Der Brief des unbekannten Vaters - Patricia Vandenberg - E-Book

Der Brief des unbekannten Vaters E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Das junge Mädchen, das noch kurz nach siebzehn Uhr Dr. Nordens Pra­xis betrat, machte keinen kranken Eindruck. Olivia Klausner war auch nicht krank. Zierlich und bildhübsch stand sie vor Loni. »Hat der Chef viel zu tun, Loni?«, fragte sie. »Ich wollte ihn nur mal kurz wegen meiner Eltern fragen.« »Das ist schon zu machen, Olivia. Gehen Sie ins Labor. Ein paar Minu­ten kann er schon abknapsen, bevor die Berufstätigen kommen.« »Ich komm grad von der Uni, aber nun haben wir Semesterferien«, er­klärte Olivia. Zwanzig Jahre jung war sie und ge­nauso intelligent wie sie hübsch war. Auch Loni hatte Freude an diesem reizenden Geschöpf, das sie nun be­reits sechs Jahre kannte. Auch Dr. Daniel Norden freute sich über diesen Besuch, da er wusste, dass sich Olivia auch jetzt noch um ih­re Eltern sorgte, obgleich sich diese durch gutes Zureden von allen Seiten zu einer längeren Kur auf der Insel der Hoffnung entschlossen hatten. »Ich bin so froh, dass alles perfekt ist«, sagte Olivia, »und ich wollte Ih­nen noch ein herzliches Dankeschön sagen, bevor ich morgen zu meiner Freundin nach Holland starte. Ich ma­che mir immer noch Sorgen um Mami, Dr. Norden. Sie ist so durchsichtig.« »Eine Totaloperation bringt man­che Veränderung mit sich, Olivia, aber Sie werden sehen, wie gut sie sich erholen wird.« »Und Papsi tut es auch gut, wenn er mal richtig ausspannt. Aber wenn et­was sein sollte, benachrichtigen Sie mich bitte gleich.« »Wird gemacht, Olivia, aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu ma­chen. Genießen Sie auch unbe­schwer­te Wochen mit Mandy. Freuen Sie sich, dass Sie eine so liebe

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Dr. Norden Bestseller – 209 –

Der Brief des unbekannten Vaters

Patricia Vandenberg

Das junge Mädchen, das noch kurz nach siebzehn Uhr Dr. Nordens Pra­xis betrat, machte keinen kranken Eindruck. Olivia Klausner war auch nicht krank. Zierlich und bildhübsch stand sie vor Loni.

»Hat der Chef viel zu tun, Loni?«, fragte sie. »Ich wollte ihn nur mal kurz wegen meiner Eltern fragen.«

»Das ist schon zu machen, Olivia. Gehen Sie ins Labor. Ein paar Minu­ten kann er schon abknapsen, bevor die Berufstätigen kommen.«

»Ich komm grad von der Uni, aber nun haben wir Semesterferien«, er­klärte Olivia.

Zwanzig Jahre jung war sie und ge­nauso intelligent wie sie hübsch war. Auch Loni hatte Freude an diesem reizenden Geschöpf, das sie nun be­reits sechs Jahre kannte.

Auch Dr. Daniel Norden freute sich über diesen Besuch, da er wusste, dass sich Olivia auch jetzt noch um ih­re Eltern sorgte, obgleich sich diese durch gutes Zureden von allen Seiten zu einer längeren Kur auf der Insel der Hoffnung entschlossen hatten.

»Ich bin so froh, dass alles perfekt ist«, sagte Olivia, »und ich wollte Ih­nen noch ein herzliches Dankeschön sagen, bevor ich morgen zu meiner Freundin nach Holland starte. Ich ma­che mir immer noch Sorgen um Mami, Dr. Norden. Sie ist so durchsichtig.«

»Eine Totaloperation bringt man­che Veränderung mit sich, Olivia, aber Sie werden sehen, wie gut sie sich erholen wird.«

»Und Papsi tut es auch gut, wenn er mal richtig ausspannt. Aber wenn et­was sein sollte, benachrichtigen Sie mich bitte gleich.«

»Wird gemacht, Olivia, aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu ma­chen. Genießen Sie auch unbe­schwer­te Wochen mit Mandy. Freuen Sie sich, dass Sie eine so liebe Freundin haben.«

»Sie kommt dann mit zu uns und wird Sie bestimmt auch besuchen. Schließlich haben Sie Mandy von dem Heuschnupfen geheilt.«

