Im Kampf mit den Freibeutern – Kapitän Dalton zwischen Florida und den Bahamas - Dan Parkinson - E-Book
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Im Kampf mit den Freibeutern – Kapitän Dalton zwischen Florida und den Bahamas E-Book

Dan Parkinson

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Beschreibung

Verbrechen und Strafe: Der Seefahrerroman »Im Kampf mit den Freibeutern – Kapitän Dalton zwischen Florida und den Bahamas« als eBook bei dotbooks. Die Meerenge von Florida, 1778: Der Krieg um die amerikanische Unabhängigkeit geht in eine neue, blutige Phase – und feuert damit die Raubzüge ruchloser Freibeuter an. Obwohl er von der Krone fälschlicherweise als Verräter gebrandmarkt wurde, kreuzt Kapitän Patrick Dalton furchtlos die karibischen Gewässer, um unschuldige Seeleute zu schützen. Aber die See fordert ihren Tribut: Er verliert einen guten Mann nach dem anderen, und bald droht seine vortreffliche Schnau »Fury« Feinden schutzlos ausgeliefert zu sein. Doch als er auf eine Hafenstadt stößt, die von dem grausamen Piraten Jack Shelby terrorisiert wird, kann Dalton dessen Vergehen nicht ungesühnt lassen. In seinem bisher schwersten Gefecht muss der Seefuchs ein für alle Mal beweisen, aus welchem Holz er geschnitzt ist … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der nautische Abenteuerroman »Im Kampf mit den Freibeutern – Kapitän Dalton zwischen Florida und den Bahamas« von Dan Parkinson – das große Finale seiner Reihe maritimer Romane rund um den tollkühnen Seefuchs Patrick Dalton wird alle Fans von Julian Stockwin und C. S. Forester begeistern! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Die Meerenge von Florida, 1778: Der Krieg um die amerikanische Unabhängigkeit geht in eine neue, blutige Phase – und feuert damit die Raubzüge ruchloser Freibeuter an. Obwohl er von der Krone fälschlicherweise als Verräter gebrandmarkt wurde, kreuzt Kapitän Patrick Dalton furchtlos die karibischen Gewässer, um unschuldige Seeleute zu schützen. Aber die See fordert ihren Tribut: Er verliert einen guten Mann nach dem anderen, und bald droht seine vortreffliche Schnau »Fury« Feinden schutzlos ausgeliefert zu sein. Doch als er auf eine Hafenstadt stößt, die von dem grausamen Piraten Jack Shelby terrorisiert wird, kann Dalton dessen Vergehen nicht ungesühnt lassen. In seinem bisher schwersten Gefecht muss der Seefuchs ein für alle Mal beweisen, aus welchem Holz er geschnitzt ist …

Über den Autor:

Dan Parkinson (1935–2001) war ein US-amerikanischer Autor, der zahlreiche Romane in den Genres Historischer Roman, Western, Fantasy und Science-Fiction verfasste. Seinen größten Erfolg feierte er mit seiner Reihe sorgfältig recherchierter marinehistorischer Romane über den raffinierten Kapitän Patrick Dalton.

Bei dotbooks erschienen in der »Kapitän Dalton«-Reihe folgende Seefahrerromane:

»Landfall in höchster Not – Kapitän Dalton in amerikanischen Gewässern«, Band 1

»Gefahr längsseits – Kapitän Dalton auf Kurs South Carolina«, Band 2

»Der Blockadebrecher – Kapitän Dalton vor der amerikanischen Ostküste«, Band 3

***

eBook-Neuausgabe Januar 2022

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1992 unter dem Originaltitel »The Fox and the Fortune« bei Pinnacle Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Gefahr längsseits« bei Ullstein

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1992 by Dan Parkinson

Published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY 10018 USA

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2001 by Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Gemäldes von John Henry Mohrmann »The four-masted barque Cedarbank«

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-96655-930-0

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Liebe Leserin, lieber Leser, in diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Dan Parkinson

Im Kampf mit den FreibeuternKapitän Dalton zwischen Florida und den Bahamas

Roman

Aus dem Amerikanischen von Katrin König und Hans Joachim Alpers

dotbooks.

Für all jene, die zur See gehen,

ob nun auf eleganten Segelschiffen

oder den nicht weniger stolzen Schiffen ihrer Phantasie.

Prolog

Mit Beginn des Frühjahrs 1778 kam auch der Gezeitenwechsel. Das eben flügge gewordene britische Empire, das als Weltmacht noch in den Kinderschuhen steckte und sich durch Jahre ausgedehnter Konflikte ‒ zunächst unter George II. und jetzt unter George III. und seiner Regierungspartei ‒ nur zögerlich ausbreitete, hatte die Chance auf eine schnelle Beendigung der Aufstände in seinen Kolonien auf dem amerikanischen Kontinent verpaßt. Jetzt lautete die Frage in Lord Norths Regierung, wieviel Macht durch eine flexible Politik gerettet werden konnte… und wieviel Macht überhaupt noch vorhanden war.

Auch die stärksten Bemühungen der Brüder Admiral Lord Richard Howe und General Sir William Howe um einen Interessenkompromiß waren fehlgeschlagen, und es gab Krieg. Die Kommandierenden hatten versagt ‒ sowohl darin, die nördlichen Kolonien zu unterdrücken, als auch darin, die südlichen Kolonien zu neutralisieren. Der Plan für ein schnelles Ende der Aufstände war fehlgeschlagen, und die Besetzung Philadelphias durch die Howes hatte sich weniger als Sieg denn als eine in höchstem Maße ineffiziente Übung in Sachen Verteidigung erwiesen. Die zunächst monatelangen Kämpfe hatten sich schließlich über Jahre ausgedehnt, und selbst das Oberhaus räumte jetzt ein, daß die Situation noch lange nicht bereinigt war.

Wo die Kolonisten zunächst kleine Bürgerwehren aufgestellt hatten, stand jetzt eine Armee im Feld, unter dem gestrengen Auge des General von Steuben ausgebildet und von Befehlshaber Braddocks Protege, General Washington, angeführt. Diese Armee war nach einem langen Winter in Valley Forge aufgetreten, um der Partei der Krone eindringlich klarzumachen, daß die Briten es nicht nur mit einem geringfügigen Ärgernis an den amerikanischen Küsten zu tun hätten.

Wo Freibeuter gegen die Weiße Flotte der Krone ins Feld geführt worden waren, stand jetzt eine kleine, aber draufgängerische Navy der Kolonisten, welche die Schlacht über den Atlantik an britische Gestade brachte. Und inzwischen hatten die aufständischen Kolonien sogar Verbündete. Frankreich hatte sich begeistert auf die Seite der Kolonisten gestellt, und Spanien ‒ wenn auch mit weniger Enthusiasmus, da man die englischen Kolonien als zukünftige Bedrohung für spanischen Besitz ansah ‒ ließ es immerhin zu, daß die Nachschublinien frei blieben.

Nun hatten die Rebellen in ihren verschiedenen Standorten auch eine gemeinsame Identität. Der Kongreß war in Baltimore erneut zusammengetreten, und die Artikel der Konföderation waren zur Ratifizierung angenommen worden.

Ein halbes Hundert an kolonialen Kriegsflaggen war einer einzigen neuen Flagge gewichen ‒ mit roten und weißen Streifen, dreizehn an der Zahl, und mit dreizehn Sternen auf blauem Feld.

In Paris führten die Amerikaner Franklin, Deane und Lee letzte Verhandlungen über einen formellen Staatsvertrag mit Ludwig XVI. In London brachte Lord North Aussöhnungsgesetze in der Hoffnung ein, eine weitere französische Einmischung in die Angelegenheiten auf dem amerikanischen Kontinent zu verhindern.

In den großen Häusern von Wilmington und Baltimore, wo sich Männer versammelten, um solche Angelegenheiten zu diskutieren, hieß es, General Clinton würde William Howe in Philadelphia nachfolgen und die Stadt innerhalb von Monaten aufgeben. Es hieß auch, es sei eine Kommission der Krone bestimmt worden, um Friedensbedingungen zu erörtern.

