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In Dortmund und Umgebung tauchten in letzter Zeit immer mehr Falschgeldblüten auf. Blüten, mit denen auch Dario Baldan, den sie die griechische Nachtigall nannten, schiefe Geschäfte machte. Blüten, die aus Amsterdam über Venlo in den Pütt gekommen waren und von denen Joellenbeck und sein BKA beinahe sicher waren, dass sie aus griechischer Produktion stammten. Alles ziemlich vage - wie meistens beim BKA.
Um Licht in die Sache zu bringen, waren Okker und Koslowski auf den Griechen in Dortmund angesetzt. Ich hatte mich währenddessen in die Niederungen des Lebens begeben und war nach Amsterdam gefahren, um ein Päckchen voller Drogen gegen gute, amerikanische Dollarblüten zu verkaufen.
Und wir alle sollten unser blaues Wunder erleben ...
Der Bundesbulle - Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme. Die unveränderte Neuausgabe der Krimi-Serie "Peter Mattek" von Peter Hebel aus den 90ern jetzt exklusiv als eBooks. Jede Folge ist in sich abgeschlossen.
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Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme
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Titel
Impressum
Blüten aus Korfu
In der nächsten Folge
Sein einmaliger Status gefällt den meisten nicht. Die Vorstellung von einem Polizisten, für den es keine Grenzen und Schranken gibt, bereitet ihnen Kopfschmerzen. Sie akzeptieren ihn als den Versuch einer Ausnahmeregelung, die aber keinesfalls zu lange dauern darf.
Trotzdem wurde die Ein-Mann-Soko ins Leben gerufen. Peter Mattek, der Bundesbulle, ist der Mann für ausweglose Situationen. Und auf ihn ist Verlass.
Der Bundesbulle - Folge 04: Blüten aus Korfu
In Dortmund und Umgebung tauchten in letzter Zeit immer mehr Falschgeldblüten auf. Blüten, mit denen auch Dario Baldan, den sie die griechische Nachtigall nannten, schiefe Geschäfte machte. Blüten, die aus Amsterdam über Venlo in den Pütt gekommen waren und von denen Joellenbeck und sein BKA beinahe sicher waren, dass sie aus griechischer Produktion stammten. Alles ziemlich vage – wie meistens beim BKA.
Um Licht in die Sache zu bringen, waren Okker und Koslowski auf den Griechen in Dortmund angesetzt. Ich hatte mich währenddessen in die Niederungen des Lebens begeben und war nach Amsterdam gefahren, um ein Päckchen voller Drogen gegen gute, amerikanische Dollarblüten zu verkaufen.
Und wir alle sollten unser blaues Wunder erleben …
Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme. Die unveränderte Neuausgabe der Krimi-Serie „Peter Mattek“ von Peter Hebel aus den 90ern jetzt exklusiv als eBooks. Jede Folge ist in sich abgeschlossen.
Bei diesem Titel handelt es sich um eine digitalisierte Neuausgabe aus den 90er Jahren. Um das Werk und das in den Romanen gezeichnete Zeitkolorit nicht zu verfälschen, wurde hier aus kulturhistorischen Gründen inhaltlich nicht in den Text eingegriffen. Bitte beachten Sie, dass Äußerungen in Bezug auf Politik, Religion, Umgangsformen und Ethnien im Kontext dieser Zeit zu verstehen sind und unter Umständen nicht mehr den heutigen Umgangsformen entsprechen.
Peter Hebel, geb. am 2. Mai 1942, hat ein bewegtes Leben gelebt. Er fuhr zur See und verbrachte Jahre in der französischen Fremdenlegion, bevor er als freier Journalist und Autor arbeitete. Unter seinem Namen und diversen Pseudonymen hat er zahlreiche Spannungsromane veröffentlicht. Mit »Malkowski«, dem Privatdetektiv, und »Der Bundesbulle - Die Männer vom Ruhr-Revier« hat Peter Hebel zwei Serien geschaffen, die im In- und Ausland ein großes Publikum fanden. Am 3. November 1997 nahm sich Peter Hebel, unheilbar an Krebs erkrankt, in Villajoyosa, Spanien, das Leben.