»Man braucht wirklich nur das richtige Mittel zu wissen und den Patienten zu sagen, wovor sie sich in Acht nehmen müssen, Olivia. Eine schöne Zeit wünsch ich Ihnen, und kommen Sie gesund und munter zurück.«

»Ganz bestimmt. Die Terborgs werden mich sehr verwöhnen, und ich werde aufgehen wie eine Dampfnudel.«

»Das doch nicht«, lachte Dr. Norden. Sie warf ihm einen schelmischen Blick zu. »Ein bissel eitel bin ich schon, wenn ich auch gar zu gern esse«, erwiderte sie, und dann schwebte sie leicht und graziös davon, wahrhaftig eine Augenweide.

»Schreiben Sie mir mal eine Karte, Olivia«, sagte Loni.

»Ist doch klar«, erwiderte das Mädchen. Und sie warf Loni noch eine Kusshand zu, bevor sie entschwand.

Auch auf der Straße blickte man ihr nach. Der bunte Rock schwang um die schlanken Beine, und obgleich diese in ganz flachen Schuhen steckten, sahen sie wie gedrechselt aus. Auch begehrliche Blicke aus Männeraugen folgten ihr, aber Olivia kümmerte das überhaupt nicht.

Sie war mit ihrem Leben, wie es war, völlig zufrieden, und wenn sie Wünsche hatte, dann nur diese, dass ihre heißgeliebten Eltern noch lange gesund bleiben sollten. Und dabei war Olivia ein adoptiertes Kind, und sie wusste es, aber es änderte nichts, dass ihre Eltern die wichtigsten, geliebtesten Menschen für sie waren.

Reginald und Winnie Klausner hatten Olivia die Wahrheit gesagt, als sie mündig wurde. Mit aller Behutsamkeit hatten sie es getan, aber Olivia hatte nur eine Frage gestellt: »Wie könnt ihr mich dann so lieb haben?«

»Weil du für uns unser Kind bist«, hatte Winnie erwidert. »Wir haben dich schon vom ersten Tag an bei uns gehabt.« Und bevor sie noch irgendetwas sagen konnte, erklärte Olivia, dass sie sonst nichts wissen wolle.

»Ihr seid meine Eltern, ich liebe euch und ich könnte niemand sonst lieben«, hatte sie gesagt. »Es sei denn, ihr wollt, dass ich mehr erfahre.«

Aber das hatten Reginald, kurz von seiner Frau Rex genannt, und Winnie auch nicht gewollt. Genau, wie es für Olivia größtes Glück bedeutete, diese Eltern zu haben, so war es für sie unendliches Glück, sie als ihre Tochter betrachten zu dürfen. Wie elend Olivias Mutter gestorben war, hätten sie ihr ohnehin nicht erzählt.

*

Ein zärtliches Leuchten war in Winnie Klausners Augen, als Olivia kam und ihr viele kleine Küsse auf die Wangen drückte.

»Da bist du ja, mein Liebling«, sagte sie. »Ist ziemlich spät geworden heute.«

»Es war der letzte Tag, Mamilein, und da war ich schnell noch mal bei Dr. Norden.«

»Fehlt dir etwas?«, erkundigte sich Winnie sofort besorgt.

»I wo, ich will nur nicht, dass es euch an etwas fehlen soll.«

»Wir sind ja gut aufgehoben, pass du nur auf dich auf.«

»Das werden die Terborgs auch tun, Mami. Brauchst dir keine Gedanken zu machen. Ich fahre ja nicht per Anhalter.«

»Und du wirst auf dem Flug sogar Begleitung haben. Dr. Werden muss auch nach Amsterdam fliegen.«

Der Schalk saß in Olivias wunderschönen braunen Samtaugen.

»Hat das Papi so arrangiert, damit ich ja unter Aufsicht stehe?«

»Es hat sich so ergeben, und es ist für uns beruhigend.«

»Ich werde wohl immer euer kleines Mädchen bleiben, auch wenn ich eine alte Jungfer werde«, lachte Olivia unbeschwert.