Es hieß, daß Frankreich ‒ und einige erwähnten auch Spanien ‒ die Rettung der kolonialen Hoffnungen sei. Andererseits hieß es, daß jedermann, der Spanien traute, Sand im Kopf habe und daß Frankreich kaum besser sei, da es einzig mit seinen eigenen Interessen und damit beschäftigt sei, den Löwen am Schwanz zu packen.

Und es hieß, daß es seit Menschengedenken noch nie eine Zeit gegeben habe, die so viel Gelegenheit geboten hätte, sein Glück zu machen ‒ obwohl die Mittel dazu in unruhigen Zeiten wie diesen bedenklich unzuverlässig waren.

Da es keine etablierte Amtsgewalt gab, die den Unterschied erklären und mit Nachdruck vertreten konnte, verliefen die Grenzen zwischen Patriotismus und Verrat auf einem äußerst schmalen Grad, was auch für die Grenzen zwischen Freibeuterei und Piraterie auf hoher See galt.

Kapitel 1

Wo von Wolken zerrissenes Mondlicht die gekräuselten Spitzen der Wellen berührte und die langen Wellenkämme silbern färbte, die wie preußische Grenadiere in dicht geschlossenen Reihen übers Meer marschierten, kreuzten zwei Schiffe landwärts. Große, düstere Silhouetten, vollendet geformt und geschmeidig, dröhnten und flüsterten, während die hölzernen Rümpfe die Wogen durchschnitten. Ihr Kielwasser war heller Schaum auf dunklem Wasser. Die straffe Takelage summte und wehklagte zwischen hohen Segeln, die schräg standen, um den zögerlichen Wind einzufangen.

Vor diesen beiden Schiffen lief ein solider Viermaster, ein Kauffahrer, der durch seine Ladung tief im Wasser lag. Seiner erheblichen Größe und den hoch gestaffelten Segeln nath hätte eine Landratte vielleicht vermutet, er sei schneller als die beiden anderen Schiffe und könne seinen Verfolger hinter sich lassen. Ein Seemann hätte es schon auf den ersten Blick besser gewußt. Das Handelsschiff verlor das Rennen. Es wurde langsam und unaufhörlich von dem weniger als eine Meile achteraus laufenden dunklen Schatten eingeholt.

Jeder Seemann der Zeit hätte angesichts dieser Verfolgung über die Unausweichlichkeit dessen, was folgen mußte, den Kopf geschüttelt. Denn das dunkle Verfolgerschiff war ein todbringendes Schiff, ein Schiff, das für die Jagd und das Vernichten bestimmt war. Größer als eine Brigg, trug es das wuchtige, vollendet gearbeitete Segelzeug eines Kriegsschiffes ‒ als Vollschiff getakelt und der Fregattenklasse zugehörig ‒, und die schimmernden Mündungen großer Geschütze, von Gischt überzogen, glänzten an den Flanken entlang den aufgereihten Stückpforten.

Kapitän John Shelby Butler blinzelte an der Heckreling, während er das Fernglas aufstützte, um das große, finstere, in seinem Kielwasser folgende Jagdschiff zu betrachten. Er kannte das Schiff, und er wußte, welche Absichten dessen Besatzung verfolgte. Dort hinten, auf dem vom Mond beschienenen Wasser südlich der Küste Floridas, befand sich die Valkyrie. Sie wurde von dem frankokanadischen Freibeuter Francois Thibaud befehligt.

Es stand außer Frage ‒ völlig außer Frage ‒, was Thibaud vorhatte. Thibaud war ein Pirat, die Valkyrie war ein Räuberschiff, und der Kauffahrer war ‒ allein und beladen ‒ eine sich anbietende Prise.

Neben Butler stützte Timothy Leech die starken Arme auf die Reling und nickte. »Sie kommen auf, Käpt’n«, grollte er. »Sie werden bis auf eine halbe Meile herangekommen sein, bis wir das Riff dort drüben erreichen. Sie werden diese beiden langen Zwölfer genau auf unser Heck richten, und niemand kann sie daran hindern.«

Butler schwieg eine Zeitlang. Als die sich drehenden Winde an den Segeln über ihm zerrten und die Taljenblöcke rattern ließen, schaute er auf, die tiefliegenden grauen Augen blickten nachdenklich. Die großen Laderäume waren angefüllt mit Waren von Ian McCall ‒ im wesentlichen aufgereihte Baumwollballen sowie eine zusätzliche geringe Menge an Tabak, Stoffen, Wein und Gewürzen ‒, und die Pride of Falworth durchpflügte das Wasser schwerfällig wie ein Leichter… oder zumindest schien es so, da sie die Nase lustlos sinken ließ, als ihre hohen Segel zu luven begannen. Sie verlor einen Knoten Fahrt, während Butler dem Rumpeln der Wellen gegen die Planken lauschte, und dann noch einen Knoten.

Ohne seinen Ersten Steuermann anzusehen, wandte sich Butler wieder der Betrachtung des ihn jagenden Piraten zu. »Klar bei Fock- und Großschoten, Mister Leech«, sagte er.

»Zeigen wir ihm zumindest, daß wir unser Segeltuch getrimmt halten können.«

»Aye, Käpt’n.« Leech trat an die Achterdeckreling, vorbei an einem Rudergänger mit grimmiger Miene, und brüllte: »Mister Strode! Alle Mann klar bei Großsegel und Fock zum Brassen in den Wind! Bei Kreuzmast und Besan bereithalten.«

Männer schwärmten über das ansteigende Vordeck aus, um die Befehle auszuführen. Leech stemmte die großen Hände in die Hüften und beobachtete ihre Schatten. Als er zufriedengestellt war, kehrte er zur Heckreling zurück.

»Unsere… äh… ›Aushilfskräfte‹ verlieren den Mut, Sir«, sagte er. »Ihrer Meinung nach sind wir bereits so gut wie tot, und davonzulaufen verzögert das Offensichtliche nur.«

Seine Zähne schimmerten durch den Bart hindurch, er zeigte ein wildes Grinsen, das dem dunklen Piratenschiff galt, welches die Pride of Falworth auf die Untiefen vor einer namenlosen und unbewohnten Sandbank südlich der Küste Floridas zutrieb.

Butler spürte die leichte Erschütterung der Decksplanken unter den Schnallenschuhen, als sich der Rudergänger umwandte, um zurückzublicken, und somit seine Konzentration unterbrach.

»Achten Sie auf Ihr Ruder, Mister Trice«, bellte der Kapitän. »Sie können sich die Piraten später ansehen.«

»Aye, Sir.«

Der Rudergänger widmete sich wieder voll und ganz dem Ruder, und die Pride of Falworth legte sich erneut ins Zeug.

Butler wandte sich um und schaute nach vorn. Eine Art Sandbank ragte düster vor ihnen auf, eine flache, jedoch mit Gestrüpp bewachsene Insel, die im Mondlicht glänzte. Sie trug auf den Karten keinen Namen, da sie nur eine von vielen winzigen Eilanden war, die sich in einer gewundenen Kette von unmittelbar südlich der angrenzenden neuspanischen Halbinsel bis zu den Tiefen zog, wo der Golfstrom floß.

Butler berechnete die Entfernungen, indem er dem Flüstern des Wassers, das am Rumpf der Pride entlangfloß, und der gedämpften Melodie des Windes in den Segeln lauschte.

»Schicken Sie bitte einen Lotgast nach vorn, Mister Leech«, sagte er. »Natürlich einen unserer Regulären.«

»Aye.« Leech nickte noch im Davongehen. An der Achterdeckreling rief er: »Mister Strode, wen können Sie zum Ausloten vorn entbehren?«

Schweigen entstand.

Dann antwortete ihm die Stimme des Bootsmanns: »Mister Summers oder Mister Berroth, Sir. Oder einen der Matrosen von der Back.«

»Schicken Sie Mister Summers zum Ausloten nach vorn«, rief Leech. »Und lassen Sie Mister Berroth sich mit Log und Leine an Backbord bereithalten.«

»Aye, Sir.«

Kapitän Butlers kalte Stimme erklang hinter dem Ersten Steuermann: »Unser Pirat dort hinten luvt ein wenig, Mister Leech. Vielleicht hat er die Absicht, zurückzubleiben und uns in den Untiefen auflaufen zu lassen.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß er jetzt vorsichtig wird, Käpt’n.« Leech blinzelte, und seine Stimme klang leicht besorgt.

