Der Bundesbulle 10 - Krimi-Serie - Peter Hebel - E-Book

Der Bundesbulle 10 - Krimi-Serie E-Book

Peter Hebel

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Beschreibung

Vor zwei Jahren kamen bei einem Brand in einer chemischen Reinigung mehrere Arbeiter ums Leben. Unter den Opfern auch Hassans Frau. Alles sprach dafür, dass die "Schwarzen Tiger", eine mafiöse türkische Verbrecherorganisation, dahintersteckten. Doch es gab niemanden, der es wagte, offen gegen die Tiger auszusagen.

Nur er, Hassan, hatte es getan - und sich auf die Polizei eingelassen. Wissend, dass die Tiger versuchen würden, sich an ihm zu rächen. Und das taten sie. Sein dreijähriger Sohn wurde auf offener Straße erschossen.

Hassan gibt die Schuld uns, den Beamten vom Ruhr-Revier, weil wir seine Familie trotz Versprechen nicht beschützen konnten, aber vor allem den "Schwarzen Tigern" - und nun sinnt er auf Rache.

Doch schlafende Tiger sollte man nicht wecken ...

Der Bundesbulle - Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme. Die unveränderte Neuausgabe der Krimi-Serie "Peter Mattek" von Peter Hebel aus den 90ern jetzt exklusiv als eBooks. Jede Folge ist in sich abgeschlossen.


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Inhalt

Cover

Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme

Über diese Folge

Hinweis zu dieser Folge

Über den Autor

Titel

Impressum

Todeskuss am Bosporus

Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme

Sein einmaliger Status gefällt den meisten nicht. Die Vorstellung von einem Polizisten, für den es keine Grenzen und Schranken gibt, bereitet ihnen Kopfschmerzen. Sie akzeptieren ihn als den Versuch einer Ausnahmeregelung, die aber keinesfalls zu lange dauern darf.

Trotzdem wurde die Ein-Mann-Soko ins Leben gerufen. Peter Mattek, der Bundesbulle, ist der Mann für ausweglose Situationen. Und auf ihn ist Verlass.

Über diese Folge

Der Bundesbulle - Folge 10: Todeskuss am Bosporus

Vor zwei Jahren kamen bei einem Brand in einer chemischen Reinigung mehrere Arbeiter ums Leben. Unter den Opfern auch Hassans Frau. Alles sprach dafür, dass die ›Schwarzen Tiger‹, eine mafiöse türkische Verbrecherorganisation, dahintersteckten. Doch es gab niemanden, der es wagte, offen gegen die Tiger auszusagen.

Nur er, Hassan, hatte es getan - und sich auf die Polizei eingelassen. Wissend, dass die Tiger versuchen würden, sich an ihm zu rächen. Und das taten sie. Sein dreijähriger Sohn wurde auf offener Straße erschossen.

Hassan gibt die Schuld uns, den Beamten vom Ruhr-Revier, weil wir seine Familie trotz Versprechen nicht beschützen konnten, aber vor allem den ›Schwarzen Tigern‹ – und nun sinnt er auf Rache.

Doch schlafende Tiger sollte man nicht wecken …

Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme. Die unveränderte Neuausgabe der Krimi-Serie „Peter Mattek“ von Peter Hebel aus den 90ern jetzt exklusiv als eBooks. Jede Folge ist in sich abgeschlossen.

Hinweis zu dieser Folge

Bei diesem Titel handelt es sich um eine digitalisierte Neuausgabe aus den 90er Jahren. Um das Werk und das in den Romanen gezeichnete Zeitkolorit nicht zu verfälschen, wurde hier aus kulturhistorischen Gründen inhaltlich nicht in den Text eingegriffen. Bitte beachten Sie, dass Äußerungen in Bezug auf Politik, Religion, Umgangsformen und Ethnien im Kontext dieser Zeit zu verstehen sind und unter Umständen nicht mehr den heutigen Umgangsformen entsprechen.