»Du sollst keine alte Jungfer werden, das darfst du nicht denken, Kleines«, sagte Winnie erschrocken. »Wir wollen nur, dass du glücklich bist.«

»Ich bin es, wenn wir beisammen sind, Mami. Ich will euch nie missen. Die sechs Wochen werden auch vergehen. Aber ihr habt ja darauf bestanden, dass ich sie mit Mandy verbringe.«

»Es ist gut, wenn man so eine Freundin hat, Liebes«, sagte Winnie. »Und wir freuen uns schon darauf, wenn Mandy dann bei uns ist. Es ist selten, dass eine Kinderfreundschaft so lange hält, noch dazu, wenn man sich jedes Jahr nur in den Ferien sieht.«

Vor fünfzehn Jahren hatten sie sich in Scheveningen kennengelernt, als die Klausners dort mit der kleinen Olivia den Sommerurlaub verbrachten und Reginald Klausners Geschäftspartner Willem Terborg seine Tochter Mandy im gegenseitigen Einverständnis bei ihnen ließ, weil die beiden kleinen Mädchen sich so gut verstanden und Marieke Terborg kurz vor der Geburt ihres dritten Kindes stand. Immer fünf Jahre war bei ihnen Pause. Benedikt, der Sohn, war zehn gewesen, und weil er sich mit seiner kleinen Schwester Mandy nicht vertragen wollte, war er in ein Internat gekommen. Ihn hatte Olivia nur ganz flüchtig kennengelernt. Seine Eltern nannten ihn Dick, Mandy nannte ihn Bock, und bockig war er erst recht geworden, als sich noch ein kleiner Bruder Willem eingestellt hatte.

Von ihren Brüdern berichtete Mandy nicht viel, aber sie hatte Olivia am Telefon versichert, dass sie mit den beiden auch nicht konfrontiert werden würde, da sie die Ferien in Zandvoort verbringen würden.

Am Abend wurde noch einmal alles durchgesprochen. »Also, Schätzlein«, sagte Reginald Klausner. »Dr. Werden fliegt mit dir, Mami hat dir das ja schon gesagt. Wir bringen dich zum Flughafen, und dann fahren wir weiter zur Insel. Du rufst uns gleich an, wenn ihr angekommen seid. Ich habe mit den Terborgs nochmals telefoniert, sie sind bestimmt am Flughafen.«

»Unterwegs können sie mich nicht wegfangen, Papsi«, sagte Olivia lachend. »Ein Baby bin ich doch nicht mehr.«

»Aber viel zu hübsch, als dass man dich allein reisen lassen möchte«, sagte er. »Werden ist zuverlässig.«

»Aber immerhin Junggeselle«, sagte Olivia schelmisch.

»Und was für einer«, sagte Reginald. »Dem kann ich jedes Wertpaket anvertrauen, auch meine Tochter.«

»Und wenn es euch eine Beruhigung ist, sage ich, dass ich viel zu gern eure Tochter bin, um mir einen Mann anzulachen«, sagte Olivia.

»Gebe Gott, dass sie sich nicht mal blindlings verliebt, Winnie, dass es ihr nicht so ergeht wie Celia.«

»Celia hatte keine Eltern, bei denen sie sich geborgen fühlen konnte.«

»Aber sie hatte auch eine Freundin, mein Liebes.«

»Olivia würde immer zuerst zu uns kommen, Rex. Ich weiß es. Aber wir dürfen nicht zu egoistisch sein. Sie hat ein Recht auf ein eigenes Leben. Sie hockt immer nur zu Hause. Eines Tages werden wir nicht mehr sein, und es wäre schrecklich, wenn sie dann ganz allein wäre.«

Er nahm sie in die Arme. »Seit der Operation hängst du oft trüben Gedanken nach, Winnie. Ich muss dir wohl wieder einmal sagen, dass du für mich genauso wichtig bist wie das Kind. Ich brauche dich und deine Liebe.«

»Ich weiß es, Rex, und es hilft mir sehr, aber Olivia ist kein Kind mehr, das dürfen wir auch nicht vergessen. Es wäre doch ganz natürlich, wenn ihr Herz auch einem Mann entgegenschlägt.«

»Aber ich werde wachsam sein, Winnie. Niemand darf ihr wehtun. Wir könnten ein eigenes Kind nicht mehr lieben als sie.«

»Ich hätte dir keines schenken können, Rex«, sagte Winnie leise.

»Du hast mir doch eines geschenkt, Liebste, unsere Olivia. Du braucht jetzt nicht zu sagen, dass ich erst dagegen war. Ich bin schnell bekehrt worden.«

*

Olivia schlief schon dem neuen Tag entgegen, als ihre Eltern noch so sprachen, aber dieser Schlaf war von wirren Träumen bewegt. Sie war aufgeregt.

Die Trennung von ihren Eltern fiel ihr schwer. Sie durchlebte im Traum noch einmal die Ängste, die sie quälten, als ihre Mami operiert wurde.