»Wie auch immer ‒ er verliert Fahrt.« Butler deutete in Richtung des Feindes. »Ich frage mich, ob ein wenig Unterhaltung seine Aufmerksamkeit vielleicht anspornen könnte. Stückführer bitte nach achtern und die Neuner bemannen.«

»Aye, Käpt’n.« Jetzt grinste Leech wieder, so daß seine großen Zähne in der vom Mondlicht gebrochenen Dunkelheit auch wieder durch den Bart schimmerten. Er wandte sich um und rief: »Geschützmannschaften nach achtern. Klar bei den Heckgeschützen! Luntenstock und langsam brennende Lunte! Beeilt euch!«

Die Valkyrie hatte gut eine halbe Meile entfernt einen weiteren Knoten Fahrt verloren, lag weiter zurück, wenn sie auch noch immer zu dem Handelsschiff aufkam. Butler richtete das Fernglas auf das Jagdschiff. Thibaud hat es jetzt nicht mehr eilig, dachte er. Er erwartet, daß ich hinter dieser Insel entlanglaufe und versuche, Zeit zu gewinnen, indem ich Verstecken spiele. Er fragt sich, ob er einfach dort draußen stehenbleiben und auf das erste Tageslicht warten soll, um mich zu versenken. »Es heißt, Kapitän Thibaud sei ein jähzorniger Mann«, sann er laut. »Es heißt, er habe keine Geduld mit jenen, die den Versuch unternehmen, ihn zu überlisten.«

»Das stimmt, Käpt’n«, bestätigte Leech grinsend. »Es sollte mich nicht wundern, wenn das an seinen französischen Vorfahren liegt.«

Schattenhafte Gestalten tauchten an beiden Achterdecktreppen auf und eilten zum Heck ‒ Männer mit Eimern und Kübeln, mit Schwabbern, zusammengerollten Seilen und abgedunkelten Laternen. Sechs Männer… zwei Stückführer und vier Hilfskanoniere. Butler nickte anerkennend.

Terrence Boyd und Chad Arnes waren einzigartige Stückführer, so fähig im Umgang mit Marineartillerie wie nur irgendein Mann an Bord der Kriegsschiffe der großen Flotten. Und sie waren nicht die einzigen guten Stückführer, welche die Pride of Falworth in ihrer Besatzung aufzubieten hatte. Obwohl nur wenige außer dem Kapitän und Leech es wußten, stellte die reguläre Mannschaft eine Mischung von Männern dar, wie man sie wohl nicht so leicht an Bord üblicher Handelsschiffe jener Zeit antreffen konnte. Das Schiff hatte tatsächlich doppelt so viele erstklassige Kanoniere wie alte Kanonen an Bord. Und was die Anzahl der Matrosen anging, so verzeichnete die private Musterrolle des Kapitäns fast die doppelte Anzahl von Männern, die eine Viermastbark benötigte.

Die meisten von ihnen waren zur Zeit nicht an Bord. Die Mehrheit der Männer auf dem Schiff ‒ achtzehn der sechsundzwanzig, die an Deck arbeiteten ‒ waren neue Deckshände, »Aushilfskräfte…«, ein bunt gemischter Haufen gestrandeter Seeleute, der erst vor wenigen Wochen in irgendeinem Hafen auf einer der umstrittenen Inseln angeheuert worden war.

Die Stückmannschaften schwärmten das Achterdeck der Pride entlang nach achtern und zogen die beiden 9-Pfund-Heckgeschütze ein, um die Ladungen zu überprüfen und das Zündpulver zu erneuern.

»Mister Arnes und Mister Boyd«, sagte Butler.

Ihre Gesichter zeigten sich, vom Schein der abgedunkelten Laternen nur halb beleuchtet. »Aye, Käpt’n?«

»Was glauben Sie, wie weit dieses Schiff dort drüben entfernt ist?«

Sie spähten über das Wasser, sahen dann einander an, und Chad Arnes räusperte sich. »Vielleicht eintausend Yards, Sir. Ungefähr. Doppelte Schußweite für saubere Treffer mit diesen alten Geschützen. Selbst wenn wir Zwölfer hätten ‒ wie sie der Pirat dort drüben gewiß hat ‒, müßten wir dennoch zunächst ein Stück aufkommen, um zuverlässig Wirkung zu erzielen.«

Butler nickte. Er kannte die Entfernungen und Schwierigkeiten ebenso gut wie sie. »Aber eine hoch angesetzte Kugel würde so weit tragen, oder?«

»Oh, aye, Sir«, stimmte Arnes ihm zu. »Mit etwas Glück könnten wir vielleicht sogar einen Schuß auf seinem Deck plazieren. Aber eine vergeudete Kugel wird nicht mehr bewirken, als diesen verfluchten Kreuzer zu ärgern, Sir.«

»Dann sollten wir auf jeden Fall Zusehen«, knurrte Butler, »daß wir ihn zumindest ärgern können. Sie können feuern, um Eindruck zu machen, wenn Sie bereit sind.«

»Aye, Sir.«

Die Geschützmannschaften sahen einander erneut an und begannen, die Mündungen der Kanonen mit Hilfe von Bootshaken und Richtkeilen anzuheben. Als sie mit der Richthöhe zufrieden waren, wurden die Neunpfünder auf den südlichen Himmel ausgerichtet, so daß sie wie zwei kurze, stämmige Standarten in keckem Winkel hochragten.

Die Männer nahmen ihre schwelenden Lunten auf, richteten die Kanonen auf einen Punkt oberhalb der Valkyrie aus und sahen sich dann um.

»Weitermachen«, sagte Butler.

»Aye, Sir.«

Sichtbar die Achseln zuckend, überprüften die Geschützmannschaften ein letztes Mal die einzelnen Teile und senkten dann die schwelenden Luntenstöcke. Die Lunten berührten die zündfertigen Zündlöcher, und beide Neunpfünder dröhnten gleichzeitig los. Einen Moment lang stand eine Wolke Schwefelrauch achtern der Pride of Falworth und schwebte dann über die Steuerbordseite aufs Meer hinaus.

»Neu laden und feuern«, befahl Butler.

Die Kanonen wurden zum Reinigen und Laden eingezogen, und Butler hob sein Fernglas. Er richtete es auf das düstere Schiff in der Ferne.

»Etwas für ihn, worüber er sich zumindest wundern kann«, sagte Leech, der an der Reling lehnte. »Er hat unsere Mündungsfeuer gesehen. Ich frage mich, was er glaubt, was wir tun.«

»Wahrscheinlich fragt er sich, was wir glauben, was wir tun«, sagte Butler mit kalter Stimme ohne jegliche Belustigung. Er reichte Leech das Fernglas. »Sie haben jüngere Augen als ich, Timothy. Sagen Sie mir, was Sie sehen.«

Leech stützte das Glas auf. »Noch nichts, Käpt’n. Es ist eine weite Strecke für eine Kugel… Aha! Der erste Schuß ging vor seinem Backbordbug ins Wasser, vielleicht fünfzig Yards davor. Hat eine hübsche Rauchfahne produziert. Wo ist die andere? Ich sehe nicht… Bei Georgies dickem Bauch, Käpt’n, ich glaube, die Burschen haben diese Kugel auf sein Deck gefeuert! Dort ist mächtig Betrieb, und sie haben einige Laternen im Schwung.«

»Gut gemacht«, sagte Butler rauh und nickte den Stückführern zu. »Würden Sie wetten, daß Ihnen das noch einmal gelingt?«

»Mit einem Quentchen Glück, Käpt’n…« Terrence Boys grinste. »Und wenn wir die Kugeln zunächst erhitzen würden ...«

»Um die Valkyrie in Brand zu setzen?« schnappte Butler. »Ich will den Gentleman ärgern, Mister Boyd, und nicht sein Schiff abbrennen.«

»Oh. Aye, Sir. Richtig. Ich habe einen Moment irgendwie vergessen …«

»Schicken Sie einfach das Gleiche noch einmal, Gentlemen, wenn Sie können.«

»Aye, Sir.«

Die beiden Neuner dröhnten erneut und umgaben die ferne Fregatte mit wenig imposant aussehenden Gischtspritzern. Sie richteten keinen wirklichen Schaden an, wie Butler wußte. Mit Neunern, auf diese Entfernung…

»Er setzt zusätzliche Segel«, sagte Leech. »Ich würde sagen, er hat beschlossen, aufzukommen und sich hier und jetzt mit uns auseinanderzusetzen.«

»Sehr gut.« Butler nickte und wandte sich ab.

