Der Millionär und die Diebin: Samantha Jellicoe - Der dritte Coup - Suzanne Enoch - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Millionär und die Diebin: Samantha Jellicoe - Der dritte Coup E-Book

Suzanne Enoch

0,0
5,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Humorvoll, spannend und sexy: Der Romantic-Thrill-Roman »Der Millionär und die Diebin« von Suzanne Enoch – jetzt als eBook bei dotbooks. Sam Jellicoe, ehemals geschickte Meisterdiebin und nun Sicherheitsexpertin, genießt ihr Leben in New York in vollen Zügen. Noch dazu eignet sich das luxuriöse Stadthaus ihres Geliebten Rick Addison hervorragend für nächtliche Kletter- und Einbruchsübungen – Sam muss schließlich ihr Wissen auf dem neusten Stand halten, um mit ihrer Sicherheitsfirma Erfolg zu haben! Doch schon bald gerät sie deswegen in große Schwierigkeiten: Denn bevor sie die Spuren ihres »Trainings« beseitigen kann, wird Rick ein teures Gemälde gestohlen. Alle Beweise sprechen gegen Sam und die Polizei verhaftet sie als die Hauptverdächtige. Nur Rick glaubt an ihre Unschuld – aber kann er sie auch beweisen? »Actionreich und mit herausragenden Charakteren. Eine unglaublich witzige Liebesgeschichte!« Booklist Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der dritte Samantha-Jellicoe-Roman »Der Millionär und die Diebin« der New-York-Times-Bestseller-Autorin Suzanne Enoch hält was er verspricht – nämlich elektrisierende Spannung und prickelnde Romantik! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 547

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Sam Jellicoe, ehemals geschickte Meisterdiebin und nun Sicherheitsexpertin, genießt ihr Leben in New York in vollen Zügen. Noch dazu eignet sich das luxuriöse Stadthaus ihres Geliebten Rick Addison hervorragend für nächtliche Kletter- und Einbruchsübungen – Sam muss schließlich ihr Wissen auf dem neusten Stand halten, um mit ihrer Sicherheitsfirma Erfolg zu haben! Doch schon bald gerät sie deswegen in große Schwierigkeiten: Denn bevor sie die Spuren ihres »Trainings« beseitigen kann, wird Rick ein teures Gemälde gestohlen. Alle Beweise sprechen gegen Sam und die Polizei verhaftet sie als die Hauptverdächtige. Nur Rick glaubt an ihre Unschuld – aber kann er sie auch beweisen?

»Actionreich und mit herausragenden Charakteren. Eine unglaublich witzige Liebesgeschichte!« Booklist

Über die Autorin:

Suzanne Enoch wurde in Kalifornien geboren und studierte Englisch an der University of California, Irvine. Die Bestsellerautorin ist für ihre Regency-, Romantic Suspense- und Liebesromane berühmt.

Suzanne Enoch veröffentliche bei dotbooks bereits: »Rendezvous mit einer Diebin«, »Verliebt in eine Diebin« und »Diamanten für die Diebin«.

Die Website der Autorin: www.suzanneenoch.com

Die Autorin im Internet: www.facebook.com/SuzanneEnoch

***

eBook-Neuausgabe September 2019

Dieses Buch erschien bereits 2008 unter dem Titel »Millionäre lieben keine Blondinen« bei RM Buch und Medien Vertrieb GmbH, Berlin

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2006 by Avon Books, an imprint of HarperCollinsPublishers, New York

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel »Billionaires Prefer Blondes« bei Avon Books, an imprint of HarperCollinsPublishers, New York.

Copyright © der deutschen Ausgabe 2008 by RM Buch und Medien Vertrieb GmbH, Berlin

Copyright © der eBook-Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Published by Arrangement with Suzanne Enoch

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Valna Vitaly / yurchyks / greatpapa / tomertu / supachai sumrubsuk

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96148-728-8

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Der Millionär und die Diebin« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Suzanne Enoch

Der Millionär und die Diebin

Samantha Jellicoe – Der dritte Coup

Aus dem Amerikanischen von Sibylle Mall

dotbooks.

Kapitel 1

Dienstag, 14.17 Uhr

Samantha Jellicoe konnte gar nicht genug von New York bekommen. Am liebsten wäre sie den ganzen Tag durch die Stadt gestreift. Wie es in dem Song von Nancy Sinatra hieß, waren ihre Vagabundenschuhe wie dafür gemacht. Ihre Strophen würden aber ein wenig anders klingen als in Vagabond Shoes. Sie würde davon singen, dass die reichen Stadtbewohner Tür an Tür mit der besitzlosen Mehrheit lebten, dass ein Taxi wie das andere war und man immer eines für die Flucht erwischen konnte, und davon, dass jeder so mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt war, dass er sich nicht um die Belange der anderen kümmerte.

Für Menschen wie sie, die ihren Lebensunterhalt damit verdienten, mit ihren Vagabundenschuhen verbotene Orte zu betreten, war das schon fast das Paradies.

Oder vielmehr hatte sie ihr Geld damit verdient, indem sie sich unsichtbar gemacht und die sündteuren Besitztümer anderer Leute gestohlen hatte. Aber das war vorbei. Sie hatte sich jetzt aus dem Geschäft zurückgezogen. R-U-H-E-S-T-A-N-D. Was nicht wirklich erklärte, warum sie jetzt an der Haustür eines Mannes stand, der zu den reichsten und einflussreichsten New Yorks gehörte. Gut, sie war nicht wirklich in den Ruhestand getreten. Sie hatte sich nur einen anständigen Beruf zugelegt, sie arbeitete nun tatsächlich tagsüber.

Ganz Geschäftsfrau, schüttelte sie mit einem Nicken Mr Boyden Lockes Hand. »Ich freue mich, dass ich Ihnen helfen konnte, Boyden«, sagte sie und überlegte, ob sein Name wohl von einer Unternehmensberatung ersonnen worden war, um Investoren anzulocken. Sie würde sich selbst einen Namen wie Samantha Safehouse zulegen. »Und vielen Dank für den Kaffee.«

Er hielt ihre Hand ein wenig zu lange fest – wohl um ihr zu verstehen zu geben, dass er nicht nur an ihrer Beratung interessiert war. Als ob ihr das entgangen wäre, so wie er sich die letzten vierzig Minuten nur mit ihrem Busen unterhalten hatte. Mr Locke hatte sicher keine Ahnung, welche Farbe ihre Augen hatten. Seine waren braun, und sein Blick glitt unaufhörlich über seine Wertgegenstände, wenn er über sie sprach.

»Nein, ich danke Ihnen«, entgegnete er. »In meiner Lage kann man gar nicht vorsichtig genug sein. Ich weiß ja, dass unbedingt etwas für die Sicherheit des Hauses getan werden muss, ich wollte aber erst mal sichergehen, die richtige Person für den Job gefunden zu haben.«

Er ließ diese Bemerkung anzüglich klingen, aber Samantha lächelte trotzdem. Sie hatte so eine Ahnung, dass sein Vertrauen in ihre Fähigkeiten mehr mit dem Mann zu tun hatte, mit dem sie gerade zusammenlebte, als mit ihrer Qualifikation. Aber wenn ihr die Verbindung mit Rick Addison Aufträge einbrachte, dann war das eben so. »In den nächsten Tagen lasse ich Ihnen meine Referenzen zukommen.«

»Und meine Leute werden sie dann durchsehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mal auf einen Kaffee vorbeischauen.«

Samantha rang sich ein weiteres Lächeln ab. »Wenn ich wieder in der Gegend bin, werde ich dran denken. Sie werden meine Rechnung nächste Woche erhalten.«

Sie hatte ihre Hand endlich wieder für sich und tänzelte aus der Tür. Als sie draußen stand, holte sie eine Dose Pfefferminzbonbons aus ihrer Handtasche. »Kaffee. Du meine Güte«, murmelte sie und schob sich ein paar hellgrüne Dragees in den Mund.

Augenscheinlich war sie zu allem fähig, um ihr Geschäft anzukurbeln. Jetzt hatte sie sich sogar schon herabgelassen, Kaffee zu trinken – nun gut, sie hatte kaum daran genippt. Sie drehte sich an der Straßenecke um und sah sich Lockes Haus noch einmal genau an. Alt, elegant und perfekt gelegen, nämlich auf der East Side, wo die alteingesessenen reichen New Yorker Familien wohnten. Ihr war klar, warum er sie sofort nach ihrer Ankunft in New York hatte treffen wollen, um die Sicherheitsvorkehrungen zu besprechen.

Vor ein paar Jahren war sie drei Häuser weiter zugange gewesen. Der Monet dort hatte ihr eine Viertelmillion eingebracht, und Locke hatte einen Picasso im Salon hängen. Hätte sich ihr ehemaliger Auftraggeber damals auf moderne und nicht auf impressionistische Kunst spezialisiert, dann wäre sie in jener Nacht wohl in seinem Haus gewesen.

Lockes Sicherheitssystem war handelsüblich, eine Alarmanlage für die Türen und Fenster und Sensoren an den Kunstwerken. Einen kurzen Moment lang war sie versucht, durch die Hintertür einzubrechen und ihn danach sicherheitstechnisch zu beraten. Eine nostalgische Anwandlung.

Sie könnte den Picasso in ihren Händen halten, bevor er dazu kommen würde, sich noch einen Kaffee einzugießen. Aber wie die Dinge standen, würde er wahrscheinlich denken, sie sei gekommen, um sich ihm an den Hals zu werfen.

