Landfall in höchster Not – Kapitän Dalton in amerikanischen Gewässern - Dan Parkinson - E-Book
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Landfall in höchster Not – Kapitän Dalton in amerikanischen Gewässern E-Book

Dan Parkinson

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Beschreibung

Der Stolz der Marine: Der Seefahrerroman »Landfall in höchster Not – Kapitän Dalton in amerikanischen Gewässern« von Dan Parkinson als eBook bei dotbooks. Die raue Ostküste Amerikas im Jahr 1775: Die britische Krone liefert sich ein erbittertes Kräftemessen mit den amerikanischen Kolonisten. Als sein Vorgesetzter im Kampf fällt, übernimmt der talentierte Jungoffizier Patrick Dalton den Befehl über die stolze »Herrett«. Nur seiner taktischen Raffinesse ist es zu verdanken, dass die schwer angeschlagene Brigg schließlich sicher in die rettende Bucht von New York einlaufen kann – doch statt einer verdienten Beförderung wird der Seemann Opfer einer Intrige des machthungrigen »Prisenmeisters« Jonathan Hart. Seines Schiffes beraubt, entwickelt Dalton einen wagemutigen Plan, um Hart die Stirn zu bieten und Gerechtigkeit zu erlangen: den Raub des weitgerühmten Schoners »Faith« … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der nautische Abenteuerroman »Landfall in höchster Not – Kapitän Dalton in amerikanischen Gewässern« von Dan Parkinson – der Auftakt seiner Reihe maritimer Romane rund um den tollkühnen Seefuchs Patrick Dalton wird alle Fans von Julian Stockwin und C. S. Forester begeistern! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Die raue Ostküste Amerikas im Jahr 1775: Die britische Krone liefert sich ein erbittertes Kräftemessen mit den amerikanischen Kolonisten. Als sein Vorgesetzter im Kampf fällt, übernimmt der talentierte Jungoffizier Patrick Dalton den Befehl über die stolze »Herrett«. Nur seiner taktischen Raffinesse ist es zu verdanken, dass die schwer angeschlagene Brigg schließlich sicher in die rettende Bucht von New York einlaufen kann – doch statt einer verdienten Beförderung wird der Seemann Opfer einer Intrige des machthungrigen »Prisenmeisters« Jonathan Hart. Seines Schiffes beraubt, entwickelt Dalton einen wagemutigen Plan, um Hart die Stirn zu bieten und Gerechtigkeit zu erlangen: den Raub des weitgerühmten Schoners »Faith« …

Über den Autor:

Dan Parkinson (1935–2001) war ein US-amerikanischer Autor, der zahlreiche Romane in den Genres Historischer Roman, Western, Fantasy und Science-Fiction verfasste. Seinen größten Erfolg feierte er mit seiner Reihe sorgfältig recherchierter marinehistorischer Romane über den raffinierten Kapitän Patrick Dalton.

Bei dotbooks erschienen in der »Kapitän Dalton«-Reihe folgende Seefahrerromane:

»Gefahr längsseits – Kapitän Dalton auf Kurs South Carolina«

»Der Blockadebrecher – Kapitän Dalton vor der amerikanischen Ostküste«

»Im Kampf mit den Freibeutern – Kapitän Dalton zwischen Florida und den Bahamas«

***

eBook-Neuausgabe Januar 2022

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1989 unter dem Originaltitel »The Fox and the Faith« bei Pinnacle Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2000 unter dem Titel »Landfall in höchster Not« bei Ullstein

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1989 by Dan Parkinson

Published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY 10018 USA

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2000 by Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Gemäldes von Jens Thielsen Locher „Skonnerten Johanne udfor Kronborg“

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98690-145-5

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Liebe Leserin, lieber Leser, in diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Dan Parkinson

Landfall in höchster NotKapitän Dalton in amerikanischen Gewässern

Roman

Aus dem Amerikanischen von Karin König und Hans Joachim Alpers

dotbooks.

Prolog

Sie entstand nach den Entwürfen von Pieter van Doorn ‒ der damit den Fahrpreis nach Amerika bezahlte ‒ auf dem Spannboden der Point Furness Yards. Schiffbaumeister der Werft breiteten die Pläne aus, übertrugen die Maße in Originalgröße auf den Boden und schickten dann ihre Leute in die Umgebung von Chesapeake, wo sie nach großen Eichen suchten, deren Holz geeignet war.

Ihr geschwungener Kiel wurde im Herbst 1773 geschnitten und auf Stapel gelegt. Kräftige Rahmenhölzer wurden ausgewählt, mit dem Breitbeil behauen und auf dem Kiel befestigt. Muskulöse Männer trieben mit schweren Holzhämmern große Holznägel ein, um die stabilen Holzkniestücke und die gebogenen Spanten zu sichern, die das Gewicht und den Druck eines Schiffes unter Arbeitsbedingungen aushalten mußten. Der wuchtige Achtersteven wurde an seinem Platz befestigt, hinzu kamen Stützen für die hohen Masten und das stabile Deck. Den Winter über lag sie dann zum Trocknen in der schützenden Luft unterhalb des Spannbodens.

Im Frühjahr wurde weitergearbeitet. Die Holzbalken und die breiten Planken, die den Rumpf bilden sollten, wurden bearbeitet ‒ die seitlichen Plankengänge drei Zoll dick und die in Abständen angebrachten Spanten, welche die Hauptlast des Riggs tragen mußten, fünf Zoll dick. Schiffbauer und Zimmerleute errichteten auf dem gebogenen Kiel ein komplexes Skelett gebogener und sich verjüngender Balken. Zweitausend ausgewachsene Bäume wurden für ihren Rumpf gefällt. Eichen wurden zu ihren Spanten, Gelbkiefern zu ihren Masten und Spieren, längsgesägte Zypressen zur dicken Außenhaut ihres Rumpfes und weiße Eichen aus den Wäldern Neuenglands zu ihrer Reling und ihren Decks.

Bug und Heck wurden mit besonderem Augenmerk auf große Kraft und Schnittigkeit gestaltet, aus dem Skelett wurde ein glatter Rumpf, lange Schandeckel und die darunter ansetzenden seitlichen Plankengänge schwangen in der vorgegebenen Reihenfolge an ihren Platz. Kalfatert und geteert, bekam der tiefe Kiel ersten Wasserkontakt. »Seht nur, wie sie schonert!« sagten sie und freuten sich.

Aus dem Mastenbestand wählte man hohe, gerade Stämme ‒ siebenundsiebzig Fuß Länge für den Großmast und neunundsechzig Fuß Länge für den Fockmast. Von einer schwimmenden Arbeitsbühne aus hob man die Masten an ihren Platz. Die kürzeren Marsstengen wurden mit Eisenbändern an den Racks befestigt und hohe Bramstengen wiederum darüber. Breite Spieren wurden mit Klampen an Mars- und Bramstengen befestigt, und von jedem der beiden Untermasten erstreckten sich lange Hauptsegelstengen ‒ Marsstengengaffel für das Gaffelvorsegel, steigendes Gaffel und Grundbaum für den Treiber.

Dann kamen die Takler mit Tauen und Spannschrauben, die Schmiede mit ihrer Ausrüstung, die Segelmacher, die einen Satz Segel entwarfen, und die Auftakler, die ihn anbringen sollten. Die Ausrüster und Handwerker trafen in Gruppen ein. Maler und Transportarbeiter schwärmten über das Schiff aus. Zimmerleute verschalten die Kajüte und den Kielraum. Pumpen wurden angebracht und ein großes Ankerspill auf seiner Grundplatte befestigt. Böttcher und Seiler lieferten ihre Waren zur Ausstattung von Vorratskammern und Kabelgatt an. Anker und Kabel, Fässer und Gestelle, Zurrings und Bootsdavits wurden montiert, und achtern hing eine hübsche Jolle.

Noch während sie im Entstehen begriffen war, verschlechterte sich die Wirtschaftslage und damit die Stabilität des Königreichs.

Im Frühjahr des Jahres 1775 lag sie vor Anker, ein auslaufbereiter Schoner, und alle kamen, um voller Stolz ihr Werk zu betrachten.

Die Besitzer der Werft und ihre Schiffbaumeister kauten besorgt auf den Unterlippen.

