. Ich denke, das bekomme ich hin.« Mary kam um den Tisch herum und klopfte ihrem Vater liebevoll auf die Schulter. »Dann mache ich mich jetzt auf die Suche nach einem neuen Hut. Anschließend treffe ich mich noch mit Elizabeth und Kathleen zum Mittagessen.«

»Oh, dann sag Kathleen bitte, sie soll ihrer Mutter herzliche Grüße von mir bestellen, Liebes«, sagte die Marquise. »Ich hoffe wirklich sehr, dass es ihr bis zum Konzert bei den Daileys am Donnerstag wieder gut geht.«

»Ich richte es ihr aus.« Mary drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange. Dann verließ sie den Raum und begab sich zur Eingangshalle, um ihre Zofe Crawford sowie die zu ihrem Kostüm passende blaue Haube zu holen.

»Sind Sie sicher, dass Sie auf die Kutsche verzichten möchten, Mylady?«, fragte Butler Gerns, als er ihr bei dem ebenfalls farblich abgestimmten blauen Tuch zur Hand ging.

»Wir gehen doch nur bis zur Bond Street«, erwiderte sie mit einem Lächeln in dem Wissen, jetzt gut einen Moment gebrauchen zu können, um Ordnung in ihre wirren Gedanken zu bringen. Denn wenn ihre Eltern gar nicht mehr aufhören konnten, über diesen albernen Walzer mit Arran MacLawry zu reden, würden ihre Freundinnen auch kein anderes Gesprächsthema kennen.

Natürlich wusste sie, dass es vernünftiger gewesen wäre, sich nicht auf den Tanz mit diesem schlanken, dunkelhaarigen Fuchs einzulassen. Doch um Himmels willen, ihr das Tanzen mit einem Gentleman zu verbieten, dem sie noch nie im Leben begegnet war, nur weil sie damit vielleicht den Zorns eines Mannes erregte, den zu heiraten sie noch gar nicht zugestimmt hatte? Lächerlich.

Natürlich wusste sie, dass man sie sicher aus strategischen Gründen heiraten würde, da es eine Möglichkeit war, in die höheren Ränge des Campbell-Clans aufzusteigen. Dieser Umstand war ihr schon seit einer gefühlten Ewigkeit bekannt. Genauso wie sie wusste, dass potenzielle Verbündete der Campbells sowie ihre männlichen Verwandten ihr nur wegen ihrer Herkunft so viel Aufmerksamkeit schenkten und nicht, weil sie sie außergewöhnlich charmant oder bezaubernd fanden. Arran MacLawry hingegen hatte aus dem einfachen Grunde, dass sie ähnliche Masken trugen, mit ihr getanzt. Und wegen einer zufälligen Übereinstimmung bei der Wahl ihrer Kostümierung so viel Aufhebens zu machen, war geradezu absurd.

Vielleicht käme ihr Vater als Nächstes auf die Idee, ihr zu verbieten, je mit Männern zu tanzen, die blaue Kleidung trugen. Oder schwarze. Oder wäre es womöglich ihr Ehemann, von dem sie solche Vorschriften zu erwarten hätte? Um Himmels willen. Hoffentlich bekam sie die Gelegenheit, sich wenigstens ein Mal mit Roderick zu unterhalten, ehe sie von ihrer Familie in die Kirche gezerrt wurde. Alles, was sie im Augenblick von ihm wusste, war, dass er ein passabler Tänzer war und eine Schwäche für stinkenden Käse besaß. Eine freundschaftliche Plauderei und der Versuch herauszufinden, ob ein Mann als Ehegatte taugte, waren beileibe nicht dasselbe.

»Lady Mary, sind wir spät dran?«, keuchte Crawford, als sie mit in einer Hand gerafften Röcken mit ihr mitzuhalten versuchte.

Mary verlangsamte sofort ihre Schritte. »Entschuldigung, Crawford. Ich war mit den Gedanken woanders.«

»Waren Sie vielleicht zufällig bei einem Maskenball?«, erklang eine tiefe Stimme mit melodischem Akzent gleich links von ihr.