Das Mobiltelefon in ihrer Handtasche klingelte und riss sie aus ihren Träumereien über die guten alten Tage. Sie grinste beim Klang der vertrauten James-Bond-Melodie. »Hi, Sahneprinz«, sagte sie und winkte ein Taxi heran.

»Dein Termin ist also gut gelaufen«, antwortete eine ruhige männliche Stimme mit leicht britischem Akzent.

»Konntest du das aus den zwei Worten heraushören?«

»Ja, zwei Wörter bedeuten gut. Schlecht sind fünf Wörter.«

Sie kicherte und ging ein paar Schritte weiter zum Bordstein, wo ein gelbes Taxi gehalten hatte. Sie öffnete die Tür und ließ sich auf den Rücksitz fallen. »Madison Ecke Sechzigste«, sagte sie und schlug die Tür zu. »Welche fünf Wörter?«

»Normalerweise ›Du kannst mich mal, Kumpel‹, wenn ich mich recht erinnere.«

»Ja, aber da geht es nicht immer ums Geschäft.«

Er gab ein eigenartiges Schnauben von sich. »Samantha Jellicoe, ich will, dass du herkommst und mir das sagst.«

Ihr Mund wurde ganz trocken. Offenbar genügte die kleinste sexuelle Anspielung seinerseits, und schon war sie kurz vor ihrem Höhepunkt. »Sehr gierig?«, fragte sie neckend.

»Und wie. Aber eigentlich habe ich angerufen, um zu fragen, ob es bei unserem Abendessen heute bleibt.«

»Ich möchte dir deine Überraschung nicht verderben.«

»Weiß ich zu schätzen. Fährst du zum Einkaufen?«

Samantha widerstand dem Impuls, das Taxi nach versteckten Kameras abzusuchen. »Welches Wort hat mich nun wieder verraten?«

»Madison Avenue, Schätzchen. Kauf was Aufregendes. Und Rotes.«

»Ich müsste nicht ständig rote Sachen kaufen, wenn du sie mir nicht immer vom Leib reißen würdest. Und außerdem passt rot und sexy nicht wirklich zu Pauly's Pizza.«

»Wir gehen nicht zu Pauly's Pizza.«

»Was du nicht sagst. Dann seh ich dich also heute Abend, da du mir ja nicht verrätst, wohin wir gehen«, sagte sie und klappte ihr Telefon zu.

Das Taxi hielt, sie stieg aus und stand schon auf der Madison Avenue, als ihr einfiel, dass sie vergessen hatte, Rick nach seinem Meeting zu fragen. »Verdammt«, murmelte sie und holte ihr Handy wieder aus der Tasche. Sie wählte seine Nummer.

»Addison«, meldete er sich mit kühler Stimme.

Oh. »Du bist wieder in deinem Meeting, stimmt's?«, fragte sie und verfluchte sich. Er hatte sie natürlich in seinem einzigen freien Moment angerufen.

»Ja.«

»Tut mir leid, ich wollte eigentlich nur fragen, wie es läuft. Sag doch einfach ›Fusion‹ für super gelaufen und ›Aktienoption‹ für beschissen.«

Einen Moment lang war die Leitung still. »Fusion«, sagte er schließlich. Sie konnte das Lächeln in seiner tiefen Stimme hören.

»Gut. Wir sehen uns dann heute Abend.«

»Auf jeden Fall. Da werden wir dann über die Aktienoptionen sprechen.«

Diesmal legte er als Erster auf. Jedenfalls hatte sie schon einige Fortschritte gemacht mit diesem ganzen Beziehungskram, auch wenn sie nach fünf Monaten des Zusammenlebens mit Rick doch schneller hätte darauf kommen sollen, dass er seine eigenen Geschäftsangelegenheiten unterbrochen hatte, um sich nach ihren zu erkundigen. Nun, es gab wohl nur eine Art der Wiedergutmachung für diesen Fauxpas. »Sexy und rot«, murmelte sie und lief die Straße hinunter in Richtung Valentino.

Zwei Stunden später stand sie in einer Seitengasse hinter einem eleganten Haus in der East Side Manhattans. Ihre Schuhe und ein verführerisches rotes Kleid hatte sie zusammengeknüllt und unter ihre schicke gelbe Bluse gesteckt.

Um vier Uhr nachmittags in ein Haus am Central Park einzusteigen war nichts für einen Anfänger, aber sie war ja seit ihrem siebten Lebensjahr keiner mehr. Damals hatte ihr Vater begonnen, seine Tochter in der Stadt, in der sie sich gerade aufhielten, auf Diebestouren in den Park oder auf einen Platz in der Stadt mitzunehmen.

Im Haus befanden sich der Butler, zwei Hausangestellte und der Koch, aber Samantha hatte in den vergangenen Tagen ihren Tagesablauf genau beobachtet. Um diese Zeit lief Dr. Phil, und sie sahen sich die Sendung zusammen in der Küche an. Der Besitzer des Hauses war in seinem Büro in Manhattan bei einer Besprechung, einige Kilometer weit weg. Mit einem Lächeln auf den Lippen holte sie die Lederhandschuhe aus ihrer Handtasche, zog sich die Riemen über den Kopf und klemmte die Tasche unter ihre Achsel. Dann begann sie, wie Spiderman die alte, raue Mauer zur Feuerleiter hochzuklettern, indem sie ihre Finger in die winzigen Zwischenräume im Mörtel krallte.

Ein Einbruch in Lockes Haus war tabu, aber man musste eben manchmal dort kratzen, wo es juckte. Sie war jetzt wie elektrisiert nach einem langweiligen und frustrierenden Tag.

Samantha schwang sich über das Geländer und eilte über die Metallstufen zum dritten Stock. Das Fenster am Ende des Korridors war natürlich abgeschlossen. Da es zur Feuerleiter hin öffnete, war es zudem mit einer Alarmanlage gesichert. Der Kunstgriff bestand also darin, den Schaltkreis nicht zu unterbrechen. Sie nahm eine Nagelfeile aus ihrem Portemonnaie und löste das Silikon um das untere Fensterglas herum ab.

Dann riss sie ein Stück von einer Rolle Isolierband ab, das sie immer dabeihatte, und wickelte es mit der Klebeseite nach außen um ihre behandschuhte Hand. Sie presste die Handfläche flach auf das Glas, vergewisserte sich, dass sie guten Kontakt hatte, und entfernte den letzten Rest der Dichtung mit der freien Hand. Die Glasscheibe war nun lose und klebte am Isolierband fest. Nachdem sie die Scheibe abgestellt hatte, nahm sie die Nagelfeile und griff mit der Hand durch das Fenster. Sie steckte die Metallfeile unter den Fensterrahmen, damit der Schaltkreis geschlossen blieb, klebte sie mit Isolierband fest, beugte sich vor und öffnete das Fenster. Zwei Sekunden später war sie im Haus.

Samantha war irritiert. Das war viel zu einfach gewesen. Eine Nachrüstung des Sicherheitssystems war wirklich fällig.

Einfach oder nicht, der Adrenalinstoß hatte jedenfalls ihre Nerven gestärkt, nachdem sie die letzten zwei Tage damit verbracht hatte, zu Menschen freundlich zu sein, die Aufnahmen von ihr machten und auf ihre Oberweite starrten. Sie summte vor sich hin, zog die Handschuhe aus und ging zum Büro nach oben, um sich dort eine Cola light aus dem Kühlschrank zu nehmen. Sie war schon fast durch die Tür, als sie erstarrte.

Ein Dutzend Männer und Frauen in der üblichen Geschäftskleidung saß im Raum und blickte auf den Mann in der Mitte. Wie in einem Zeichentrickfilm drehten sie sich alle gleichzeitig zu ihr um.

Schöne Scheiße. »Hallo«, sagte sie. »Entschuldigen Sie bitte. Falsche Tür.« Sie ging rückwärts wieder hinaus und schloss die Tür hinter sich. Sie war schon auf dem unteren Treppenabsatz angelangt, als sich die Tür wieder öffnete.

»Samantha, bleib sofort stehen.«

»Es tut mir leid.« Sam drehte sich auf dem Absatz um und starrte den Besitzer des Hauses an. »Du hast doch gesagt, du seist in deinem blöden Büro.«

Richard Addison. Englischer Milliardär, Geschäftsmann, Sammler, Philanthrop, mit einem Körper wie ein Profifußballer und Augen blauer als Saphire. Und augenscheinlich regte sich nach den fünf Monaten ihrer Beziehung immer noch etwas bei ihm in der Gegenwart einer ehemaligen Einbrecherin. Wahnsinn.

»Und du hast gesagt, dass du einkaufen gehst.« Er kam die Treppe hinunter und legte eine Hand auf ihren Bauch – oder vielmehr auf die Polsterung. »Du siehst schön rund aus.«

Na, das war doch was, er fand sie immer noch süß, trotz der Schwellung. »Ich hatte einen Burger zum Mittagessen.«

»Und dazu wohl mehrere große Gebäude, Godzilla.«

»Ha, ha, es ist mein Kleid und meine Schuhe.« Sie hob ihre Bluse hoch und zog das Knäuel darunter hervor. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich einkaufen war.«

Die tiefblauen Augen wanderten zu der Tüte. »Du hast was Rotes gekauft.«

»Wie du es vorgeschlagen hast. Außerdem dachte ich, du wärst im Büro, wo du offensichtlich nicht warst.«

»War ich doch.« Er nahm ihr die Tasche ab und hängte sie über das Geländer. »Wir waren gestern Abend übrigens im Fernsehen, in der Sendung Extra.«

Samantha sah ihm in die Augen. »Da hast du's. Und du hast geglaubt, wir würden uns einfach aus dem Flughafen schleichen, ganz still und leise, und ein paar ruhige Tage in New York verbringen.« Sie ahmte seinen britischen Akzent nach, und seine vollen Lippen fingen dabei an zu zucken.

