Der Blockadebrecher – Kapitän Dalton vor der amerikanischen Ostküste - Dan Parkinson - E-Book
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Der Blockadebrecher – Kapitän Dalton vor der amerikanischen Ostküste E-Book

Dan Parkinson

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Beschreibung

Für Ehre und Vaterland: Der Seefahrerroman »Der Blockadebrecher – Kapitän Dalton vor der amerikanischen Ostküste« von Dan Parkinson als eBook bei dotbooks. Die Ostküste der Vereinigten Staaten, 1777: Der Unabhängigkeitskrieg der amerikanischen Kolonien gegen das britische Empire steuert auf seinen Höhepunkt zu. Auch wenn der irische Kapitän Patrick Dalton fälschlicherweise des Hochverrats beschuldigt wurde, kämpfen er und seine Crew aus ehemaligen Sträflingen mit ungebrochenem Willen dafür, ihren Ruf wiederherzustellen. Auf seiner ruhmreich errungenen Schnau »Fury« eskortiert er schutzlose Handelsschiffe durch die gefährlichen Gewässer. Doch dann zwingt ihn ein Auftrag auf Kollisionskurs mit der britischen Marine. Der Seefuchs muss eine Entscheidung treffen, die ihm strahlenden Ruhm bescheren kann – oder Tod und Schande … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der nautische Abenteuerroman »Der Blockadebrecher – Kapitän Dalton vor der amerikanischen Ostküste« von Dan Parkinson – der dritte Band seiner Reihe maritimer Romane rund um den tollkühnen Seefuchs Patrick Dalton wird alle Fans von Julian Stockwin und C. S. Forester begeistern! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 502

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Der Wind dreht sich

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Im Namen der Ehre

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Die Rechnung wird beglichen

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Lesetipps

Über dieses Buch:

Die Ostküste der Vereinigten Staaten, 1777: Der Unabhängigkeitskrieg der amerikanischen Kolonien gegen das britische Empire steuert auf seinen Höhepunkt zu. Auch wenn der irische Kapitän Patrick Dalton fälschlicherweise des Hochverrats beschuldigt wurde, kämpfen er und seine Crew aus ehemaligen Sträflingen mit ungebrochenem Willen dafür, ihren Ruf wiederherzustellen. Auf seiner ruhmreich errungenen Schnau »Fury« eskortiert er schutzlose Handelsschiffe durch die gefährlichen Gewässer. Doch dann zwingt ihn ein Auftrag auf Kollisionskurs mit der britischen Marine und der Seefuchs muss eine Entscheidung treffen, die ihm strahlenden Ruhm bescheren kann – oder Tod und Schande …

Über den Autor:

Dan Parkinson (1935–2001) war ein US-amerikanischer Autor, der zahlreiche Romane in den Genres Historischer Roman, Western, Fantasy und Science-Fiction verfasste. Seinen größten Erfolg feierte er mit seiner Reihe sorgfältig recherchierter marinehistorischer Romane über den raffinierten Kapitän Patrick Dalton.

Bei dotbooks erschienen in der »Kapitän Dalton«-Reihe folgende Seefahrerromane:

»Landfall in höchster Not – Kapitän Dalton in amerikanischen Gewässern«, Band 1

»Gefahr längsseits – Kapitän Dalton auf Kurs South Carolina«, Band 2

»Im Kampf mit den Freibeutern – Kapitän Dalton zwischen Florida und den Bahamas«, Band 4

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eBook-Neuausgabe Januar 2022

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1990 unter dem Originaltitel »The Fox and the Flag« bei Pinnacle Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2000 unter dem Titel »Der Blockadebrecher« bei Ullstein

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1990 by Dan Parkinson

Published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY 10018 USA

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2001 by Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Gemäldes von William John Huggins »The Merchant Snow Peru«

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-96655-929-4

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Liebe Leserin, lieber Leser, in diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Dan Parkinson

Der BlockadebrecherKapitän Dalton vor der amerikanischen Ostküste

Roman

Aus dem Amerikanischen von Karin König und Hans Joachim Alpers

dotbooks.

Mein besonderer Dank gilt Fred H. Lake,

Verteidigungsministerium, Whitehall Bibliothek, Naval M3,

und J. C. Andrews, Chefbibliothekar Im Dienste Ihrer Majestät.

Für Harry den Fuchs

Kapitel 1

In einer so klaren Nacht, daß die Sterne über ihnen zu knistern schienen und der Polarstem hell über den rautenförmigen Schatten des Bugspriets strahlte, stand eine Reihe Schiffe vor Nags Head, die mit einem stetigen auflandigen Wind mit eisigem Atem nordwärts strebten. Sechs Schiffe waren es ‒ vier mit Zucker beladene Barken mit übereinandergetürmten Segeln, die hart nach Lee angebraßt waren, um den Wind auf diesem Schlag auszunutzen, eine alte breithüftige Galeone, die kreuzen mußte, um mit ihnen mithalten zu können, und eine hübsche Schnau, die sich, unter hohen, schnellen Segeln schlank und wendig, abseits vom Rest hielt und die Kauffahrer anführte und beschützte, wie ein anmutiger Collie seine Schafe bewacht.

Manchmal drehte sich die Schnau zur Flotte hin, wobei abgeschirmte Laternen Kurs und Lage anzeigten, und hielt die Barken zurück, während die alte Galeone günstigeren Wind suchte, um den Kontakt zum Konvoi nicht zu verlieren.

Große, schweigende Schatten vor den niedrig stehenden Sternen, glitten sie nordwärts und dankten der mondlosen Nacht, die sie vor ihren Feinden verbarg, und den hellen Sternen, die ihnen treu den Kurs anzeigten. Und die Männer auf Wache und an den Steuerrudern und Schoten priesen den Wind, der sie antrieb, und fürchteten den Morgen, der sie sichtbar machen würde, sobald diese Stunden ungehinderter Fahrt vorüber waren. Denn es gab in diesen Gewässern Räuber. Kriegsschiffe agierten vor der amerikanischen Küste als Blockadeschiffe, und unter ihnen gab es auch Fregatten und Kreuzer auf der Jagd nach Prisen.

Die vier Barken und die Galeone waren als Kauffahrer enorm beladen und schwerfällig, schlecht zum Kämpfen und noch schlechter zur Flucht ausgerüstet. Seit dem Verlassen der geschützten Gewässer Savannahs hatten sie zweimal einer Herausforderung standgehalten, obwohl kein Feuerwechsel erfolgt war. Mit ihren großen Segeln und achtzehn Kanonen schnell und todbringend, war die kleine Schnau beide Male herangerauscht und hatte sich gegenüber dem Herausforderer ‒ einmal war es eine Brigg mit dem Union Jack und einmal ein Tory-Kutter ‒ auf angemessene Distanz gebracht. Beide Male hatte sich der Jäger zurückgezogen, um auf leichtere Beute zu warten. In dieser Zeit und in diesen Gewässern würden sich nur wenige Schiffe, die kleiner als eine Fregatte waren, freiwillig auf ein Gefecht mit einer bewaffneten Schnau einlassen.

Auch wenn die Schnau gegen die von ihr eskortierten Barken zwergenhaft wirkte und sogar noch kleiner war als die Galeone, war sie doch ein Kriegsschiff ‒ Fuß für Fuß und Tonne für Tonne das todbringendste Schiff ihrer Zeit.

Sie hielt ihren Konvoi wie ein schnelles, dunkles Raubtier zusammen, hier und dort mit dem Wind tanzend, der die Barken sich schwerfällig fortbewegen und die Galeone manchmal störrisch werden ließ. Mit den vielen großen, beweglichen Segeln an zwei in der Kielsohle fest eingesetzten Masten und einem Schnaumast genügte das kleine Kriegsschiff seinen Aufgaben als ein dahinstürmender, kreisender Schild, und alle anderen hatten gelernt, auf die Signale der Schnau zu reagieren. Die erste Lektion war schon nach wenigen Stunden auf See erfolgt, als der Navigator der den Konvoi anführenden Bark sich entschieden hatte, seinen Kurs selbst festzusetzen. Die Schnau, deren junger Kapitän schwermütig auf seinem Achterdeck stand, war das abweichende Handelsschiff unverzüglich angegangen und hatte ihm einen Schuß vor seinen Bug gesetzt, der die Stage schwirren ließ.

Als er damit endlich die volle Aufmerksamkeit hatte, sorgte der Kapitän der Schnau durch Flaggensignale dafür, daß es keinen Zweifel an seinen Absichten geben konnte. Alle ohne Ausnahme würden zukünftig den Anweisungen ohne Zögern folgen. Andernfalls würde die Schnau den Widerspenstigen eher selbst versenken, als ihn irgendeinem Kaperer als Prise zu überlassen.

Die Kapitäne der fünf Frachtschiffe hatten zunächst gezürnt und gegrollt, die kühne Eskorte mit unheilverkündenden Blicken bedacht und im Geiste die Anklagen vorgemerkt, die sie gegen den Emporkömmling führen würden, wenn sie erst sicher angekommen wären. Aber im Moment folgten sie den Befehlen und hielten ihren Konvoi zusammen.

Alle Kapitäne waren einer nach dem anderen dem jungen Seemann in Savannah, in einem Haus an der Front Street, vorgestellt worden. Sie hatten sich dort versammelt, um die Befehle ihres Agenten, des Virginiers Ian McCall, entgegenzunehmen, die ihnen von dessen Sekretär übermittelt wurden.