Über den Autor

Peter Hebel, geb. am 2. Mai 1942, hat ein bewegtes Leben gelebt. Er fuhr zur See und verbrachte Jahre in der französischen Fremdenlegion, bevor er als freier Journalist und Autor arbeitete. Unter seinem Namen und diversen Pseudonymen hat er zahlreiche Spannungsromane veröffentlicht. Mit »Malkowski«, dem Privatdetektiv, und »Der Bundesbulle - Die Männer vom Ruhr-Revier« hat Peter Hebel zwei Serien geschaffen, die im In- und Ausland ein großes Publikum fanden. Am 3. November 1997 nahm sich Peter Hebel, unheilbar an Krebs erkrankt, in Villajoyosa, Spanien, das Leben.

Peter Hebel

Folge 10

Todeskuss am Bosporus

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag in der Serie »Peter Mattek« erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1990-1992 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von © shutterstock: Westend61 Premium; © iStock.com: Photosensia | PeopleImages

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Ochsenfurt

ISBN 978-3-7325-3827-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Der Kleine war ihm drei Schritte voraus auf dem Weg zum Wagen, als Hassan sie sah. Eigentlich sah er nur den grauen, von Rost zerfressenen VW-Transporter, auf dem Mennigeflecken wie Pockennarben wirkten. Aber genau in diesem Sekundenbruchteil wusste Hassan, dass es geschah. »Ali!«

Natürlich blieb der Kleine nicht stehen. Wie alle dreijährigen Kinder sah er im Davonlaufen und Wiedergefangenwerden ein Spiel. Er lief schneller und befand sich drei Schritte vom Bordstein entfernt, als der VW-Transporter stoppte. Die Schiebetür war schon ein Stück geöffnet. Jetzt wurde sie ganz aufgeschoben. In der Öffnung stand der Mann, der die Maschinenpistole nach draußen streckte und sofort zu feuern begann ...

Das Zischen neben mir nahm an Intensität zu. Dann tauchte Susanne Behlings Gesicht vor mir auf. Nicht mehr lust-, sondern wutverzerrt. Jemand hatte sie um den, wie sie glaubte, wohlverdienten Orgasmus gebracht, hatte einige Minuten zu früh meine Nummer gewählt. Deswegen hasste sie den Anrufer, ohne ihn zu kennen. Und mich, weil ich dem schrillen Klingeln nachgegeben hatte.

»Hassan ... hör zu, Hassan ... ich ...«

»... jeden einzelnen, Mattek und dich auch! Ich hätte mich nicht ...«

Die Verbindung riss ab. Hassan hatte aufgelegt. Seine von Tränen erstickte Stimme war zum Schluss schon nicht mehr zu verstehen gewesen.

»Wegen einem Türken?«, keuchte Susanne Behling. »Wegen einem Türken ...«

Ich schaute sie an. Sie war groß und schlank. Gebaut wie ein Playmate. Gestern hatte ich sie noch für die Eroberung meines Lebens gehalten. Ein Glückstreffer, den ein Mann nur einmal im Leben machte. Sie kam aus allerbestem Haus, Stahldynastie, Kohleadel, und sie hatte sich, daran hatte sie keinen Moment einen Zweifel aufkommen lassen, in einen Bullen verliebt.

Ihre großen Brüste bebten unter ihrem noch immer schwergehenden Atem. Sie kniete im Bett, den Oberkörper etwas zurückgebogen. Das lange, schwarze Haar bedeckte ihre runden, weißen Schultern wie ein Tuch. Zwischen den nun zusammengekniffenen Schenkeln war das dunkle Dreieck nur zu ahnen. Die roten Lippen waren aufgesprungen und die Mundwinkel verächtlich nach unten gezogen. In ihren braunen Augen, ich hatte sie vor wenigen Minuten noch mit denen eines unschuldigen Rehs verglichen, blitzte es auf.

»Wegen einem Türken lässt du mich ...«

Ich stand auf, nahm mir eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an. Dann erst drang langsam aber sicher so richtig in mein Bewusstsein, was sich abgespielt haben konnte.