Peter Hebel
Folge 04
Blüten aus Korfu
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag in der Serie »Peter Mattek« erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 1990-1992 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von © shutterstock: Westend61 Premium; © iStock.com: Konstantinos_K; © thinkstock: EuToch | Tane4kaChe
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Ochsenfurt
ISBN 978-3-7325-3821-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
›HINTER JEDE FAUST STECKT NEN GESICHT, UND WENNSE DAS SEHEN TUST, TRIFFSTE SPÄTER NICH DEN FALSCHEN‹
Lippische Bauernweisheit, Heimatkalender 1834.
Sicher lagen die längst verblichenen Lipper Frühintellektuellen richtig, aber diese Faust kam so schnell herangeflogen, dass ich gar keine Chance bekam, das Gesicht des Faustinhabers zu sehen. Und das konnte leicht zur Folge haben, dass ich später doch den Falschen erwischte. Denn eines stand fest: Erwischen würde ich einen. Felsenfest stand das. Fester ging gar nicht. Man schlug nicht ungestraft einen »Bundesbullen«, und dann noch im Ausland ... in Holland!
Ich hatte das Gefühl, einen zirkusreifen Rückwärtssalto zu machen. Zuerst küsste ich mit dem Kreuz einen harten Gegenstand, prallte ab, drehte mich und knallte dann mit dem Kopf im Amsterdamer Rotlichtbezirk gegen die Fassade eines windschiefen Grachtenhauses.
Direkt neben das Fenster, hinter dem die längst verblühte Schönheit eines Freudenmädchens durch sanftes Rotlicht wieder aufpoliert wurde.
Dann küsste ich den Asphalt. Und weil es seit Tagen regnete, weil die schmale Gasse eigentlich gar keine Straße, sondern ein Loch neben dem anderen war, hatten sich seemäßig große Pfützen bilden können. Genau in einer solchen landete ich mit meinem verbeulten Gesicht.
Das hielt mich bei Bewusstsein und zeigte mir sehr deutlich die beiden Möglichkeiten auf, die ich noch hatte: aufstehen oder jämmerlich ersaufen!
Alleine der Gedanke, im Land hinter den Deichen meine letzte Ruhestätte zu finden, war so fürchterlich, dass ich automatisch aufstand.
Dem nassen Tod entronnen zu sein, machte mich so glücklich, dass ich die zweite lippische Bauernweisheit aus dem Heimatkalender von 1834 vergaß: WER IN DIE FRESSE SCHLÄGT, TUT AUCH DAHIN TRETEN, WO’S BESONDERS WEH TUT.
Ich schwebte noch immer auf einer rosaroten Wolke, immer weiter weg von der harten Realität.
Doch der Schmerz, der mich im nächsten Moment durchzuckte, machte mir deutlich, dass der Bursche kräftige Treter trug und eine besonders große Schuhnummer hatte.
Der Tritt nagelte mich wieder neben das Fenster, hinter dem die abgetakelte Nutte saß. Nun klatschte mir der niederländische Dauerregen ins Gesicht. Aber das war bei weitem nicht genug Wasser, um mich vor dem Abrutschen in die Bewusstlosigkeit zu bewahren.
»Stech ihn ab, den linken Vogel!«
Das drang noch in mein Bewusstsein. Dann einige Wortfetzen, anschließend ein scharfer, ekelhafter Schmerz im Oberarm, den ich, wussten die Götter wie, automatisch schützend vor meinen Körper zog.
Jemand brüllte nach »Theodore«, einem Griechen? Dann Geklapper von genagelten Schuhen auf dem löchrigen Asphalt und die Verwünschungen der Nutte. Sie hatte das Fenster aufgerissen und schrie mir zu, dass ich mir zum Sterben gefälligst einen anderen Platz suchen solle.
Recht hatte sie damit. Leichen vor der Tür schreckten Kunden ab, wenn es sich nicht um passionierte Bergsteiger handelte, die ohne Eispickel und Seil über Tote klettern konnten.