»Gentlemen«, hatte der Sekretär gesagt, »darf ich Ihnen Ihre Eskorte vorstellen ‒ Kapitän Patrick Dalton von der Schnau Fury. Commander Dalton, ich möchte Ihnen Kapitän Isaiah Poole von der Bark Indies Lane vorstellen, Kapitän Harkin Webster von der Galeone Hispania, Kapitän Porter Hennesey von der Bark Fair Winds …«

Alle schüttelten die feste Hand des großen jungen Mannes, dessen Gefechtskünsten sie ihre Reise und möglicherweise auch ihr Leben anvertrauten. Er ist noch jung, stellten sie fest. Kaum älter als dreißig. Und doch schimmerte in seinen Augen eine möglicherweise über sein Alter hinausreichende, zurückhaltende Weisheit. Ein Ire ‒ wie einer oder zwei der Männer erkannten ‒ mit dichtem schwarzen Haar, einer von Sonne und Wind geröteten Gesichtshaut, leicht getönt wie die blassen, schmutzig-dunklen Gesichter seiner keltischen Vorfahren. Sie registrierten diese Dinge, und sie registrierten die Stiefel, die er trug ‒ keine Schnallenschuhe, wie allgemein üblich, sondern Stiefel eines Grenadiers, die fast bis zu den Bündchen seiner weißen Kniehose reichten. Auf seiner blauen Jacke war keinerlei Verzierung zu sehen, obwohl die Jacke mit ihren weißen Revers und Ärmelaufschlägen dem Stil der Royal Navy glich. Sein Haar war im Nacken zu einem einfachen Zopf zusammengebunden, und er trug weder einen Hut, noch hatte er einen bei sich. An seiner Hüfte hing ein gebogener Säbel, den er mit der Gelassenheit eines Menschen trug, der solche Dinge zu benutzen weiß.

»Eine Eskorte?« polterte Kapitän Poole. »Ein Schiff, um fünf Frachtschiffe zu eskortieren? Welche Art Schiff ist es, Sir? Und unter welcher Flagge laufen Sie?«

»Mein Schiff heißt Fury«, antwortete der junge Mann ernst. »Sie ist eine Schnau, und unter welcher Flagge ich fahre, ist allein meine Angelegenheit und nicht Ihre.«

»Darf man vielleicht fragen, wie viele Kanonen Sie an Bord haben?« fauchte Kapitän Webster, durch die schroffe Antwort des jüngeren Mannes gekränkt.

»Genug, um Ihre Galeone sicher nach Chesapeake zu geleiten«, belehrte Dalton ihn, »und um diese anderen Gentlemen rechtzeitig nach Portsmouth zu bringen, vorausgesetzt, daß Sie unter Segeln alle meine Anweisungen befolgen. Ich versichere Ihnen, Gentlemen, daß ich weder die Geduld noch die Neigung besitze, Unbotmäßigkeiten zu tolerieren.«

Es war eine Feststellung, die jedermann auffassen konnte, wie er wollte ‒ als Affront oder einfach als Tatsache. Etwas an der Art des jungen Iren ließ es angeraten sein, es auf letztere Art zu nehmen.

Poole wurmte es dennoch. »Ich würde mir diese Schnau gern ansehen, bevor wir auslaufen«, sagte er.

Dalton schüttelte den Kopf. »Die Schnau gehört mir, Sir. Sie steht Besuchern nicht offen.« Damit wandte er sich um, nickte Ian McCalls Sekretär zu und sagte: »Ich habe gehört, daß alle Ladung an Bord gebracht wurde und alle Schilfe segelbereit sind. Bitte lassen Sie diese Gentlemen auf mein Signal beim ersten Tageslicht mit der Tide auslaufen. Guten Tag, Gentlemen.«

Er ließ die Männer mit der offenen Frage zurück, was für eine Art Eskorte sie gegen nördlich wartende Kriegsschiffe und Freibeuter begleitete. Sie erfuhren es jedoch nur allzu bald, und als sie in den sternendunklen Stunden einer verhangenen Nacht vor Nags Head standen, hielt der kleine Konvoi mit steten fünf Knoten auf Chesapeake zu.

Beim Klang von sieben Glasen der Mittelwache ‒ dreißig Minuten nach drei in den Morgenstunden ‒ erwachte Patrick Dalton in der kleinen Steuerbordkajüte der Fury. Er schloß die Klappen der kleinen Galerie über seiner Koje, zündete mit einem Feuerstein eine Kerze an und benutzte dann wiederum die Kerze, um einen Lampendocht anzuzünden. Er nahm die Lampe, öffnete die niedrige Tür und bückte sich, um in den Korridor hinauszuspähen ‒ ein beengter, kopfhoher Raum, der die Kombüse und die Vorratsräume von den beiden Heckkajüten und dem dazwischenliegenden Ruderholer voneinander trennte. Dalton hob seine Lampe an.

»Mister Caster?«

Am Süll der Backbordkajüte regte sich eine in eine Decke gehüllte Gestalt und setzte sich dann auf, eine Enterpistole auf Dalton gerichtet. Dann wurde sie wieder gesenkt.

»Aye, Sir«, antwortete der Junge und rieb sich den Schlaf aus den Augen.

»Sieben Glasen, Mister Caster. Ist der Koch in seiner Kombüse?«

Bevor der Schiffsschreiber antworten konnte, schwang die Tür der Kombüse auf, und einer der Brüder O’Riley ‒ Dalton konnte die beiden meistens nicht voneinander unterscheiden ‒ schaute heraus.

»Aye, Sir. Ich habe gerade das Feuer fürs Frühstück angefacht, Sir.«

»Sehr gut, Mister O’Riley. Ich hätte gern eine Schüssel mit Wasser zum Rasieren und Tee, wenn er fertig ist.«

»Aye, Sir.« O’Riley verschwand in seiner Kombüse.

Billy Caster war aufgestanden und faltete jetzt seine Decke zusammen, nachdem er die Enterpistole hinten in seinen Hosenbund gesteckt hatte.

»Alles ruhig, Mister Caster?«

»Aye, Sir. Recht ruhig.« Der Junge legte seine zusammengefaltete Decke auf eine Griffstange am Schott. »Wie üblich haben es ein paar der neuen Männer geschafft, sich hier herabzuschleichen, Sir. Vermutlich nur, um nachzusehen, ob ich die Ladies hoch immer bewache. Sie haben nur geschaut und sind wieder gegangen.«

»Sehr gut, Mister Caster. Bitte gehen Sie an Deck und teilen Sie Mister Duncan mit, daß ich zur Morgenwache um acht Glasen übernehme. Dann können Sie mir helfen, die Details dieses Morgens zu beurteilen … aber zunächst frühstücken Sie.«

»Aye, Sir.«

Dalton wollte sich schon abwenden, drehte sich aber dann noch einmal um. »Außerdem denke ich, Mister Caster, daß Sie bald wieder in einer richtigen Koje schlafen können. Ich habe beschlossen, die Ladies an Land zu bringen, sobald wir die Chesapeake-Bucht erreicht haben.«

»Aye, Sir. Eh … weiß Miss Constance das, Sir?«

»Ich habe es noch nicht mit ihr erörtert, Mister Caster.«

Als die Schüssel mit Wasser gebracht wurde, rasierte Dalton sich, kämmte sein Haar und band es im Nacken zu einem Zopf zusammen, faltete seine Decken und zog seine Jacke an, eine Jacke, die einst ‒ erst kürzlich ‒ die Tresse eines Lieutenants der Navy Seiner Majestät und die Knöpfe eines Ersten Offiziers eines Schiffs der Krone geziert hatten. Jetzt war es nur mehr eine blaue Jacke mit weißer Verzierung. Aufgrund seiner Bekanntschaft mit Fitzgerald, dem Fitzgerald, dem grimmigen alten Häuptling eines aufrührerischen Klans, des Verrats beschuldigt, hatte Patrick Dalton seinen achtundzwanzigsten Geburtstag als Flüchtling in vom Krieg gestörten Gewässern verbracht. Da er wegen seiner irischen Abstammung nicht nach England zurückkehren konnte, um sich den Vorwürfen gegen ihn zu stellen, und nicht bereit war, das Los ‒ wie einige andere es getan hatten ‒ einer anwachsenden Meute von rebellischen Siedlern in den amerikanischen Kolonien zu teilen, trug Dalton die Jacke jetzt einzig der Wärme wegen als Schutz vor der späten Herbstkälte. Es war nur eine Jacke, und er war nur ein Mann auf der Flucht und nicht mehr. Fury, die stolze Schnau unter seinem Kommando, war ein gestohlenes Schiff. Spanische Piraten hatten sie dem Kapitän eines amerikanischen Handelsschiffs abgenommen, und Dalton und seine Männer hatten sie wiederum den Piraten abgenommen. Er hatte nicht die Absicht, sie Ian McCall, dem Händler, der sie als Kaperschiff ausgerüstet hatte, zurückzuerstatten. Und doch fühlte er sich dem Mann gegenüber verpflichtet, der solch ein Schiff verloren hatte, und revanchierte sich in gewisser Weise, indem er als Eskorte für den Konvoi von Handelsschiffen diente. Er wäre nicht dazu verpflichtet gewesen, aber es erleichterte sein Gewissen.

Der in der Kombüse diensthabende O’Riley brachte Tee, und Dalton trank, während er noch einmal die Tagesbelange durchdachte. Dann ging er mit geschlossener Jacke und dem Säbel in der Scheide an Deck. Es war noch dunkel. Nur eine abgeschirmte Laterne an der Heckreling spendete Licht, aber der Gesang des Meeres und des Schiffes erzählten Dalton, was anlag. Mit Klüver und Besan und einem hart angebraßten einzelnen Rahsegel am Großmast schlich die Fury durch die dunklen Stunden und hielt ihre Herde zusammen.