»Türkenfreund, Mattek!« Sie lachte schrill und hektisch. Damit brachte sie zum Ausdruck, dass sie niemals verzeihen würde, dass ein Mann sie wegen einem Türken auf halber Strecke zum Orgasmus hatte verhungern lassen. »Türkenfreund, Mattek!«

Schwinger von Hermann Blechmann, meinem Freund aus dem Ruhr-Revier, der zweimal deutscher Polizeimeister im Schwergewicht gewesen war, waren nichts gegen diese beiden Worte, die die hochwohlgeborene Susanne Behling mir um die Ohren schlug.

»Sein Sohn ist tot«, sagte ich. »Drei Jahre ...«

»Mattek, der Türkenfreund ...«

Ich trat dicht ans Bett heran, auf dem sie kniete. »Drei Jahre«, sagte ich. »Ein Kind ... drei Jahre ...«

»Ja und?«

Ich hatte gehört, dass Menschen so reagieren konnten. Mitgemacht, selbst erlebt hatte ich es bis zu dieser Sekunde noch nicht. Was ich tat, tat ich in einem Anflug nicht steuerbarer, schmerzhafter Wut. Ich griff in ihre langen, schwarzen Haare und zog sie aus dem Bett.

Sie schrie, kam auf die Beine und starrte mich mit weitaufgerissenen Augen an. Es waren keine Rehaugen mehr. Eher die eines Raubtieres, das die Beute anvisierte und sich die richtige Stelle suchte, in die es seine Zähne schlagen konnte.

»Raus!«

Sie blieb stehen. Behlingscher Stahl- und Kohleadel ließ sich nicht einfach rauswerfen – schon lange nicht von einem »Bullen«.

»Raus!«

Meine Stimme war mir genauso fremd wie mein Verhalten. Es war nicht meine Art, unfreundlich zu Frauen zu sein. Auch nicht gegen die, mit denen ich schlief. Aber in meinem Kopf spukte Hassan herum. An meinem geistigen Horizont gab es nur das Bild des kleinen Alis.

Ich packte ihren Arm, schleppte sie zur Tür und stellte sie nackt ins Treppenhaus. Dann raste ich zurück, raffte auf, was mir von ihrer Kleidung in die Hände fiel, und schleuderte es ihr nach.

Krachend schlug die Tür ins Schloss. Was sie sagte, konnte ich nicht verstehen. Wegen der geschlossenen Tür und des erneuten Klingelns des Telefons.

Ich nahm den Hörer im Wohnzimmer.

»Sie haben Hassans Sohn erwischt, Peter!« Hauptkommissar Alfred Meise, Leiter der Sektion II des »Ruhr-Reviers«, befand sich am anderen Ende der Leitung. Seine Stimme klang schwer und gedrückt. Es schwang noch immer Unglauben und Unverständnis darin. »Den kleinen Ali, Peter.«

Ja«, sagte ich. »Moment«. Ich holte mir die nächste Zigarette, rauchte einen tiefen Zug und nahm den Hörer wieder auf. »Er hat mich angerufen ...«

»Hier auch«, sagte DAB-Meise. DAB war sein Spitzname, weil er nichts anderes Flüssiges als Dortmunder Actien Bräu trank.

»Er will sie umbringen, Peter. Alle ... dich auch! Ich habe Blechmann und Koslowski geschickt. Hoffentlich ...«

»Er hat mir das gleiche gesagt, DAB. Vielleicht meint er es in diesem Moment auch so, aber ...«

»Wir haben mit seinen Nachbarn gesprochen, Peter. Er kam nach Hause, und als er die Wohnung wieder verließ, hatte er eine Waffe in der Hand.«

»Verdammt, ich ...«

»Blechmann und Koslowski finden ihn ...«

»Yussuf Aidhassu«, sagte ich. »Das Teehaus Suleika ... DAB, ich bin unterwegs!«

Ich legte auf, zog mich an und versuchte, ruhig zu werden.