Dann hörte ich noch etwas, was sich wie »Akropolis« anhörte, und dann endlich schloss die Nacht mich barmherzig in ihre Arme.
Sie nannten Dario Baldan »die griechische Nachtigall«. Wegen seiner Stimme, denn was sein Aussehen anging, ähnelte er mehr dem letzten Condor – und das wiederum beleidigte den Condor, denn so fett und so hässlich konnte gar kein Tier sein.
»Dr. Brinkmann aus der ›Schwarzwaldklinik‹ müsste ihn mal unters Messer kriegen«, sagte Kriminalhauptwachtmeister Paul Koslowski.
»Wieso das?«, fragte Polizeimeister Werner Okker.
»Brinkmann würde zwei normale Menschen aus der Nachtigall machen«, brummte Paul Koslowski, der polnischer Abstammung war und den jeder nur den Polen nannte.
»Bisten Arsch und nen Kunstbanause«, knurrte Werner Okker, Ex-Feuerwerker bei der Berufsfeuerwehr und wegen seiner Liebe zu allem, was knallte, »TNT« genannt.
»Der Koch gehört mit seiner eigenen Kelle verprügelt«, moserte Koslowski weiter. »Wenn das meine Frau kocht, und die versteht was von griechischer Küche, schmeckt das nicht wie angebrannte Pappe, die vorher in Petroleum getränkt worden ist.«
»Leck mich doch ...«
Okker drehte den Stuhl. Er lauschte dem fetten Griechen, gegen den Demis Roussis in seiner Fressperiode als ein Unterernährter Zusatzessenbons des Wohlfahrtverbandes bekommen hätte.
»A ME MIN PIAZZE VIVERO A LA GRANDE« schmetterte die griechische Nachtigall. Und er stampfte dabei so theatralisch heftig mit den Füßen auf, dass Koslowskis Rotwein aus dem Glas schwappte.
»Brauche ich die Brühe schon nicht mehr zu schlucken«, sagte der Pole zufrieden. »Das ist genauso wenig griechischer Wein wie das griechisch ist, was der trällert.«
»Italienisch, Banause«, sagte Okker.
Koslowski hielt das Glas hoch gegen das Licht. »Also Wasser aus Venedigs Kanälen, angereichert mit Geschmacksstoffen, Methylalkohol und roter Tinte. Die hohe Kunst des italienischen Weinbauers: Als edlen Traubensaft verscherbeln, was niemals auch nur mit’ner Traube in Berührung gekommen ist, und ...«
»Ich meine die Sprache«, blieb Okker ruhig. »Er singt in Italienisch.«
»Na, wunderbar«, nickte der Pole. »Angebrannte Pappe in Petroleum getränkt, italienischer Kunstwein – kannse mir doch nich ausreden – ’n fetter Grieche, der italienisch singt, und das alles wird als Folklore in einem so genannten griechischen Restaurant mitten in Dortmund verkauft. Und wahrscheinlich wird das alles noch als Kunst subventioniert. Na, dann gute Nacht Deutschland. Bin ich froh, dass ich Pole bin!«
Dario Baldan schob seine gigantischen Ausmaße zwischen den extra weit auseinander gestellten Tischen hindurch, schmetterte sein Lied, und sein Gesicht war so voller Hingabe verkniffen, dass man gar nicht mehr feststellen konnte, ob er überhaupt Augen hatte.
Außer den beiden Beamten aus dem Ruhr-Revier gab es sieben weitere Gäste. Ein Ehepaar, das sich über zukünftige Alimentenzahlungen und die Besuchsregelung für einen missratenen Sprössling stritt, zwei pubertierende Liebende, bei denen man Männchen und Weibchen nicht unterscheiden konnte, ’ne hagere Mittvierzigerin mit einem ausgesprochenen Sauerampfergesicht, die mit sturer Verbissenheit Spaghettis wickelte, und zwei Vertretertypen, die aussahen, als seien sie heute von jeder Haustür weggetreten worden.