Er blieb einen Moment ruhig neben der Leiter stehen und lauschte nur, während sich seine Augen an das Sternenlicht gewöhnten. Unmittelbar hinter dem Großmast mit seinem hart angeholten Großsegel summte der große Besan leise zwischen seiner hohen Gaffel und seinem Baum, nahm den stetigen Wind über die Steuerbordreling auf und trieb das Schiff sechzig Grad zum Wind voran, das Großsegel unmittelbar dahinter leewärts getrimmt, so daß der Abstand zwischen Segeltuch und Segeltuch über der Backbordseite knapp sechs Fuß betrug.

Vorne, weit oben auf dem sanft geschwungenen Batteriedeck, ragte der Fockmast steil auf, dessen Segel wie dunkle Girlanden hoch oben an seinen Rahen gerefft waren, und dahinter stiegen die dreifachen Fledermausflügel der Stagfock, des Klüvers und des Außenklüvers auf, deren als Silhouetten abgebildete Schatten wie Kathedralenspitzen emporstrebten. Die Fury schlich mit diesen wenigen Segeln ‒ nur fünf der elf Arbeits- und der vierzehn zusätzlichen Segel, die zu tragen sie gebaut war ‒ auf ihrem Kurs dahin, und dennoch schien sie sich bei der schwerfälligen Fahrt anzustrengen. Die Notwendigkeit, sich in den dunklen Stunden an das Tempo ihrer zu eskortierenden Schiffe anzupassen, sie nicht zu verlieren oder am Morgen zu weit von ihnen entfernt zu sein, war für die wendige Schnau eine schwere Bürde. Wie ein vor den Pflug gespanntes Rennpferd, dachte Dalton, gezüchtet, um zu laufen, fast zu fliegen, aber durch die Umstände zum Kriechen gezwungen.

Er seufzte und schlug den Kragen gegen die Kälte der Herbstwinde hoch. An der Heckreling regte sich ein Schatten, eine Hand machte sich kurz an der abgedeckten Laterne zu schaffen, um das Halbstundenglas auf seinem Sockel zu beleuchten, das dann in dem trüben Licht umgedreht wurde. Dann wurde die Lampe wieder abgedeckt, und der Seemann läutete die Schiffsglocke: einmal, zweimal, dreimal und noch ein viertes Mal.

Als der achte Schlag erklang, trat Dalton nach achtem, wo Charley Duncan am Ruder wartete. Sie grüßten einander kurz, und Dalton sagte: »Acht Glasen, Mister Duncan. Ende der Mittelwache.«

»Aye, Sir.« Duncan trat beiseite, er war ein Schatten vor dem Dunst der Kimm. »Die Wache gehört Ihnen, Sir. Unser Kurs ist ein Strich Nord zu West, stetiger Wind nach Schätzung bei zwanzig bis zweiundzwanzig, nach Logge laufen wir knapp fünf Knoten, der Konvoi ist backbords achterlich und antwortet jede halbe Stunde, obwohl die Galeone um sieben Glasen ein wenig zu spät dran war, Sir.«

»Haben Sie die Wache eingetragen, Mister Duncan?«

»Aye, Sir. Mister Jackson hat eine gute Handschrift, so daß er das übernommen hat.«

»Gut. Mister Caster wird gleich an Deck sein. Bitten Sie Mister Jackson, ihm das Logbuch zu übergeben, und dann können Sie Ihre Männer zum Frühstück unter Deck bringen. Aber halten Sie sie von der Kajüte der Ladies fern. Einige der neuen Männer sind in ihrer Neugier noch immer ein wenig forsch.«

»Aye, Sir.« Duncan wandte sich ab, drehte sich aber dann noch einmal um. »Äh, Käpt’n, es hat einiges Murren gegeben. Wegen der Ladies, meine ich.«

»Ich weiß von dem Murren, Mister Duncan. Die Männer sind es nicht gewohnt ‒ zumindest die neuen nicht ‒, Ladies an Bord eines Kriegsschiffes zu haben. Einige vertreten wahrscheinlich die Ansicht, daß das Pech bringt.«

»Nicht nur das, Sir. Auch Unannehmlichkeiten. Wir haben unter der Back zu wenig Platz für Hängematten, und die Männer klagen darüber, keinen Zugang zu den Relinge des Niedergangs zu haben, wo die Freiwache schlafen könnte. Es wird kühler, und sie fürchten, sie könnten sich erkälten.«

»Wir werden bald genug Schlafraum haben, Mister Duncan. Ich beabsichtige, die Ladies in Chesapeake an Land zu bringen, wo wir Kapitän Webster und seine Galeone abliefern werden. Ich hoffe auch, einige weitere Matrosen bekommen zu können, damit wir unsere Mannschaft in sechs Wachen einteilen können. Wir haben bisher Glück gehabt, aber ich würde nicht gern mit zu wenigen Männern mit der Fury in einen Kampf müssen.«

»Aye, es wäre tröstlich, alle Posten besetzen zu können«, stimmte Duncan ihm zu. Dann hielt er inne, und Dalton konnte trotz der Dunkelheit erkennen, wie er die Augenbrauen wölbte. »Äh … was die Absicht betrifft, die Ladies an Land zu bringen … Weiß Miss Constance, daß Sie das Vorhaben, Sir?«

»Sie wird es erfahren, wenn ich es ihr zu erzählen beschließe, Mister Duncan.«

»Aye, Sir.« Duncan klang erleichtert. »Dann werden Sie selbst mit ihr sprechen.«

»So ist es.«

»Aye, Sir. Dafür bin ich dankbar.«

»Dankbar, Mister Duncan?«

»Daß Sie es tun und nicht ich das übernehmen muß, Käpt’n.«

Als sein Erster Offizier gegangen war, übertrug Dalton der Morgenwache ihre Aufgaben, wobei John Tidy als Bootsmann die Befehle mit Stimme und Pfeife weitergab. Achtunddreißig Offiziere und Männer bildeten die Besatzung der Fury ‒ keine vollständige Dienstliste für ein Schiff, das, wenn es der Anlaß erforderte, fünfundzwanzig Segel setzen konnte und mit achtzehn Kanonen als Seitenbatterien sowie Bug- und Heckgeschützen bestückt war. Dalton hätte gerne neunzig Mann gehabt ‒ bei jeder der sechs Wachen fünfzehn Mann auf den Stationen. Sechs Deckoffiziere, sechs Bootsleute, mindestens dreißig Vollmatrosen für die Topps und Schoten, ein Dutzend fähige Stückführer und ein weiteres Dutzend Hilfskanoniere, Zimmerleute und Segelmacher sowie genügend Leichtmatrosen, um die Dienstliste zu füllen… Sein Gesicht verzog sich in der Dunkelheit zu einem grimmigen Lächeln. Royal-Navy-Ausbildung, erinnerte er sich. Ich würde ein Schiff genauso bemannen, wie ein Schiff der Krone bemannt werden sollte, obwohl sich natürlich nicht einmal eines von fünfzig Kriegsschiffen Seiner Majestät solch einer perfekten Dienstliste rühmen kann. Den gegenwärtigen Feindseligkeiten sei Dank, daß ich überhaupt eine Mannschaft habe, und denselben Feindseligkeiten sei Dank, daß ich ein Schiff unter meinen Sohlen habe…

Aber andererseits, sagte Dalton sich, wäre ich ohne die Revolten in den Kolonien niemals zum Flüchtling geworden. Die Anschuldigung des Verrats wäre vielleicht, unter welchen Umständen auch immer, formell erhoben worden, aber ich hätte vermutlich die Möglichkeit gehabt, nach Hause zu fahren und die Anschuldigungen vor einem Gericht der Admiralität zu entkräften.

Die Schatten der Ausgucks der Mittelwache schwärmten von oben herab, und Dalton kehrte zu den gegenwärtigen Belangen zurück.

»Ausgucks aufentem«, rief er. »An Fock- und Großmast.«

»Ausgucks aufentem«, echote die Stimme des Bootsmanns.

Seine Pfeife schrillte ihren Ruf hinaus, und neue Ausgucks schwangen sich auf den Wanten auswärts, um hinaufzusteigen, klammerten sich an die Webeleinen, wie sich dunkle Spinnen an große Spinnennetze klammem.

»Signalisieren Sie dem Konvoi«, rief er. »Einen Strich nach Backbord und trimmen. Und weisen Sie die Galeone an, nicht mehr zurückzubleiben und querab zu kommen.«

»Aye, Sir.«

Eine abgedunkelte Laterne auf dem Vordeck blinkte ihre Botschaften in den dunklen Morgen, und Dalton beobachtete, wie die Signale westlich von ihnen beantwortet wurden. Danach konnte er die Lage aller Kauffahrer ausmachen, für die er die Verantwortung trug. Die Barken waren an ihrem Platz, alle genau dwars an Backbord und in guter Sichtweite. Die Galeone, ein veraltetes und schwerfälliges Schiff, lag eine halbe Meile zurück, unmittelbar achtem der Fury. Noch während sie das Signal beantwortete, sah Dalton sie nach Backbord drehen und die leichte Kursänderung nutzen, um einen langen Schlag zu beginnen, der sie wieder längsseits der beständiger segelnden Barken bringen würde. Er schätzte Wind und Kurs ab und runzelte die Stirn. Sie würde querab kommen, gut, aber sie würde Meilen östlich des Konvois stehen, wenn sie diesen günstigen Schlag beendet hätte. Und dann würde sie, wenn sie wieder, gegen den Wind ankämpfend, in Position gelangte, erneut achtem Zurückbleiben.

Die Versuche, die schnellen Barken zurückzuhalten, um sich der Galeone anzupassen, hatten an Daltons Nerven zu zerren begonnen … fast ebenso wie die Bemühung, die tanzende Schnau der Geschwindigkeit der Barken anzupassen. Dalton schaute erneut zu der Galeone zurück und blinzelte. Er rieb sich die Augen, schritt zur Backbordreling, lehnte sich dagegen und versuchte, die Morgendunkelheit zu durchdringen. Dann wandte er sich um und legte den Kopf zurück.