»Na ja, tut mir leid. Halb New York hat heute angerufen, um mich zu begrüßen. Selbst die beste Sekretärin ist machtlos, wenn die halbe Welt anruft, von Trump über Giuliani und Bloomberg bis hin zu George Steinbrenner. Es wurde mir zu viel, und deswegen habe ich den Termin hierher verlegt.«

»Das ist nun mal dein Fehler, dass du so gut aussiehst und reich und berühmt bist.« Sie grinste ihn an. »Aber trau dich bloß nicht abzusagen – die Auktion oder das Abendessen.«

»Woher weißt du denn, wohin wir gehen?«

Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Ben hat mich gefragt, wann wir die Limousine brauchen. Da hab ich es aus ihm rausgekitzelt.«

Er beugte sich zu ihr und küsste sie noch einmal, so leidenschaftlich, dass er ihren Rücken nach hinten bog. Er schob seine Hand unter ihre Bluse und ließ sie über ihren nackten Bauch gleiten.

Ihre Knie fingen an zu zittern. »Okay«, sagte sie und versuchte, sich wieder auf den Plan zu konzentrieren. »Zuerst werde ich eine Kleinigkeit essen, dann Stoney ein Fax schicken und duschen.« Sie schob seine Hand weg, löste sich aus der Umarmung, nahm ihr Kleid an sich und lief weiter die Treppe hinunter.

Ein warmes Gefühl der Befriedigung, gepaart mit schwindeliger Erregung, breitete sich in ihr aus, als sie ihm nachschaute, wie er wieder nach oben ins Büro ging. Das war nun ihr dritter Einbruch in eines seiner Häuser, und dieses Mal hatte er sie nicht dabei erwischt. Er hatte keinerlei Verdacht geschöpft.

»Samantha?«

Verdammt. Er stand oben auf der Treppe und schaute in Richtung des Fensters mit der herausgenommenen Glasscheibe. Er hatte zwar gute Augen, aber so gute wohl doch nicht. »Ja, Rick?«, sagte sie, seinen Tonfall nachahmend. Lass dir nichts anmerken. Das war eine der Maximen für Diebe, die ihr Vater regelmäßig heruntergebetet hatte, bis er schließlich im Gefängnis landete und vor drei Jahren dann im Grab.

»An der Garderobe sind ein Dutzend Mäntel und zwei Aktenkoffer«, sagte Rick. »Wie bist du daran vorbeigegangen, ohne drauf zu kommen, dass ich mit einigen Leuten hier bin?«

»Mit meinen Gedanken war ich wohl woanders. Ich wünsche dir noch viel Spaß mit deinen Lakaien.«

»Und warum gehst du mit einem Kleid unter deiner Bluse die Treppe hinauf?«

»Ich hatte alle Hände voll.«

»Zufällig mit dem Fensterglas, das hier oben fehlt?«

Er kam die Treppe herunter. »Du bist eingebrochen.«

»Vielleicht«, wich sie aus und bewegte sich abwärts zum ersten Stock. »Und wenn ich einfach nur meine Schlüssel vergessen habe?«

Rick stand nun neben ihr. »Dann hättest du einfach klingeln können. Wilder ist da und Vilseau auch.« Er beugte sich zu ihr, sein Blick war kalt. »Und die anderen Angestellten.« Es gefiel ihm gar nicht, wenn sie versuchte, ihn übers Ohr zu hauen, egal unter welchen Umständen.

Samantha atmete aus. Sie wusste zumindest, wann es an der Zeit war, aufzugeben. »Okay, okay. Boyden Locke hat vierzig Minuten mit meiner Oberweite geredet, während ich ihm ein neues Alarmsystem für seine Stadtvilla aufgeschwatzt habe. Und als ich dann ein Kleid kaufen wollte, da fielen mir einfach verschiedene ... Dinge auf.«

»Was für Dinge?«

»Kameras, Sicherheitssysteme. Alles. Es war zum Verrücktwerden. Außerdem gehen wir heute Abend zu einer Kunstauktion, und ausgerechnet zu Sotheby's. Ich fühlte mich einfach ein bisschen ... angespannt. Also beschloss ich, mich mit einem Einbruch aufzulockern. Ich habe einen sicheren Ort ausgesucht.«

»Und ich habe dich wieder erwischt.« Er griff nach ihr, wickelte eine Strähne ihres kastanienbraunen Haars um seinen Finger. »Beim letzten Mal haben wir danach einen Stuhl zerbrochen, wenn ich mich richtig erinnere.«

Genau genommen hatte er sie diesmal lange nach der Tat erwischt und nur wegen eines Riesenpatzers ihrerseits. Aber da sie spürte, wie ein Schauder der Erregung ihren Rücken hinunterlief, hatte sie nicht vor, ihm zu widersprechen. Sie legte ihre freie Hand um seinen Hals und beugte sich vor, um ihm einen innigen, zärtlichen Kuss zu geben. »Du willst also wieder eine Belohnung?«

Er schmiegte sich an ihr Ohr. »Auf jeden Fall«, flüsterte er.

Sie war kurz davor zu explodieren. »Warum schickst du deine Lakaien nicht einfach nach Hause, und ich belohne dich direkt hier und jetzt?« Sie spürte seine Muskeln.

»Bring mich nicht in Versuchung.«

»Aber ich bin in dein großes altes Haus eingebrochen. Denkst du nicht ...«

Er drückte sie mit dem Rücken gegen das Mahagonigeländer, und sie beugten sich gefährlich darüber, als er ihren Mund mit einem heftigen heißen Kuss verschloss.

Ah, das tat gut. Etwas stimmte mit ihr nicht, nach fünf Monaten konnte sie immer noch nicht genug von ihm kriegen. Zu ihrem Glück hatte er das gleiche Problem mit ihr.

Ihr Verstand meldete sich und sagte: Je schneller er seine Besprechung zu Ende bringt, desto früher können wir bei Sotheby's sein. Sie begehrte Rick zwar, doch jener Ort war nun mal ein Mekka für Diebe. Und an diesem Abend würde eine ganz besondere Auktion stattfinden: Das war der Grund, warum sie eingewilligt hatte, ihre neu gegründete Sicherheitsfirma in Palm Beach im Stich zu lassen und zu ihm nach New York zu kommen, auch wenn sie das niemals laut zugeben würde.

Seine Lippen glitten über ihr Kinn, was ihre Beine weich wie Pudding werden ließ.

»Bitte lass das«, murmelte sie so leise, dass er es wahrscheinlich gar nicht hörte.

Hatte er doch. Rick trat ein paar Zentimeter zurück. »Eigentlich sollte ich der verantwortungsvolle Part sein. Nicht du, Schatz.«

»Ich weiß, aber ich bekomme Hunger.«

Rick kniff die Augen zusammen. »Auf mich, auf das Abendessen oder auf die Versteigerung?«

»Auf alles drei, Brit. Geh zurück ins Büro und sieh zu, dass du diese Typen loswirst.«

»Gib mir eine Stunde, Yankee.«

»Na gut. Wenn es länger dauert, werde ich mit deinem Butler essen gehen.«

»Das wirst du nicht tun.«

Er verschwand nach oben und schloss leise die Tür hinter sich. Samantha blieb einen langen Augenblick verstört auf der Treppe stehen. Mann, da hatte sie ganz schön Mist gebaut. Rick hatte sie zwar nicht wirklich ertappt, aber er hätte nie etwas von ihrem Einstieg durch das Fenster erfahren, wenn sie nicht so gepfuscht hätte. Sie hatte zwar keinen Schaden damit angerichtet, außer der Peinlichkeit, in Ricks Besprechung hineingeplatzt zu sein. Doch wäre sie in ihrem vorherigen Leben nichtsahnend in einem Raum voller Leute gelandet, dann läge sie jetzt wahrscheinlich mit dem Rücken auf dem Boden, um sie herum ihr mit Kreide gezeichneter Umriss.

Sie nahm sich einen Apfel aus der Küche, was ihr Vilseau, der Koch, wahrscheinlich übel nehmen würde, und ging dann nach oben in das Zimmer neben dem Büro.

In dem großen, in Braun und Schwarz gehaltenen Schlafzimmer, das sie mit Rick teilte, ließ sich Samantha rücklings auf das Bett fallen. Ohne Zweifel wurde sie immer weicher. Die Frage war, war das schlimm?

Solange sie mit Rick zusammenblieb, konnte sie nicht in ihr altes Leben zurück. Er war viel zu prominent, dann gab es da noch die heikle Frage der Moral und außerdem die Tatsache, dass er mit viel zu vielen Leuten befreundet war, die sie bestohlen hatte.

Es war nur dieser Rausch, den sie vermisste, dieses intensive Gefühl, lebendig zu sein, das sich einstellte, wenn sie sich an Orte schlich, an denen sie nicht sein sollte, und Dinge an sich nahm, die sie nicht haben durfte. Sie behielt diese Dinge ja auch nicht für sich, aber das Geld, das sie ihr einbrachten, hatte sie in vollen Zügen genossen.