Koslowski und Blechmann waren erfahrene Polizeibeamte. Sie kannten Hassan zudem auch gut. Sie würden es schon schaffen, ihn von einer Dummheit abzuhalten. Egal, was geschehen war, es war nicht die Zeit der Rache. Und selbst wenn es die war, so war er nicht die geeignete Person, sie auszuführen. Sie würden ihn stoppen und zur Vernunft bringen. Ich holte die 9mm Beretta aus der Schublade und schob die Waffe, weil ich vergessen hatte, das Schulterhalfter anzulegen, hinten in den Hosenbund der ausgefransten Jeans.

Als ich ins Treppenhaus kam, stand sie noch da. Susanne Behling knöpfte sich gerade die Bluse zu.

»Ein Schuh fehlt, Mattek! Der BH, der Slip und die Strumpfhose ...«

Ich ging an ihr vorbei zur Treppe.

»Das ist Diebstahl, Bulle!«

Ich erreichte das Podest des zweiten Stocks.

»Diebstahl, Bulle! Unsere Rechtsanwälte werden dich verklagen! Diebstahl und Körperverletzung ...«

Ich erreichte das Podest des ersten Stocks. Oben musste der Spross des behlingschen Adels Luft holen.

»Türkenbulle!«

Ich hörte es noch einmal, als ich die Haustür erreichte.

»Türkenbulle.«

Irgendwie fasste ich das in diesem Moment nicht als Beleidigung auf.

Er hatte die Gäste auf die Straße getrieben und die Tür des Suleika Teehauses von innen verschlossen. Das Rollo hatte er nur halb hinabgelassen. Der obere Rahmen eines schmalen Fensters stand offen.

Einige Streifenwagen hatten die schmale Straße gesperrt. Über Megaphon hatte Koslowski die wenigen Bewohner in diesem Straßenabschnitt eingehend davor gewarnt, auf die Straße zu kommen. Dreimal hatte Hassan geschossen, aber nicht auf die Polizisten. Seine Kugeln waren irgendwo in Höhe des zweiten Stocks in die schmutzige Fassade des gegenüberliegenden Hauses eingeschlagen.

»Das ist eine Privatsache!«, schrie Hassan.

Yussuf Aidhassu, ein kleiner, fetter Mann mit einem Kopf wie einer Bowlingkugel, kniete vor dem Tresen. Er hatte die fleischigen Hände im Nacken gekreuzt. Sein Blick war zum Fenster gerichtet. Das heißt, er schaute zu Koslowski und Blechmann, die vorsichtshalber hinter ihrem Dienstrekord in Deckung gegangen waren.

Sicher, Hassan kannte die beiden Polizisten aus dem Ruhr-Revier, aber die Situation hatte sich geändert. Es waren keine Verbündeten mehr. Jetzt waren es die Bullen, die die Katastrophe heraufbeschworen hatten, weil sie sich wegen Informationen an ihn gewandt und er ihrem Ersuchen stattgegeben hatte. Er hatte sich gegen die »Schwarzen Tiger« gestellt. Beinahe jeder Türke, der hier in Deutschland seinem Job nachging, verdienen und leben wollte, war gegen diese militante Organisation. Aber sie hielten den Mund. Es gab nicht einen, der sich in aller Öffentlichkeit, laut und deutlich, als ein Feind der »Schwarzen Tiger« bekannte. Er, Hassan, hatte es getan. Wissend, dass sie versuchen würden, sich an ihm zu rächen. Sie hatten es versucht und seinen Sohn getötet. Die Situation war nicht mehr die gleiche.

Und dem Rechnung tragend, hatten Blechmann und Koslowski sich hinter den Wagen zurückgezogen.

Yussuf schrie etwas, was keiner verstand. Seine Kulleraugen waren entsetzlich weit geworden. Angst und Panik verzerrten sein rundliches Gesicht zu einer Fratze. Speichel rann an seinem Mundwinkel hinab.