»Ausguck! Achtung!«

»Aye, Sir«, schwebten die Stimmen von oben herab.

»Achterlich als querab an Backbord, weit draußen! Was können Sie da erkennen?«

Schweigen von oben, während ausgeruhte Männer in den Topps über dunkle Entfernungen spähten. Dann: »An Deck, Sir. Ich sehe gar nichts.«

»Nun, halten Sie weiter Ausschau!«

Billy Caster war an Deck gekommen und stand jetzt neben seinem Kapitän, seine jugendliche Stimme von Sorge durchdrungen. »Ist etwas nicht in Ordnung, Sir?«

»Etwas ist absolut nicht in Ordnung, Mister Caster. Ich glaube, ich habe dort drüben tanzende Lichter gesehen, genau da, wo die Galeone hinlaufen wird.«

Kapitel 2

Eine halbe Stunde verging ‒ eine Drehung des Glases bevor Daltons Verdacht bestätigt wurde. Die Stimme von oben trieb aus sternenbeleuchteten Höhen herab: »An Deck!«

Dalton blickte aufwärts und erkannte, daß die Stimme vom Großtopp kam.

Billy Caster sagte neben ihm: »Das ist Mister Geary, Sir. Mister Unser befindet sich im Fockmast.«

Dalton wölbte die Hände vor den Mund. »Meldung, Mister Geary!«

»Ich kann Lichter ausmachen, Sir. Recht querab an Backbord, auf unserem Kurs. Eins und zwei, gerade in Sichtweite.«

Eins und zwei. Vorschiffs- und Hecklaternen eines Kreuzers. Also kein Kauffahrer, sondern ein Kriegsschiff, das an ihrer Westflanke nordwärts lief. Möglicherweise eine Fregatte, welche die Küste hinaufsegelte, um sich Admiral Howes Blockadeflotte auf dem Delaware anzuschließen. Hatte man von dort den Konvoi gesehen? Unwahrscheinlich, jetzt noch nicht. Aber letztlich war es unvermeidlich. Harkin Websters Schlag nach Osten würde die alte Hispania beim ersten Morgenlicht weit nach Westen führen ‒ eine Ente im Wasser, die man leicht unter die großen Kanonen bringen und als Prise beanspruchen konnte.

Dalton traf seine Entscheidung. »Signalisieren Sie bitte, Mister Tidy. Weisen Sie die vier Barken an, die Formation in Linie beizubehalten und mit Ausgucks im Fockmast weiterzulaufen. Sie sollen Kurs halten und unsere Rückkehr abwarten, es sei denn, sie entdecken voraus Schiffe, in welchem Falle sie nach eigenem Gutdünken handeln müssen. Aber nur in diesem Falle. Machen Sie das bitte sehr deutlich, Signalgast.«

»Aye, Sir.«

»Decksgasten, klar bei den Schoten, um nach Backbord abzufallen. Mister Mallory, übernehmen Sie das Ruder. Bereithalten, um mit dem Wind voll und bei West zu Nord zu steuern.«

»Aye, Sir.«

»Die Bereitschaftswache an Deck, Mister Tidy. Toppgasten zum Segelsetzen in die Rahen, zuerst das Groß- und die Marssegel, dann klar zum Setzen der Bramsegel.«

»Aye, Sir.«

Die Pfeife schrillte, und die Männer kamen von den vorderen Luken heran, um ihre Plätze einzunehmen. Nur die gerade abgelöste Wache konnte unter Deck bleiben und die kurze Gelegenheit zur Ruhe nutzen, bevor sie wieder an Deck gerufen würde.

Toppgasten schwärmten über die Wanten aus, Decksgasten nahmen ihre Plätze an der Reling und den Nagelbänken ein, und die Fury hallte vor plötzlicher Geschäftigkeit wider. Abgedunkelte Laternen warfen kleine Inseln gedämpften Lichts auf die dunklen Decks und Nagelbänke, die Männer dort in ihrem Schein nur Schatten. Dalton ließ seinen Blick über das geschäftige dunkle Deck vor sich schweifen und sah, welche Schoten bereit waren, angeholt zu werden, um Segel auf den Wind auszurichten. Sein Gehör nahm das Rattern der Fußpferde über ihm wahr, während Toppgasten auf den hohen Rahen auslegten, um die großen Segel aus ihren Zeisingen zu lösen. Er kannte sein Schiff auch in der Dunkelheit, und er spürte das Beben seines rollenden Decks unter den Sohlen, als wäre die Schnau gerade erwacht und strecke nun ihre Muskeln, während sie auf seinen Ruf wartete.

»Heiß Stagsegel«, sagte er.

In der Dunkelheit vor ihm wuchs ein großes, dreieckiges dunkles Segel von seinem Baum empor und flatterte im Wind. Seine Schotleinen spannten sich, und es füllte sich, fügte seinen Schub der Kraft des hinter ihm stehenden Besan- und Großsegels hinzu.

Die Fury drängte vorwärts, nahm Geschwindigkeit auf, und Daltons geübte Ohren schätzten das Garfeln des sich teilenden Wassers an ihrer Bordwand ein. Jetzt sechs Knoten und leicht zunehmend.

»An Deck!«

Er blickte nach oben. »Aye, Mister Geary?«

»Ich kann die Topps der am nächsten stehenden Bark ausmachen, Sir. Wir überholen sie allmählich.«

»Bringen Sie uns herum, Rudergänger. Hart Backbord.«

»Aye, Sir.«

Die Fury legte sich unter dem Winddruck über, und ihr hoher Klüver drehte über den nördlichen Himmel … einen Strich, zwei Strich, drei…

»Recht so, Rudergänger«, sagte Dalton. »Alle Stagsegel an Deck trimmen, Mister Tidy. Gut voll und bei am Wind.«

Schotleinen wurden gelöst und neu getrimmt, und die Fury hielt ihren Kurs, während die Lautstärke des vorbeirauschenden Wassers an ihren Seiten erneut zunahm.

»Signalgast, fordern Sie bitte alle vier Barken auf, ihre Positionslaternen zu zeigen.«

Die Laternenabdeckungen klapperten, und einer nach dem anderen erschienen voraus kleine Lichtfunken, eine abgedunkelte Laterne achtem auf jedem der Kauffahrer des Konvois. Dalton schätzte Lage und Entfernungen ab. Die Fury nahm weiter Geschwindigkeit auf und näherte sich schon der nächstgelegenen Bark, Kapitän Pooles Indies Lane. Jetzt eine falsche Berechnung, dachte Dalton grimmig ironisch, und die Befürchtungen des Mannes hinsichtlich der Eskorte würden durchschlagend bestätigt werden, falls Poole gerammt würde.

Dalton zögerte, ließ die Lücke zwischen der Schnau und der Bark sich weiter schließen und sah, wie die Bark mit ihren fünf Knoten langsam vorausglitt. Ihr einziges Licht wanderte von der einen Seite des Bugspriets der Fury nach recht voraus und dann zur anderen.

»Setzt Segel«, rief er. »Focksegel, Vormarssegel, Großmarssegel.«

Tidys Pfeife schrillte, und Rahen dröhnten über ihnen, als Schothömer gelöst wurden und Blöcke das Gewicht der großen Segel übernahmen, sie in den Wind hinabließen. Die Indies Lane befand sich jetzt eine Kabellänge voraus, aber ihr hohes Heck hatte sich von den Schatten des Vorderstevens der Fury befreit.

»Schoten dichtholen«, befahl Dalton. »Voll und bei trimmen.«

Die Taljen sangen, die Segel brummten, und die Fury schoß vorwärts, während ihr aufschäumendes Kielwasser im Vorüberlaufen das Heck der Bark besprühte.

»Noch etwas, worüber sich Kapitän Poole grämen kann«, bemerkte Billy Caster. »Soll ich es zwecks Entkräftung im Logbuch notieren, Sir?«

Dalton stand bequem, den Blick auf die schwindenden Lichter der übrigen drei Barken gerichtet, die ihm den Weg freimachten.

»Notieren Sie es auf jeden Fall, Mister Caster. Es wird Mister McCall vielleicht amüsieren, sowohl von uns einen vollständigen Reisebericht zu erhalten als auch von unseren Schutzbefohlenen.«

Mittschiffs ließ Cadman Wise, der wachfreie Bootsmann, seitlich ein Lotblei hinab und stellte mit Logscheit und Leine die Geschwindigkeit ab ‒ was in der Dunkelheit einige Übung verlangte. Kurz darauf holte er seine Leine wieder ein und rief: »Beständige zwölf Knoten, Sir.«

»Danke, Mister Wise.«

Dalton spähte voraus. Irgendwo dort draußen befand sich seine schwerfällige Galeone, die auf ihrem Schlag küstenwärts lag und sich der in ihrem Weg befindlichen Kaperer nicht bewußt war. Bei diesem Wind und in diesem Winkel konnte das Schiff vielleicht neun Knoten laufen, und Dalton nahm an, daß es das auch tun würde. Sein Kapitän war, ungeachtet des klobigen Schiffes unter seinen Füßen, ein guter Seemann.

»Klar bei Fock und Großbramsegel«, befahl Dalton. »Klar zum Setzen der Segel, wenn wir die vierte Bark passiert haben.«

»Aye, Sir.«

Die Pfeife schrillte. Die Schnau lief nacheinander achtem an den hoch aufragenden Flecks der Barken vorbei ‒ große, aufragende Schatten vor dem nördlichen Himmel. Als die Schnau an ihnen vorbeigestürmt war, setzten die Barken zusätzliche Segel. Die Fury bekam den Wind steuerbord achterlich, hob ihre Nase an, nahm die Gischt auf und lief, wie ihre Konstrukteure es beabsichtigt hatten. Dalton atmete tief durch, löste bewußt die Anspannung aus seinen Schultern und genoß die Illusion der Freiheit beim Gesang eines hübschen Schiffes in einem guten Wind.