Wie aufs Stichwort klingelte ihr Telefon, mit der Melodie von Raindrops keep falling on my Head. »Ich hab dir doch gesagt, dass du mich hier nicht anrufen sollst!«, meldete sie sich, nachdem sie das Handy aus ihrer Tasche gefischt hatte.

»Wo bist du denn?«, ertönte die vertraute Stimme ihres Ex-Hehlers, Ersatzvaters und derzeitigen Geschäftspartners Walter »Stoney« Barstone. »Außer wenn du das stille Örtchen meinst, kann ich mich nämlich nicht erinnern, dass du so was gesagt hättest.«

»Ich habe gesagt, wenn ich im Urlaub bin.«

»Du hast noch nie in deinem Leben richtig Urlaub gemacht. Und ich wollte mich nur erkundigen, wie es mit Locke gelaufen ist.«

Sie atmete tief aus. »Es ist gut gelaufen. Der Typ ist pervers, aber stinkreich. In einer halben Stunde schicke ich dir ein Fax mit den Details, damit wir ihm eine Rechnung schicken können.«

Stoney schwieg einen Moment. »Du klingst ja wirklich begeistert.«

»Ach, ich bin hier ins Haus eingestiegen und geradewegs in eine von Ricks Besprechungen geplatzt.«

»Und warum zum Teufel hast du das getan?«

»Weil ich erst einkaufen gehen wollte und stattdessen alle Geschäfte auf der Madison Avenue ausgespäht habe, und dabei habe ich dann eine Panikattacke gekriegt.«

Er erdreistete sich, über sie zu lachen. »Dann kauf nicht mehr auf der Madison Avenue ein, Liebes. Im Metropolitan Museum gibt es sowieso bessere Sachen. Ich kenne zufällig zwei Männer, die Renoirs oder Degas angefragt haben. Und hier geht es um jeweils eine glatte halbe Million.«

»Sei doch still. Ich will nichts davon wissen.« Samantha drehte sich auf den Bauch. »Außerdem, falls du dich erinnerst, Museen sind für mich tabu.«

»Ja, ich erinnere mich. Was ist mit Sotheby's? Hast du deinen Milliardär dazu überreden können, heute mit dir da hinzugehen?«

»Es war seine Idee«, gab sie abwehrend zurück. »Und ich werde meine Hände in den Taschen lassen, mir alles nur anschauen und vielleicht Rick ein paar Ratschläge bezüglich der Kunstwerke geben.«

»Ach ja. Was du nicht sagst.«

»Sag ich doch.«

»Ist gut, Liebes. Ich wollte dir nur dabei helfen, dich von deiner Krise abzulenken.«

Samantha schnaubte verächtlich. »Wer braucht noch Feinde, wenn er Freunde wie dich hat?«

»Ich habe dich auch lieb, Sam. Und, da ich gerade dabei bin, deinen Urlaub zu unterbrechen – die Visitenkarten, die wir in Palm Beach verteilt haben, scheinen was zu bringen. Aubrey hatte drei Terminanfragen fürs Wochenende. Eine Villa, ein Atelier und eine Anwaltskanzlei.«

Wunderbar, mehr Spaß und Aufregung für sie. »Meine Güte. Dann sprich du mit ihnen.«

»Sie wollen keine Sicherheitsberatung von mir, Sam, sie wollen Rick Addisons Freundin. Die, die sich mit mordenden Erbinnen prügelt und Typen in den Schwitzkasten nimmt, die Ricks Bilder stehlen.«

»Mein Gott,. Stoney, deiner Beschreibung nach klinge ich ja gemeingefährlich. Ich habe nur meine Intelligenz eingesetzt, vielen Dank.« Es hatte natürlich auch Situationen gegeben, in denen sie eine Gehirnerschütterung, einen Streifschuss oder eine Reihe von Kratzern und blauen Flecken abbekommen hatte, aber was soll's, ihr Einsatz war jedes Mal von Erfolg gekrönt gewesen.

»Dann ist es wohl das, was sie wollen. Deine Intelligenz. Und dich persönlich.«

Wenn sie darüber nachdachte, waren drei Anrufe an einem Märzwochenende in Palm Beach, Florida, gar nicht so schlecht. Die meisten der reichen Bewohner hielten sich nur im Winter dort auf und waren schon in ihre Sommerhäuser weitergezogen. Im Vergleich dazu war die Zahl der permanenten Bewohner verschwindend gering.

»Hat Aubrey ihnen gesagt, dass ich auf Geschäftsreise bin?«

»So nennst du das jetzt?« Sie konnte seinen Seufzer hören. »Ja, hat er ihnen gesagt.«

»Dann werden wir etwas arrangieren, wenn ich zurück bin, in ungefähr zehn Tagen.«

»Wie du meinst. Denk dran, dass ich diesen Laden nicht alleine am Laufen halte. Wir sind Partner, falls du das vergessen haben solltest. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Aubrey anfängt, sich für mich zu interessieren.«

Samantha prustete. »Du bist ja auch süß. Zehn Tage, versprochen. Ich versuche hier gerade, eine bessere Hälfte zu werden.«

»Dann solltest du damit aufhören, Läden auszuchecken. Addison mag das bestimmt nicht.«

Eigentlich hatte er nicht sonderlich beunruhigt gewirkt, nicht einmal überrascht. Allein die Tatsache, dass sie ihm davon erzählt hatte, musste ja etwas bedeuten, ging es ihr durch den Kopf. »Ich lege jetzt auf, tschüs, Süßer.«

Sie gähnte, setzte sich auf, ging ins Badezimmer und drehte die Dusche auf. Als ob sie Stoney erklären müsste, dass Diebstahl nicht in ihr neues Leben passte. Verdammt, sie hatte sich fünf Monate lang zusammengerissen – und es ebenso für sich wie für Rick getan. Es war immer noch eigenartig, sich ein Leben vorzustellen, in dem sie sich an einem Ort niederließ und nicht von jeder Türklinke ihre Fingerabdrücke abwischen musste, falls die Polizei oder Interpol auf der Suche nach Beweisen hinter ihr her war.

Sie befand sich jetzt in diesem neuen Leben. Warum nur hatte sie dann immer noch das Gefühl, dass sie sich in Acht nehmen musste?

Alte Gewohnheiten wird man nicht los, daran lag es wohl. Es würde ihr schwerer fallen, sich nicht mehr ständig umzusehen, als für die Paparazzi zu lächeln.

Kapitel 2

Dienstag, 18.08 Uhr

Als Richard endlich seine Lakaien – wie Samantha sie nannte – an der Tür verabschiedet hatte, hätte er das auswärtige Abendessen und die Auktion bei Sotheby's am liebsten gegen einen ruhigen Abend mit Samantha eingetauscht. Doch er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass ihr der Sinn gewiss nicht danach stand.

In der Tat hatte er den leisen Verdacht, dass ihre begeisterte Einwilligung, ihn nach New York zu begleiten, einiges mit seiner Einladung zur Versteigerung zu tun hatte – auch wenn sie vorgab, nichts davon gewusst zu haben. »Versteigerung der großen Meister«, das klang eben doch zu sehr nach ihrem Spezialgebiet. Und wenn sie schon mal bei einer dieser Auktionen gewesen war, dann bestimmt nicht, um etwas zu ersteigern.

»Samantha?«, rief er, als er die Tür zum Schlafzimmer öffnete.

In Anbetracht der Tatsache, wie wenig Zeit ihm blieb, sich den Smoking anzuziehen und sie zum Abendessen auszuführen, wenn sie es rechtzeitig zur Versteigerung schaffen wollten, war er fast erleichtert, dass sie nicht im Zimmer war. Andererseits war die letzte Stunde schwierig genug gewesen, er hatte sich hinter seinem Schreibtisch verstecken müssen, um seine Würde zu wahren. Er hatte sich gezwungen, sich die Königinmutter vorzustellen, und dabei versucht, ein Angebot für ein neues Hotel in Manhattan auszuarbeiten. Schließlich hatte er sich zu einer gehörigen Portion sexueller Frustration auch noch Kopfschmerzen eingehandelt. Wilder hatte ihm den Smoking schon herausgelegt, und nach einer kalten Dusche, die keines der beiden Probleme behob, zog er ihn an und ging hinunter, um nach seiner Obsession zu sehen.

Sie saß im Wohnzimmer und sah über die Straße auf den Central Park hinaus. »Hoffentlich hast du das Preisschild vom Kleid entfernt«, murmelte er. Seine Kehle war bei ihrem Anblick ganz trocken geworden. »Ich finde, du solltest es auch als Nachthemd tragen.«

Samantha drehte sich zu ihm um und lächelte. »Dann hätten wir das Bettlaken voller Glitzerzeug.«

»Das würde mir nichts ausmachen.«

Das Rot des Kleides brachte den kupfernen Glanz ihres schulterlangen Haars zur Geltung, das sie zu einer eigenwilligen Frisur hochgesteckt hatte. Richard wäre am liebsten mit den Fingern durch ihr Haar gefahren.

Er ging zu ihr und reichte ihr die Hand. »Wollen wir?«

»Du bist wirklich ein Gentleman«, gab sie zurück, perfekt die gedehnte Sprechweise der Südstaaten nachahmend. Sie legte ihre Hand in seine und stand auf.