»Die Zahlungen sind im Rückstand«, sagte der Ausrüster. »Sie ist jetzt fertiggestellt, aber wer wird die Rechnung begleichen?«

»Krieg schafft Vermögen«, erwiderte der Obermeister. »Dort steht ein stolzer Toppsegelschoner, der beste, den wir jemals gebaut haben. Es wird jemanden geben, der ihn braucht. Haben Sie Vertrauen.«

»Hoffen wir, daß Sie recht haben«, sagte der Werftdirektor und nickte. »Und wir sollten sie auch dementsprechend benennen.«

Sie erhielt den Namen Faithi.

Kapitel 1

Als Patrick Dalton sein Frühstück beendete, war die zunächst als schmale Linie im Osten heraufziehende Dämmerung nicht mehr als eine Art Versprechen. Er legte Rock und Säbel an und ging an Deck, um die Morgenwache auf der Herrett zu übernehmen. Unterhalb der Quarterdeckreling hielt er inne. Das Raunen des am robusten Rumpf des Schiffes vorüberrauschenden Wassers war in der Nacht lauter geworden, und das Rollen des Schiffes machte sich stärker bemerkbar. Er nickte zufrieden.

Der Hochsommer in diesem zweiten Jahr der Rebellion in den amerikanischen Kronkolonien war bereits vorüber, und der Wind war seit kurzem unbeständig geworden. Aber jetzt blähte ein beständiger Südostwind die Segel der Herrett und trieb sie auf ihrem Weg von den Indies zur Bucht von New York beständig nordwärts, wo Dalton sich Howes Flotte anschließen wollte.

Im Schein der tanzenden Lichter warf Dalton einen geschulten Blick über die Arbeitsdecks. Bezopfte Seeleute traten beiseite, als er nach der Anordnung der Belegnägel in den fünf Querhölzern schaute, wo die von den Großmarssegeln herabführenden Leinen festgemacht waren. Ihre Anordnung sagte ihm, welche Hochsegel in der Dunkelheit über ihm gesetzt waren. Und das wiederum sagte ihm etwas über die Windrichtung. Er neigte den Kopf, als von oben ein Flattern erklang. Das Großmarssegel luvte etwas.

»Ihre Großmarsschot an Backbord hat sich ein wenig gelockert, Mister Reed«, sagte Dalton zu einem wartenden Bootsmann.

Der Mann lauschte. »Das stimmt, Mister Dalton. Deckshände an Backbord! Die Schotleine am zweiten Belegnagel dichtholen!«

Als sich der große junge Offizier abwandte, schürzte Mister Reed die Lippen, neigte den Kopf und lauschte nach oben, als sich das Flattern zum Raunen eines gut gesetzten Segels abschwächte. Viele der altgedienten Teerjacken wunderten sich, daß Patrick Dalton mit seinen siebenundzwanzig Jahren, seinem guten Blick für die Takelage und seinem feinen Gehör für das Trimmen sowie einem ungewöhnlichen Dienstrekord an Bord von Schiffen der Krone noch kein eigenes Kommando erhalten hatte. Erstklassige Offiziere wie er waren in der Regel zu diesem Karrierepunkt längst Kapitäne.

Aber andererseits fehlten Mister Dalton Verbindungen zur Peerage. Und, was am schwerwiegendsten war, er war Ire.

Dalton erklomm das von Lampen beleuchtete Quarterdeck. Sein Wachrudergänger Christie Miles und sein junger Schreiber Billy Caster standen bereits dort. Er nickte ihnen zu und grüßte den Decksoffizier.

»Erster Offizier Dalton meldet sich zur Wache.«

Der Mann erwiderte seinen Gruß. »Glocke bereit, Sir.«

Sie standen bequem, während der letzte Sand durchlief, woraufhin der Offizier das Stundenglas umdrehte.

Er rief nach unten: »Acht Glasen, Mister Reed.« Als die Glocke unterhalb der Heckreling erklang, grüßte er Dalton erneut kurz. »Bereit zur Übergabe der Wache, Kommandant.«

»Wachablösung erfolgt, Mister Oates. Übernehmen Sie bitte das Ruder, Mister Miles. Kurs und Meldungen, Mister Caster?«

»Kurs Nord. Fahrtrichtung Nord.« Billys Stimme war die eines Heranwachsenden und brach. Er hustete, um seinen unzuverlässigen neuen Bariton zurückzuerlangen. »Hundewache meldet keine Sichtungen. Steuerkurs führt uns an Chesapeake vorbei. Schiff läuft konstant fünf Knoten. Marssegel gesetzt.«

»Wind, Mister Caster?«

»Achtzehn und auffrischend, Sir. Von Südost nach Südsüdost.«

»Sehr gut, Mister Caster. Was folgt daraus?«

Billy hielt im Laternenlicht inne und dachte nach. Es gehörte nicht zu den Aufgaben eines Schreibers, den Wind zu beurteilen, aber Mister Dalton unterwies ihn ständig in den Seemannskünsten. »Er wird vermutlich während der Mittelwache südwärts drehen, Sir, und auf zwanzig oder mehr auffrischen.«

»Begründung?«

»Der Himmel, Sir. Es herrscht hohe Bewölkung mit tieftreibenden Wolkenfetzen darunter. Und er wird auch südwärts drehen und auf zwanzig auffrischen, wenn keine grundlegende Veränderung eintritt, nicht wahr?«

»Sehr gut, Mister Caster.«

Im Hafen sprach Dalton Besatzungsmitglieder manchmal mit ihren Vornamen an, aber niemals an Bord. Es war wohlbekannt, daß Mister Dalton an Bord auf Korrektheit sah und jede Nachlässigkeit mißbilligte. Es war ebenso wohlbekannt, daß niemand das strenge Reglement genauer befolgte als er selbst.

Die Hände auf der Heckreling, blickte Dalton über das dunkle Kielwasser der Herrett hinaus. »Ist Kapitän Furney heute morgen schon heraufgekommen?«

»Nein, Sir, obwohl der Ausguck sagt, daß der Kapitän ungefähr um drei Glasen eine Zeitlang an Deck war und dann wieder hinabging.«

»Sehr gut. Wachbootsmann?«

»Aye, Sir?«

»Frische Leute in den Ausguck für die Morgenwache.«

»Aye, Sir.«

»Bringen Sie den Dienstplan herauf, Mister Caster, dann können Sie unter Deck gehen und frühstücken.«

»Aye, Sir.«

Der Junge eilte mit seinem Auftrag davon. Als Heimatloser, der blutjung auf einem Handelsschiff anheuerte, hatte Billy Caster das Leben bei der Marine während der vergangenen zwei Jahre recht gut kennengelernt. In den Kolonien geboren, hatte er das Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt und war als Büchsenmacher ausgebildet worden, bevor seine Welt an Land von der Pest verheert wurde. Mit zwölf Jahren verwaist und ohne Zuflucht, war Billy auf einem Kauffahrer vor dem Mast gefahren. Als das Schiff beschossen wurde und die Überlebenden in Gefangenschaft gerieten, befand er sich unter ihnen. Der Junge stand kurz davor durchzudrehen, als Dalton ihn als Schreiber unter seine Fittiche nahm. Dalton hatte diese Entscheidung nie bereut. Billy war als Schreiber so tüchtig, wie es sich ein Schiffsoffizier nur wünschen konnte.

»Korrigieren Sie leicht nach Steuerbord, Mister Miles. Halten Sie voll und bei.«

»Aye, Sir.«

Licht zog jetzt am Himmel auf, und das Kielwasser des Schiffes ritt geistergleich auf der Dünung. Die Herrett war eine mit siebenundzwanzig Geschützen bestückte Kanonenbrigg mit achtzig Mann Besatzung und einer Kompanie Seesoldaten. Sie trug aus früheren Kämpfen Flicken auf den Segeln, und im Rumpf gab es notdürftig mit Lecksegeln abgedichtete Löcher. Sie hatte bei Begegnungen mit Kaperschiffen zweimal bluten müssen, aber im Kern war sie gesund und sauber getakelt, und sie summte zufrieden, während sie sich auf der rollenden See nordwärts hielt.