Vorn meldete eine ferne Stimme in Abständen von ungefähr einer Minute die jeweilige Tiefe. Und jetzt begann eine zweite, nähere Stimme, die Messungen von Log und Leine zu melden. Die Pride of Falworth lief mit fünf Knoten in vier Faden tiefem Wasser, wobei sich der Abstand zwischen Boden und Kiel allmählich verringerte.

»Brassen Sie bitte alle Rahen an den Wind, Mister Leech«, befahl Butler. »Gehen Sie nach mittschiffs und weisen Sie den Rudergänger von dort aus an.« Er spähte über das dunkle Wasser zu der drohend aufragenden Insel vor ihnen. »Die Burschen wissen jetzt, daß wir kommen und Gesellschaft mitbringen. Steuern Sie uns wie besprochen um die leeseitige Küste herum.«

»Aye, Käpt’n.«

»Schicken Sie Mister Trahan nach achtern, um mich an Deck abzulösen. Ich bin unter Deck, bis wir die Insel umrunden.«

»Aye, Sir.«

John Shelby Butler schloß in seiner kleinen Kajüte unter Deck die Läden der Galerie und nahm die Abdunklung von einer Öllampe. Er breitete in ihrem Lichtkegel eine Karte auf dem Tisch aus und zog die Linien darauf mit dem Finger nach. Die gegenwärtige Kurslinie war seit einer letzten Messung bei Tageslicht um acht Glasen ‒ also Stunden zuvor ‒ nicht verlängert worden. Da war die Pride auf Nordkurs gewesen, noch nicht in Sichtweite der Insel. Sie hatte mit raumem Wind sechs Knoten gemacht, und das Piratenschiff war ungefähr fünf Meilen achtern gewesen, auf freiem Wasser gerade noch sichtbar.

Jetzt, während die Insel unmittelbar vor ihnen lag, brauchte Butler keine Instrumente mehr, um seinen Kurs zu bestimmen. Er wußte genau, wo er sich befand und wohin er lief. Lange Monate sorgfältiger Planung und Vorbereitung würden sich bald auszahlen.

Die Insel war auf der Karte markiert, eine bohnenförmige kleine Sandbank mit einer geschützten kleinen Bucht an der Nordseite. Zwei vorangegangene Fahrten waren auf derselben Karte eingezeichnet, beide aus den letzten drei Monaten datierend. Und beide Fahrten hatten ebenfalls dieselbe Insel als Ziel gehabt.

»Vorräte«, murmelte er, während er die erste Route nachzog. Dann bewegte er seinen Finger die zweite Route entlang. »Und Männer fürs Schiff.«

Er setzte sich zufrieden auf die Bank unter der geschlossenen Galerie, öffnete eine mit Beschlägen versehene Truhe und beugte sich darüber. Ein kaltes Lächeln umspielte leicht seine Lippen, während er sich wieder aufrichtete und zwei mit einem Band versehene Papiere entrollte: sein Kapitänspatent, ausgestellt vom Commonwealth of Virginia, und seine Konzession als Kapitän der Pride of Falworth, ausgestellt von Squire Ian McCall, dem Besitzer des Schiffes. In dieses zweite Dokument eingerollt befanden sich seine generellen Dienstanweisungen als Kapitän und sein letzter Auftrag ‒ Fracht zu den karibischen Inseln zu befördern, den Handel im Namen seines Auftraggebers durchzuführen und dann zur Chesapeake Bay zurückzukehren.

Eine sechsmonatige Reise, höchstens… vor einem Jahr begonnen.

Er hielt die Papiere eines nach dem anderen über den Docht der Lampe und sah zu, wie sie zu Asche verbrannten. Vor seinem geistigen Auge stand das Bild Ian McCalls, des Handelsherrn. Butler lächelte kalt, als er das Bild ansprach. »Sie glauben, ich wäre auf dem Meer umgekommen, Squire? Haben Sie schon eine Belohnung ausgesetzt, um Ihr Eigentum zurückzufordern, wenn es in irgendwelchen Piratenhäfen auftauchen sollte? Haben Sie Ihren Vertrauten Evan losgeschickt, mich um jeden Preis zu finden ‒ oder etwas über mich zu erfahren? Ich weiß natürlich, daß Sie das getan haben. Geschäft ist schließlich Geschäft, wie ich Sie so oft habe sagen hören.«

Aus einem Impuls heraus öffnete er einen der Läden und blickte nach achtern über das dunkle Meer zu dem düsteren Schiff, das dort auf den Wellen ritt. Es würde nichts schaden, dem Unhold Thibaud jetzt ein wenig Licht zu zeigen. Der Pirat wußte natürlich, wo Butler war, und kam stetig auf, um ihn einzuholen.

»Ich habe Ihnen gut gedient, McCall«, murrte Butler. »John Shelby Butler hat Ihnen mit Ehre gedient, und Sie haben aus meinen Bemühungen einen hübschen Profit erwirtschaftet. Zu viel, zu lange Zeit, für zu wenig Gegenleistung. Die Zeiten ändern sich, Squire. Wenn Sie vielleicht hin und wieder etwas großzügigere Prämien verteilt hätten… wenn Sie es vielleicht für angebracht gehalten hätten, die Besitzrechte an meinem Schiff nach sechs gelungenen Reisen auf mich zu übertragen, wie einige kluge Schiffseigentümer in ähnlichen Fällen gehandelt haben… Aber vielleicht hätte alles, was Sie hätten tun können, doch keinen Unterschied ausgemacht. Sie haben Ihr Schiff verloren, Squire, und Sie haben Ihren treuen Kapitän verloren. John Shelby Butler existiert nicht mehr. Nur noch Jack Shelby.«

Er schob die Truhe fort, trat die Glut zwischen der Asche zu seinen Füßen aus, zog eine frische Jacke über und schnallte sich dann den Säbel um. Er konnte durch die Sohlen seiner Schuhe spüren, daß die Pride eine Wende machte und durch den Wind schwenkte, um an der verborgenen kleinen Bucht der kleinen Insel vorüberzugleiten. Sein Körper spannte sich leicht an, Butler genoß die Erregung bevorstehenden Handelns. Die Wende würde es dem Piraten ermöglichen, sich der Pride auf gute Reichweite seiner Geschütze zu nähern. Jetzt hing alles davon ab, daß die Pride die Rolle eines sich ergebenden Schiffes spielte ‒ nur so lange, bis die Valkyrie querab zu der kleinen Bucht gelangte.

»Was ich tue, ist mein Geschäft, Squire«, flüsterte er. »Und wie Sie sagen: Geschäft ist Geschäft.« John Shelby Butler verdunkelte seine Lampe wieder, verschloß die Kajüte und ging als Jack Shelby an Deck.

Beim ersten Glasen der Morgenwache ‒ eine halbe Stunde nach Mitternacht ‒ holte das Kaperschiff Valkyrie den Kauffahrer Pride of Falworth in den Untiefen vor der Nordküste einer namenlosen Insel ein und feuerte darüber hinweg, vom Bug zum Heck. Das Handelsschiff strich sofort die Flagge und signalisierte mit den Laternen Ergebung.

Weniger als acht Minuten später warfen bewaffnete Seeleute an Bord von vier robusten Barkassen ‒ die heimlich von der Insel abgelegt hatten ‒ Enterhaken über die Heckreling, kletterten an Bord und schlugen die überraschten Piraten nieder, die zu spät versuchten, ihr Deck zu verteidigen.

Bei zwei Glasen der Wache gingen Jack Shelby und seine Männer an Bord der Valkyrie und übernahmen das Kommando. Auf dem vom Blut rutschigen Deck des Piratenschiffes stehend, ließ der Mann, der einmal John Shelby Butler gewesen war, den Piraten Thibaud zu sich bringen.