Seine Geste zielte eher darauf ab, sie zu berühren, als dass sie seiner Veranlagung zum Gentleman geschuldet wäre. »Wenn du wüsstest, was ich gerade am liebsten mit dir machen würde, würdest du mich bestimmt nicht als Gentleman bezeichnen«, gab er zurück und zog sie an sich, um ihre weichen roten Lippen zu küssen.

»Verschmier mir den Lippenstift nicht«, sagte sie und tätschelte seine Schulter.

»Später dann«, flüsterte er, trat einen Schritt zurück und ließ sie nur widerwillig los. Wie immer konnte er sich dabei des Gedankens nicht erwehren, dass er sie nie wieder zu fassen bekommen würde. »Ich habe einen Tisch im Bid reservieren lassen.«

»Ich wollte schon immer sehen, wie es jetzt so ist«, sagte sie, während sie ihm ins Foyer folgte, wo Wilder mit ihrem schwarzen Umhang in den Händen auf sie wartete.

»Was heißt jetzt? Es hat doch erst vor ein paar Monaten eröffnet?«

Samantha lächelte ihm zu, während der Butler den Umhang um ihre Schultern legte. »Als Restaurant.«

Fantastisch. Sie war also schon im Keller von Sotheby's gewesen, bevor er zu einem Restaurant umgebaut worden war. Wollte er mehr darüber wissen? Ja, aber er würde sie gewiss nicht in Wilders Beisein danach fragen.

In dem Moment, als sie die letzte Treppenstufe erreicht hatten, hielt die Limousine auf der Straße. Der Chauffeur sprang heraus und öffnete eilig die Tür.

»Ben«, sagte Samantha und lächelte den Fahrer an. »Hast du die ... Sache gefunden, die ich erwähnt habe?«

»Was für eine Sache?«, unterbrach Richard.

Ben grinste und zog einen Schokoriegel aus der Tasche. »Schokolade und Karamell«, sagte er und gab ihn Samantha.

»Du bist einfach großartig.« Sie gab dem Chauffeur einen Kuss auf die Wange, was ihn erröten ließ, und glitt auf die Rückbank der Limousine. Einen Augenblick lang zweifelte Richard an seiner Entscheidung, Ben aus Palm Beach mit hierherzunehmen. Er hätte ebenso gut einen Fahrer in New York organisieren können, doch Ben wusste Bescheid, kannte ihre ... Gewohnheiten und würde nie darüber sprechen. Er bedeutete also für beide einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor. Das hatte Richard zumindest gedacht. Der verdammte Fahrer sollte aber für ihn arbeiten.

Richard setzte sich zu ihr in den Fond. »Und iss das jetzt bloß nicht.«

Sie hatte den Riegel schon aufgemacht. »Schon gut, ich teile ihn mit dir.«

»Du wirst dir deinen Appetit verderben.«

Samantha verzog das Gesicht und nahm einen Riesenbissen. »Ich werde mich auf dieses Gespräch nicht einlassen«, murmelte sie beim Kauen.

Mist, sie machte das absichtlich, das Theater mit der Schokolade war reines Ablenkungsmanöver, damit er sie nicht danach fragte, was sie über den Keller von Sotheby's wusste. Und er wäre fast auf ihr Ablenkungsmanöver reingefallen. Wieder einmal. »Dann erzähl mal von deinen Erfahrungen bei Sotheby's.«

»Nein.« Sie schluckte den Bissen hinunter, packte den Rest ein und steckte ihn in ihre Handtasche. Er fragte sich flüchtig, was sie wohl noch alles in ihrer rotbestickten Designerhandtasche hatte – wahrscheinlich Büroklammern, ein Kabel, ein Magnet und ein Stück Schnur. Damit würde sie durch jede Sicherheitskontrolle kommen und wäre mit diesen Hilfsmitteln in der Lage, innerhalb von wenigen Minuten einen Picasso zu entwenden.

»Du hast gesagt, dass du dort schon mal ein Ding gedreht hast. Vor drei Jahren, stimmt's?«

Sie sah ihn an, ihre grünen Augen waren so kühl, wie ihr Kleid heiß war. »Erstens, willst du wirklich die kriminellen Details wissen? Und zweitens, würde meine Antwort irgendwie die Pläne für heute Abend ändern?«

Er hielt ihrem Blick stand und atmete aus. »Ja und nein.«

Der Schalk zeigte sich nun in ihrem Gesicht. »Findest du nicht, dass du irgendwie unentschlossen bist?«

»Nicht, was dich betrifft, meine Liebe.« Er nahm ihre Hand und spielte mit ihren langen Fingern. »Du weißt doch, dass deine Geheimnisse bei mir gut aufgehoben sind.«

»Ich weiß.« Sie sah an ihm vorbei aus dem Fenster. »Wir albern viel herum, aber ich muss zugeben, dass es mich immer noch ... irritiert, wenn ich mir vergegenwärtige, wie viel du über mich weißt. Und wie viel Schaden du damit anrichten könntest.«

»Stimmt. Die ganze Welt könnte ich wissen lassen, dass du ein großer weißer Hai in der Geschäftswelt bist, dass du keine amerikanischen Ofenkartoffeln magst und dass du im Bett eine Kanone bist. Dein Ruf wäre für immer ruiniert.«

Gott, jetzt wollte er sie küssen. Überall. »Du wechselst schon wieder das Thema.«

»Tue ich nicht.«

Er zog sie fester an sich und steckte vorsichtig eine Strähne ihrer kastanienbraunen Haare hinter ihr bloßes Ohr. Sie mochte keine Ohrringe, offenbar aus Vorsicht, weil sie im ungünstigsten Augenblick bei einem Einbruch herausfallen könnten. »Du hast mich gefragt, ob ich es wissen möchte, und ich habe die Frage bejaht. Jetzt ist es an dir. Erzähl mir davon oder lass es, Samantha, aber hör mit deinen Ausflüchten auf.«

»Klugscheißer.« Sie holte tief Luft, was ihre Brüste in dem weit ausgeschnittenen Kleid mit den Spaghettiträgern noch mehr zur Geltung brachte. »Schon sechs Mal habe ich bei Sotheby's zugeschlagen.«

Sechs Mal? Somit war das Auktionshaus für die Familie Jellicoe ja fast zu einem Supermarkt geworden. »Und warum wolltest du gerade heute wieder dort hin?«

»Denkst du etwa, dass ich vorhabe, erneut ein Ding zu drehen?«

»Nun, ich denke, dass die Gefahr besteht, dass dich jemand erkennt, und du für lange Zeit im Gefängnis landen könntest, du Dummerchen.« Er ließ ihre Hände los und fasste sie an den Ellbogen. Er musste an sich halten, um sie nicht zu schütteln. »Und untersteh dich, mir darauf eine leichtfertige Antwort zu geben.«

Genau das hatte sie wohl vorgehabt, sie öffnete ihren Mund und schloss ihn dann wieder.

»Jedes Mal war ich verkleidet, mit Perücke und getönten Kontaktlinsen. Letztes Mal bin ich als blonde Sexbombe mit großer Oberweite gegangen. Ich werde heute zum ersten Mal als ich selbst dort erscheinen.«

Wer auch immer das war. Manchmal dachte er, dass er keinen blassen Schimmer davon hatte. »Du hältst es nicht für möglich, dass nach deinen sechs Auftritten dort vielleicht jemand mit einem Phantombild von dir aufkreuzt?«

»Lässt du bitte meinen Arm los?«, sagte sie gereizt. »Vielleicht erinnerst du dich, dass ich mich nicht gerne festhalten lasse?«

Nein, das mochte sie gar nicht. Er gab auf und ließ sie los. Er wollte schließlich keinen Tritt in die Eier riskieren, der ihm den Spaß später gründlich verderben würde. »Sechs Mal. In welchen Abständen warst du dort?«, erkundigte er sich in ruhigerem Ton.

»Es war eine jährliche Übung, seit ich sechzehn bin. Aber aus bestimmten Gründen werde ich sie dieses Jahr ausfallen lassen.« Sie blickte ihn betrübt an. »Doch du hast recht, wahrscheinlich hätte ich dich warnen sollen, dass sie nach einer Frau mit meiner Statur Ausschau halten werden.«

In seiner Brust hatte sich ein kalter Klumpen gebildet, der nun zu einem riesigen Eisberg angewachsen war, der die Titanic versenkt hätte. »Warum gehen wir dann hin?«, fragte er ganz leise.

»Willst du eine ehrliche Antwort? Weil es wie ein Rausch ist.« Sie legte ihm die Hand auf den Mund, damit er nichts entgegnen konnte. »Aber niemand wird etwas wegen meiner Anwesenheit unternehmen, erstens, weil du eine schöne Einladung hast, auf der ›Richard Addison und Begleitung‹ steht, und zweitens, weil ich mit dir dort sein werde. Sie werden wohl kaum versuchen, Rick Addisons bessere Hälfte hochzunehmen.«

Er schenkte der Tatsache, dass sie sich freiwillig als seine Hälfte bezeichnet hatte, keine Beachtung. Trotz seiner ernst zu nehmenden Bedenken musste er zugeben, dass ihre Argumentation Sinn ergab. »Ich bin also deine Garantie dafür, dass du nicht ins Gefängnis wanderst«, murmelte er schließlich.