»An Deck!«

Dalton spähte nach oben. Hoch auf dem Großmars konnte er den Ausguck als Silhouette vor dem aufhellenden Himmel in der Längssaling kauern sehen. Er formte die Hände zu einem Trichter. »Ausguck berichten!«

»Achtern Backbord hart an der Kimm Segel gesichtet, Sir!«

»Sehr gut, Ausguck! Halten Sie weiterhin Ausschau!«

Kapitän Furneys Kopf erschien an der Treppe des Quarterdecks. Der Herr der Herrett, gedrungen, grauhaarig und in seinem Seerock adrett, kam an Deck. »Was wurde gesichtet, Mister Dalton?«

»Segel, Sir. Voraus und achtern Backbord. Von der Längssaling hart an der Kimm gesichtet, so daß sie bei entsprechender Größe zwanzig Meilen entfernt sein wird.«

»Aye.« Furney betrachtete den Morgen. »Also ist die Sicht gut. Schönes Wetter, Mister Dalton.«

»Aye, Sir. Eine Kursänderung?«

»Halten Sie sie auf dem gegenwärtigen Kurs, Mister Dalton. Wir kommen gut voran.«

Bei vier Glasen während der Morgenwache, als der Himmel ein hoher, heller Dunst war, konnte der Ausguck der Herrett zwei Riggs ausmachen ‒ die eines großen und die eines kleineren Schiffes, jetzt ungefähr zehn Meilen voraus und auf gleichem Kurs wie die Brigg.

»Sie kommen langsam voran, Sir«, gab die Deckswache eine Meldung weiter. »Das kleine Schiff ist eine Art Gaffelschoner. Zwei Masten. Sie kreuzt vor dem Wind. Das große Schiff bleibt zurück und folgt dem kleinen. Es scheint eine Fregatte zu sein.«

Dalton nickte. Wahrscheinlich ein Schiff der Krone mit einer Prise, das in die Bucht von New York zurückkehren will, dachte er und ließ seine Gedanken einen Moment abschweifen. Eine Prise aufzubringen war immer wieder ein berauschender Traum. Die Herrett hatte es einmal geschafft… eben jener Kauffahrer, von dem Billy gekommen war, und dieser zerschlagene alte Rumpf hatte genug Prämie eingebracht, um es Dalton von seinem Anteil als Erster Offizier zu ermöglichen, einen Teil seiner Schulden zu Hause in Belfast abzutragen. Er hoffte, daß das Geld angekommen war. Vielleicht würde er sogar eines Tages nach Irland zurückkehren können, wenn er den Rest der Schulden sowie einige Bestechungsgelder bezahlt hatte. Dann könnte er Fitzgerald gegenübertreten und … Er schüttelte heftig den Kopf, verscheuchte die Tagträume. Es war unwahrscheinlich, daß er Molly wiedersehen würde, gleichgültig wie reich er auch würde. Und er war sich auch nicht sicher, ob er sie überhaupt wiedersehen wollte, wenn es soweit käme. Er war ein Narr, wenn er sich nach einem solch launischen Wesen sehnte.

Kurz vor Mittag brach die Sonne durch, und die fernen Schiffe waren von Deck aus zu sehen, Segelflecken vor der Kimm. Dalton hatte seine Wache beendet und schritt zur Back, das Fernrohr in der Hand, um einen Blick zu riskieren.

Das näher gelegene Schiff war eine große Fregatte ‒ ihrem Aussehen nach ein vorzüglicher Segler. Sie schleppte sich mit gerefften Segeln dahin, blieb hinter dem kleineren Schiff zurück, segelte beständig nordwärts. Am Schoner wehten die Farben eines im Kampf genommenen Prisenschiffes. Ein weißes Kreuz auf rotem Grund ‒ das mußte die Prisenflagge des Fregattenkapitäns sein.

Die Männer an Bord dieses Schiffes gehörten wohl der Fregattenmannschaft an, die sie zur Registrierung und Versteigerung nach Hause brachten.

Die Fregatte selbst war ein großes Schiff mit dunklem Rumpf und zwei Reihen Stückpforten. Dalton betrachtete sie durch sein Fernrohr und sog pfeifend den Atem ein. Er hatte schon früher Fregatten gesehen, aber niemals eine so große. Er zählte die Stückpforten in ihrem Rumpf und die großen Jagdgeschütze vorn und hinten, zählte insgesamt vierundvierzig Kanonen ‒ eine ausreichende Bestückung für ein Linienschiff, aber in diesem Fall für eine schnelle und tödliche Fregatte ‒, ein großartiges Jagdschiff, dafür gebaut, aufzuspüren, sich anzunähern und zu töten.

»Können Sie ihre Beflaggung bereits ausmachen, Mister Dalton?«

Da Dalton mit seinem Fernrohr beschäftigt war, hatte er nicht mitbekommen, wie Kapitän Furney neben ihn getreten war. »Nein, Sir, noch nicht.« Er bot ihm das Glas an, aber der Kapitän schüttelte den Kopf.

»Ich brauche es nicht. Ich kenne das Schiff.« Seine Augenbrauen waren mißbilligend gesenkt. »Haben Sie schon einmal von der Fregatte Courtesan gehört, Mister Dalton?«

Mit dem Namen kam die Erinnerung. »Ich habe davon gehört, Kapitän. Ein Kaperschiff, der Flotte zugeteilt, aber in Privatbesitz, soweit ich mich erinnere. Ihr Kapitän ist…«

»Hart.« Furney nickte, und seine Mißbilligung wurde noch deutlicher. »Kapitän Jonathan Hart. Sie nennen ihn den Prisenmeister, und das aus gutem Grund. Der Mann ist nicht besser als ein Pirat. Aber ich muß ihm zugestehen, daß er ein ausgezeichneter Seemann ist. Es ist einfach eine Schande, daß sein Können und sein Schiff nicht stärker zum Nutzen der Flotte, statt zum Füllen seiner eigenen Geldbörse eingesetzt werden.«

»Wir werden ihn in ungefähr einer Stunde einholen. Sollen wir ihn begrüßen?«

»Nein. Wir werden ein Stück querab segeln und einen weiten Bogen um ihn machen. Wir werden in Long Island erwartet, und die Vorstellung, Zeit mit Artigkeiten gegen einen Piraten zu verschwenden, gefällt mir nicht, selbst wenn er die Flagge des Königs führt.«

Die Herrett krängte zwei Strich nach Steuerbord, die Segel wurden getrimmt, und sie kreuzte weiter, lief in weitem Bogen um die Fregatte und ihren erbeuteten amerikanischen Schoner herum. Am frühen Nachmittag waren sie der See zugewandt und Bord an Bord, und der Schoner drehte fast auf Steuerbordreichweite, ausreichend nahe, daß man Einzelheiten erkennen konnte.

Dalton stand mittschiffs, das Fernrohr an die Augen gehoben, und betrachtete das kleine Schiff, als es im Winkel näher kam. Es war ein hübsches Schiff, sauber und gepflegt, mit einem sanft gerundeten Bug, der durchs Wasser glitt wie eine Lady über den Tanzboden. Ein schnelles und kraftvolles Schiff, dachte er, obwohl diese Narren am Ruder und an den Schoten keine Ahnung hatten, wie sie sie antreiben konnten. Sie waren Rahseglermatrosen und handhabten den gewandten Schoner ziemlich ungeschickt.

»Eine hübsche kleine Lady«, bemerkte Dalton zu niemanden im besonderen. »Mit dem richtigen Kapitän könnte sie mit ihren Gaffelsegeln uns allen davonlaufen. Ein Mann könnte um eine solche Lady werben und sie bei ruhiger See nehmen, und es gäbe keinen Ort, an den er nicht gelangen könnte.«

»Führen Sie Selbstgespräche, Mister Dalton?« Der grinsende Zweite Offizier blieb neben ihm stehen.

»Ich habe nur laut gedacht, Mister Clark. Sehen Sie sich den Schoner dort an, sehen Sie, wie er die Wellen durchschneidet, obwohl seine Mannschaft keine Ahnung hat, was sie tut.«

Clark lehnte sich auf die Reling. »Ein hübsches Schiff, das stimmt. Aber ein Schiff ist ein Schiff und keine Lady.«

»Dieses«, erwiderte Dalton bestimmt, »ist eine Lady.«

Der Schoner kam nahe genug heran, daß seine Mannschaft der Brigg zuwinken konnte, schwang dann seinen großen Besan und die Gaffelsegel herum, drehte fast auf Backbordreichweite bei und zeigte seine Hieling, als er davontanzte. Dalton seufzte und steckte das Fernrohr ein.

»An Deck!«

Ein Ausguck im Fockmast winkte und zeigte in eine bestimmte Richtung. Zwei weitere Schiffe waren vor der fernen Küstenlinie zu erkennen, die sich ihnen unter vollen Segeln näherten. Sie kamen Bord an Bord, die gestaffelten Segel hoch aufragend, die Bramsegel über den Marssegeln gebläht. Sie wirkten wie Kriegsschiffe, zeigten aber nicht die Farben des Königs.