»Ihre Karriere ist beendet, Thibaud«, verkündete er. »Die Valkyrie ist jetzt mein Schiff. Ich werde mit Ihnen und Ihrer Mannschaft keine Zeit verschwenden. Es ist aus. Sie werden der erste sein, der den übrigen ein Beispiel an Tapferkeit gibt, wenn es Ihnen beliebt. Wie Sie Ihren Tod nehmen, liegt bei Ihnen. Ich bin jetzt der Herr über die Valkyrie, und ich versichere Ihnen, daß ich sie weitaus besser einsetzen kann, als Sie es jemals konnten.«

Harte Hände zogen Thibaud auf die Füße und zur Steuerbordseite, wo er kopfüber über die Reling gehängt und dort reglos festgehalten wurde. Timothy Leech machte die Honneurs mit einem Belegnagel aus den Nagelbänken der Valkyrie. Mit einem gut gezielten Schlag zerschmetterte er dem Mann den Schädel.

Dann wurden die übrigen Piraten jeweils zu dritt zur leeseitigen Reling gezerrt, wo man ihnen mit Knüppeln die Schädel einschlug. Platschen auf Platschen hallte wider, als ihre Leichen der ihres Kapitäns ins dunkle, unersättliche Meer folgten. Dahinter war das Geräusch von Riemen zu hören, wo Boote zwischen den Schiffen dümpelten.

»Ich kann nicht behaupten, daß mir der nächste Teil gefällt, Käpt’n«, sagte Timothy Leech, als ein Dutzend ihrer Regulären in einer Barkasse ablegten, um zur Pride of Falworth überzusetzen.

»Mir auch nicht, Mister Leech.« Shelby zuckte die Achseln. »Weder was die Männer noch was das Schiff angeht. Dennoch muß es wie geplant ablaufen und nicht anders. Die Pride muß ein für allemal verschwinden, und wir haben keine Verwendung mehr für unsere Aushilfskräfte, die bereits viel zuviel gesehen haben. Mister Strode hat jedoch seine Befehle, alles möglichst schnell und schmerzlos auszuführen.«

Leech schaute zur Silhouette des Handelsschiffes hinüber, das er selbst und der Mann, der neben ihm stand, so lange gesegelt hatten. Er verspürte jedoch kein wirkliches Bedauern. Es war nur eine Bark. »Da ist noch die Ladung«, murmelte er.

»Ballen und anderes Zeug«, sagte Shelby. »Gebrauchsgegenstände, und bei dem, was wir Vorhaben, den Ärger nicht wert. Das Schiff muß versenkt werden, und zwar gekonnt. Nur eine oder zwei Spalten an der Kielnaht öffnen und sie in die Tiefe sinken lassen. Nichts von dieser Nacht muß auf diese Weise jeweils bekannt werden, Timothy, und sollte es auch besser nicht. Aber für uns wird es überall jede Menge Beute geben. Wir werden reich sein, Mister Leech… jeder einzelne Mann, der überlebt.«

»Aye, Käpt’n.«

»Sorgen Sie dafür, daß die Angelegenheit erledigt wird, Mister Leech. Und dann versammeln Sie die Männer zu einer Bestandsaufnahme der Valkyrie. Sie ist ein hübsches Schiff, und wir müssen sie gut kennenlernen.«

»Aye, Sir.« Leech wollte schon gehen, wandte sich dann aber noch einmal um und hob zum Gruß grinsend eine große Hand. »Auf das Piratenleben, Käpt’n.«

»Aye, Mister Leech.« Jack Shelby nickte. »Auf das Piratenleben.«

An Bord der Bark begaben sich Mister Strode und seine Kameraden mit Sachverstand an ihre Aufgaben. Während unter Deck Geräusche des Hackens und Splitterns erklangen, wurden die »Aushilfskräfte« zusammengetrieben und zur leeseitigen Reling gebracht, und das Gemetzel, das an Bord der Valkyrie stattgefunden hatte, wiederholte sich… dieses Mal an überraschten, loyalen Männern. Auch ihre Körper platschten ins dunkle Meer.

Als das vollbracht war, sah Strode sich um. »War das der letzte, Mister Summers? Es sollten achtzehn gewesen sein.«

Owen Summers zuckte die Achseln. »Ich habe das Gesindel nicht gezählt. Ich dachte, Sie hätten gezählt. Aber das waren alle.«

Dickie Trice kam nach oben. »Die Spalte stehen offen, und die Pride nimmt Wasser auf, Mister Strode. Langsam, aber gleichmäßig, wie Sie es gesagt haben.«

»Dann sollten wir zu unserem neuen Schiff zurückkehren.« Strode nickte. »Wir haben das Handelsgeschäft verlassen, Männer. Von jetzt an sind Handelsschiffe unser Geschäft.«

Kapitel 2

Die Fury war ein grimmiges und verschwiegenes Schiff, kreuzte südwärts den Golfstrom, mied die Hauptschiffahrtsrouten und überhaupt Begegnungen jeglicher Art. Obwohl voll getakelt und gut bestückt, ein Kreuzer der Klasse, die Schnau genannt wurde, spielte sie in dieser Jahreszeit Verstecken, da sie weder die Stärke besaß, einen Gegner herauszufordern, noch genügend Männer, um sich zu verteidigen. Und sie hatte weniger Männer an Bord als Kanonen an ihren Stückpforten ‒ sogar noch weniger als die Segel, die ihr für Schnelligkeit ausgelegtes Rigg tragen konnte. Fury war ein Schiff auf der Flucht, dem Gewahrsam der Krone entkommen und freies Jagdwild für jeden, der sie entdeckte. Obwohl niemand an Bord noch Anklagen zu befürchten hatte ‒ jene unter ihnen, für die das früher gegolten hatte, waren durch ein ordnungsgemäßes Kriegsgericht freigesprochen worden ‒, waren sie doch Flüchtige, weil sie sich dieses Schiff genommen hatten, um damit zu fliehen.

Beim ersten Tageslicht eines klaren Morgens erblickte der Ausguck im Fockmast in der Ferne voraus Segel. Seltsam gesetzte und seltsam schräg zum Schiff stehende Segel, aber eben Segel. Er suchte auf der Saling festeren Halt und blinzelte, beschattete seine Augen gegen das undeutliche Licht des östlichen Himmels zur Linken, wölbte dann die Hände vor den Mund und rief: »An Deck!«

Mittschiffs schaute Charley Duncan ‒ inzwischen von seinem Kapitän zum Ersten Offizier ernannt ‒ nach oben. »Ja, Mister Fisk?«

»Segel voraus, Sir! Einen Strich am Steuerbordbug hart an der Kimm!«

Duncan schaute nach achtern, wo Victory Locke am Ruder stand. Niemand sonst befand sich auf dem kleinen Achterdeck, und Duncan fühlte sich schuldig. Es war seine Wache, und dort gehörte er eigentlich hin. Aber es gab auch andere Dinge, um die er sich kümmern mußte, und es war wenig genug Zeit, sie zu erledigen. Und jetzt eine Meldung vom Vortopp. Duncan schritt zum Vordeck, wo der kecke Bugspriet der Fury aus den Planken ragte. Er spähte voraus in die Ferne. Tiefliegender Nebel verbarg die See. Duncan wandte sich um und schaute nach oben, wo sich Purdy Fisk neunzig Fuß über dem Deck vor dem dämmerigen Himmel als Silhouette abhob.

»Wofür halten Sie sie, Mister Fisk?«

»Schwer zu sagen, Sir!« schwebte die Stimme des Ausgucks herab. »Könnte ein Handelsschiff sein, aber etwas stimmt mit ihrer Lage nicht. Sie zeigt Segel, aber niemand macht etwas. Sie scheint zu treiben.«

»Gut, Mister Fisk. Behalten Sie sie genau im Auge.«

Duncan eilte nach achtern, wo ein halbes Dutzend Hängematten an den Relingen angeschlagen waren. Er versuchte sich zu erinnern, welcher der Männer von der Freiwache am meisten Schlaf bekommen haben mochte, gab die Überlegung aber dann auf und trat zur nächstgelegenen Hängematte. Der Mann darin schnarchte, und Duncan schüttelte ihn wach.