Da hatte sie Trost und Zuspruch bei Dr. Norden gesucht, weil sie wusste, wie sehr auch Rex litt, wie viel Angst auch er hatte.

Auch Dr. Norden erschien ihr im Traum, und neben ihm stand ein Mann, der so groß war wie er, aber blond. Der wandte sich dann ab und ging auf ein anderes Mädchen zu. Es war Mandy. Und dann trat auf sie ein Mann zu, der auch blond war, der noch helleres Haar hatte. Mandy stritt mit ihm.

Der Traum war so deutlich, dass Olivia beim Erwachen meinte, das eben erlebt zu haben, aber sie lachte dann in ihr Spiegelbild. Träume sind Schäume, dachte sie in ihrem Optimismus. Sie duschte und kleidete sich für die Reise an, nachdem sie lange aus dem Fenster geschaut hatte, was denn wohl für Wetter werden würde.

Der hellbeige Hosenanzug schien ihr angemessen. Dazu ein leichter hellroter Pulli. Rot stand ihr besonders gut zu dem dunklen Haar und den dunklen Augen. Das wusste sie schon. Winnie sorgte aber auch dafür, dass sie immer die schicksten Sachen bekam.

Am Frühstückstisch herrschte dann allerdings eine recht gedrückte Stimmung. Rex gab Olivia noch ein Ledertäschchen mit Reiseschecks und Bargeld. »Und ruf jeden Tag an, mein Kind«, sagte er fast feierlich.

»Ist doch versprochen, Papsi«, sagte sie. »Denkt bloß nicht immer an mich, sondern daran, dass ihr euch gut erholt.«

Am Flughafen wurden sie bereits von Dr. Ulf Werden erwartet. Der schlanke blonde Mann wirkte überaus seriös im tadellosen, feingestreiften Maßanzug. Er war erst seit einem Jahr für Reginald Klausners Unternehmen tätig, aber nach dessen Worten ein Topmanager. An seinen Umgangsformen gab es nichts auszusetzen. Auch Winnie brachte ihm Sympathie entgegen.

Olivia sagte nichts. Sie war blass, und der Abschiedsschmerz trieb ihr die Tränen in die Augen. Und da es Winnie ebenso erging, wurde es ganz kurz gemacht. Dr. Werden gab das Gepäck auf. Als VIP-Passagiere genossen sie alle Vorzüge, aber Olivia war das eher peinlich. Als sie sogar mit Madame angeredet wurde, lachte sie leise.

Ulf Werden war sehr zurückhaltend, aber während des Fluges kam dann doch eine recht rege Unterhaltung zustande, die Olivia verriet, dass dieser an sich so nüchtern wirkende Mann vielseitige Interessen hatte.

»Sie sind sehr viel unterwegs, macht Ihnen das eigentlich Spaß?«, fragte sie.

»Es gehört nun mal zu meinem Beruf«, erwiderte er gleichmütig. »Reisen Sie nicht gern?«

»Nein, ich bin lieber zu Hause.«

»Warum studieren Sie Jura?«, fragte er.

»Weil es mich interessiert, und ich will auch mal bei Paps einsteigen.«

Ulf hatte Olivia bisher nur ein paarmal flüchtig bei festlichen Anlässen getroffen, und er hatte nur die bildhübsche, verwöhnte Tochter seines Chefs in ihr gesehen. Jetzt machte er die erstaunliche Erfahrung, dass sie klug und zielstrebig war, und trotz der Anhänglichkeit an ihre Eltern über eine gute Portion Selbstbewusstsein verfügte. Dass da ein paar sehr prominente Leute mit ihnen flogen, schien sie überhaupt nicht zu interessieren, dass ein sehr bekannter und sehr gut aussehender Filmschauspieler ihr bewundernde Blicke zuwarf, übersah sie geflissentlich, noch deutlicher gesagt, schien sie diese gar nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Der Flug verging schnell, auch bei der Zollabfertigung wurden sie nicht lange aufgehalten, und dann kam ihnen schon Mandy entgegengestürmt. Olivia wurde von ihr fast umgerissen, aber auch Ulf blieb nicht unbeachtet.

Mandy war größer als Olivia, hatte eine blonde Löwenmähne und violette Augen, und ihre Sonnenbräune verriet, dass sie sich viel an der frischen Luft aufhielt.