Eine wirklich illustre Gesellschaft, für die Dario Baldan die Sterne vom Himmel sang, und für die er jetzt ohne Übergang vom Italienischen ins Griechische überging und »DIMITRIMOU« schmetterte.
Das war der Moment, in dem der Pole die Schnauze voll hatte von dem Job, einen fetten Griechen zu überwachen. Koslowski wollte aufstehen. Okker erzählte ihm flüsternd etwas von ›deutscher Dienstauffassung, die bei ihm am Arsch‹ sei. Der Pole grinste schief, die Tür öffnete sich, und zwei weitere Gäste erschienen.
Na ja, Gäste. Für Dario Baldan waren es jedenfalls die letzten, die er sein Etablissement betreten sah. Er stand der Tür ziemlich nahe, hatte beim Schlussakkord die Arme weit gebreitet, als wolle er sich der Muse endgültig ergeben, und der Molotowcocktail knallte mitten in sein Gesicht.
Koslowski warf den Tisch um, trat gegen Pokers Stuhl und beförderte seinen Freund und Kollegen damit ebenfalls zu Boden. Dario Baldan kreischte, sämtliche Gespräche waren verstummt. Appetit hatte auch keiner mehr, und der Knabe, der neben dem Burschen stand, der den Molotowcocktail geschmissen hatte, drückte die doppelläufige Flinte ab.
Das gehackte Blei prasselte wie Hagel gegen die Tischplatte, hinter der der Pole und TNT Deckung gesucht hatten. Dann einige Schüsse aus einer normalen Waffe, und schließlich schrie einer der beiden in kaum verständlichem Deutsch etwas davon, dass es draußen auf die Leiche desjenigen regnen würde, der ihnen als erster folgte.
Die Tür klatschte zu.
Dario Baldan kreischte nicht mehr. Er wälzte sich brennend am Boden. Koslowski war es egal ob es auf seine Leiche regnete oder schneite. Er rannte zur Tür.
TNT Okker sprang über die Theke, weil der Feuerlöscher in der Ecke neben dem Flaschenregal hing.
Es regnete wirklich. Auf dem kleinen Parkplatz vor dem Lokal war es dunkel wie auf Sohle acht von Zeche Anton. Und nachdem die beiden gezeigt hatten, dass sie als Kinder nicht die Milch der frommen Denkensart getrunken hatten, verabschiedete der Pole sich mit einem Riesensatz nach rechts aus dem hellen Rechteck der Eingangstür.
Er rutschte zwei Meter durch den Matsch, rieb sich den Dreck aus den Augen, hatte seine Dienstwaffe freibekommen und zielte ins Dunkel, ohne jemanden zu sehen.
Die Kerle, die Dario Baldan angegriffen hatten, waren auch gut zu Fuß. Der Parkplatz war von einer mannshohen Mauer eingesäumt. Dahinter, also auf der Straße, hatten sie den Wagen abgestellt. Mit einem dritten Mann, der auf sie wartete. Anders war es nicht zu erklären, dass schon jetzt, noch bevor der Pole sich wieder richtig aus dem Matsch erhoben hatte, der Motor aufbrüllte und das Geräusch sich wahnsinnig schnell entfernte.
Koslowski rannte drei Schritte nach vorn. Dann blieb er stehen und starrte auf den Mauerdurchlass, der die Einfahrt auf den Parkplatz vor das griechische Restaurant war. Bis dahin waren es zwanzig Meter. Selbst wenn er ohne Anabolika, ohne Steroide und den ganzen Scheiß schneller war als ein gedopter Olympiasieger, würde er von dem Fluchtauto nicht einmal mehr die Rücklichter sehen. Nach zweihundert Metern beschrieb die Straße ’ne scharfe Rechtskurve. Die hatten die Burschen mit dem schweren Wagen lange passiert.
Ein schwerer Wagen, das prägte sich Koslowski ein. So jedenfalls hatte der Motor geklungen. Nicht das Geknatter eines alten Käfers oder das Nageln eines Diesels auch kein kreischender, stinkender Trabi, ’n schneller Wagen mit starkem Motor.