»Kaperschiffe«, keuchte Dalton. Er wandte sich um und eilte zum Quarterdeck.

Kapitän Furney war schon vor ihm dort und stand am Ruder. Die Pfiffe des Bootsmanns schrillten über das Deck der Herrett und beorderten die Männer in Gefechtsposition.

»Zwei Schnauen, Mister Dalton. Höchstwahrscheinlich Kaperschiffe, obwohl sie auch einer der Kriegsflotten der Kolonien angehören könnten. Wir werden ihre Farben bald erkennen können.«

Ein Offizier mit einem Fernrohr wandte sich von der Reling ab. »Die Fregatte gibt uns Flaggenzeichen, Sir. Ich erkenne ihre Signale. Sie haben den Feind ausgemacht und wollen, daß wir uns ihnen anschließen. Sie sagen, wir sollen aufschließen.«

Furney spie aus. »Sie wollen nur, daß wir ihnen helfen, ihre Prise zu beschützen. Sie wollen, daß ich mein Schiff gefährde, damit sie ihre Prämie heil nach Hause bringen können. Sagen Sie mir, Mister Dalton, was würden Sie tun, wenn dies Ihr Kommando wäre?«

Dalton schwieg. Es war eine rhetorische Frage, und der Kapitän würde seine eigene Antwort finden.

»Aye«, grollte Furney. »Ich werde ihnen helfen, aber es gefällt mir nicht. Und wissen Sie, warum ich ihnen helfen werde, Mister Dalton? Weil ihre Flaggenzeichen die Ehre der Herrett herausfordern. Sie könnten Fahrt machen und diesen Schnauen ihre Hieling zeigen, aber sie haben sich entschieden, lieber bei ihrer kleinen Prise zu bleiben. Ich könnte ihnen allen das Heck der Herrett zeigen, aber sie haben die Ehre meines Schiffes herausgefordert, und ich kann mich dem nicht verweigern. Also hart Backbord.«

Der Rudergänger warf das Ruder herum, während Decksgasten und Toppsgasten den Befehlen des Bootsmanns folgten und die Segel auf den neuen Kurs trimmten.

»Bemannt die Geschütze!« brüllte der Kapitän. »Vielleicht können wir auch eine Prise nach Hause bringen.«

Billy Caster stand neben Dalton. »Werden wir kämpfen, Sir?«

»Aye, Mister Caster. Wir werden kämpfen.«

Die Herrett glich sich dem Kurs der Fregatte an, und die Flaggen flatterten. Sie waren dreihundert Yards auseinander, pflügten unter gekürzten Segeln nordwärts, während der flinke Schoner vor ihnen tanzte ‒ an Backbord in kurzer, an Steuerbord in langer Reichweite und wieder an Backbord in kurzer Reichweite. Die hinter ihnen aufkommenden Schnauen liefen unter vollen Segeln, und ihre Rümpfe ragten hoch auf, während ihre Buge gischtsprühend durch die Wogen schnitten. Sie strotzten vor Geschützen.

Als sie noch eine Viertelmeile entfernt waren, setzte die Fregatte Courtesan weitere Segel und neigte sich, nahm Fahrt auf und vollführte einen weiten Bogen nach Backbord. Die Schnau zur Linken, ein Schiff mit dunklem Rumpf und zerfetztem Klüver, fiel ab, um zu dem größeren Schiff aufzuschließen. Jenes auf der Rechten, mit rotem Rumpf und einem roten Banner an der Marsstenge, kam direkt auf die Herrett zu.

Wenn auch kleiner als die Fregatte Courtesan, waren die beiden Schnauen doch im Vorteil. Sie liefen vor dem Wind auf ihre Beute zu, und weder Brigg noch Fregatte waren für schnelles Halsen oder schnelles Brassen vor den Wind getakelt.

Furney übernahm das Ruder der Herrett und beobachtete, wie die rote Schnau auf sie zuhielt. Sie konnten auf eine Achtelmeile die Männer an ihren Vorderdeckkanonen ausmachen, während sich die Dünung unter ihrem Bug teilte.

»Das sind Optimisten«, sagte Furney. »Bei der roten Schnau kann ich dreißig Kanonen ausmachen. Können Sie ihre Flagge erkennen, Mister Dalton?«

»Es ist keine Flagge der Navy. Es handelt sich um ein Kaperschiff.«

»Ah, sie macht sich feuerbereit.« Furneys Hände um das Ruder wurden weiß. »Jetzt! Hart auf Kurs, Bootsmann! Decksgasten an die Marssegel. Schoten los! Schoten los!«

Er ließ das Ruder ruckartig hart nach Steuerbord schwingen. Die Herrett reagierte, krängte und drehte ab, als eine weiße Blüte am Bug der sie verfolgenden Schnau erschien. Die Blüte wurde plötzlich zu einer weißen Wolke, verhüllte das Schiff, und eine große Kugel fegte am Ladebaum vorbei, peitschte dann aufs Meer und fegte über die Dünung, bevor sie weit voraus versank. Furneys Wangen wurden grau. »Darum sind sie so optimistisch, Mister Dalton. Das war eine lange Zwölf ‒ sie haben weitreichende Geschütze.«

Noch während die Rauchwolke auf sie zutrieb und sich auflöste, erschien eine weitere am Bug der Schnau, die jetzt krängte, um zu folgen. Der Knall des ersten Schusses wurde von einem Gewirr splitternden Holzes und brechender Stagen übertönt, als die zweite Kugel durch das Rigg der Herrett summte. Hoch im Fockmast schrie ein Mann und fiel, Überreste einer zerschmetterten Rahnock folgten ihm ins zusammenschlagende Kielwasser.

Die Pfeife des Bootsmanns ertönte. »Das Vorbramsegel ist zerstört! Toppsgasten nach oben! Schiffshaken und Stagen!«

Noch als das Segel einbrach und auf das untere große Segel stürzte, enterten Männer beide Fockmastwanten auf, um den Schaden zu beseitigen und zu reparieren.

»Mister Dalton, befehligen Sie die Geschütze, Sir!«

Furney kämpfte mit dem Ruder um das Gleichgewicht des Schiffes.

Dalton wirbelte herum. Unter ihm spähten weiße Gesichter von den Heckgeschützen der Herrett nach oben, drei an jeder Kanone. Die beiden Neunpfünder wurden geladen und verschlossen. Die Stückführer hielten langsam brennende Luntenstöcke bereit.

»Stücke anheben!« rief er und schaute zu der Schnau zurück. »Handspaken!« Die Stückmannschaften hebelten ihre Geschütze nach oben und setzten die Richtkeile. »Stückführer an die Keepen. Auf die Marsrahen halten und feuern!«

Die Herrett ritt auf der Dünung nach oben, krängte wieder abwärts, und beide Kanonen dröhnten. Neun Pfund Pulver schleuderten zwei Eisenkugeln auf den Räuber in ihrem Kielwasser. Rauch wallte über die Decks der Brigg. Dalton richtete sein Fernrohr aus. Gischt sprühte vor der roten Schnau auf, und ein gähnendes Loch war in ihrem Bug unter den Klüverstagen zu sehen.

»Zu weit entfernt, Kapitän. Können wir näher rangehen?«

»Aye, das werden wir müssen. Besansegel setzen! An Steuerbord klarmachen zum Halsen!«

Die Herrett kam hart herum und verlor an Fahrt, als sie zu einem Viertel gegen den Wind kam. Die Rahnocken schwangen seitwärts. Pfeifen ertönten, um das Chaos an Deck zu klären, während Seeleute hastig die Schoten anholten und belegten. Die Takelage knatterte. Die Segel bauschten sich. Die hohen Masten krängten weit über die steigende See hinaus.

Die Schnau stand jetzt vor Steuerbordbug und kam näher. Dalton eilte zum Niedergang und lief, Hindernissen ausweichend, über die überfüllten Decks. Hier befanden sich die großen Geschütze der Herrett, die Karronaden. Die Stückmannschaften erwarteten ihn mit geöffneten Pforten und ausgerannten Kanonen. Feuer sprang von der Reling der Schnau auf. Rauch und Donner rollten herüber. Mit dem Wehklagen von tausend todverkündenden Geistern fegten Kettenkugeln über die Decks der Brigg. Unmittelbar unter Dalton verschwanden ein Stückführer und zwei Männer seiner Stückmannschaft in wogender roter Gischt. Haltetaue ächzten und rissen. Männer schrien und fielen. Die Stückführer warteten. In der darauffolgenden kurzen Pause schweifte Daltons Blick von seinen Kanonen zu der Schnau, die jetzt zweihundert Yards dwars lag. In der Ferne stiegen im Sonnenlicht drohende Wolken von der Stelle auf, wo die Courtesan mit der anderen Schnau kämpfte.