»Bitte stehen Sie auf, Mister Quarterstone. Wir haben voraus Segel gesichtet und brauchen einen zweiten Ausguck.«

Pliny Quarterstone setzte sich auf und rieb sich mit den Fäusten fest die trüben Augen. »Eine feine Sache«, grollte er, »einen Mann aus einem solchen Traum zu erwecken.«

»Was für einen Traum?«

Quarterstone stand auf und seufzte, während er wach wurde. »Oh, Sie wissen schon. Solch ein Traum eben. Welche andere Art Traum gibt es, wenn ein Mann seit drei Monaten auf See ist?«

»Wir waren nicht die ganze Zeit auf See«, erinnerte Duncan ihn. »Wir haben dieser Insel einen Besuch abgestattet, falls Sie sich erinnern.«

»Aber da war niemand, Mister Duncan, falls Sie sich erinnern. Nur ein Haufen Ziegen. Ich gehöre nicht zu den Männern, die so von Ziegen träumen!«

Duncan nickte verstehend und deutete dann mit einem Daumen auf die emporstrebenden Backbordstage. »Sei es, wie es sei, Mister Quarterstone, jedenfalls brauchen wir einen zweiten Ausguck. Mister Fisk hat ein Segel gesichtet, und wir brauchen jemanden, der sorgfältig nach eventuellen anderen Segeln Ausschau hält.«

Quarterstone trat zur Reling, schwang sich hinauf, um ein Achterstag herum, und setzte die Füße auf die Webeleinen, gewandt wie eine Spinne im Netz, zögerte aber dann. »Wir könnten auf diesem verfluchten Kahn ein wenig mehr Hilfe gebrauchen. Fünfundvierzig Männer sind für eine Schnau angemessen. Nicht fünfzehn.«

Nachdem er dem Morgen seine Meinung mitgeteilt hatte, enterte der Seemann auf, kletterte wie ein Affe und verschwand in der verschlungenen Silhouette des Großtopps.

Jemand kicherte neben Duncans Schulter, und der Erste Offizier wandte sich, aufmerksam geworden, um. Patrick Dalton stand dort, trotz seiner großen Gestalt und im Dämmerlicht müde wirkend. Duncan hatte den Kapitän nicht herankommen hören.

»Morgen, Sir«, sagte Duncan. »Mister Quarterstone ist nur ein wenig verstimmt. Er war gerade in der Koje …«

»Ich verstehe«, unterbrach Dalton ihn und blickte nach oben. »Und er hat natürlich recht. Wir brauchen mehr Leute. Es gibt eine Grenze dessen, was auch die besten Männer leisten können. Was wurde gesichtet?«

»Segel, Sir. Voraus und einen Strich nach Steuerbord. Es ist noch nicht viel zu erkennen.«

»Wie weit entfernt?«

»Hart an der Kimm, sagt Mister Fisk. Es sind nur die Topps zu sehen. Vielleicht zwölf Meilen entfernt?«

»Eine gute Schätzung, je nach Größe des Schiffes. Kann Fisk etwas Genaueres erkennen?«

»Er ist sich nicht sicher, Sir. Vielleicht ein Kauffahrer, aber er sagt, das Schiff habe anscheinend Schräglage und würde treiben.«

Dalton nickte. »Wie ich sehe, ist Mister Locke allein am Ruder.«

»Aye, Sir.« Duncan scharrte verlegen mit dem Schuh. »Alles war ruhig, Sir, und ich habe die Zeit genutzt, einiges Tauwerk zu spleißen. Unser Kabelgattbestand ist nahezu auf gebraucht.«

»Gut, Mister Duncan. Ich bin mir unseres Zustands bewußt. Wir werden bald einen Hafen anlaufen müssen, gleichgültig wer uns sucht. Aber übernehmen Sie jetzt bitte das Deck. Ich werde Sie an der Glocke ablösen, und Sie können Ihr Frühstück einnehmen.«

»Aye, Sir. Wieder Ziege, Sir?«

»Denken Sie nicht darüber nach, Mister Duncan. Stellen Sie sich vor, es wäre Rebhuhn. Das hilft.«

»Aye, Sir. Obwohl vielleicht sogar Rebhuhn wie Ziege schmecken würde, wenn Mister Wise Dienst in der Kombüse hat.«

Duncan ging nach achtern, und Dalton sah sich auf dem Deck seines Schiffes um. Er unterdrückte ein Seufzen. Fast drei Monate waren seit der Flucht der Fury vor einer Eskorte der Krone vergangen… und vor der Demütigung einer Gewahrsamsflagge an ihrem Taljereep.

Die Flucht hatte Freiheit bedeutet. Aber sie hatte auch bedeutet, daß die Fury erneut Freiwild für jedes Kriegsschiff war, das sie als Prise nehmen wollte. Die Schnau hatte jetzt keine ordentlichen Papiere und keine zu heißende Flagge mehr und nur allzu wenige Freunde, an die man sich im Bedarfsfall wenden konnte. Mit einer Besatzung von fünfzehn Männern ‒ kaum genug, um die Segel zu bedienen, und erst recht nicht genug, um bei einer wie auch immer gearteten Auseinandersetzung alle Stationen zu besetzen ‒ war die Schnau in gewisser Weise abgetaucht. Dalton hatte zumindest eine Zeitlang keine andere Wahl, als davonzulaufen und sich zu verbergen, weit draußen auf See zu bleiben, Vorräte aufzutreiben, wo sie zu finden waren, und Kontakt mit jedermann zu vermeiden. Denn für ein kleines, unterbesetztes Schiff mit knappen Vorräten und ohne Flagge konnte buchstäblich jedermann zum Feind werden.

Dalton schritt einen Moment auf dem Vordeck auf und ab und prüfte den Morgen. Beim Wachwechsel würde er von Charley Duncan den Kursbericht erhalten. Aber er wußte auch so, wo sie waren, und er erkannte ‒ so wie sich das Schiff anfühlte, den Geräuschen seiner Segel und dem Gesang des Meeres nach ‒ Richtung und Geschwindigkeit. Die Fury war, wie Seeleute in diesen Gewässern es nannten, »im Wellental«: südlich der großen Atlantikrouten, ein Stück nördlich der Sklavenrouten und bei vier oder fünf Knoten stetigem Steuerbordhalsens waren voraus Inseln ‒ irgendein Teil der großen Ketten unzähliger Landmassen, die die Baja Mars… oder Bahamas… die Antillen und die anderen Karibischen Inseln darstellten. Irgendwo voraus gab es tausend Möglichkeiten, an Land zu gehen.

Es war mit Sicherheit bald an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Die Fury hatte, solange es praktikabel war, alle Kontakte gemieden. Aber Dalton brauchte Männer, Proviant, Vorräte, Ausrüstung… er brauchte alles, und das bedeutete, daß er einen Ort aufsuchen mußte, wo er es aufnehmen konnte, einen Ort, wo er auf die eine oder andere Art Geschäfte machen konnte.

Er schaute nach oben und rief: »Meldung, Mister Fisk!«

Die Antwort kam: »Aye, Sir. Es ist schwer zu erkennen, Sir. Noch immer hart an der Kimm, aber ich sehe Segel. Vielleicht ein Viermaster, Sir. Wie eine Bark oder ähnliches.«

»Was tut er, Mister Fisk?«

»Er ist einfach… da, Sir. Er tut nichts, soweit ich sehen kann. Er krängt ein wenig, aber ich glaube, er treibt einfach nur, Sir.«

Dalton ging die fünfzehn Schritte nach achtern zum Fuß des Großmasts der Schnau ‒ tatsächlich handelte es sich um zwei hintereinander aufgeriggte Masten, wobei der Großmast mit seinen drei gespreizten Rahen hoch aufragte, während sich unmittelbar dahinter ein kleinerer Mast befand, der Schnaumast genannt wurde und das Gaffel trug.