Komisch, dass die Jungs, die Molotowcocktails warfen, die gehacktes Blei kostenlos verteilten, die mit Revolvern durch die Gegend ballerten und aus jedem Tag Silvester machten, sich solche Wagen leisten konnten, während er selbst sich mit einem alten Jetta abquälte und den auch noch hin und wieder an seine Frau abtreten musste, weil sein Gehalt nicht ausreichte, sich einen zweiten Wagen zuzulegen.
Koslowski packte die Wut, als er wie eine Moorleiche aussehend das griechische Restaurant wieder betrat, in dem es totenstill geworden war.
Okker hatte den fetten Dario Baldan, den sie Nachtigall genannt hatten, mit einer weißen Schaumschicht aus dem Feuerlöscher zugedeckt. Aber das war vergebliche Liebesmühe gewesen. Als Koslowski Okker ansah, zuckte TNT nur die Schultern.
Die Nachtigall würde nicht mehr singen.
»Zwei Schüsse«, sagte Okker, richtete sich auf und strich sich mit den Pianistenhänden über die schwarzen, für einen deutschen Polizisten etwas zu langen Haare. »Er wäre mit Sicherheit auch an den Brandwunden gestorben, aber sie wollten auf Nummer Sicher gehen, Pole.«
Koslowski nickte. Er ging zur Theke, trank einen Schluck aus der Kornflasche, die herumstand, und wählte dann die Nummer der Staatsanwaltschaft.
»Tut mir leid«, sagte Okker zwischendurch zu den Gästen. »Aber bis auf weiteres darf niemand das Lokal verlassen. Von mir aus können Sie ins Nebenzimmer gehen.«
Die meisten gingen. Nur die Lady mit dem Sauerampfergesicht blieb sitzen und starrte auf das, was einmal die griechische Nachtigall gewesen war.
»Wie in Amerika«, sagte sie leise. »Warum zahlen wir eigentlich Steuergelder für die Polizei, wenn ...?«
»Lohmeyer«, meldete sich der Oberstaatsanwalt am anderen Ende der Leitung.
»Koslowski«, sagte der Pole, klemmte den Hörer zwischen Schulter und Hals, zündete sich eine Zigarette an und genehmigte sich noch einen Schluck aus der Flasche »Fürst Bismarck«. »Hier ist was schiefgegangen, Herr Oberstaatsanwalt.«
»Was?«
»Eigentlich alles«, sagte der Pole. »Schicken Sie die Kollegen von der Mordkommission und unterrichten Sie Joellenbeck vom BKA. Die Nachtigall singt nicht mehr, nicht mal dem BKA ins Ohr. Vielleicht sollte Mattek es auch schnell erfahren. Er ist in Amsterdam ... verdammte Scheiße ... die nehmen ihn dort vielleicht auch aufs Korn ...«
»Könnt ihr den Arsch hier nicht wegschaffen?«, fragte die verblichene Schönheit des liegenden Gewerbes, die mich schon mal verflucht hatte. Sie stand draußen und legte sich mit zwei holländischen Polizisten an.
Die sahen aus wie Vater und Sohn.
Der eine war alt, groß und fett. Sehr behäbig in allem, was er tat. Der zweite war jung, agil und unternehmungslustig. Er schaute auf mich nieder wie auf ein Stück Abfall. Er hatte sich den dunkelblauen Deckel weit in den Nacken geschoben und hatte das kantige zu allem entschlossene Gesicht der Polizisten, die mal James Bond werden wollten.
»Was ist?«, kreischte die Amsterdamer Nutte. »Ich muss hier schließlich arbeiten, Mann!«
»Halts Maul«, sagte der Alte ruhig.
»Schmeißt ihn doch in die Gracht«, ließ die ›Dame‹ nicht locker. »Gute Idee«, stimmte der holländische Reserve-Bond zu. »Dich binden wir an seine Beine, dann geht er wenigstens unter.«
Die Nutte kreischte noch etwas, was ich nicht verstand, was mich auch nicht interessierte.