»Das kann man so sehen, Sahneprinz.«

»Wie war das mit der Oberweite der Blondine, die du letztes Jahr warst?«

»Baywatch. Das Material zum Ausstopfen müsste ich noch irgendwo haben.«

»Und die Perücke?«

Sie sah ihn belustigt an. »Wenn du großbusige Blondinen vorziehst, dann hättest du mit Patricia verheiratet bleiben sollen.«

»Ich bin nur neugierig.«

»Aha.« Zu seiner Überraschung drehte sie sich um und schmiegte sich an seine Schulter. »Wie lief denn dein Meeting? Irgendwelche feindlichen Übernahmen oder Manöver mit Risikokapital?«

Richard vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, wobei er darauf achtete, ihre Frisur nicht zu zerstören. »Ich liebe dich, Samantha Jellicoe«, flüsterte er und legte den Arm um ihre Taille.

»Ich liebe dich auch, Rick.«

Es kam zwar noch zögerlich, doch immerhin konnte sie es nun überhaupt aussprechen. Wenn sie es dann sagte, was selten genug geschah, dann fühlte er sich immer wie King Kong auf dem Empire State Building, nachdem dieser alles zerschmettert hatte, was ihm im Weg war. »Hoshido will das Manhattan verkaufen«, sagte er. »Doch niemand soll erfahren, dass er es verkaufen will, da das seine Position schwächen würde.«

»Die Japaner und diese Sache mit der Ehre«, gab sie zurück und nickte, mit dem Kopf an seinem Oberkörper. »In meiner Branche hat man es mit ihnen auch nicht leicht. In meiner ehemaligen Branche, meine ich.«

Wieder drohte sich in ihm ein Gefühl der Beunruhigung auszubreiten, gegen das er ankämpfen musste. »Heute ging es erst mal darum, eine Herangehensweise zu finden, mit der beide Seiten leben können. Wir sind noch gar nicht beim Preis oder den Konditionen angelangt.«

»Ach so, die Verhandlungen befinden sich noch auf der Palaverebene.«

Er lachte in sich hinein und küsste ihr Haar. »Genau.«

»Na, du wirst ihn schon rumkriegen, Brit. Das schaffst du doch immer.«

»Habe ich auch diesmal vor.« Er konnte nicht widerstehen, seine Hand auf ihr Bein zu legen, dann ließ er sie am Schlitz im Kleid entlang nach oben gleiten. »Bist du sicher, dass du heute Abend nicht lieber etwas anderes tun würdest?«

»Ich habe vor, alles mitzunehmen, Abendessen, Sotheby's und die Wonnen der Liebe. In dieser Reihenfolge kann ich womöglich ...«

Die Sprechanlage brummte. Mit einem Seufzer drückte Richard auf den Knopf. »Ja, Ben?«

»Wir sind gleich da, Sir. Soll ich anhalten oder noch mal um den Block fahren?«

Ben kannte seine Gewohnheiten extrem gut – Richard zog es vor, noch einmal um den Block zu fahren und erst auszusteigen, wenn er wirklich auf einen Termin vorbereitet war. Mittlerweile hatte sich der Fahrer auch an seine und Samanthas Gepflogenheiten gewöhnt – er wusste, dass er erst mal kontrollieren sollte, ob die Passagiere hinten angezogen waren.

»Wir können hier anhalten, Ben.«

Sie hielten am Straßenrand. Samantha setzte sich wieder aufrecht hin, als Ben ausstieg und ihnen die Tür aufhielt. »Na toll«, sagte sie leise und wühlte in ihrer Handtasche nach einem Spiegel, um Frisur und Lippenstift zu prüfen. Glücklicherweise hatte Rick nichts allzu Schlimmes angerichtet.

»Was ist denn los?«, fragte Rick, dem offenbar nie auffiel, dass etwas an ihr nicht stimmte. Ihr Herz machte einen Luftsprung. »Du siehst doch wunderbar aus.«

»Es geht nicht um mich. Die Paparazzi.«

Sie deutete mit dem Finger auf das gigantische Gebäude hinter ihnen. »Das war doch zu erwarten. Es ist ein wichtiges Ereignis für Sotheby's.«

»Ich weiß, ich weiß.« Sie stieg aus und griff nach Bens Hand. »Aber denkst du nicht auch, dass es schön wäre, wenn die Leute ganz privat zu der Auktion kommen könnten?«

»Snob«, murmelte Rick und grinste. Er stieg ebenfalls aus der Limousine, und sofort waren die beiden von Blitzlichtern umgeben. Samantha setzte das höfliche Lächeln auf, das sie sich seit ihrem schrecklichen ersten öffentlichen Auftritt mit Addison antrainiert hatte. Morgen würden alle Leser der Post oder des Enquirer ihren Namen unter einem Foto von ihr sehen und genau wissen, wo sie mit wem gewesen war und was sie getan hatte. Doch das spielte nun auch keine Rolle mehr, sie war ohnehin gestern Abend mit Rick im Fernsehen zu sehen gewesen.

»Alles okay mit dir?«, fragte Rick und beugte sich zu ihr. Die Kameras blitzten wieder auf.

Du musst dich zusammenreißen, Sam, befahl sie sich. Auch wenn sie gerade Rick hinsichtlich ihres gemeinsamen Auftritts bei Sotheby's beruhigt hatte, es konnte trotzdem schiefgehen. Und wie Martin Jellicoe immer gesagt hatte, wenn etwas schiefgehen konnte, dann tat es das auch. Man musste immer einen Plan für den Notfall parat haben, um das zu verhindern. »Mir geht's gut. Ich denke nur gerade daran, wie sie mich auf deiner Fan-Website hierfür beschimpfen werden.«

Er hatte seinen Blick starr geradeaus auf den Eingang vor ihnen gerichtet und nickte. »Wenn du dich nicht als ›Sally aus Springfield‹ da einloggen würdest, dann wüsstest du gar nichts davon.«

»Irgendjemand muss ja meine Ehre verteidigen, auch wenn ich es selbst tue.« Sie bohrte ihre Finger in seinen Arm. »Und ich wusste, dass du auf die Seite gehen und die Nachrichten lesen würdest.«

»Du bist doch diejenige, dir mir überhaupt erst von der Fan-Seite erzählt hat.«

Samantha war überzeugt, eine Meisterin im Täuschen und Ablenken zu sein, doch Rick stand ihr darin in nichts nach. Es war ihm immerhin gelungen, sie ihren Unmut über die Journalistenmeute vor Sotheby's vergessen zu lassen.

Offensichtlich waren sie nicht die einzigen Besucher, die vor der Versteigerung noch im Bid's speisen wollten. Obwohl die Gäste zur reichen Oberschicht gehörten, fielen sie und Rick auf. Die meisten Gesichter erkannte Samantha von Bildern in Zeitschriften wieder, die in Ricks Büro auslagen, wie Manager Magazin oder Business Week. Es waren ein paar vereinzelte Schauspieler darunter, die meisten, die gerade in New York waren, standen wahrscheinlich um diese Zeit am Broadway auf der Bühne. Es waren viele Kritiker und Produzenten zugegen, die es wohl nicht nötig hatten, sich im Theater zu zeigen. Samantha bezweifelte, dass diese Gäste auch mitbieten würden.

Als sie das Restaurant betraten, kam Samanthas Anpassungstechnik zum Einsatz. Sie hatte die Regeln dazu sehr früh gelernt – damit sich später niemand an einen erinnerte, musste man sich genau wie die anderen verhalten. Diese Fähigkeit hatte sie seit langem perfektioniert, und auch ein Rick Addison brachte sie nicht davon ab, sie einzusetzen.

»Das ist fantastisch hier«, murmelte sie und setzte sich auf den Stuhl, den der Kellner für sie zurechtrückte.

»Dachte mir schon, dass es dir gefallen wird«, gab Rick zurück und bestellte eine Flasche Wein.

»Ich hätte nicht erwartet, dass sie es beige halten würden«, sagte sie, auch wenn ihre Aufmerksamkeit nur zum Teil auf die beigefarbenen Wände gerichtet war. Sie nahm die Kunstwerke wahr, mit denen die Wände geschmückt und die in den Ecken und Winkeln aufgestellt waren. »Da hängt ja ein echter Renoir.«

Er folgte ihrem Blick. »Die Dekoration besteht aus Kunstwerken, die später versteigert werden.« Er fasste über den Tisch nach ihrer Hand und zeigte mit ihr zur Nische in einer Ecke des Raumes. »Siehst du das?«

»Den Rodin?«

Rick lachte leise. »Du weißt mehr als ein Buch.«

Samantha grinste ihn an. »Ich kann auch viel mehr als ein Buch.«

»Als ob ich das nicht wüsste. Was hältst du davon? Ich meine den Rodin.«

Er kannte sie gut. Sie hatte gewissermaßen einen Doktor in diesem Gebiet. Sie nippte an ihrem Glas und sah dann wieder zur Statue. Rick hatte zu verstehen gegeben, dass sie ihr Interesse diskret zeigen sollte. »Ich habe die Skulptur noch nie gesehen. Sie ist aber zweifellos von ihm. Die kühnen Linien, der angedeutete Stein unten, die Stimmung dem Denker sehr ähnlich, meinst du nicht auch?«

»Es wurde darüber spekuliert, ob es sich dabei um ein Figurenpaar handelt. Diese hier ist seit 1883 im Besitz einer Familie in Paris. Die Geschichte dazu lautet, dass Rodin beide Figuren zusammen öffentlich aufstellen wollte, die Stadt Paris jedoch nur eine davon bezahlte.«

Sie betrachtete die Skulptur eingehend. Eine nackte Frau im Gehen, deren Körper leicht verdreht war, weil sie über ihre Schulter nach hinten sah, die hintere Hand hielt sie geschlossen und nach unten, die vordere Hand offen mit der Handfläche nach oben. Ihr hinterer Fuß schien aus dem Stein aufzusteigen, der vordere Fuß wirkte, als ob er wieder in ihn zurücksank. »Wie heißt das Werk?«

»Die flüchtige Zeit.«

Bevor ihr Blick zu auffällig wurde, wandte sie sich wieder um. »Es gefällt mir.«

»Nun, ich werde es kaufen.« Er flüsterte, da er vermeiden wollte, dass einer der anderen Gäste die Information weitergeben und damit bei anderen Käufern Interesse wecken könnte. »Es erinnert mich an dich.« Ihre Wangen wurden ganz heiß.