»Klarmachen zum Feuern!« rief er ihnen zu, und die Luntenstöcke mit den brennenden Zündern wurden angehoben. »Zielt auf den Rumpf in Höhe der Wasserlinie, Männer! An die Keepen und Feuer!«

Die Stückführer knieten sich zum Anvisieren hin, die Luntenstöcke senkten sich. Das Deck der Herrett wurde erschüttert, als sieben große Karronaden nacheinander abgeschossen wurden. Die Taljen schepperten. Die Geschütze wurden zum Neuladen innenbords gezogen. »Seesoldaten nach oben!« Rotjacken schwärmten über die Wanten aus, und Musketenfeuer ratterte wenig später von den Webeleinen. »Weiter feuern, bis sie herankommt!« brüllte Dalton. »Dann fegt ihre Decks leer!«

Die Schnau schlingerte. Einige der Karronaden hatten ihr Ziel getroffen. An der Wasserlinie waren Löcher zu sehen. »Jetzt sind sie nicht mehr so verdammt zuversichtlich«, fluchte Dalton. »Sie wollten uns vor sich hertreiben, nicht herankommen und kämpfen.«

Die Schnau braßte und versuchte, Entfernung zwischen sie zu legen, aber die Herrett hielt ihren Kurs und kam noch näher heran. Kapitän Furney lenkte sein Schiff voller Zorn. Er konnte alles aus einem Schiff herausholen und es Leistungen vollbringen lassen, von denen seine Erbauer nicht einmal geträumt hätten. Ein kakophonisches Durcheinander von Kampfgeräuschen betäubte ihn.

Die Mittschiffsbatterie hatte ihre Arbeit aufgenommen. Kanonen oben und Karronaden unten, spie die Herrett ihr Gift über das rauchumwaberte Wasser. Dalton hörte selbst auf diese Entfernung das Krachen, als der Fockmast der Schnau zu einem Stumpf zersplitterte. Er sah im Dunst ihre oberen Rahen langsam auf den beschädigten Großmast zurücksinken. Aber ihre Geschütze sprachen noch immer. Eine Kanonenkugel schnitt, ein Vakuum erzeugend, an seinem Ohr vorbei und ließ Splitter vom Großmast hinter ihn regnen. Von dort erklangen Schmerzensschreie der Männer.

Dalton konzentrierte sich wie ein zum Töten bereiter Jagdhund auf seine Beute, keuchte durch zusammengebissene Zähne. Er konnte die rote Schnau in einem Moment, als der Wind die Sicht klärte, deutlich sehen. Sie lag regungslos im Wasser, das Rigg hoffnungslos zerfetzt. Die Herrett lag fast still, die Segel eingesunken, als Furney ihre Nase hart in den Wind drehte. Dalton sah sich um. Was tat er? So konnte das Schiff nicht vorankommen. Aber dann knatterten ihre Segel, entfalteten sich neu an ihren Masten. Verwirrte Bootsleute legten ihre Pfeifen ab und blickten nach achtern. Während ihrer Ausbildung hatten sie solche Bedingungen nicht kennengelernt. Dalton konnte durch das Durcheinander, die Verwirrung und den Rauch hindurch Furney am Ruder sehen, der Befehle rief. Sie wurden das Deck entlang weitergegeben, und Decksgasten beeilten sich, die Schoten zu lösen. Dalton sperrte den Mund auf. Leinen wurden angeholt, die Segel schlugen gegen die Masten, und die Herrett nahm Fahrt auf… rückwärts.

»Hoffentlich lebe ich lange genug, um davon zu erzählen …«, stieß ein Mann neben Dalton heiser hervor.

»Die Masten können das nicht aushalten!« rief Dalton, aber seine Stimme ging im Wimmern der Brigg unter. Die gequälte Takelage knatterte und summte. Spieren erbebten. Die Masten stöhnten in ihren Salingen, und über ihnen erklang ein unheilvolles Krachen.

Aber sie hielten stand. Die Herrett lief rückwärts und sprang um, so daß ihr Bug auf eine Linie mit der manövrierunfähigen Schnau kam. Dalton lief zum Vorderdeck, glitt aus und fiel auf dem von Blut glitschigen Deck fast hin. »Buggeschütze klarmachen!«

Zwei Langkanonen, die den schweren Klüver der Brigg flankierten, wurden ausgerannt.

»Stückführer an die Keepen! Nehmt sie mittschiffs! Feuert!«

Es dröhnte. Der Rumpf der roten Schnau brach mittschiffs ein. Sie sackte mit gebrochenem Rücken durch. Die Nase der Herrett schwang weiter herum, als das Ruder den Wind suchte. Sechzig Grad luvwärts. Die Pfeifen schrillten, Leinen wurden getrimmt. Die Rahen schwangen herum, und die Hochsegel blähten sich. Die Herrett begann mit aufsteigendem Rumpf vorwärts zu laufen. Dalton schaute zum Ruder zurück und schüttelte verwundert den Kopf. Er hätte nicht geglaubt, daß so etwas möglich wäre. Die treibende Schnau, ein Trümmerhaufen auf dem Wasser, tauchte an Backbord auf, und er eilte zum dortigen Geschützsteg, aber es war keine weitere Breitseite mehr nötig.

Als er am Steg ankam, sank die Flagge der roten Schnau am Fall hinab. Sie gab auf. Die Herrett pflügte vorbei und nahm durch Backbordhalsen Fahrt auf.

Vor ihnen, in der Ferne, hatte die dunkle Schnau die Fregatte passiert und lief auf den flüchtenden Schoner zu. Die Courtesan schleppte sich hinterher, vollführte einen weiten Bogen, um zu wenden und zu folgen. Soweit man dies aus dieser Entfernung beurteilen konnte, hatte keines der Schiffe großen Schaden genommen. Wenn beide weitreichende Geschütze besaßen, hatten sie sich auf Distanz gehalten und nur aus größerer Entfernung beschossen. Sie hatten sich offensichtlich nicht auf einen Nahkampf eingelassen.

Dalton spürte, wie sich das Deck der Herrett hob, als die Brigg krängte und einen Winkel beschrieb, um die dunkle Schnau abzufangen. Er sah sich um. Blut floß rot durch die Wasserläufe. Mittschiffs wimmelte es von Verletzten und Toten. Gerissene Stagleinen schwangen außenbords. Er bemerkte plötzlich, daß Billy Custer neben ihm stand. Der Junge starrte mit aschfarbenem Gesicht auf das Blutbad und sah aus, als müsse er sich gleich übergeben. Er war seinem Offizier während des Gefechts über die Geschützdecks gefolgt. Dalton hatte es ihm nicht untersagt.

Dalton legte ihm jetzt einen Arm um die Schultern. »Sehr merkwürdig, Mister Caster. Wir werden sicher auf dem Quarterdeck gebraucht.«

Kapitän Furney führte das Schiff mit zornigem Blick. »Sehen Sie nur, was er meinem Schiff angetan hat!« Dalton war klar, daß er die Fregatte meinte. »Wir sind ein Trümmerhaufen, Mister Dalton. Er und seine verdammte Prise! Aye, aber wir sind noch flott und davongekommen, und wir können noch immer kämpfen.«

»Wir könnten es ihm überlassen, sich des anderen zu entledigen, Kommandant.«

Furney sah ihn mit zornigem Blick an. »Verdammt sollten wir sein, wenn wir das täten, Sir! Sehen Sie dorthin. Während wir die Herrett für ihn mit Blut befleckt haben, hat er sich ferngehalten und ein Preisschießen veranstaltet. Er hat keinen Kratzer davongetragen! Nun, ich habe für ihn gekämpft. Nun möchte ich zu gerne sehen, wie er sich selbst schmutzig macht. Wir liegen jetzt gut im Wind, Mister Dalton. Wir werden ihm seine Beute zutreiben und dann zusehen, wie er die Blutarbeit leistet.«

Mit einem kräftigen Wind von achtern machte die Brigg schnelle Fahrt. Sie näherte sich der Schnau rasch und lief im Bogen voraus. In der Ferne lavierte der ziellose Schoner noch immer in kurzen Schwüngen hin und her.