Marieke Terborg hatte in der Halle gewartet. Eine mollige, hübsche Frau war sie, und mütterlich schloss sie Olivia in die Arme. »Wir haben uns ja so auf dich gefreut, Darling«, sagte sie, und dann wurde Dr. Werden wohlgefällig gemustert.

Er wollte sich gleich verabschieden, aber das war nicht im Sinne der gastfreundlichen Terborgs. Einen Imbiss müsse er schon bei ihnen nehmen, meinte Marieke, und Mandy strahlte ihn so an, dass Olivia sprachlos war. Marieke schien allerdings anzunehmen, dass zwischen ihm und Olivia sich etwas angesponnen hätte.

Im Stadthaus der Terborgs, das einen gesunden Wohlstand präsentierte, wartete ein wohlgedeckter Tisch. Marieke erzählte munter, dass ihr Mann und die beiden Söhne derzeit in England weilten. Willem, der Jüngste, solle dort seine Sprachkenntnisse während der Ferien vervollkommnen.

»Dort sind sie strenger«, sagte sie lächelnd, »er ist ein fauler Bursche.«

Als sie Dr. Werden fragte, ob er nicht ein paar Tage bleiben wolle, erklärte er, dass er noch nach Antwerpen und Brüssel müsse und dann schleunigst zurück, da der Boss ja zur Kur wäre.

»Schade«, sagte Mandy enttäuscht. Und als Ulf sich dann bald verabschiedet hatte, sagte sie mit einem tiefen Seufzer: »So ein dufter Mann. Schade, dass er nicht bleibt, dann hätten wir wenigstens einen Kavalier, mit dem wir ausgehen könnten.«

»Er gefällt dir?«, fragte Olivia überrascht.

»Dir etwa nicht?«, fragte Mandy.

»Er ist sehr nett und tüchtig. Paps hat ihn mir wohl nur als Babysitter mitgegeben.«

»Nun, was nicht ist, kann ja noch werden«, sagte Marieke schmunzelnd. Und sie äußerte sich sehr wohlwollend über ihn.

»Keine heimliche Liebe?«, fragte Mandy stockend, als die beiden Mädchen dann allein waren.

»Unsinn«, widersprach Olivia. »Wieso bist du beeindruckt, Mandy?«

»Solche Männer gibt es doch selten. Ist er schon gebunden?«

Olivia lachte auf. »Über sein Privatleben weiß ich nichts. Verheiratet ist er jedenfalls nicht. Paps hält sehr viel von ihm, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er ihn auch als Heiratskandidaten für mich in Betracht zieht.«

Darin allerdings irrte sie sich, wenngleich Reginald Klausner ein solcher Gedanke auch erst an diesem Tag gekommen war, da Winnie sich wohlwollend über Ulf Werden geäußert hatte.

»Zu so einem Schwiegersohn würde ich nicht nein sagen, Winnie. Er hat Format.«

»Er ist sehr sympathisch, aber so weit sollten wir nicht denken, Rex. Nein, ein paar Jahre möchte ich Olivia schon noch behalten.«

»Wir brauchen sie doch nicht zu verlieren, Winnie. Für mich wäre der Gedanke schon sehr beruhigend, sie einem so zuverlässigen Mann anvertrauen zu können. Und Werden könnte ich dann auch noch fester an das Unternehmen binden.«

Winnie lächelte nachsichtig. »Wenn Olivia dich hören würde, bekämest du die Leviten gelesen, mein Lieber. Jetzt könnte sie eigentlich anrufen.«

Es musste Gedankenübertragung gewesen sein, denn Anne Cornelius kam schon aus dem Büro.

»Der erwartete Anruf von Ihrer Tochter«, sagte sie lächelnd. »Wollen Sie gleich von hier aus telefonieren?«

Da waren sie beide ganz schnell, und auch Anne Cornelius konnte ahnen, wie innig das Verhältnis zwischen Eltern und Tochter war.

*

Zwei Tage später fuhren die Terborgs mit Olivia nach Zandvoort. Am Tag zuvor war Willem Terborg, ein paar Tage früher als erwartet, aus England zurückgekehrt.

Er wirkte müde und zugleich nervös, und das stimmte Frau Terborg besorgt, denn das war man bei ihm nicht gewohnt.

Dass ihr Mann sich Sorgen um seinen Jüngsten machte, erfuhr sie nebenbei.

»Hoffentlich reißt Wilm nicht aus«, meinte er. »Er hat sehr viel an dem Internat auszusetzen. Dabei wird sehr viel geboten.«