Freiheit. Dalton fragte sich, ob er jemals wirklich wieder ein freier Mann sein würde. Konnte ein Mann ohne Flagge oder Land wirklich frei sein? Oder ein Ehrenmann?

Vor der Achterdeckreling öffnete sich die Luke des Niedergangs, und schwaches Lampenlicht fiel auf eine kleine, auf das offene Deck steigende Gestalt. Dalton unterdrückte bei ihrem Anblick ein Lächeln. Wie klein sie manchmal schien, diese Constance Ramsey … wie sanft und verletzlich in einer harten aufrührerischen Welt, wo sich große Schiffe mit großen Kanonen auf stürmischer See gegenüberstanden… Und wie es Constance kränken würde, daß Dalton sie jemals so einschätzen könnte…

Sie war die Tochter eines respektablen amerikanischen Kaufmanns, der sich nebenbei der Schmuggelei widmete ‒ wie die meisten seinesgleichen. Dalton war ihr an Bord eines schmucken Schoners, der Faith, begegnet. In einer dunklen Nacht waren sie an Bord gekommen ‒ er mit einer Mannschaft aus Flüchtigen aus einem Gefangenenlager und sie mit einer Horde Abenteurer aus den Kolonien ‒, beide entschlossen, das Schiff einzunehmen. Aber aus unterschiedlichen Gründen. Für Patrick Dalton war die Faith ein Mittel zur Flucht aus dem Long Island Fort, wo er von Kopfgeldjägern verfolgt wurde. Für Constance Ramsey war die Faith eine Prise ihres Vaters, von einem Kaperschiff der Krone gestohlen, also eine Prise, die sie um jeden Preis zurückholen wollte.

Sie war feenhaft hübsch und besaß ein feuriges Temperament, dieses ungewöhnliche Mädchen aus den Kolonien, und Dalton gab bereitwillig zu, daß er in seiner gesamten Laufbahn niemals jemanden besser mit einer Kanone hatte umgehen sehen.

Als Constance das Deck betrat, sah sie sich in der Dunkelheit um, erkannte ihn dann und erklomm die vier Stufen zum Achterdeck.

Billy Caster tippte sich an den Hut. »Guten Morgen, Miss Constance. Haben Sie gut geschlafen?«

»Recht gut, danke.« Sie sah sich immer noch um. »Was ist los? Werden wir angegriffen?«

»Der Kapitän glaubt, die Hispania liefe vielleicht in eine Falle, Miss. Wir wollen es uns ansehen.«

»An Deck!«

Dalton hatte sich Constance zugewandt, drehte sich aber jetzt wieder um und spähte aufwärts. »Aye, Mister Geary?«

»Hispania gesichtet, Sir. Vor dem Backbordbug und auf nordöstlichem Kurs. Sie zeigt Fahrtlichter, Sir.«

Dalton nahm sein Fernrohr aus einer Schoßtasche und suchte die dunkle Kimm ab. Kurz darauf sah er die Lichter, die sogar von Deck aus sichtbar waren. Das dreifache Strahlen der in Betrieb befindlichen Laternen der alten Galeone ‒ vom, mittschiffs und achtem ‒ blinkten fröhlich über die Entfernung hinweg.

Dalton schob sein Fernrohr zusammen und fluchte. »Dieser Idiot! Was will er damit erreichen?« Er trat zur Achterdeckreling und schaute blinzelnd aufwärts. »Topp ahoi! Können Sie die unbekannten Lichter ausmachen?«

»Aye, Sir. Noch immer in Sicht, recht voraus, noch immer nordwärts haltend.«

»Also hat er die Hispania noch nicht bemerkt«, murmelte Dalton. »Aber auch wenn er sie bis jetzt noch nicht gesehen hat, wird es nur allzu bald geschehen.«

John Tidy betrat das Orlogdeck unterhalb der Reling. »Soll ich ihm Signal geben lassen, Sir? Etwas im Sinne von: Lassen Sie Ihre verdammte … oh.« Er senkte den Kopf und die Stimme. »Verzeihung, Sir. Ich habe nicht bemerkt, daß die Lady an Deck gekommen ist.«

»Keine Signale«, sagte Dalton. »Das dort drüben ist ein Kreuzer, und er würde unser Signal auch sehen und unsere Lage erkennen.«

»Aber er wird die Lichter der Galeone sehen, Sir.«

»An Deck!«

»Aye, Mister Geary?«

»Das weiter entfernte Schiff hat den Kurs geändert, Sir. Es kreuzt auf und will intervenieren.«

»Danke, Mister Geary. Er hat die Galeone bemerkt, Mister Tidy.«

»An Deck!«

»Aye, Mister Geary?«

»Ich kann das Schiff ausmachen, Sir. Zwei weit oben gesetzte Laternen am Vormast. Es ist eine Fregatte der Krone, Sir.«

Dalton senkte den Kopf. »Heilige Maria«, grollte er.

Das war die Art Albtraum, die ihm stets Sorgen bereitet hatte, die allen Sorgen bereitet hatte, die vor so vielen Monaten auf einem gestohlenen Schoner ausgelaufen waren und nun, durch die Gnade Gottes, noch immer frei und an Bord einer zurückeroberten Schnau waren ‒ um jetzt vor der Wahl zwischen Tod und Ehrlosigkeit zu stehen. Zu wenden und davonzulaufen ‒ wobei sie den trägen Konvoi, für den Dalton verantwortlich war, zurücklassen müßten ‒ wäre ehrlos. Das Feuer auf ein Schiff der Krone zu eröffnen wäre ebenfalls ehrlos. Dalton hatte in seiner Zeit als Flüchtiger auf Schiffe der Krone gefeuert, aber er hatte niemals als erster das Feuer eröffnet. Und doch ‒ eine Fregatte! Doppelt so groß wie die Schnau und mit doppelt so vielen Kanonen! Sich einem solchen Kreuzer zu stellen und nicht den ersten Schuß abzugeben, könnte sehr wohl den Tod bedeuten.

Er wandte sich zu Constance Ramsey um, die noch immer Aufmerksamkeit heischend dastand. »Guten Morgen, Miss Constance. Sie sind zu einem ungünstigen Zeitpunkt an Deck gekommen. Wir haben einige Schwierigkeiten.«

»Das kann ich sehen«, erwiderte sie kühl. »Meinen Sie nicht auch, daß die Zeit gekommen ist, sich zu entscheiden, auf welcher Seite Sie stehen, Patrick?«

Er senkte den Kopf und wandte sich ab, von ihren Worten getroffen. Ihr gegenseitiges Verständnis gestaltete sich häufig mühsam. Daran war seine Situation schuld. Und doch zählte er darauf, daß Verständnis bestand. Kurz darauf trat sie neben ihn und legte ihm eine Hand auf den Arm. Ihre Stimme klang nicht mehr so schneidend.

»Es tut mir leid«, sagte sie. »Das war gedankenlos. Aber, Patrick, wenn das dort draußen tatsächlich eine Fregatte der Krone ist, die es auf uns abgesehen hat ‒ was werden Sie dann tun?«

»Was ich tun muß«, antwortete er ruhig.

»Was Sie tun müssen.«

»Natürlich. Aber nur, wenn ich es tun muß. Manchmal gibt es andere Möglichkeiten.« Er spähte durch die Takelage aufwärts. Er konnte vor dem Himmel vage die dunklen Spieren, Stage und verschiedenen Taljen ausmachen. Zwischen der Großsegelrah und dem gewölbten Vorliek des Großmarssegels unmittelbar darüber konnte er den Umriß Ethan Gearys ausmachen, der auf den Großtoppsalingen kauerte. Der Morgen war klar, und es würde bald hell werden. »Ich denke, Sie sollten jetzt unter Deck gehen, Constance.«

»Ich lasse mich nicht hinabschicken«, stellte sie fest. »Ich fühle mich hier oben weitaus wohler, und ich möchte sehen, was geschieht.«

»Gehen Sie unter Deck, und nehmen Sie Ihr Frühstück ein«, sagte er. »Es wird noch einige Zeit dauern, bis es etwas zu sehen gibt. Mister Duncan!«

»Aye, Sir?« Charley Duncan war an der Luke zum Niedergang erschienen.

»Haben alle Ihre Männer gefrühstückt und befinden sich vom?«

»Aye, Sir. Ich habe sie für eine Weile schlafen geschickt. Brauchen Sie sie?«

»Im Moment nicht, danke. Aber wenn in der Kombüse aufgeklart ist, können Sie Miss Constance und ihre Begleiterin zum Frühstück führen.«

»Aye, Käpt’n. Es wird mir eine Ehre sein.«

Constance zuckte die Achseln und wollte sich abwenden, drehte sich aber dann noch einmal um. »Ich habe mitgehört, was Sie Mister Caster gesagt haben«, sagte sie. »Sie wollen mich in Chesapeake an Land bringen … falls wir dorthin gelangen. Ich muß Ihnen sagen, Patrick, daß ich keinerlei Absicht hege, von diesem Schiff abgesetzt zu werden. Wenn nichts sonst, so bin ich zumindest Mister McCall gegenüber verpflichtet …«

»Dies ist nicht Ian McCalls Schiff, Miss Constance. Es ist meines.«

»Er glaubt doch tatsächlich, es wäre seines«, sagte sie ironisch. »Es wurde ihm von diesen schrecklichen Piraten gestohlen.«

»Und dann habe ich es genommen, falls Sie sich erinnern. Von den Piraten. Ian McCall hat sein Schiff verloren. Ich habe ein Schiff gewonnen, gemäß dem Recht der Zurückeroberung. Es ist ein Vorgang, den Männer wie Ian McCall, aye, und ebenso John Singleton Ramsey meiner Meinung nach verstehen.«

»Auf jeden Fall, Kapitän Dalton, wird es allein meiner Entscheidung überlassen bleiben, ob und wann ich dieses Schiff verlasse. Und jetzt wollen wir nicht mehr darüber reden.«

Mit einem Rascheln ihrer Röcke verschwand sie, um sich von Charley Duncan zum Frühstück begleiten zu lassen. Duncan wartete, den Hut in der Hand, während sie ihm den Niedergang hinab vorausging. Dann wandte er sich dem Achterdeck zu, und Dalton sah Charleys Zähne schimmern, als er grinste. Dalton seufzte. Er war sicher, daß es Zeiten gegeben hatte, in denen sein Leben weniger kompliziert verlaufen war. Er konnte sich nur nicht mehr an den genauen Zeitpunkt erinnern.