Dalton deutete hinüber. »Warum wenden sie nicht einfach und laufen seewärts? Gegen den Wind kreuzend könnte der Schoner die Schnau innerhalb einer Stunde hinter sich lassen.«

»Weil sie Dummköpfe sind«, erwiderte Furney. »Hart würde niemals gute Seeleute an Bord einer solchen Prise lassen. Sie könnten es sich in den Kopf setzen, davonzusegeln und ihn zurückzulassen.«

»Traut er seiner eigenen Crew nicht?«

»Jonathan würde seiner Mutter nicht das Milchgeld anvertrauen, Mister Dalton. Und denken Sie daran ‒ die Courtesan ist ein Kaperer, kein reguläres Kriegsschiff. Die Leute haben Verträge unterzeichnet, aber sie sind nicht an die Kriegsbestimmungen gebunden.«

»Er führt die Flagge des Königs.«

»Er kann jede beliebige Flagge führen und bleibt dennoch ein verdammter Freibeuter.«

Die Herrett kam unter vollen Segeln innerhalb einer Stunde längsseits mit der dunklen Schnau. Furney ließ noch weitere Segel setzen, schoß vorwärts und steuerte dann nach links, um dem Kaperschiff den Weg abzuschneiden. Die große Fregatte ragte im schwindenden Tageslicht hoch empor, als sie achtern aufkam.

Der Kapitän der Schnau erkannte offensichtlich die Falle, in der er saß. Er fiel Backbord ab und nahm Kurs auf das Land, aber zu spät. Die Herrett hatte den Wind in den Segeln und die Gischt am Bug. Sie eilte voraus, um ihm den Weg abzuschneiden. Mit spuckenden Backbordbatterien hielt Dalton das Feuer, bis sich die Brigg fast dwars zu der flüchtenden Schnau befand. Die Herrett erhielt mittschiffs eine Salve, aber der Schaden war nur gering.

In Gemeinschaftsarbeit kamen sie heran, der Kapitän am Ruder und der Erste Offizier an den Kanonen, und als der Abstand stimmte, schoß Dalton mit seinen vorderen Batterien eine volle Breitseite ab, während die Herrett noch herandrängte. Die Schnau krängte, um anzugreifen. Die Herrett lief weiter, flankierte den Feind und trieb ihn zu der angreifenden Fregatte zurück. Als sich die beiden Schiffe annäherten und von den Kanonen an Bord der Fregatte Feuer aufblitzte, drehte Furney die Nase der Herrett in den Wind, schwenkte seewärts und beobachtete den Kampf. Die Schnau war angeschlagen, aber nicht bewegungsunfähig, und sie braßte, um ihre Backbordkanonen ins Spiel zu bringen. Die große Fregatte schloß unaufhörlich auf und feuerte dabei. Weit im Norden, im schwindenden Licht nur undeutlich auszumachen, flüchtete der kleine Schoner.

»Ah«, schnaufte Furney. »Der Teufel könnte seine Prise doch noch verlieren.«

Donner rollte über das Wasser, und Furney brachte die Herrett näher an den Hexenkessel aus Feuer und Rauch heran, wo sich die Schiffe einander entgegenstellten und kämpften. Der grauhaarige Mann sah mit funkelnden Augen verzückt zu.

»Die Courtesan gibt Signale, Sir!« rief ein Bootsmann.

»Lesen Sie sie bitte, Mister Dalton.«

»Er bittet um Beistand, Sir. Er sagt, er ist angeschlagen.«

»Pah! Diese Fregatte ist der Schnau zweifach überlegen. Wie kann er angeschlagen sein?«

Unglaublicherweise schien die Courtesan dennoch zu treiben, entfernte sich mühsam von der von Rauch verhüllten Schnau. Furney drehte mit einem Fluch das Ruder und gab Befehle aus. Die Herrett machte Fahrt und lief auf die Lücke zwischen den beiden Schiffen zu.

»Die Steuerbordgeschütze, Mister Dalton. Wir werden dem jetzt ein Ende setzen.«

Die Brigg lief an der treibenden Fregatte vorbei, tauchte in die Brandung und kam tosend längsseits mit der dunklen Schnau. Ein helles Aufflackern antwortete von ihrem Schanzkleid. Als sie zu nahe waren, um umkehren zu können, sahen sie die gähnenden Pforten tief an ihrem Rumpf, die Feuer spien.

»Sie hat Bombarden, Sir!«

Daltons Ruf ging im Donnern unter. Er schoß seine Hauptbatterien ab, während ein höllischer Hagel großer Kugeln die Brigg breitseits traf. Die Herrett schlingerte, verlor an Fahrt. Sie trieb. Ein Poltern und Schreie erklangen von vorn. Ein Mast brach ein und zog Leinen und Segel mit sich hinab.

»Gesamte Vorderbatterie: Feuer!«

Nichts geschah.

Dalton wandte sich um, spähte in die raucherfüllte Dunkelheit und hielt dann den Atem an. Es gab keine Vorderbatterie mehr. Der gesamte Steuerbordbug war fortgeschossen worden. Jemand zupfte ihn am Ärmel.

»Mister Dalton, Sir, bitte!« Es war Billy Caster, der schluchzte. »Das Quarterdeck, Sir. Kommen Sie! Das Ruder ist fortgeschossen worden, Sir, und Kapitän Furney ebenfalls.«

»Wo, in Gottes Namen, ist die Courtesan?«

Billys Stimme wehte im Lauf hinter ihm her. »Die Fregatte ist fort, Sir. Sie hat gewendet und ist davongesegelt.«

Das Quarterdeck war ein Trümmerhaufen. Das Ruder war fort, und die Schiffszimmerleute arbeiteten fieberhaft daran, ein Ersatzruder anzubringen. Es war dunkel geworden, und sie riefen nach Laternen. Dalton übernahm das Kommando. Lange Minuten vergingen, bevor er die Gelegenheit bekam, sich umzusehen. Die beschädigte Schnau hatte Schlagseite und strebte wieder dem Land zu. Und weit in der Ferne, mit geblähten Hochsegeln, lief die Fregatte Courtesan gen Norden, in die Richtung, in die der Schoner geflüchtet war. Dalton versuchte zu sprechen, versuchte zu fluchen, aber ihm fehlten die Worte.

Er stand auf dem rutschigen Deck eines beschädigten Schiffes, blickte nordwärts, und Tränen blinder Wut hinterließen Spuren in dem Ruß auf seinem Gesicht.

Kapitel 2

Nur wenig blieb von der stolzen Brigg Herrett übrig. Ihr zerschlagener Rumpf mühte sich nordwärts, nahm durch klaffende Öffnungen Wasser auf, die Reste des zerrissenen Segeltuchs mit Notleinen grob an Groß- und Besanmast festgezurrt. Ihr Bug war fort, das Mittelschiff zerschlagen und das Heck ein einziger Trümmerhaufen. Die massierten Bombarden hatten sie mit einer einzigen verheerenden Salve zerstört. Dreiundvierzig Seeleute und nur vier Seesoldaten waren an Bord verblieben. Einige von ihnen würden das Skalpell des Schiffsarztes nicht überleben. Auf dem gesprengten Quarterdeck rang der durch Erschütterung und fehlenden Schlaf ausgezehrt wirkende Erste Offizier Patrick Dalton darum, sie nach Hause zu bringen. Als einziges Segel sah er das eines weit entfernten kleinen Schiffes, das nahe der Küste nordwärts flüchtete. Es segelte vorüber und war fort.

Die Bilge der Herrett stand unter Wasser, und ihr Bug tauchte tief in die See, als sie bei Sandy Hook abfiel und Schlepper von den Long Island Yards kamen, um sie in den Hafen zu bringen.

Billy Caster schaute zu, wie die Verwundeten fortgebracht wurden, und übergab dann die Logbücher dem Hafenkapitän. Der Offizier sah ihn kaum an, nahm nur die Bücher entgegen, während er die Überreste der Herrett betrachtete. »Bemerkenswert«, murmelte er. »Wirklich bemerkenswert.«

Billy ging zum Hospitalschuppen, um eine Mahlzeit zu ergattern und Mister Dalton zu suchen.

Dalton schlief einmal rund um die Uhr, aß etwas und schlief dann erneut. Als er schließlich wieder in guter Verfassung war, ging er zu den Werften hinab. Die Bucht summte vor Geschäftigkeit. Admiral Howes Flaggschiff und die Begleitschiffe waren fort, aber der noch im Hafen verbliebene Großteil der Flotte war nicht zu übersehen. Krieg war im Gange.