Obgleich sie es nicht gehört hatten, wussten Blechmann und Koslowski, dass Yussuf inzwischen bei allen Göttern und Heiligen geschworen hatte, mit dem Tod von Hassans Sohn nichts zu tun zu haben. Und das, obgleich seine Sympathie zu den »Schwarzen Tigern« allgemein bekannt war. Obgleich jeder wusste, dass er zu denen gehörte, die man nicht zu einer ›Spende‹ für die Organisation bitten musste. Er bezahlte freiwillig. Mehr, als sie eigentlich normalerweise verlangten.

»Hassan!«, schrie Koslowski, den man im Revier den Polen nannte, weil sein Geburtsort ein Kaff mit einem unaussprechlichen Namen in Polen war. »Verdammt, mach das alles nicht noch schlimmer!«

»Ali ist tot ... ich bin mit ihm gestorben.«

Blechmann stöhnte. Ein Zittern lief durch seinen breiten, muskulösen Körper. Mit einer hilflosen Geste strich er sich über das schüttere, blonde Haar. Sein breites, eckiges Kinn war diesmal nicht kampflustig nach vorn gestreckt wie normalerweise in solchen Situationen.

»Noch lebst du, Hassan«, rief Blechmann, den man »Cherusker« nannte, weil er mal unter militanten Rechten am Hermanns-Denkmal aufgeräumt und dafür gesorgt hatte, dass ein Dutzend von denen zwangsläufig Übergewicht verlor, weil man sie wochenlang flüssig hatte ernähren müssen. »Wenn du da Scheiße baust, Hassan, hilfst du keinem. Dann müssen wir ...«

Yussuf bekam einen Tritt, der ihn durch das halbe Lokal wirbelte. Er krachte gegen einen Tisch, warf ihn um und blieb sekundenlang liegen. Dann ging er wieder in die Knie und faltete erneut die Hände im Nacken. Er blutete im Gesicht. Es sah auf den ersten Blick viel schlimmer aus, als es in Wirklichkeit war.

»Dem ersten von euch, der hier hereinkommt, schieße ich den Kopf ab!«

Hassan sagte das nicht nur so, er meinte es auch so. Wenigstens in diesen Sekunden.

»Das schwöre ich bei Allah.«

»Oh, du Scheiße«, fluchte der Pole. »Halt bloß die Birne unten! Wo, verdammt bleibt Mattek?«

Ich stoppte den natogrünen Porsche hinter dem Rekord und stieg aus. Als ich den Blick nach rechts drehte, sah ich Hassan. Eine lange, magere Gestalt, die ohne die schwere Waffe, die er in der Hand hielt, in der abgetragenen Kleidung eher lächerlich als bedrohlich gewirkt hätte.

»Runter!«, brüllte der Pole, der um den Rekord herumgekrochen kam.

Ich schaute ihn an. »Du tust gerade so, als hätten wir es hier mit einem Killer zu tun«, sagte ich.

Koslowski duckte sich und machte den Buckel rund. »Er hat seinen Sohn verloren. Er ist in verdammt keiner guten Verfassung. Bis zum Killer ist es höchstens noch ein kleiner Schritt oder eine Handlung unsererseits, durch die er sich bedroht fühlt.«

Ich nickte und zündete mir eine Zigarette an. Ich versuchte es, aber es war unmöglich, mich in Hassans Lage zu versetzen. Ich konnte mir nicht mal vorstellen, wie ich in seiner Situation gehandelt hätte.

Yussuf bekam wieder Hassans verzweifelten Zorn zu spüren. Er segelte durch sein Teehaus und knallte gegen die Theke. Seine Schreie hallten bis auf die Straße hinaus. Auch der Dialog, der zwischen Hassan und Yussuf entstand. Aber ich verstand kein Türkisch. Auf die Idee, einen Dolmetscher mitzunehmen, war niemand gekommen. Wie denn auch? Es war alles so entsetzlich schnell gegangen.