Bei zwei Glasen der Morgenwache war schwaches Licht am Himmel zu erkennen, und die Galeone Hispania war von Deck aus sichtbar, ihre schattengleichen Segel ein Doppelhöcker an der Kimm, während sie mit günstigem Wind mit höchstmöglicher Geschwindigkeit westwärts lief.

Sie stand jetzt südlich der Fury, knapp drei Meilen entfernt und backbords achterlich von der Schnau. Vor ihnen hatte sich tiefliegender Morgennebel gebildet und verhüllte die Fregatte, aber Dalton wußte, wo sie stand … fünf, höchstens sechs Meilen entfernt, auf sie zukreuzend, um ihnen den Weg abzuschneiden.

Und wenige Meilen dahinter befand sich die Atlantikküste Nordamerikas, wo an Land um die Kontrolle der Kronkolonien Englands gekämpft wurde.

Früher war das Leben einfacher, dachte Dalton. Wie damals, als er jene Küste das erste Mal gesehen hatte. Er war ein Offizier der Krone gewesen, stellvertretender Kommandant der Kriegsbrigg Seiner Majestät Herrett, die mit der Flotte unter Admiral Lord Richard Howes weißer Flagge segelte. »Black Dick« hatte die Absicht, der schwärenden Rebellion in den Kolonien ein schnelles und leises Ende zu setzen. Er war gescheitert. Aus dem Aufruhr war ein allumfassender Krieg geworden.

Für Dalton waren die Dinge jedoch wirklich einfach. Er hatte seine Pflicht getan und seiner Flagge gedient… und war letztendlich von dieser Flagge schlecht behandelt worden. Als Ire, des Verrats in Kriegszeiten angeklagt, hatte er keine Chance, sich einem Militärgericht zu stellen und seinen Namen reinzuwaschen. Wenn man ihn zu fassen bekäme, würde er einfach in einer Gefängnishulk verrotten.

Wie schnell sich die Dinge ändern konnten…

»An Deck!«

Er schaute nach oben. »Aye, Mister Geary?«

»Ich kann das Schiff erneut ausmachen, Sir. Es ist tatsächlich eine Fregatte, und sie hat die Flagge der Krone gesetzt.«

»Flagge? Sie hat zu dieser Uhrzeit Flaggen gesetzt?«

»Nein, Sir, nicht ihre Flagge. Ich meine … den Wimpel der Weißen Flotte.«

»In welcher Richtung, Mister Geary?«

»Fast recht voraus, Sir. Vielleicht etwas über fünf Meilen.«

»Sehr gut, Mister Geary. Behalten Sie sie genau im Auge. Achtung, Vortopp!«

»Vortopp, Sir.«

»Vortopp, können Sie unsere Barken sehen?«

»Aye, Sir. Gerade so die Topps, hart am Wind und auf Kurs.«

Dalton nickte und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. Es war unwahrscheinlich, daß die Fregatte die Barken gesehen hatte oder sie jetzt sehen konnte. Also verringerte sich das Problem ein wenig, eine träge alte Galeone ‒ und seine Fury ‒ vor Schaden zu bewahren, ohne sich in ein offenes Gefecht mit einer Fregatte einzulassen … einer Fregatte, die seine eigene Flagge führte.

»Haben Sie schon entschieden, was Sie tun werden, Patrick?«

Dalton wandte sich überrascht um. Er hatte Constance nicht aus der Schiffsmesse zurückkehren hören, aber jetzt stand sie neben ihm, im ersten Morgenlicht klein und wunderschön, die großen Augen von einem Hut beschattet, unter dem ihr kastanienbraunes Haar hervorsah. Sie hatte eine Decke gegen die Morgenkälte um sich gewickelt.

»Ich könnte vielleicht einen Versuch wagen«, sagte er zögernd, den Gedanken noch erwägend, während er ihn aussprach. »Der Kapitän der Galeone wird dadurch neue Anklagen gegen mich erheben können, aber es gibt nur eine Chance, wie wir diese Fregatte vielleicht so an der Nase herumführen können, daß sie ihre Pläne heute morgen ändert.«

»Was haben Sie also vor?«

»Ich denke gerade, daß wir vielleicht unmittelbar auf diese Galeone zulaufen und sie angreifen könnten. Mister Caster!«

»Aye, Sir?« Billy war direkt hinter ihm.

»Gehen Sie zur Flaggenkiste, Mister Caster, und setzen Sie den Union Jack. Sobald diese Fregatte gut in Sicht ist, wird die Fury ein Blockadeschiff der Krone werden, das sich ein wenig auf der Jagd befindet. Wir werden sehen, ob der Fregattenkapitän ausreichend Gentleman ist, um die Prise eines anderen anzuerkennen.«

Kapitel 3

Von den bunt zusammengewürfelten ungefähr zwanzig Flüchtigen, die vor einigen Monaten vor den Befestigungen Long Islands auf einem gestohlenen Schoner Segel gesetzt hatten ‒ britische Teerjacken, die aus dem Fort entkommen waren, und eine gute Handvoll Saboteure aus Siedlern, die von einer jungen Frau angeführt wurden ‒, waren jetzt nur noch neun übriggeblieben … zehn, wenn man Constance Ramsey mitrechnete. Viele waren tot, einige an Land gesetzt, sobald die Bedingungen es rechtfertigten, als die Faith geflohen und schließlich zurückgekehrt war und gekämpft hatte. Die Faith war ebenfalls verloren, obwohl Constance gesagt hatte, daß ihr Vater einen weiteren Schoner in Auftrag gegeben hatte, der nach ihrem Vorbild gebaut werden sollte.

Neun Crewmitglieder der Faith, dachte Dalton und spürte die schwere Bürde seiner Verantwortung jenen gegenüber, die ihr Vertrauen in ihn gesetzt hatten.

Damals hatten sie in einer kleinen Bucht in der Chesapeake Bay eine verlassene Ketsch gefunden. Als sie repariert und ausgerüstet war, hatten sie sie Mystery getauft und mit weiteren Flüchtigen aus den vom Krieg zerrissenen Ländern bemannt. Sieben jener Männer waren nach einer albtraumhaften Reise die Küste hinab geblieben, als die Mystery im Austausch für ihre Ausrüstung eine Ladung Küstenbatteriegeschütze beförderte.

Von den Mannschaftsmitgliedern der Faith und der Mystery befanden sich an Bord der Fury ‒ die vor der Küste Carolinas Piraten abgenommen worden war ‒ jetzt noch sechzehn Mann.

Sechzehn bunt zusammengewürfelte Kerle und eine Frau, die kaum mehr als ein Mädchen war. Der Rest der Besatzung bestand aus dem Abschaum aus Wirtshäusern und finsteren Gassen von Charleston bis Savannah. Eine Mischung aus Briten und Kolonisten, waren sie ein seltsamer Haufen, den aber eines verband: Kein einziger Mann würde ‒ oder könnte ‒ eine ehrliche Beschäftigung an Bord irgendeines registrierten Schiffes der Briten oder der Kolonisten annehmen.

Während Patrick Dalton zusah, wie es heller wurde, und seinen Blick angestrengt nach Westen wandte, um die aufkommende Fregatte genau beobachten zu können, verzog er das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. Wo es Krieg gibt, gibt es auch Flüchtlinge, dachte er. Und wie beim Schmuggeln verschafft auch eine findige Flucht in dieser Zeit manch einer Seele Arbeit.

Die Decks der Fury waren jetzt belebt wie auch die Fußpferde über Dalton. Sie war nichts als eine Kriegsschnau, die im ersten Morgenlicht mit ihren Segeln einen guten Wind einfing und leise den Gesang des Meeres mitsummte, während zusammengekauerte Gestalten auf allen Posten auf die Befehle warteten, die darüber entschieden, ob die Besatzung diesen Tag überlebte.

Bei Dalton auf dem kleinen Achterdeck der Fury standen jetzt Charley Duncan, perfekter Vollmatrose und perfekter Dieb, zuletzt Gefangener im Fort Seiner Majestät auf Long Island und jetzt Erster Offizier der Fury; Claude Mallory, ein weiteres früheres Mannschaftsmitglied der Faith, stand am Ruder; Billy Caster fungierte als Schreiber; Mister Hoop ‒ falls er einen Vornamen besaß, hatte ihn noch niemand erfahren ‒, ein großer, finster dreinblickender Mann, dessen Karriere bei der Königlichen Marine irgendwo auf dem Chesapeake geendet hatte, war jetzt Daltons Schiffsprofos; und Constance Ramsey war anwesend aufgrund des Rechts, das man mit Hilfe von Beharrlichkeit durchsetzt.

Wie Dalton versuchten alle durch den hartnäckigen, tiefhängenden Nebel zu blicken, der das Meer in Richtung Westen verhüllte.

»An Deck!«

Der Ruf vom Fockmastausguck klang gedämpft. Cadman Wise nahm den Bericht auf dem Vordeck entgegen und gab ihn nach achtem weiter. Vor der Achterdeckreling wandte sich John Tidy um.