Erschrocken fuhr sie herum. »Arran.«

Ruhig und ohne sich zu rühren, als hätte er seinen Platz seit Stunden nicht verlassen, lehnte er an einem Baumstamm. Eine Raubkatze auf der Lauer. Emporgehoben von einer sanften Brise, wehte eine Strähne schwarzen Haars über seine Schläfe. Als sein Gesicht hinter der Maske versteckt war, hatten die einzelnen Bestandteile – Kiefer, Mund, im Schatten liegende blaue Augen – nur erahnen lassen, wie gut er wohl aussah. Ohne die Maske, womit jetzt auch noch seinen hohen Wangenknochen, seine gerade Nase und leicht geschwungene Augenbrauen zu sehen waren, war er schlichtweg ein Traum – ein finsterer Hochlandprinz, der wahrscheinlich Wildkatzen zum Frühstück verspeiste.

»Aye. Arran MacLawry«, bestätigte er und richtete sich schließlich auf. »Wie geht es Ihnen an diesem schönen Morgen, Mary Campbell?«

2

Mathering House zu finden, den Sitz des Marquis of Fendarrow in Mayfair, hatte sich selbst für jemanden, der London noch nicht gut kannte, als nicht besonders schwierig erwiesen. Das Haus stand groß, weiß und stolz an der Ecke Curzon Street und Queen Street, direkt gegenüber dem noch größeren Campbell House. Arran fragte sich kurz, ob der älteste Sohn und Erbe vom alten Campbell es wohl genoss, auf das zu blicken, was er eines Tages erben würde, oder ob er es bedauerte, dass sein Vater noch keine Anzeichen baldigen Ablebens zeigte.

Doch ob Campbell gerade in den Highlands weilte oder nicht, allein schon das Sträuben seiner Nackenhaare signalisierte Arran, dass er sich auf feindlichem Gebiet befand. Vielleicht hatte er sogar völlig den Verstand verloren, dass er sich ganz bewusst auf die Suche nach einer Campbell gemacht hatte, wo er sich doch eigentlich von seiner besten Seite zeigen sollte, während Ranulf über die Heirat seines Bruders verhandelte.

Natürlich war er nicht ohne Grund hier; immerhin hatte Mary Campbell ihn gestern Abend zum Narren gehalten. Ja, sie hatte ihn verhöhnt, getriezt und wahrscheinlich ihrem Vater davon berichtet, wie leicht ein MacLawry an der Nase herumzuführen sei. Das konnte er nicht auf sich beruhen lassen. So etwas schwächte seine Position – und darüber hinaus die jedes anderen MacLawrys und ihrer Verbündeten. Ohne ein ausgewogenes Kräfteverhältnis hätten die Campbells keinen Grund, den Waffenstillstand fortzusetzen, und die Stewarts damit keinen Anreiz mehr, sich mit den MacLawrys zu verbünden. Und er hatte nicht vor zuzulassen, den MacLawry-Clan von einem Paar hübscher grüner Augen zu Fall bringen zu lassen.

Auch dann nicht, wenn besagte Augen grün wie das Moos unter einem Wasserfall im Licht der Sonne schimmerten. Auch nicht, wenn ihr langes, lockiges Haar einen goldenen Bronzeton annahmen, der weiterhin jeder Beschreibung spottete. Sie raubte ihm den Atem. Sie sah aus wie eine Prinzessin aus einem verwunschenen Land, ein Mädchen, bei dem Shakespeare in einen Anfall poetischer Schwärmerei ausgebrochen wäre. Oh Heilige Brigida und sämtliche Engel im Himmel.

»Ich dachte, wir könnten vielleicht ein Stück Ihres Weges zusammen gehen, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte er mit breitem Akzent, während er sich bemühte, sachlich zu bleiben. Hier ging es nur um das, was sie versucht hatte, nicht um ihr Aussehen. Deirdre Stewart besaß ein durchaus ansprechendes Gesicht und schönes dunkles Haar, und er war erleichtert gewesen, als er merkte, dass sie weder schielte noch stotterte. Genau das war es, was … wen … er im Hinterkopf behalten musste: seine Schon-so-gut-wie-Verlobte.

Mary sah sich um, als suche sie Verstärkung. Da er ihr drei Straßen lang gefolgt war, bevor er sich schließlich zu erkennen gegeben hatte, wusste er ziemlich sicher, dass sie bis auf ihre schon etwas reifere Begleiterin allein war, ein Umstand, in dem man eine MacLawry niemals fände. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, seiner Schwester zu erlauben, das Haus zu verlassen, ohne wenigstens einen bewaffneten Mann zum Schutz bei sich zu haben. Dies war eine Nachlässigkeit, die die Campbells in seinen Augen umso dümmer erscheinen ließ.