Dalton rief erneut nach oben: »Achtung, Großtopp!«

Pliny Quarterstones Stimme erklang: »Großtopp aye, Sir!«

»Meldung, Topp.«

»Aye, Sir. Nirgends etwas in Sicht, bis auf Mister Fisks Bark, Sir. Ein hübscher klarer Morgen, und bis auf die Bark haben wir das Meer ganz für uns… Sir.«

Dalton grollte leise und schüttelte dann den Kopf über diese Meldung. Jetzt war nicht die Zeit, einen Mann wegen seiner undisziplinierten Art zu schelten. Kein Mann an Bord hatte seit Monaten mehr als zwei Stunden Schlaf am Stück bekommen, und alle waren vor Müdigkeit ein wenig benommen. Dennoch, als jemand, der auf Schiffen der Krone vor dem Mast angefangen hatte, war es Patrick Dalton in Fleisch und Blut übergegangen, daß Disziplin zur Führung eines Schiffes unverzichtbar war. Er hatte seine Ansicht durchgesetzt ‒ hatte seine Ansicht stets durchgesetzt, wie er sich erinnerte ‒, keine Nachlässigkeit an Bord seines Schiffes zu dulden.

Oder jedenfalls behauptete er das gern.

Jetzt tat er es achselzuckend ab. »Sie sind gerade erst aufgeentert, Mister Quarterstone. Haben Sie Mister Fisks Bericht noch etwas hinzuzufügen?«

»Äh… nein, Sir. Es ist genau so, wie er schon gesagt hat. Ein Rahsegler, anscheinend wie eine Bark getakelt, noch immer hart an der Kimm, obwohl die Hauptsegel zu sehen sind. Die Segel stehen merkwürdig, und das Schiff treibt einfach auf der Strömung. Ich wette, es ist ein aufgegebenes Schiff, Sir. Niemand dort drüben bedient Segel oder Ruder.«

Dalton wandte sich nachdenklich ab. Ein aufgegebenes Schiff? Vielleicht im Stich gelassen? Ein Schiff dieser Art, das ohne Hand am Ruder hier draußen trieb? Es war möglich. Die nordatlantischen Gewässer waren drei Jahre lang von Konflikten beherrscht gewesen ‒ die Königliche Marine Seiner Britannischen Majestät hatte versucht, die Myriaden Freibeuter und Besitzer von Kaperschiffen im Zaum zu halten, die von den aufständischen amerikanischen Kolonien freigesetzt worden waren, Kolonisten gegen die Krone, Freibeuter gegen jedermann, wer auch immer ihnen in den Weg geriet, und mehr als nur ein paar unverblümte Piraten, die das Chaos schürten.

Natürlich konnte ein aufgegebenes Schiff in diesen Gewässern treiben. Aber es konnte auch ein Köder sein ‒ ein Köder für eine Falle, die jemand gezielt aufgebaut hatte.

Er strich mit den Fingern nachdenklich über die gefirnißte Oberfläche des Masts, bewunderte wieder einmal die Bauart. Eine amerikanische Neuerung, welche die Briten erst noch nachvollziehen mußten. Die Schnau erinnerte in vielerlei Hinsicht an eine bestückte Brigg ‒ ein recht kleines Kriegsschiff, ein Kreuzer und Spürhund. Aber eine Schnau ist eben doch etwas anderes als eine Brigg. Die Kolonisten hatten die Bauart der Brigg verbessert ‒ hatten den Mast neu konstruiert und ihr einen tieferen, robusteren Rumpf gegeben, um das Gewicht von zusätzlichen Segeln auszugleichen. Mit Temperament und Biß hatten die in amerikanischen Werften gebauten Schnaus die britischen Strategen wiederholt überrascht.

Obwohl weniger als eine Vollfregatte, hatte die Fury weitaus mehr Vorteile als jede andere Brigg ‒ und die Fury gehörte ihm, Patrick Dalton. Nach dem Bergungsrecht, nach dem Recht der Rückeroberung, nach dem Prisen- oder dem Besitzrecht… nach welchem Recht auch immer: Die Fury war sein Schiff. Seine Ehre und die Ehre des Schiffes waren intakt, und sie war sein.

Der Fluch der Iren, dachte er süffisant, der pure, eigensinnige, eingebildete gälische Stolz der schwarzen Iren darauf, daß ihnen gehörte, was sie Wertvolles errungen hatten! Nicht dem König, nicht der Admiralität, nicht irgendeinem kolonialen Anspruchsberechtigten, sondern ihnen! Ich bin ein schwarzer Ire, Gott helfe mir, liefen seine Gedanken weiter. Ich habe mir dieses Schiff rechtmäßig angeeignet, und nichts bedeutet mir mehr als mein Schiff. Unter meinem Kommando.

Nun, fast nichts, korrigierte er sich, als er ‒ wie anscheinend ohne Unterlaß ‒ an Constance Ramsey dachte. Die Fury war ihm, wie er einräumte, nicht wichtiger als John Singleton Ramseys Tochter mit dem kastanienbraunen Haar.

Aber in der Art der schwarzen Iren wog er die beiden Gefühle ab und sah keine Notwendigkeit zu wählen. Und er gestand sich mit gälischer Ehrlichkeit ein, daß es seine Absicht war, beides zu bekommen ‒ obwohl noch unklar war, wie er dieses Ziel erreichen konnte und wie hoch der Preis dafür war.

»Behaltet unsere Umgebung scharf im Auge, Männer«, rief er hinauf in die Takelage. »Denn wir haben zu dieser Zeit und an diesem Ort gewiß keine Freunde.«

Er wandte sich nach achtern, zögerte aber, als die Niedergangsluke aufschwang und Billy Caster die Leiter zum Deck hinaufstürzte, die Augen geweitet und das Haar zerzaust. Keuchend spähte der Junge zum Achterdeck und wandte sich dann um.

Dalton unterdrückte ein Grinsen und sagte: »Langsam, Mister Caster. Wenn Sie mich suchen ‒ ich bin gleich hier.«

Der Junge seufzte erleichtert. »Aye, Kapitän. Tut mir leid, aber ich dachte, ich hätte wieder verschlafen, und …«

»Ich würde zwei Stunden Schlaf wohl kaum als verschlafen bezeichnen, Billy.« Dalton schüttelte den Kopf. »Ich weiß, daß Sie die Nacht über damit beschäftigt waren, Bestandslisten aufzustellen und Logbucheintragungen vorzunehmen. Haben Sie schon gefrühstückt?«

»Nein, Sir.« Billy räusperte sich und versuchte, seine Stimme zu kontrollieren, die die unangenehme Tendenz hatte, in ein Stimmbruchfalsett abzugleiten. »Ich war in Eile, Sir.«

»Offensichtlich. Gut, Mister Caster, ich werde gleich Mister Duncan ablösen. Sie können mit mir die Meldungen entgegennehmen und dann unter Deck gehen und etwas von Mister Wises geräucherter Ziege und Trockenbrot zu sich nehmen. Wir haben recht voraus ein Schiff entdeckt, aber wahrscheinlich wird zumindest in den nächsten zwei Stunden nichts Interessantes geschehen.«

»Aye, Sir.«

Um fünf Glasen der Morgenwache ‒ mit nur fünfzehn Leuten an Bord konnte die Fury nicht einmal mehr den Anschein eines zivilisierten Acht-Glasen-Dienstes aufrechterhalten, und jeder Mann ging eine Wache nach der anderen ‒ übernahm Patrick Dalton das Achterdeck, löste Charley Duncan ab und beorderte Claude Mallory ans Ruder. Fury war auf geradem Südkurs mit Fock-, Besan- und Marssegeln bei ruhigen vier Knoten, und es gab bis auf das treibende Schiff ‒ elf Meilen entfernt und jetzt unmittelbar voraus ‒ keine weiteren Sichtungen.