Linienschiffe standen hoch im Ankergeschirr. Fregatten, Brigantinen und Briggs lagen darum herum. Besankutter, Slups und tiefliegende Bombardierer waren, bis Staten Island verteilt, über die Bucht zu sehen. Kanonenboote patrouillierten unablässig.

Eine Korporalschaft Rotjacken marschierte vorüber, betrachtete ihn mißtrauisch und setzte ihren Weg fort. Hessische Patrouillen bewegten sich auf den Gehwegen. An den Kais blickte Dalton erneut über die Bucht, suchte die große Fregatte Courtesan. Aber das Schiff des Prisenmeisters lag nicht im Hafen. Abseits der Fischereipiers lag jedoch ein Schoner vor Anker, und Dalton schritt darauf zu. Es war eben jener Schoner, für dessen Rettung die Herrett gestorben war. Hübsch und stolz lag das Schiff zweihundert Yards von der Küste entfernt vor Anker, und die Zwillingsmasten mit den blanken Spieren fingen mit ihrer gefirnißten Oberfläche das Morgenlicht ein. Es war anscheinend niemand an Bord, obwohl die Prisenflagge noch immer am Mars flatterte. Es war seltsam… ein Prisenschiff hier draußen abseits der Fischereipiers anstatt bei den Werften zur Inventur, Registrierung und Auktion.

Dalton nahm sein Fernrohr. Wieder machte ihn die Schönheit des Schiffes betroffen. Die Dame war… fesch. Sie war stolz und anmutig. Eine perfekte Lady.

Er konzentrierte sich auf ihren Namenszug am Bug. Sie hieß Faith ‒ ein guter Name für eine hübsche Lady.

Aber war sie den Preis wert, den die Herrett bezahlt hatte? Das schwermütige Gesicht Kapitän Furneys stieg vor ihm auf, grauhaarig und grimmig, aber ein gerechter und anständiger Mann. Nein, sie konnte solch einen Preis schwerlich wert sein. Er ließ das Fernrohr in die Tasche gleiten und wandte sich zutiefst zornig ab. Er eilte zu den Werften und zum Büro des Hafenkapitäns zurück. Billy Caster, der gerade von den Schuppen heraufkam, sah ihn und schloß sich ihm an.

Im geschäftigen Vorraum bemerkte der Hafenkapitän Dalton sogleich, und Dalton salutierte. »Kommandant Patrick Dalton, Sir. Vormals Erster Offizier der Herrett.«

Der besorgt wirkende Mann erwiderte seinen Gruß und streckte dann eine Hand aus. »Mercer, Hafenkapitän. Also sind Sie derjenige, der den Rumpf hereingebracht hat. Eine gute seemännische Leistung.«

»Darf ich berichten, Kapitän?«

»Ah, Mister Dalton, kann das nicht warten? Wir haben hier alle Hände voll zu tun. Es hat sich schrecklich viel angesammelt. Wir haben natürlich Ihre Logbücher. Ihr Schreiber hat sie uns übergeben.«

»Aber es geht nicht nur um die Logbucheinträge, Kapitän. Ich gedenke Anklagen vorzubringen.«

Das Lächeln des Mannes verschwand. Er neigte den Kopf und sah Dalton mißtrauisch an. »Anklagen? Wir haben einen vollständigen Bericht, Sir. Das andere Schiff, das beteiligt war…«

»Die Courtesan.«

»Aye, Kapitän Hart. Scheint alles in bester Ordnung zu sein, Kommandant. Aber es wird natürlich innerhalb angemessener Zeit eine Anhörung durchgeführt werden. Dann werden Sie Gelegenheit haben zu sagen, was immer Sie wollen…«

»Wurden meine Logbucheintragungen schon gelesen?«

»Alles zu seiner Zeit, Kommandant. Ich schlage vor, Sie nehmen sich ein Zimmer, ruhen sich ein wenig aus, und wir werden später miteinander reden, wenn mehr Zeit ist.« Der Mann verschwand mit einem flüchtigen Gruß in ein Hinterzimmer, und Dalton wandte sich ab. Er war enttäuscht, aber die Angelegenheit würde warten müssen. So war es bei der Marine stets.

Er ging zum Zahlmeister und unterzeichnete eine Zahlungsanweisung. Der Sergeant überflog sie und reichte sie ihm zurück. »Wir haben noch keine Bestätigung über die Herrett, Kommandant. Alles verzögert sich, seit sich die Flotte zu sammeln begonnen hat. Wenn Sie zum Büro des Hafenkapitäns gehen, kann man Ihnen vielleicht eine Zahlungsanweisung aushändigen ‒ oder zumindest einen Vorschuß.«

Dalton schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen. »Sagen Sie ihnen, daß Sie einen Vorschuß wollen«, riet ihm der Sergeant hilfsbereit. »Selbst wenn die Logbücher noch nicht registriert sind, ist das kein Grund, Ihnen nicht einen kleinen Vorschuß zu gewähren.«

Wieder im Büro des Hafenkapitäns, wandte Dalton sich an eine Ordonnanz. Der Mann murmelte etwas, kratzte sich am Kopf und verschwand im Hinterzimmer. Er kam mit verzagter Miene zurück. »Der Kapitän sagt, wir können Ihnen fünf Pfund vorauszahlen, Kommandant. Er sagt, Sie sollen später wiederkommen. Sobald Ihre Logbucheintragungen gelesen und registriert worden sind, werden Sie die volle Summe bekommen.«

Die Bestätigung in Händen, Billy noch immer hinter ihm, suchte Dalton erneut den Zahlmeister auf. Der Sergeant zahlte ihm den Vorschuß pflichtgetreu in Münzen aus. »Hier ist in letzter Zeit viel Betrieb, Kommandant. Was ist mit dem Jungen dort? Bekommt er ebenfalls Sold?«

»Aber gewiß doch, nicht wahr, Billy?«

»Aye, Sir. Bezahlung für den Kreuzzug, Sir.«

Der Sergeant senkte die Brauen. »Sind Sie wirklich Engländer, Junge? Sie reden wie ein Kolonist.«

Dalton sagte: »Er ist mein Schreiber, Sergeant. Ordnungsgemäß verpflichtet und bestätigt. Aber er kann etwas von meinen Vorschuß abbekommen. Es ist genug.«

Der Sergeant blickte noch immer skeptisch drein. »Die Patrouillen achten derzeit verstärkt auf Kolonisten. Verpflichtet oder nicht ‒ es ist etwas im Gange. Ich würde den Jungen in meiner Nähe behalten, wenn ich Sie wäre. Er könnte nur zu leicht auf einem Gefängnisschiff enden.«

Abseits der Werften fanden sie in dem kleinen Ort New Utrecht eine Unterkunft, deponierten ihre Habe und begaben sich auf die Suche nach einer Mahlzeit. In einem kleinen Gasthaus in einer Seitenstraße bestellte Dalton Fleisch, Brot und Grog für sie beide. Er beobachtete, wie der Wirt in dem düsteren Raum auf seinem Holzbein umherstapfte und von Zeit zu Zeit zu ihm herüberblickte. Der Mann kam ihm irgendwie bekannt vor.

Als er das Essen brachte, beugte er sich über den Tisch und streckte eine wettergegerbte Hand aus. »Erkenn’ Sie mich nich’, Mister Dalton? Ich bin’s, Clarence… Clarence Kilreagh von der alten Athene vom Themsedock. Ihn’ hab’ ich’s zu verdanken, daß ich mit heiler Haut davonkam, Sir. Erinnern Sie sich nich?«

Dalton sah ihn an. Clarence Kilreagh. Er hatte das Gesicht vergessen. Der grauhaarige alte Seemann grinste, schüttelte ihm die Hand und setzte sich dann zu ihnen.