»Und?«, ließ er nicht locker. »Haben Sie nicht wenigstens eine Ohrfeige oder gepfefferte Abfuhr für einen MacLawry auf Lager? Oder finden Sie Ihren kleinen Spaß gar nicht mehr so lustig, jetzt wo ich weiß, wer Sie sind?«

Mary legte den Kopf schräg, als sie sein Gesicht intensiv musterte. Er hatte keine Ahnung, was sie darin zu sehen glaubte; in den Highlands wusste jeder, dass der zweite MacLawry der derzeitige Erbe des Marquis of Glengask war, dass er vier Jahre lang bei der britischen Armee auf dem Kontinent gedient hatte, dass er ein hervorragender Schütze war und dass er keine Spielchen mit sich treiben ließ. Nur dass sie verdammt noch mal genau das getan hatte.

»Ich bin auf dem Weg zur Bond Street, um ein paar Freundinnen zu treffen«, sagte sie nach einem Moment. »Sie können mich gern dorthin begleiten. Kaufen die MacLawrys auch Hauben?«

»Ich persönlich nicht«, erwiderte er, ohne sich seine Überraschung anmerken zu lassen, und gesellte sich an ihre Seite, als sie weiterging. »Meine Schwester hingegen ist bekannt dafür, sie recht häufig zu tragen.«

»Ihre jüngere Schwester, richtig? Der Pfau von gestern Abend.«

Arran biss die Zähne zusammen und kämpfte gegen das tief verankerte Misstrauen, sich mit einem Mitglied der Campbells zu unterhalten. Vor allem wenn sich das Gesprächsthema auf seine Familie verlagerte. Doch er hatte sie angesprochen – jetzt schon zum zweiten Mal. »Aye«, bestätigte er laut und nickte. »Rowena. Die Jüngste von uns. Sie ist erst vor wenigen Wochen achtzehn geworden.«

»Und dann gibt es da noch Ihren ältesten Bruder, Lord Glengask. Sind Sie der zweite oder dritte Bruder?«

»Der zweite. Munro kommt zwischen Rowena und mir.«

»Er ist derjenige, den man … den Sie Bear nennen.«

»Aye. Und Sie sind das einzige Kind von Fendarrow, der zufällig der Erbe des Duke of Alkirk ist.« So. Auch er war in der Lage, ihren Stammbaum wiederzugeben, jetzt da er wusste, wer sie war. Als er von der Seite zu ihr schielte, sah sie ihn bereits mit dem Anflug eines Lächelns in ihrem ovalen Gesicht an. »Was ist denn so lustig?«

»Ach, irgendwie erinnert unser Gespräch mich an einen Säbeltanz.«

»Sie sind doch diejenige, die gestern Abend nicht ganz ehrlich war«, entgegnete er. Vielleicht war sie nicht an Gespräche gewöhnt, bei denen man sich wie bei einer Partie Schach Zug um Zug vortastete, er aber. »Schließlich war ich derjenige, der seinen Namen genannt hat.«

»Und hätte ich Ihnen meinen Namen verraten, hätten wir den Walzer nie zu Ende getanzt. Irgendetwas wäre passiert, und das Ganze hätte mit einem Streit mit meinen Cousins für Sie geendet. Also habe ich Sie mit meiner … mangelnden Auskunftsfreude gerettet, Arran MacLawry.«

»So wollen Sie es also sehen? Dass Sie mir einen Dienst erwiesen haben, indem Sie mit mir spielten und sich Lady Fox nannten?«

Sie blieb stehen, um sich zu ihm umzudrehen und ihm mit spitzem Finger in die Brust zu stechen. »Sie haben mich so genannt, und ich wollte nur ungern widersprechen. Versuchen Sie nicht, dies hier eskalieren zu lassen, wenn ich doch nur genau das verhindern wollte. Ihretwegen, wohlgemerkt.«

Hm. Eigentlich hatte er mit einem Mädchen gerechnet, das wie eine Blume dahinwelkte, das sich erschrocken und eingeschüchtert zeigte, sobald sie merkte, dass er ihr auf die Schliche gekommen war. Aber Mary Campbell hatte sich mit erhobenem Kinn vor ihm aufgebaut und malträtierte seine Rippen mit furchtlosem Finger. So klein sie auch war, so viel Mut besaß sie doch.