»Mister Unser sagt, unsere Zuckerbarken liegen hart am Wind und halten noch immer Kurs, Sir. Sie werden gleich außer Sicht geraten.«

»Danke, Mister Tidy. Hoffen wir, daß sie nicht beschließen, umzukehren und nachzusehen.«

Die Fury segelte einige lange Minuten still dahin, das einzige Geräusch waren der Gesang ihrer Segel und Takelage und das Summen ihres glatten Rumpfes, der ein langes Kielwasser in das wogende, dunkle Wasser schnitt, das ihre Heimat war.

Dann kam vom Großtopp: »An Deck!«

Dalton hob den Blick. »Aye, Mister Geary?«

»Die Fregatte hat sich auf eine Meile genähert, Sir. Ihre Topps sind deutlich zu sehen, und sie hat uns jetzt bemerkt. Sie heißt gerade die Aufforderung zur Identifikation.«

»Dann werden wir antworten«, sagte Dalton nickend. »Mister Caster, haben Sie unseren Union Jack?«

»Gleich hier, Sir.«

Der Junge zog eine gefaltete Flagge aus seiner Jacke, und Dalton nickte anerkennend. Billy hatte unter den vielen Flaggen in der Flaggenkiste sorgfältig gewählt. Es war nicht die vertraute weiße Kriegsflagge eines Schiffes der dienstenden Flotte, sondern der Grand Union mit den leuchtenden, sich überlappenden Kreuzen. Eine Kriegsflagge hätte bei einem Offizier der Krone vielleicht Verdacht erregt, wenn sie an einem Schiff wehte, das als Schnau so offensichtlich nach amerikanischem Muster gebaut war. Der Grand Union jedoch sagte nichts weiter aus, als daß dies ein Schiff der Krone war.

»Sehr gut«, sagte Dalton. »Heißen Sie sie, bitte.« Er ließ seinen Blick über die bei ihm befindlichen Männer wandern, und sein Gesicht verzog sich zu einem ironischen Lächeln. »Willkommen bei der Royal Navy«, sagte er. »Miss Constance, wollen Sie jetzt unter Deck gehen?«

»Das will ich nicht«, sagte sie tonlos.

Er zuckte die Achseln. »Dann bleiben Sie um Gottes willen zumindest außer Sichtweite der Fernrohre dieser Fregatte. Kein britischer Kapitän würde eine Frau auf seinem Achterdeck dulden.« Noch sonst ein vernünftiger Kapitän, dachte er, aber es würde nichts nützen, das auszusprechen.

Hinter ihnen, an Backbord achteraus, weniger als eine Meile entfernt, trödelte die alte Galeone Hispania auf ihrem küsteneinwärts gerichteten Schlag vorwärts, sich dessen, was vor ihr geschah, selig unbewußt… oder dessen, was geschehen würde.

»Wie sieht es aus, Mister Tidy?«

Dalton konnte jetzt selbst sehen, wo jeder Decksgast Position bezogen hatte, aber die Frage war dennoch mehr als ein Ritual. Ein Kapitän mußte sich auf mehr als nur seine eigenen Augen verlassen, und jene, die mit ihm segelten, mußten wissen, daß er sich auch auf sie verließ.

»Klar zur Wende, Sir.«

»An Deck!«

»Aye, Mister Geary?«

»Die Fregatte kommt aus dem Nebel, Sir. Sie werden ihren Rumpf jeden Moment sehen.«

Der Grand Union stieg über dem Heck der Fury auf und knatterte im Wind, als er sich entfaltete, und sein prunkendes rot-blauweißes Emblem leuchtete sogar noch im schwachen Licht der Dämmerung. Irgendwo voraus würden gerade jetzt Ausgucks hoch oben in den Wanten der Fregatte ihrem Deck berichten.

»Wollen Sie warten, bis er antwortet, Kapitän?«

Charley Duncans Augen schimmerten ebenso hell wie sein rotes Haar. Er zeigte ein barbarisches Grinsen, und Dalton seufzte. Duncan hoffte stets auf das Dröhnen der Kanonen und das metallische Rasseln eines stürmischen Gefechts. Wie üblich brannte er auch jetzt auf einen Kampf.

»Wir brauchen keine Antwort, Mister Duncan. Wir haben uns erklärt, und jetzt müssen wir darauf vertrauen, daß man uns glaubt. Ah!«

Unmittelbar voraus hatte sich der hohe Schatten im abklingenden Nebel materialisiert. Eine Fregatte.

»Klar zur Wende, Mister Tidy.«

»Aye, Sir.«

Die Pfeife schrillte, und das ganze Deck entlang liefen Männer zu den Schoten, Halsen und Brassen, um sie zu lösen und wieder zu befestigen, um große Rahen in den neuen Wind zu drehen.

»Rhe, Rudergänger!«

»Aye, Sir.« Mallory drehte sein Speichenrad, und die Fury reagiert flink. Ihr Ruder biß ins Wasser, während gleichzeitig die neu gesetzten Segel schlugen und knatterten. Sie schien fast in die Wende zu springen, legte sich scharf nach Steuerbord, während die breitgespannten Segel den frischen Wind über ihre Backbordseite aufnahmen, und Dalton spürte die alte Erregung über ein bewegliches Schiff auf bewegter See. Sie war ein Rennpferd, diese Fury … ein Rennpferd und ein Schlachtroß, und sie liebte es, ihre Beine zu strecken und ihre Zähne auszuprobieren.

»Miss Constance, verlassen Sie jetzt bitte das Achterdeck.«

»Ich sagte Ihnen, daß ich …«

»Sie können vom Orlogdeck aus Zusehen, wenn Sie darauf bestehen, aber bleiben Sie um Himmels willen außer Sicht!«

Dieses eine Mal widersprach sie nicht. Als Dalton sich umsah, war sie gegangen. Und doch spürte er ihre Anwesenheit, unmittelbar unterhalb der Reling. Selbst in dieser Situation war er sich ihrer Gegenwart bewußt. Die Fury würde jetzt ein heikles Spiel spielen, und falls es nicht funktionierte, hatte sie die Wahl, entweder davonzulaufen oder standzuhalten und zu kämpfen. Das war die Aufgabe eines Kriegsschiffes und der Besatzung, und doch wog jede Entscheidung durch das Mädchen an Bord schwer. Obwohl sie viel zusammen erlebt hatten, wollte Dalton Constance keinesfalls leichtfertig einer Gefahr aussetzen.

Sie bedeutete ihm viel … weitaus mehr, als er auch nur sich selbst gegenüber zugeben konnte.

Mit einem letzten Blick zu der sich jetzt aus dem Nebel an der Steuerbordseite materialisierenden Fregatte wandte Dalton seine Aufmerksamkeit der Galeone zu, die sich nun auf Abfangkurs dahinschleppte. Das alte Schiff hatte jetzt besten Wind, machte wahrscheinlich acht Knoten und lief nordwestlich. Dalton nahm sein Fernrohr und schaute hindurch. Er sah ihm zugewandte bleiche Gesichter und konnte fast die bestürzte Überraschung über die Flagge, die ihre vertraute Eskorte jetzt zeigte, erkennen.

Er hob sein Fernrohr an. In den stumpfen Topps der Galeone beugte sich der Ausguck aus dem altmodischen Krähennest. Er deutete voraus, blickte dann hinab und wölbte eine Hand zum Ruf vor den Mund.

Ich habe Harkin Webster immer für einen guten Seemann gehalten, dachte Dalton. Jetzt werden wir sehen, wie er sich verhält. Er sieht zwei feindliche Flaggen. Wird er das verstehen?

»Welche Stückführer befinden sich an den Buggeschützen, Mister Tidy?« fragte er.

»Mister Crosby und Mister Pugh, Sir.«

Dalton wandte sich an Duncan. »Würden Sie wohl die Honneurs auf dem Geschützdeck machen, Mister Duncan?«

»Aye, Sir!« Duncan grinste und grüßte zackig.

»Bitte bewahren Sie Ihren Enthusiasmus, Mister Duncan. Denken Sie daran ‒ die Galeone ist nicht unser Feind. Ich möchte nur den Anschein erwecken.«

»Sir, ich würde nicht …«

»Dessen bin ich sicher, Mister Duncan. Ich würde nur ungern erklären müssen, warum wir ein Schiff unseres eigenen Konvois versenkt haben.«

Ein um einiges ernsterer Charley Duncan eilte nach vom, um das Kommando über die Kanonen zu übernehmen, und seine Stimme hallte bis zum Heck: »Alle Kanonen einrennen! Zündlochdeckel auf, und klar bei Zündpulver! Ausrennen und klarhalten! Mister Pugh und Mister Crosby, auf ein Wort, bitte!«

»Signalgast«, Dalton wandte sich ab, »rufen Sie die Galeone dort drüben an und bitten Sie sie, Flagge zu zeigen.«

»Aye, Sir.«

Es wurde signalisiert, und kurz darauf heißte die Hispania ihre Handelsflagge und die Hausflagge ihres Agenten. Dalton sah sich nach der jetzt deutlich sichtbaren Fregatte um und hoffte, daß der Mann auf ihrem Achterdeck die Vorgänge beobachtete.

»Signalgast«, sagte er, »signalisieren Sie der Galeone, sie soll in den Wind drehen und ihre Flaggen streichen. Sagen Sie ihr, sie soll sich bereithalten, ein Enterkommando an Bord zu nehmen.«

»Aye, Sir.«

Spielen Sie Ihre Rolle gut, Webster, wünschte sich Dalton. Seine Schultern hatten sich erneut angespannt, fast als hätte die Fregatte ihre Kanonen in Stellung gebracht. Er schaute rasch zur Seite. Die Fregatte hatte eine halbe Meile entfernt ihren Kurs geändert, hatte ihren Vordersteven ungefähr einen Strich nordwärts gebracht. Sie liegt bei, um abzuwarten, was als nächstes geschieht, dachte Dalton. Ein vorsichtiger Mann! Er ist nicht bereit, etwas nach erstem Anschein zu glauben.