»Ich hab’ gehört, daß Sie die Herrett reingebracht haben, Sir. War ’ne ordentliche Leistung, wenn ich das sagen darf, aber ’s wird ein’ge Zeit vergeh’n, bevor Sie die verdiente Anerkennung bekomm’. Es heißt, Käpt’n Hart hätt’ Beschwerde gegen die Herrett eingereicht.«

»Beschwerde? Weshalb?«

»Wegen Einmischung bei der Einnahme von ’ner Prise, Sir. Oh, es wird sich alles klär’n. Der alte Hart hat so was schon früher gemacht, und ich glaub’, sie kümmern sich im Hauptquartier derzeit nich allzuviel um ihm. Is ’ne Schande, was mit Käpt’n Furney passiert is, Sir. War ’n feiner Mann. Wirklich ’ne Schande. Wer is der Junge?«

»Das ist mein Schreiber, Billy Caster.«

»Also willkommen, Mister Caster. Sie haben sich da ’nen ausgezeichneten Offizier ausgesucht, Junge. Sie werden’s nich wissen, aber er hat die Haut dieser alten Teerjacke gerettet. Das war nach der Kabbelei der Athene mit dem Holländer vor Gibraltar vor fünf oder sechs Jahren. Dort verlor ich mein Bein, aber nich ein Offizier der Athene hat jemals versucht, für mich zu bürg’n und mir ’ne Rente zu verschaffen. Gehörte sich wohl nich, weil ich Ire bin. Aber Mister Dalton hier kam einfach angestiefelt und hat mehr als reichlich für mich gezeichnet. Er war damals selbst kaum mehr als ’n Junge, aber schon ’n ausgezeichneter junger Offizier… und ’n besserer Seemann als jeder andere, unter dem jemals ’ne Teerjacke gesegelt is.«

Dalton nickte verlegen. »Das ist alles Vergangenheit, Mister Kilreagh. Es scheint, als kämen Sie jetzt gut zurecht.«

»Das hier?« Der alte Seemann umfaßte mit einer Geste das Gasthaus. »Oh, es hält Körper und Geist zusammen. Und ich kann ’n bißchen was zur Seite legen.«

»Wie sind Sie nach Amerika gelangt?«

»Nun, als ich mein Holzbein bekam, sah ich mich um und merkte, wie sich die Dinge in England entwickelten … keine gute Zeit für ’nen Iren, Sir. Also buchte ich ’ne Passage auf ’nem Handelsschiff, und hier bin ich. Ich hab’s wieder gut getroffen, Sir. Es geht mir ordentlich. Ah, es tut gut, Sie wiederzuseh’n, Mister Dalton. Ich hab’ mich oft gefragt, wie es Ihn’ wohl geht.«

Gäste kamen an die Tür, und Kilreagh stapfte davon, um sie zu verscheuchen. »Ich hab’ geschlossen, Sirs. Kommen Sie morgen wieder.« Er verriegelte die Tür und stapfte zum Tisch zurück. »So, jetzt könn’ wir uns unterhalt’n. Sie haben vermutlich von Fitzgerald gehört?«

»Nein, was ist mit ihm?«

»Nun, Sir, sie haben ihn wegen Verrat verhaftet. Ihn und alle, die ihn kannten. Ich sag’ Ihnen, Sir, wir sind alle gut beraten, uns in diesen schwier’gen Zeiten von England fernzuhalten.«

Fitzgerald. Wegen Verrat verhaftet. Das war für Dalton ein Schlag. Er hatte den grimmigen alten Mann manchmal verabscheut, aber er hatte ihn auch gemocht. Ihn und seine Tochter… Er verbannte Molly entschlossen aus seinen Gedanken. »Wie lange ist das her, Clarence?«

»Es war im Frühjahr, Sir. Die Nachricht kam vor knapp ’ner Woche mit dem Paketboot. In letzter Zeit wird inner Hafenkommandantur alles so verzögert, daß die Nachrichten vier Tage lang ungeöffnet bleiben. Es heißt, sie hätt’n die Post auch jetzt noch nich aussortiert, so schlimm isses. Es is was Großes im Busch, Sir. Kolonisten auf der anderen Seite des Flusses ‒ Patrioten nenn’ sie sich ‒ und Saboteure unmittelbar hier im Hafen, aye. Schwierige Zeiten.«

Während der nächsten beiden Stunden brauchte Dalton kaum mehr zu tun, als gelegentlich zu nicken, um auf den neuesten Stand der Weltnachrichten gebracht zu werden, wie Kilreagh sie zusammengetragen hatte. Kilreagh hatte die Ohren anscheinend überall. Lebhafte Neugier und viele mitteilsame Gäste machten ihn zu einer zuverlässigen Informationsquelle.

Sie sprachen lange miteinander, und dann weckte Dalton Billy, und sie gingen zu Bett.

Dalton fand keinen Schlaf. Erschöpft und ausgelaugt von der Zerreißprobe, einen zerstörten Rumpf ‒ ein schwimmendes Wrack, das einst eine stolze Kanonenbrigg gewesen war ‒ nach Hause zu bringen, vollführten seine Gedanken dennoch Kapriolen. Kanonen dröhnten, als ein grauhaariger Kapitän ‒ ein Mann, der so sehr sein Freund gewesen war, wie ein kämpfender Offizier es nur sein konnte ‒ sich und sein Schiff in ein Gefecht einbrachte, das niemals das seine hätte sein sollen. Immer wieder sah Dalton das Blut auf den verwüsteten Decks, hörte die Schreie der Verwundeten und Sterbenden, sah über eine sich verdunkelnde See das hohe Rigg einer völlig unbeschädigten Fregatte, die hinter ihrer Prise hereilte … und eine Verwüstung zurückließ, die sie niemals hätte verursachen dürfen.

Und Hart hatte kaum den Hafen erreicht, als er schon Beschwerde einlegte. Beschwerde! Gegen genau jenes Schiff, das auf sein Ersuchen hin interveniert, sein Schiff vor dem Beschuß bewahrt und dafür mit dem Leben bezahlt hatte.

Dalton zog die Decke über sich und rieb sich die schmerzenden Augen. Sie sagten, die Dinge verzögerten sich. Sie verzögerten sich, weil Britanniens rostiger Dreizack präsentiert wurde, um eine Bande rebellischer Kolonisten zu zügeln. Deshalb hatte Dalton seinen eigenen Bericht über den Vorfall nicht vortragen können, nicht einmal jemanden dazu bringen können, seine Logbucheintragungen zu lesen… selbst die Zahlungsanweisung ließ auf sich warten… Statt während der Zeit an Land seinen Bedarf zu decken, mußte er sich von einem griesgrämigen Hafenoffizier mit einem Darlehen von fünf Pfund abspeisen lassen.

Die Dinge verzögerten sich, sagten sie. Und doch war Jonathan Hart erst eine Stunde an Land gewesen, als seine Beschwerde gegen die Herrett nicht nur protokolliert, sondern in den Kneipen von New Utrecht bereits allgemein bekannt war.

In einem fernen Winkel seines Geistes sah Dalton erneut das grimmige, arrogante Gesicht Fitzgeralds. Sean Quinlin O’Day, Lord Fitzgerald, Oberhaupt des Klans der Fitzgeralds von Dunreagh ‒ ein arroganter alter Kelte, aber dennoch Mollys Vater. Jetzt war Fitzgerald des Verrats am König angeklagt. Hatte der alte Sean Verrat begangen? Wäre er sich dessen bewußt, wenn er es getan hätte? Schwerverbrechen dieser Art konnten nach der Definition der Minister von George III. schlicht darin bestehen, daß man zur falschen Zeit das Falsche sagte … oder, falls man ein Ire war, etwas besaß, was ein einflußreiches Mitglied der britischen Peerage für sich begehrte.

Es war im Frühjahr geschehen. Mehr wußte Clarence Kilreagh nicht. Vielleicht verrottete Fitzgerald inzwischen bereits in einem von Schwulie-Georgies Gefängnissen. Oder er war vielleicht tot. Die Justiz konnte schnell zuschlagen, wenn es um Menschen ging, die in Fragen der Hofdiplomatie, beispielsweise der Bestechung, unerfahren waren ‒ und wenn es um Iren ging.

Seine Gedanken kehrten erneut zur Herrett zurück. Ein feines Schiff… eine tapfere Lady. Sie hatte sich mutig gegen die Schnauen behauptet, der Hand eines wahren Meisters folgend, hatte ein imposantes und exaktes Menuett der Segel und Schoten und sich biegenden Spieren geboten, um ihre Kanonen in Schußposition zu bringen. Hätte er von den Bombarden wissen können? fragte Dalton sich. Hätte er irgendwie ahnen müssen, daß sich unter dem rauchverhangenen Geschützdeck ein weiteres befand, dessen Stückpforten verborgen waren und auf dessen Planken gedrungene Ungeheuer kauerten, die zum Niederreißen von Festungen gedacht waren?

Er hatte es nicht erkannt. Niemand an Bord der Herrett hatte es erkannt, bevor es zu spät gewesen war. Dennoch wäre die Herrett