Nun legte Arran den Kopf schräg. »Dann soll ich Ihnen wohl auch noch dafür danken, wie?«

Der Finger auf seiner Brust zuckte, bevor er sich plötzlich zurückzog. »Nein. Das ist nicht nötig.« Dann wandte sie sich langsam der Geschäftszeile zu und setzte ihren Weg fort. »Ich habe nur versucht, Ihnen zu erklären, warum ich Sie getäuscht habe. Oder vielmehr warum ich es unterlassen habe, Ihnen die Wahrheit zu erzählen.«

Mit einem kurzen Blick zu Marys älterer und wenig erfreut dreinschauender Begleiterin holte er sie ein. »Sie wollten also nur mein Bestes?«

»Ich –«

»Dann sollte ich Ihnen wohl doch danken, wenn man bedenkt, wie viele von Ihren Cousins gestern auf dem Ball waren. Wie leicht hätte ich mir eine gebrochene Nase einfangen können, und wie sehr hätten die Mädchen zu Hause dann geweint.«

»O bitte«, erwiderte sie angewidert, wobei sie sich ein leises Lachen jedoch nicht verkneifen konnte.

Noch bevor es ihm überhaupt bewusst war, formte auch sein Mund sich zu einem Lächeln. »Trotzdem frage ich Sie, Lady Mary Campbell, warum haben Sie das getan?«

Sie sah ihn mit ehrlicher Verwirrung an. »Warum ich eine Prügelei verhindern wollte?«

»Aye. Ich habe mein ganzes Leben lang Streit mit einem Campbell, Gerdens oder Daily gesucht und so manches Mal die Fäuste geschwungen. Mir ist durchaus bewusst, dass die meisten Ihrer Leute auf meinem Grab tanzen würden.«

»Wir haben einen Waffenstillstand«, beantwortete sie seine Frage, ohne seiner letzten Bemerkung zu widersprechen. »Geschlossen von Ihrem eigenen Bruder und George Gerdens-Daily und abgesegnet von meinem Großvater.«

Arran wünschte sich, sie stünden sich noch gegenüber, um ihren Gesichtsausdruck besser erkennen zu können. »Das heißt, wenn ich Ihnen vor vierzehn Tagen über den Weg gelaufen wäre, hätten Sie mir auf den Fuß getreten und mich zum Teufel gejagt?«

Mary Campbell blieb erneut stehen, stemmte die Hände in ihre schlanke Taille und funkelte ihn aus ihren moosgrünen Augen an. »Ich bin wirklich geneigt, genau das jetzt zu tun«, zischte sie. »Nicht weil Sie ein MacLawry sind, sondern aufgrund Ihrer rüden und höchst provokanten Art.«

Er sah sie aus schmalen Augen an. »Ich –«

»Woher soll ich wohl wissen, was ich vor vierzehn Tagen getan hätte?«, fuhr sie ungeachtet seines Protests fort. »Die Umstände haben sich geändert. Was hätten Sie denn getan, wenn Sie vor zwei Wochen mit mir getanzt und gemerkt hätten, dass ich Campbells Enkelin bin?«

Lange Sekunden starrte er sie an. Eigentlich hätte es ihm leichtfallen sollen, ihr eine zügige Antwort zu geben. Welchen Frieden Ranulf auch erwirkt hatte, die Campbells hatten ihre eigenen Bauern verjagt und ihre Verbündeten dazu getrieben, es ihnen gleichzutun. Außerdem hatten sie die Gewinne aus der Umwandlung ihrer verwaisten Ländereien in Schafsweideland dazu benutzt, um neue Allianzen in England zu schaffen. Ihr Einfluss in den Highlands mochte zwar abgenommen haben, aber woanders waren sie so mächtig wie eh und je. Und sie waren Feinde der MacLawrys.

Doch war auch sie ein Feind? Er musterte ihre gut anderthalb Meter von Kopf bis Fuß. Aye, sie war eine Campbell, und wütend obendrein. Gleichzeitig aber war sie auch eine hübsche junge Dame mit einem Selbstvertrauen, das den meisten Damen abhanden zu kommen schien, wenn sie einen leibhaftigen Highlander vor sich hatten. Deirdre hatte ihm während des kurzen Gesprächs am gestrigen Abend kaum in die Augen sehen können. Er konnte sich nicht einmal mehr an die Farbe ihrer Augen erinnern, dabei hatte er allen Grund, sich daran zu erinnern.