»Die Galeone streicht ihre Flaggen nicht, Sir«, sagte Billy Caster. »Sehen Sie, sie dreht nach Backbord, um zu entwischen.«

»Achtung, Bramsegel vorn und hinten!« befahl Dalton. »Schoten dicht und trimmen!«

Tidys Pfeife schrillte. Hoch über ihnen wurden Geien gelöst, und die Bramsegel sanken von ihren Rahen herab. Die Schoten wurden festgezurrt, und der Gesang der Fury wurde lauter, als die zusätzlichen Segel den Wind aufnahmen. Sie legte sich stärker nach Backbord über und nahm Gischtwolken über ihren Bug, während ihr schlankes Vorschiff durch die rollende See schnitt.

An der Mittschiffsreling rief jemand: »Vierzehn Knoten und zunehmend!«

»Rudergänger, etwas nach Backbord aufkommen«, befahl Dalton. »Kreuzen Sie seinen Kurs und zwingen Sie ihn zu drehen.«

»Aye, Sir.«

Die Fury schloß wie ein Jagdhund auf Beutefang zu der schwerfälligen Galeone auf. In drei Kabellängen Entfernung konnten die Männer die hektische Betriebsamkeit auf dem Deck der Hispania sehen.

»Entweder versteht er sehr gut«, murrte Dalton, »oder er versteht überhaupt nichts.«

Plötzlich wallte Rauch von der Steuerbordseite der Galeone auf, und das gewaltige Dröhnen zweier Kanonen wurde vom, Wind herangetragen. Eine Sekunde darauf schlugen Eisenkugeln aufs Wasser auf, eine zu kurz gehend und die zweite unmittelbar unter dem Bugspriet der Schnau.

»Einen Fuß höher, und er hätte unseren Stampfstock gekappt«, keuchte jemand.

»Mister Tidy, geben Sie an Mister Duncan weiter, daß er nach Belieben feuern kann«, befahl Dalton rauh.

Der Befehl wurde nach vom weitergegeben, und die Stückführer knieten im Bug an ihren Richtkeilen. Die beiden Buggeschütze dröhnten. Eine Kugel pfiff über den Bug der Galeone hinweg, und ein Loch eröffnete sich inmitten ihres gedrungenen Steuersegels unmittelbar über dem Heckkastell. Dalton grinste.

»Wiederholen Sie die Signale an die Galeone«, sagte er.

Die Flaggen wurden herabgelassen und erneut aufgezogen, eine Aufforderung, daß das alte Schiff die Flaggen streichen sollte.

»Jetzt, Mister Webster«, murmelte Dalton.

Wie als Antwort auf seine Bemerkung, drehte die Galeone flink in den Wind, und ihre Segel erschlafften. Ihre Handelsflagge sank langsam herab, und die Hispania lag besiegt da, manövrierunfähig und zum Entern bereit. Dalton sah sich um. Die Fregatte stand noch immer eine knappe halbe Meile entfernt und beobachtete nur.

Dalton machte Victory Locke, der in der Nähe der Backborddavits stand, kurz ein Zeichen. »Mister Locke, mustern Sie bitte eine geeignete Entermannschaft.«

»Aye, Sir. Äh, was sollen wir tun, nachdem wir sie geentert haben, Sir?«

»Entern Sie sie einfach so, als nähmen Sie auf See eine Prise, Mister Locke. Lassen Sie es so wirken, als meinten wir es ernst.«

»Aye, Sir. Äh … meinen wir es nicht ernst, Sir?«

Dalton seufzte. »Mister Caster, gehen Sie bitte nach mittschiffs und erklären Sie Mister Locke, was wir hier zu erreichen versuchen. Oder noch besser sollten Sie, glaube ich, mit ihm auf die Galeone gehen. Meine Empfehlung an Kapitän Webster, und bitte richten Sie ihm aus, mir hier seine Aufwartung zu machen. Ich möchte gern mit ihm sprechen, wenn dies alles vorbei ist.«

»Aye, Sir. Aber es scheint noch nicht vorbei zu sein, Sir. Die Fregatte steht noch immer dort drüben und beobachtet jede unserer Bewegungen.«

»Dann sollten wir sie auffordern, sich nützlich zu machen«, schnaubte Dalton. »Signalgast, signalisieren Sie der Fregatte dort drüben: Meine Empfehlung, und ich fordere, daß sie sich bereithält, als Teil einer Eskorte für ein Prisenschiff zur Registrierung für die Krone zu fungieren.«

»Aye, Sir.«

Ein Hut erschien unterhalb der Achterdeckreling, Constance Ramsey verließ das Orlogdeck und ging auf das Backbordschanzkleid zu, um der Ausrüstung der Entermannschaft zuzusehen.

Dalton fluchte leise. »Miss Constance! Gehen Sie wieder außer Sicht!«

Sie wandte sich um, schlug sich eine Hand vor den Mund, sagte »Oh« und eilte wieder in Deckung.

»Mister Tidy, bitte sagen Sie Mister Duncan, daß ich ihn achtem brauche.«

»Aye, Sir. Mister Duncan! Der Käpt’n braucht Sie achtem!«

»Danke, Mister Tidy.«

»Keine Ursache, Sir.«

Als Duncan nach achtem kam, gab Dalton ihm Anweisungen, bei denen die Teerjacke die Augen aufriß. Dann schickte er den Mann los und rief in den Großtopp: »Mister Geary!«

»Aye, Sir?«

»Besteht die Möglichkeit, daß die Fregatte unsere Zuckerbarken gesehen hat?«

»Ich glaube nicht, Sir. Jetzt sind sie jedenfalls außer Sicht.«

»Signal von der Fregatte, Sir.« Ein Decksgast eilte von den Steuerbordwanten herüber. »Er sagt, seine Empfehlung an Sie, Sir, aber Sie sollen Ihre Prise verdammt nochmal selbst eskortieren, weil er Besseres zu tun hat.«

Dalton schaute zu dem Kriegsschiff zurück, das sich jetzt wieder nordwärts wandte, um seinen ursprünglichen Kurs wiederaufzunehmen.

»Danke, Mister … äh…«

»Abbott, Sir. Noel Abbott. Sie haben mich angeheuert in …«

»Ich erinnere mich, Mister Abbott. Aber was Ihren Bericht zum Signal der Fregatte betrifft …«

»Ja, Sir?«

»Das Signalhandbuch enthält keine Redewendungen wie ›verdammt nochmal ‹ und ›Besseres zu tun‹.«

»Wohl nicht, Sir.« Der junge Mann grinste. »Aber Offiziere lesen das Handbuch, Sir, und gewöhnliche Seeleute senden die Signale. Manchmal wird etwas hinzugefügt.«

Dalton dachte, daß die Admiralität aus einer solchen Diskussion eigentlich Nutzen ziehen könnte. »Danke, Mister Abbott«, sagte er.

Als das Beiboot die Entermannschaft zur Hispania und deren Kapitän zurückgebracht hatte, war die Fregatte nur noch ein schwindender heller Fleck an der Kimm, während ihre hohen Segel die Morgensonne auffingen.

Dalton ging nach vom, um Kapitän Webster an der Reling zu empfangen. »Danke, daß Sie meine List unterstützt haben«, sagte er. »Sonst wäre die Lage vielleicht sehr kompliziert geworden.«

»Zuerst dachte ich, Sie hätten die Seite gewechselt.« Der ältere Mann runzelte die Stirn. »Dann dachte ich, Sie hätten den Verstand verloren. Aber als dieser Engländer in Sicht kam …«

»Ja«, sagte Dalton nickend. »Nun, auf jeden Fall hat es funktioniert. Obwohl Sie im Verlauf des Ganzen beinahe meinen Vordersteven zertrümmert hätten.«

»Und Sie haben mein bestes Segel durchlöchert«, erklärte Webster. »Beabsichtigen Sie, Ihre Mannschaft aus lauter Barbaren an Bord meines Schiffes zu belassen, Sir? Das ist ein rüpelhafter Haufen und ein Umgang, den zu pflegen meine Männer nicht gewohnt sind.«

»Darauf wette ich. Aber nein, sie werden zur Fury zurückkehren, wenn Sie wieder auf Ihren Planken stehen. Ich möchte allerdings eine Planänderung mit Ihnen besprechen.«

»Ich möchte den Plan beim gegenwärtigen Stand der Dinge nicht ändern«, schnaubte Webster. »Wir sind nur einen Tag von meinem Bestimmungsort entfernt.«

»Das ist mir klar. Und daher, anstatt darauf zu warten, daß Ihr Eimer zum Konvoi zurückkriecht …«

»Die Hispania ist vielleicht alt, aber ich wäre Ihnen doch dankbar, wenn Sie sorgfältig überlegen würden, als was Sie die verdammte alte Badewanne bezeichnen, Sir.«

»Ich entschuldige mich, Kapitän.«

»Angenommen, Kapitän.«

»Ich halte es für das beste, wenn wir Sie von hier aus direkt in die Chesapeake Bay begleiten, Sir. Soweit ich verstanden habe, liegt Ihr Bestimmungshafen unmittelbar hinter der Landspitze?«

»Das ist richtig.«

»Sehr gut. Dann kann ich anschließend die Zuckerbarken weiter eskortieren und muß mir über ein Schiff weniger Gedanken machen. Aber ich möchte Sie bitten, für Ihre restliche Reise Platz für zwei Passagiere zur Verfügung zu stellen.« »Oh?«