Na großartig, ein wenig Schmeichelei reichte aus, und schon wurde sie schwach. »Meine Hautfarbe ist gesünder.«

»Und deine Haut ist wärmer«, stimmte Rick zu, hob sein Weinglas und stieß mit ihr an, bevor er einen Schluck nahm. »Wäre in der Galerie in Devonshire Platz dafür?«

»Auf jeden Fall. Ich habe die Skulpturengalerie im Rawley House ja so geplant, dass es genug Platz gibt. Man muss den Michelangelo nur an den Donatello quetschen und die Beleuchtung ändern.«

»Quetschen?«, wiederholte er und verzog das Gesicht. »Sprich bitte nicht weiter. Du verdirbst mir den Appetit.«

»Hm, das wollen wir ja nicht.« Samantha sah wieder zur Statue. »Erinnert sie dich wirklich an mich?«

»Ja, auf eine Weise, die ich nicht beschreiben kann.«

»Und deshalb möchtest du sie kaufen?«

Er sah ihr direkt in die Augen. »Deshalb habe ich vor, sie zu besitzen.« In Ricks Gegenwart hatte sie gelernt, dass es möglich war, sich sicher und unbehaglich zugleich zu fühlen. Bei seinen Worten hatte sich diese Mischung aus Befriedigung und Unbehagen eingestellt. Es war natürlich nur eine Metapher – er wollte sie nicht wirklich besitzen, doch gewiss wollte er ein wenig mehr Kontrolle über sie. Aber verdammt, es war für sie selbst schwierig genug, sich im Griff zu haben, eine andere Person konnte sie dabei nicht brauchen.

Der Kellner kam an ihren Tisch, und Samantha war so dankbar für die Unterbrechung, dass ihr Lächeln beim Bestellen des Perlhuhns wohl etwas zu freundlich ausfiel. Rick hatte sich für den Seebarsch entschieden. Als der Kellner gegangen war, holte Samantha tief Luft. »Ich will nicht ...«

»Du hast mir gar nichts Näheres von deinem Termin mit Boyden Locke erzählt«, unterbrach er sie und bestrich dabei eine Scheibe Brot mit Butter. »Irgendetwas Interessantes?«

»Jetzt wechselst du also das Thema?«, fragte sie und zog eine Augenbraue hoch.

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Du bist zwar furchtlos, meine Liebe«, entgegnete er, »aber ich weiß, wann ich dir zu nahe getreten bin. Hat dir Locke seinen Picasso gezeigt?«

»Ja, hat er, und auch die Kabelführung und die Alarmtafel. Wenn ich noch im Geschäft wäre, dann hätte ich dort jetzt leichtes Spiel.«

»Samantha.«

»Ja, ich weiß, aber die Leute haben so viel Vertrauen.« Sie beugte sich vor und klopfte mit ihrem Buttermesser auf seine Fingerknöchel. »Wenn ich in dein Haus käme, würdest du mir etwa dein Alarmsystem zeigen, nur weil ich behaupte, Donald Trump zu kennen, und weil ich einen schönen Busen habe?«

Er lachte. »Nein, aber ich bin auch ziemlich misstrauisch. Eine Diebin hat schon einmal versucht, bei mir einzubrechen ...«

»Versucht?«, wiederholte sie.

»Was ich sagen wollte, wenn du beweisen könntest, dass du Trump kennst – weil ihr beide in Zeitschriften zusammen zu sehen wart und es bekannt wäre, dass ihr zusammenlebt –, dann wäre ich geneigter, dir zu vertrauen. Locke kennt deine Geschichte. Den Teil jedenfalls, der für die Öffentlichkeit bestimmt ist.«

»Und nur danach ist er gegangen. Aha, sie ist in New York. Aha, sie kennt Rick Addison.«

»Ich bin also dein Ausweis und deine Visitenkarte. Wenn dein Geschäft dadurch besser läuft, wo liegt das Problem?«

»Es gibt keins.« Sie runzelte die Stirn. »Ich bin nur zynisch.«

»Habe ich schon bemerkt. Einige deiner Kunden rufen auch vorher bei mir an und ziehen Erkundigungen über dich ein, wenn du dich damit wohler fühlst.«

»Wer hat dich denn angerufen?«

»Ein paar von ihnen. Ich sage natürlich nur Gutes über dich.«

»Vielen Dank. Hat Locke dich angerufen?«

»Nein. Er hat offensichtlich die Aha-Methode angewandt, wie du schon vermutet hast.« Sie könnte die nächste Stunde mit Spekulationen darüber verbringen, warum ihr Rick nicht erzählt hatte, dass einige der potenziellen Kunden sie überprüft hatten, oder sie könnte sich das köstliche Perlhuhn in Pancetta munden lassen. Sie entschied sich für die zweite Option, nicht zuletzt deswegen, weil sie sich dabei im Raum umschauen konnte. Rick hatte die Dekoration treffend beschrieben: schlichte Wände, behängt mit zu versteigernden Kunstwerken. Hoffentlich spritzte niemand seine Spaghettisauce auf das Landschaftsgemälde von Constable.

Zweifellos war alles durch einen Alarm gesichert. Oder verließ sich Sotheby's etwa auf die vielen Zeugen, die voll besetzten Tische und Nischen und die im Raum verteilten Sicherheitsleute, um die Absicherung von Millionen verlockender Dollars zu gewährleisten?

»Was ist los?«, fragte Rick und riss sie aus ihren Gedanken. Samantha blinzelte. »Was soll los sein?«

»Du wirkst ganz verzückt.«

»Bin ich nicht. Ich mache mir nur Gedanken wegen der Sicherheit. Als ich das letzte Mal bei Sotheby's war, war dies hier der Lagerkeller. Ich meine, die Diebe mal außer Acht gelassen, aber was passiert, wenn jemand auf einen Rembrandt niest?«

»Ich weiß nicht, welche Vorkehrungen getroffen wurden. Soll ich mal anfragen, ob wir mit dem Direktor sprechen können?«

Sie war sich nicht sicher, ob er sich über sie lustig machte, aber sie würde sich sicher nicht mit einem Mann zusammensetzen, dessen Geschäft sie über die Jahre ein halbes Dutzend Mal ausgeraubt hatte. »So neugierig bin ich auch wieder nicht. Wann gehen wir nach oben?«

»Die Auktion beginnt in einer Stunde. Ich denke mal, wir haben genug Zeit, um durch die Ausstellungsräume zu gehen, bevor es losgeht.«

»Gut, auf den Teil freue ich mich.«

»Hab ich mir gedacht.«

Einen Moment lang konzentrierte sich Samantha auf das Essen. »Du scheinst wirklich zu glauben, ich hätte vor, hier etwas anzustellen.«

»Du hast ja auch erst eingewilligt, mit mir nach New York zu kommen, als ich die Einladung für heute Abend bekommen habe.«

Okay, es war doch nicht unbemerkt geblieben. »Das ist nicht der einzige Grund. Aber ich muss zugeben, ich bin gespannt darauf, wie es sein wird, als legitimer Gast dabei zu sein – selbst wenn es nur als Rick Addisons Zuckerpüppchen ist.«

»Heute Abend bist du aber ein ziemlich saures Zuckerpüppchen«, stellte er fest. »Ich wünschte, du würdest mir sagen, was du wirklich hast. Irgendwie hat es mit deinem Einkauf heute zu tun, so viel ist klar, aber du bist eine echt harte Nuss.«

»Ich nehme das als Kompliment.« Mit einem tiefen Atemzug legte Samantha Messer und Gabel auf den Tisch. »Also gut, ich weiß nicht, was mich stört. Ich bin nur ganz angespannt, wie in Erwartung auf etwas, obwohl ich doch weiß, dass nichts passieren wird.«

Seine tiefblauen Augen ruhten auf ihr. »Das ergibt Sinn. Du hast ja den Großteil deines Lebens damit verbracht, in Schwierigkeiten zu geraten und dann den Folgen aus dem Weg zu gehen. Und jetzt ...«

»He«, warf sie empört ein. »Das klingt nicht gerade schmeichelhaft.«

»Das ist aber eine Tatsache. Du klaust einen Monet und tust dann alles, um nicht gefasst zu werden. Und nun ist ein wenig Ruhe in dein Leben eingekehrt, und du wartest nur darauf, dass du von deiner Vergangenheit eingeholt wirst.«

»Ich hasse es wirklich, seziert zu werden.«

»Ich will dir nur helfen.«

»Gut, dann hör damit auf. Was mich auch gerade beschäftigt, ich werde mich selbst darum kümmern. Und nicht, indem ich einen Picasso schnappe und damit wegrenne, also mach dir keine Sorgen.«

»Ich mache mir Sorgen, aber nicht deswegen.« Nach diesem Austausch schien es ihr ratsam, ihre Gedanken für sich zu behalten und aufzuessen. Rick hatte offenbar eingesehen, dass bei einem weiteren Wort ein zehn Zentimeter hoher Absatz seine Wade treffen könnte, und war ebenfalls still. Vielleicht achtete sie wirklich zu sehr auf ihre Umgebung, doch daran war nichts auszusetzen. Es war womöglich nicht mehr notwendig, wenn man andererseits bedachte, dass sie in den fünf Monaten, seit sie Rick kannte, beinahe von einer Explosion zerfetzt, ihren Schädel zertrümmert bekommen und zwei Autounfälle gehabt hatte, auf sie geschossen worden war und sie mit mindestens einem der Detectives in Palm Beach per du war, dann schien es doch ratsam, auf der Hut zu sein.