»Ich denke, ich hätte mit Ihnen getanzt«, antwortete er, bevor er zu grinsen begann, »und mir dann ein paar von Ihren Cousins aufgeladen, um später noch ein bisschen Spaß mit ihnen zu haben.«

Ihre Schultern unter dem hübschen blauen Kleid sackten nach unten. »Nun, dann dürfte das Einkaufen eines Hutes ein kläglicher Ersatz für das Vergnügen sein, sich ein paar Campbells zur Brust zu nehmen. Aber wenn Sie sich mir trotzdem anschließen möchten, hätte ich nichts dagegen.« Sie wies zur Eingangstür des kleinen Ladens hinter ihm.

Mary rechnete damit, dass Arran MacLawry spätestens jetzt verkündete, dass er für heute genug vom Schlagabtausch mit einer Campbell habe und dass er ihr in Wirklichkeit nur gefolgt war, um ihr mitzuteilen, dass er ihre Identität kenne. Zumindest hoffte sie es halbwegs, da sie noch über andere Dinge nachzudenken hatte, wobei er sie nur … ablenkte. Stattdessen jedoch schwang er herum, öffnete die Tür und hielt sie ihr und der sichtlich besorgten Zofe auf. Crawford war zwar keine Schottin, wusste aber zweifellos, mit wem Mary sprechen durfte und mit wem nicht. Und dieser große, schlanke, schwarze Teufel gehörte eindeutig zu Letzteren. Tatsächlich war er auf dieser speziellen Liste sogar ganz oben zu finden.

Als sie an ihm vorbei in den Laden trat und dabei hoffte, dass es tatsächlich der des Hutmachers war, wünschte Mary sich einen Moment lang, dass er Crawford die Tür vor der Nase zuknallte, damit sie ihm ein paar Fragen stellen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass jedes zwischen ihnen fallende Wort an ihren Vater weitergetragen würde. Doch um Himmels willen, sie war noch nie einem Mitglied eines feindlichen Clans begegnet. Schließlich war sie aus eben diesem Grunde im Süden Englands aufgewachsen. Und jetzt stand sie da und konnte ihre Neugier auf diesen Mann kaum zügeln, obwohl man ihr jeglichen Umgang mit ihm ausdrücklich untersagt hatte.

»Ich dachte, die MacLawry-Männer hätten allesamt Pferdefüße und einen dämonischen Atem«, bemerkte sie, während sie vor den Haarbändern stehen blieb, um sich ein paar anzusehen. Was für ein Glück; gemessen an der Aufmerksamkeit, die sie ihnen dabei schenkte, hätte dies auch ein Schneidwarenladen sein können. Und sie und er zusammen in einem Raum voller Messer … das wäre keine gute Idee gewesen.

»Nae«, erwiderte er. »Wir haben alle zehn Zehen und einen normalen Atem.« Sein Akzent klang genauso stark und reizvoll wie während des gestrigen Walzers – als er noch nicht gewusst hatte, wer sie war. Sollte das etwa bedeuten, dass er ihr nicht mehr böse war? Sie hoffte es, da sie sich im Allgemeinen nicht mit Männern unterhielt, die ihr so fremd waren. Oder die so wild waren, wie Arran MacLawry seinem Ruf nach sein sollte.

»Mit dieser Auskunft wäre mir als Kind so mancher Albtraum erspart geblieben.« Sie hielt zwei Bänder hoch. »Welches gefällt Ihnen besser?«

»Das Hellgrüne«, antwortete er, ohne zu zögern. »Es passt zu Ihren Augen und verleiht Ihrem Haar einen rötlichen Schimmer.«

Irgendetwas an der Art und Weise, wie er dies sagte – zusammen mit der Tatsache, dass dieser Mann keinen Grund hatte, ihr zu schmeicheln oder eine Freude zu bereiten – jagte ihr kleine wohlige Schauder über den Rücken. »Sie scheinen ja sehr gründlich darüber nachgedacht zu haben«, entgegnete sie, während sie Crawford das grüne Band über den Arm und das gelbe zurücklegte.