»Er bringt ihn um«, sagte Hermann Blechmann. »Wir können nicht einfach zuschauen und nichts tun! Ich gehe jetzt ...«

Ich unterbrach den Cherusker mit einem Kopfschütteln. »Das ist mein Job, Hermann!«

»Biste vielleicht was Besseres, Mattek?«

Ich grinste ihn an. »Dienstrangmäßig steht es mir zu, als erster ins Gras zu beißen, wenn schon gestorben werden muss.«

»Idiot«, sagte Koslowski. »Wenn DAB ihn richtig verstanden hat, stehst gerade du ganz oben auf seiner Liste.«

»Wenn man verzweifelt ist wie Hassan, redet man viel daher.«

Koslowski zuckte die Schultern. »Vielleicht sollte sich einer von uns durch den Hintereingang heranschleichen«, sagte er. »Ich traue ihm nicht mehr. Wir haben ihn in diese Situation gebracht, weil wir ihn vor unseren Karren gespannt haben.«

»Er wusste genau, auf was er sich einlässt«, sagte ich. »Und er hat es nicht aus Liebe zu den deutschen Bullen getan. Darauf kannst du dich verlassen.«

Hermann der Cherusker legte die Stirn in Falten. »Wegen seiner Frau?«

Ich nickte. »Der Brand in der chemischen Reinigung, dem sie zum Opfer gefallen ist, wurde damals gelegt. Der Besitzer war Türke. Wir wissen ganz sicher, dass er nicht an die Organisation der ›Schwarzen Tiger‹ bezahlt hat. Das liegt zwei Jahre zurück. Es war die Anfangsperiode des Terrors. Sie haben mit dem Brand ein Exempel statuieren und ein Fanal setzen wollen. Nach dem Motto: Wer nicht mit Geld bezahlen kann, kann auch mit seinem Leben bezahlen. Wenn Hassan uns geholfen hat, dann mit dem Hintergedanken und der Hoffnung, dass wir die Täter noch schnappen. Und, zum Teufel, ich hab’s ihm in die Hand versprochen!«

»Was heißt das?«, fragte der Pole.

»Das heißt, wir oder ich werden die Drahtzieher oder den Drahtzieher schnappen!«

»Der frisst sich irgendwo in Anatolien die Wampe rund und bumst sich durch die Gemeinde, wenn er nicht gerade mit dem Geldzählen beschäftigt ist«, knurrte Blechmann. »Seine Leute kassieren nicht schlecht.«

Das taten sie in der Tat nicht. Es gab wenige Betriebe unter türkischer Leitung, die nicht ihren Obolus entrichteten und sich damit einen trügerischen Frieden erkauften. In der Regel nämlich war es so, dass es sich erst um kleine Beträge handelte, die dann im Laufe der Zeit kontinuierlich gesteigert wurden. Oft so hoch, dass sie zum Ruin eines Geschäftes führten. Und dann stand jemand anderer bereit, der den Laden übernahm. In manchen Dingen konnte selbst die Mafia noch von den »Schwarzen Tigern« lernen.

»Möglich, Hermann«, gab ich zu. »Ich schnappe ihn dennoch!«

»Das walte Hugo«, sagte der Pole. »Und wenn ...«

Yussuf stieß wieder einen klagenden Schrei aus. Der Teehausbesitzer warf die Hände hoch und zog sie sich schützend vor das Gesicht. Hassans abgelatschter Schuh traf ihn gegen die Brust und nagelte ihn regelrecht an die Theke, bevor Yussuf zusammenklappte und seine Schreie in ein leises Wimmern übergingen.

»Okay«, sagte ich. »Ich denke, es ist genug.«

»Ich versuche auf jeden Fall von hinten reinzukommen«, sagte Koslowski, als ich mich um den Rekord herumdrehte und zum Eingang marschierte.

So richtig wohl war mir nicht in der eigenen Haut. Ich kannte Hassan gut. Ich hatte auch seine Frau gekannt. Die Familie war mit der des türkischen Hausmeisters meines Blocks befreundet. Vor drei Tagen noch war der kleine Ali dort gewesen und hatte mit Semirames, der Tochter meines Hausmeisters, gespielt.