»Nachtisch oder Ausstellung?«, fragte Rick schließlich und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab, auf seine ganz eigene Art, männlich und doch zugleich sinnlich und elegant.

»Ausstellung«, entschied sie, trotz der dekadenten Schokoladenkreationen, die gerade auf einem Tablett vorbeigetragen wurden. Rick stand auf und ging um den Tisch, um ihre Stuhllehne zu halten und ihr beim Aufstehen zu helfen. »Dann lass uns mit der Show beginnen.«

»Yeah!«

Kapitel 3

Dienstag, 20.21 Uhr

»Vermutlich haben wir das dir zu verdanken?«, murmelte Richard, als ihm auf der anderen Seite der Sicherheitsschleuse seine Schlüssel und seine Uhr wieder ausgehändigt wurden.

Direkt hinter ihm nahm Samantha ihre rote Perlenhandtasche vom Tisch. »Wahrscheinlich«, gab sie ebenso leise zurück und hakte sich bei ihm unter. »Die Sicherheitsvorkehrungen scheinen jedes Jahr rigider zu werden. Es hat immer irgendwie Spaß gemacht, im Voraus zu überlegen, auf was sie wohl das nächste Mal kommen würden und was man tun musste, um durchzukommen.«

Als Richard vor zwei Jahren das letzte Mal bei einer Auktion von Sotheby's in London war, waren die Sicherheitsvorkehrungen angemessen bis niedrig, aus Rücksicht auf die Klientel. Hier in New York war als nächste Stufe wahrscheinlich eine Durchsuchung der Körperöffnungen vorgesehen. »Und du bist dir wirklich sicher, dass dich niemand von deinen kleinen Spaßaktionen her erkennen wird?«

Sie schmiegte sich an ihn, und sein Herz begann schneller zu schlagen. »Sie werden mich wahrscheinlich als deine Freundin wiedererkennen, oder sie werden denken, dass sie mich von irgendwoher kennen, aber niemand wird mich hier mit Kunstdiebstählen in Verbindung bringen.«

Sie hatte wirklich Selbstvertrauen – aber nach dem, was er von ihr gesehen hatte und von ihr wusste, hatte sie dazu auch allen Grund. »Also nehme ich dich beim Wort – aber ich werde trotzdem auf der Hut sein.«

Samantha strahlte ihn an. »Zugegeben, es wäre cool, dabei zu sein, wie du alle ablenkst, damit ich entkommen kann.«

»Denk nur dran, nicht ohne mich irgendwo hinzugehen.« Sie liefen an einer aberwitzigen Anzahl an Sicherheitsleuten in Uniform und in Zivil vorbei. Trotzdem hatte Rick seine Zweifel, dass diese Samantha von ihrem Vorhaben abhalten könnten, wenn sie auf Beutezug wäre.

Wer sie nicht kannte, würde glauben, dass sie sich einfach wohlfühlte und den Abend genoss. Auch wenn Rick Letzteres nicht in Zweifel zog, so entging ihm Samanthas wachsamer Blick nicht, mit dem sie jede Kamera, jeden Ausgang und jeden Menschen zwischen ihr und der Straße zur Kenntnis nahm.

Er ließ aber auch nicht außer Acht, dass es Momente gab, in denen ihr Selbstvertrauen übersteigert oder fehl am Platz sein konnte. Rick ging mit ihr in den hinteren Teil des Raumes. Sie setzten sich direkt an den Mittelgang, für Richard stand ihre Sicherheit nun an erster Stelle. Auch wenn ihn diese Aufgabe womöglich von seinen Geschäftsinteressen ablenkte, gehörte sie zugleich zu den aufregendsten Dingen, die er je getan hatte. Für einen Menschen mit seinem Hintergrund und seiner Erfahrung hatte das einiges zu bedeuten.

»Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Name ist Ian Smythe«, begrüßte der dünne, schwarz gekleidete Mann vorne am Podium die Anwesenden, »und ich werde heute Abend die Auktion leiten. Zusätzlich zu den Bietern hier im Saal sind noch zwanzig Telefone und fünf Mailverbindungen für die interessierten Parteien eingerichtet, die heute Abend nicht persönlich anwesend sein können.«

Samantha neigte sich an Ricks Ohr, ihr Atem war warm und betörend. »Oder für die, die ihre Identität vor dem Finanzamt oder vor Einbrechern, die hier im Publikum sitzen könnten, geheim halten wollen«, führte sie aus. Sie genoss das Ganze offensichtlich.

»Psst.«

»Und noch eine Ankündigung«, fuhr der Auktionator fort. »Wir freuen uns sehr, bekannt geben zu können, dass bei der Untersuchung des Gemäldes von Hogarth, welches im Auktionskatalog unter der Nummer 32501 aufgeführt wird, ein zweites Gemälde dieses Künstlers entdeckt wurde, auf demselben Rahmen unter dem ersten Bild aufgespannt. Nach Rücksprache mit den Besitzern freut sich Sotheby's, Ihnen nun mitteilen zu können, dass diese sich entschieden haben, das zweite Gemälde ebenfalls zu verkaufen. In der Pause wird das Gemälde zur Ansicht ausgestellt werden, es wird unter der Nummer 32501A geführt.«

Im ganzen Saal war aufgeregtes Flüstern zu hören, nicht nur für Richard war diese Neuigkeit eine Überraschung. Samantha riss ihm den Auktionskatalog vom Schoß und schlug die entsprechende Seite auf.

»Die Fischfangflotte«, las sie vor und betrachtete das Bild des vertrauten Hogarthgemäldes. »Das ist ja ziemlich bekannt. Weißt du, wer es eingeliefert hat?«

Richard schüttelte den Kopf. »Es hat offensichtlich schon lange nicht mehr den Besitzer gewechselt, sonst hätte man das zweite Gemälde darunter schon vorher entdeckt. Das Sujet einer Fischfangflotte ist allein schon ungewöhnlich – William Hogarth hat sich vorwiegend mit satirischen Gesellschaftsporträts befasst. Dieses Bild ist einfach ... wunderschön.«

»Das ist wirklich erstaunlich«, flüsterte sie und gab ihm den Katalog zurück. »Als ich im Norton Museum als Restauratorin gearbeitet habe ...«

»Dein legitimer Beruf«, warf er mit einem breiten Grinsen ein.

»Ja, einer davon. Jedenfalls entdeckten wir hinter einem Magritte noch eine zweite Leinwand, aber es war eine Kritzelei ohne Unterschrift, als ob sein Kind mit den Farben rumgespielt und er danach die Leinwand nicht abgenommen, sondern einfach eine neue drüber gespannt hätte.«

»So was kommt in seltenen Fällen vor. Wenn ich den Hogarth eingepackt lassen würde bis zur Eröffnung unserer Galerie im Rawley House, dann wäre das eine grandiose Werbung. Er ist schließlich ein englischer Künstler.«

Samantha hob eine Augenbraue. »Bist du nicht etwas voreilig? Du musst es doch erst mal besitzen, bevor du es verwerten kannst.«

Rick nahm ihre Hand und küsste ihre Knöchel. »Wenn es mir gefällt, dann werde ich es kaufen.«

»Hm.« Sie entzog ihm recht unsanft ihre Hand. »Gib nicht so an, Brit. Ich bin hier wegen einer zufälligen gegenseitigen geistigen Verwirrung. Nicht etwa, weil ich dir gehöre.«

Verdammt. Er sollte sich endlich zu Herzen nehmen, dass sie sich nicht durch Macht und Geld beeindrucken ließ. Darauf herumzureiten war wohl eher eine sichere Methode, sie in die Flucht zu schlagen.

»Entschuldige, Samantha«, murmelte er. »Ich wollte nur zeigen, dass du nicht an meiner Entschlossenheit zweifeln solltest.«

Sie schnaubte. »Ach, daran zweifle ich nicht. Du bist schließlich ein entschlossener Typ. Dann biete, ich bin nur der Aussicht wegen hier.«

Ian Smythe ließ nun den Auktionshammer niedersausen und eröffnete die Auktion, Rick musste also nicht beteuern, dass er nie versucht hatte, mit seinem Geld auf sie einzuwirken. Samantha lehnte sich zurück und atmete durch. Rick machte ihr Leben einfach, sicher und bequem. Der Teil von ihr, der ihr ganzes Leben lang über die Schulter hatte spähen müssen, wollte einfach nur in die Daunenkissen einsinken und sich die Satindecke über den Kopf ziehen.