»Hab ich auch. Was meinen Sie denn, wie lange ein Mann braucht, um sich das zu überlegen?«, sagte er mit einem Achselzucken. Dann grinste er. »Davon abgesehen, sagt meine Schwester immer, ich sei der einzige Bruder, dessen Geschmack nicht allein auf seinen Gaumen beschränkt ist.«

Mary musste lachen. Er sagte das so sachlich. »Na, dann wollen wir doch mal sehen.« Sie holte ein Stoffmuster eines gelb-weißen Musselins aus ihrem Retikül. »Ich brauche einen Hut, der hierzu passt. Es ist ein Tageskleid.« Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Ist das jetzt auch wirklich mit Ihrem männlichen Selbstbewusstsein vereinbar?«

Sein Lächeln wurde breiter. »Je männlicher der Kerl, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass er sich darüber beklagt, einem Mädchen das Retikül zu tragen.« Er nahm ihr den Stoff ab, und dabei streiften ihre Finger sich. Die Berührung beunruhigte sie, so wie an einem stürmischen Tag, Sekunden vor dem Einschlag eines Blitzes. Das gleiche Gefühl hatte sie schon gestern Abend bei ihrem Walzer gehabt. Doch heute schien es noch an Intensität gewonnen zu haben, was vielleicht daran lag, dass sie jetzt beide wussten, mit wem sie es zu tun hatten.

Hinter ihr ließ Crawford einen erstickten Laut erklingen, und Mary merkte, dass sie den Musselin beide noch festhielten. Hastig ließ sie ihn los, wob die Finger in ihren Rock und drehte sich um, wo der starre Blick der Zofe sie empfing. »Wir sollten lieber zurückgehen, Mylady«, schlug Crawford mit etwas zu lauter Stimme vor. »Ihre liebe Mutter, Lady Fendarrow, wird sich schon fragen, wo Sie bleiben.«

Viel wahrscheinlicher war, dass Joanna Campbell sich fragte, ob ihr einziges Kind den Verstand verloren hatte. Doch dem Ausdruck auf Arrans Gesicht nach war er sich – genau wie sie – der Tatsache bewusst, dass, wenn sie jetzt ging, nur der Eindruck entstünde, sie wolle seiner Gesellschaft entfliehen. Und für feige wollte sie auf gar keinen Fall gehalten werden. Sie war schließlich eine Campbell. Und so hatte ihr Wunsch zu bleiben nichts mit dem Umstand zu tun, dass ihr diese Begegnung Vergnügen bereitete oder dass die meisten Männer aus ihrem Bekanntenkreis weder ihren Verstand forderten, noch ihre Beweggründe hinterfragten, und auch nichts damit, dass ihr die verrückte Idee, mit einem MacLawry zu reden, sowie die Tatsache, dass dieser große, schlanke und teuflisch gut aussehende Mann keine Mühe gescheut hatte, um sie zu finden, ein gewisses … Prickeln bereitete.

»Mutter erwartet mich erst nach dem Mittagessen zurück«, widersprach sie. »Außerdem sind wir erst seit wenigen Minuten hier.«

»Dann haben Sie also keine Angst vor mir?«, hörte sie ihn leise sagen, und sie schüttelte den Kopf.

»Sollte ich?«

»Heute? Nein.«

»Aber Sie sind zum Essen mit Lord Delaveer verabredet, Mylady. Ihr Vater wird sehr böse sein, wenn er erf-«

»Bin ich nicht«, erwiderte sie mit fester Stimme. »Sie wissen sehr wohl, dass ich erst am Donnerstag mit Lord Delaveer zu Mittag speise.«

»Delaveer?«, griff Arran den Namen auf, wobei seine Brauen sich senkten. »Roderick MacAllister.« Er verstummte, als er sie wieder musterte. »Ach so.«

Mary sah zu Crawford. Sie hätte wütend sein sollen, dass die Zofe die Allianz mit den Campbells preisgegeben hatte, ehe sie in trockenen Tüchern war, doch in diesem Moment ärgerte sie sich mehr, dass Arran nun wohl doch ginge. »Donnerstag«, wiederholte sie knapp, wobei sie ihm fest in die Augen sah. »Nicht heute.«

Arran ließ den Blick zwischen ihr und Crawford hin und her springen, dann straffte er die Schultern. »Tja, dann lassen Sie uns einen Hut für Sie finden.«