»Theodore« und »Akropolis«. Das hämmerte in meinem Schädel. Und ’ne verdammte Sprache, die ich in keiner Schublade unterbringen konnte.
»Biste wach?«, fragte der Alte.
Komische Frage an einen Mann, der sich an die Mauer stützte und mit der gleichen Schwierigkeit wieder auf die Füße kam wie eine auf den Rücken gelegte Schildkröte. Das Blut floss an meinem Arm hinab, als habe jemand einen Kran aufgedreht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich langsam aber sicher leer lief, wenn nichts passierte.
»Kann das, verdammt, keiner abbinden?«, fragte ich.
»Deutscher«, sagte James Bond. Genauso gut hätte er auch Arschloch sagen können. Das hätte aus seinem Mund auch nicht beleidigender geklungen.
Ich sah den Alten an und grinste kläglich. »Ist dein Kollege derjenige, der von der Königin ’ne Medaille wegen besonderer Intelligenz bekommen hat?«
»Wer nicht frech«, sagte James Bond.
»Was ist mit dem Arm?«
»Nicht so schlimm, du hast doch zwei!« James Bond schaute auf die Blutlache, die vom strömenden Regen langsam weggewaschen wurde. Zum Glück, denn so konnte sie mir später nicht auch noch die Rechnungen der städtischen Straßenreinigung unterjubeln. »Das ist höchstens’n Liter, und ’n Mensch hat fünf. Also mach kein Geschrei.«
Der Alte band mir den Arm ab. Nicht gerade zärtlich, aber gekonnt. Ich gab mich keinen Illusionen hin. Mitleid oder Unterstützung hatte ich nicht zu erwarten. Auch wenn das tausendmal feierlich zugesichert wurde, die Tulpenanbauer hegten nicht besonders viel Sympathie für ihre östlichen Nachbarn, die Deutschen.
»Ist das dein Paket?«, fragte James Bond.
Es war meins. Es lag unter dem Fenster der Nutte und wurde wie ein Star vom Rotlicht angestrahlt. Ich hatte es mitgebracht, um es den Leuten anzuschmieren, auf die ich gewartet und die mich kalt erwischt hatten. In der allgemeinen Hektik hatten sie es liegengelassen. Ihr Oberhirte würde sie deswegen loben.
Beinahe eine Leiche für nichts!
Nicht, dass das im Land zwischen den Deichen etwas Besonderes gewesen wäre. Das gab bestenfalls, wenn überhaupt, eine Dreizeilenmeldung im »Telegraaf«, dem holländischen Revolverblättchen. Aber ärgerlich war es für den, der die Kerle geschickt hatte, doch. Schon darum, weil in dem Paket angeblich Rauschgift war, das ich gegen gute, amerikanische Dollarblüten zu verkaufen bereit war.
Blüten, mit denen auch der Grieche in Dortmund, den sie die griechische Nachtigall nannten, schiefe Geschäfte machte. Blüten, die aus Amsterdam über Venlo in den Pütt gekommen waren und von denen Joellenbeck und sein BKA beinahe sicher waren, dass sie aus griechischer Produktion stammten.
Alles ziemlich vage, nichts wirklich Greifbares – wie meistens beim BKA. Um Licht in die Sache zu bringen, waren Okker und Koslowski auf den Griechen in Dortmund angesetzt. Ich hatte mich in die Niederungen des Lebens begeben und war nach Amsterdam gefahren.
»Ob das dein Paket ist?«, fragte der holländische James Bond erneut.
Ich nickte.
Er grinste. »Wollten sie dir abnehmen, oder?«
»Wahrscheinlich.«
»Was ist drin?«
»’ne neue Kuchenmischung.«
»Mach mich nicht wütend.« Es klang wirklich bedrohlich.
»Mehl, Backpulver und Hundescheiße. Letzteres sind die kleinen, braunen Haufen, in die man in Amsterdam alle paar Meter tritt, wenn man nicht aufpasst.«