»Ich glaube, wir müssen uns den Fremden ansehen«, entschloß sich Dalton. »Mister Mallory, steuern Sie bitte zwei Strich nach Backbord. Die Männer, die aus der Kombüse heraufkommen, können die Segel entsprechend trimmen. Mister Duncan, Ihre Wache kann sich ausruhen, soll aber in Bereitschaft bleiben. Sollte sich das Ganze als Falle oder Köder erweisen, müssen wir vielleicht rasch alle Segel setzen.«

»Aye, Sir.«

»Mister Caster, haben Sie den Kurs notiert und die Befehle mitgehört?«

»Aye, Sir.«

»Wie beurteilen Sie den Tag, Mister Caster?«

Es war ein altes Spiel, das der Kapitän mit seinem Schreiber spielte, und Billy hatte sich schon lange daran gewöhnt. Ire oder nicht, Königliche Marine oder nicht ‒ Patrick Dalton war auf vielerlei Arten bis auf die Knochen ein britischer Offizier. Und da er keine Seekadetten zu unterweisen hatte, fiel die Rolle Billy zu, in die Kunst der Navigation und in seemännisches Verhalten eingewiesen zu werden.

Er betrachtete den Himmel und die wenigen in den Wind gebraßten Segel. »Der Wind kommt von Westnordwest, Sir, mit achtzehn bis zwanzig Knoten. Ein klarer Tag mit hohen Wolken gen Westen, und die See läuft mit zwei Knoten nordöstlich.«

»Sehr gut.« Dalton nickte. »Und wie wird sich der Tag entwickeln?«

»Um die Mittagszeit auffrischender Wind, Sir, und Wolken über uns. Die See wird die Geschwindigkeit dann erhöht haben, da wir uns weiter im Golfstrom befinden werden.«

»Wenn das Schiff vor uns wirklich mit killenden Segeln treibt und wir zwei Grad südöstlich steuern ‒ wann werden wir es dann abfangen?«

Billy zögerte, rechnete und sagte dann: »Bei sieben Glasen der Wache, Sir, obwohl wir den Namen eine halbe Stunde vorher erkennen werden.«

Dalton nickte erneut. »Gehen Sie unter Deck und nehmen Sie Ihr Frühstück ein, Mister Caster. Und versuchen Sie, sich vorzustellen, daß es etwas anderes ist als geräucherte Ziege. Vielleicht geschmortes Schweinefleisch mit Apfelsoße?«

»Ist Mister Wise noch immer in der Kombüse, Sir?«

»Ja.«

»Dann ist es mit oder ohne Phantasie immer eine geräucherte Ziege.«

Um kurz nach sechs Glasen der Wache kroch Fury mit weniger als eine Meile Abstand an das treibende Schiff heran ‒ es schien tatsächlich aufgegeben worden zu sein.

Ein Viermaster, wie eine Bark getakelt, mit nur wenigen killenden und luvenden Segeln an ihren Rahen und keiner Hand am Ruder, trieb das Schiff schräg auf der Strömung und neigte sich nach Steuerbord, so daß sich ihr Dollbord auf dieser Seite kaum vier Fuß über den Wellenkämmen befand.

Patrick Dalton betrachtete das Schiff vom kleinen Achterdeck der Fury aus mißtrauisch durch sein Teleskopfernrohr. Kein Loch oder Riß war im Rumpf oder in den Segeln zu sehen, nirgendwo ein Anzeichen eines Kampfes. Ein aufgegebenes Schiff, das langsam Wasser in die Laderäume aufnahm, kroch seitwärts über das endlose Meer, und an Bord war kein Mensch zu sehen.

»Seltsam«, sann er. »Die Beiboote und die Kanonen sind noch da, und auf Deck scheint nichts zu fehlen. Die Buganker hängen klar zum Fallen an den Kranbalken. Alles intakt.« Er senkte das Fernrohr. »Deckswache«, befahl er. »Die Ausgucks sind wachsam, und wir sollten die vorderen Backbordkanonen bereithalten. Wir nähern uns zum Entern.«

Auf drei Kabellängen Entfernung waren die Namensschilder deutlich zu erkennen, und Daltons Gedächtnis begann zu arbeiten. An Bord der Fury gab es kein Schiffsregister, aber er erinnerte sich genau, dieses Schiff schon zuvor gesehen zu haben, irgendwo.

Ihr Name war Pride of Falworth.

Kapitel 3

Der Rumpf des Kauffahrers war angebohrt worden, wenn auch, nach Meinung Ishmael Beans, der mehr als ein durchschnittlicher Seemann über solche kriminellen Machenschaften zu wissen schien, sehr nachlässig.

»Hätte ich diesen Kahn anbohren sollen, Sir«, versicherte Bean Patrick Dalton, »dann wäre er bis zu den Speigatts überflutet gewesen, bevor jemand ›Gott schütze den König‹ hätte sagen können, und ich hätte ihn außerdem am Bug oder Heck versenkt, wie auch immer der Befehle gelautet hätte. So wie es unten aussieht, würde ich sagen, daß diese Kerle einfach einen Wegerungsgang hochgestemmt und einen Spalthammer zwischen einige Rumpfplanken im Kiel getrieben haben. Unfachmännische Arbeit, Sir, so wie ich es sehe.«

»Die Pride wäre aber letztendlich dennoch gesunken«, erklärte Dalton.

»Oh, aye, Sir, letztendlich. So wie es aussieht, hat sie bis zu den Knien Wasser aufgenommen, so daß wir dort unten nicht allzu viel erkennen können. Aber Mister Locke ist unter Deck über einen treibenden Gegenstand gestolpert und sozusagen einfach unter Deck gefallen, so daß wir ihn dort unten ein wenig herumtasten ließen, bevor wir ihn wieder herausgehievt haben. Er sagt, er glaubt, daß die Spalten zwischen den Planken mit Baumwolle ausgestopft wurden, als ob jemand versucht hätte, die Pride zu flicken, Sir.«

»Sie zu flicken?«

»Aye, Sir. So drückte er sich aus.«

»Wo ist Mister Locke, Mister Bean?«

»Vorn, Sir. Mister Hoop läßt ihn an den Füßen baumeln, damit er das Bilgewasser los wird.«

Dalton entließ die Teerjacke und führte seinen Rundgang über das Deck des Handelsschiffes fort. Die Pride of Falworth war in ausgezeichnetem Zustand, wenn man bedachte, daß sie offensichtlich aufgegeben, ihr Rumpf absichtlich beschädigt und sie zum Sinken zurückgelassen worden war. Die Decks und das Inventar waren gebrauchsbereit, Masten und Takelage wirkten intakt, die gesamte Ausrüstung eines in Betrieb befindlichen Schiffes ‒ zumindest alles das, was vom Deck, den Ladeluken und dem Niedergang aus zu sehen war ‒ war vorhanden und ordentlich verstaut. Und unter Deck befand sich beträchtliche Ladung. Durch die Luken konnte man Baumwollballen sehen, ohne daß Anzeichen von Vandalismus zu erkennen waren.

Das Schiff war offensichtlich nicht geplündert worden, und es gab keinerlei Anzeichen eines Kampfes. Die Pride war in jeder Beziehung ein schmuckes und einsatzbereites Segelschiff, von ihrem gefirnißten Heckmast und dem frisch gestrichenen Klüverbaum bis zu ihrem Satz Segel. Und doch war sie weit von den Schiffahrtsrouten entfernt, trieb hier mitten im Ozean, und irgend jemand hatte ihre Nahtstellen am Kiel geöffnet.

Hatte es eine Meuterei gegeben, fragte er sich. Das war nicht ungewöhnlich an Bord von Handelsschiffen mit langen Transportwegen. Es war bekannt, daß Besatzungsmitglieder, die von einem zu strengen Kapitän angetrieben oder zu lange bei knappen Rationen gehalten wurden, zur Vergeltung Meutereien veranstalteten. Eine Mannschaft mit einem Anführer, der einen Plan hatte, konnte den Kapitän eines Schiffes sehr wohl überwältigen und das Kommando übernehmen. Aber was dann? Warum ein gutes Schiff mit wertvoller Ladung an Bord versenken?

Um jeden Beweis zu vernichten? Möglich, dachte Dalton, möglich, aber unwahrscheinlich. Es wäre weitaus wahrscheinlicher, daß die Missetäter Segel setzen und einen Tauschhandelshafen anlaufen würden, wo sie stets die Chance hatten, einen Käufer für ein unregistriertes Schiff und seine Ladung zu finden… oder irgendeine Insel oder zumindest eine Küste, wo sie anlanden und verschwinden konnten.