Der Bundesbulle 2 - Krimi-Serie - Peter Hebel - E-Book

Der Bundesbulle 2 - Krimi-Serie E-Book

Peter Hebel

4,8
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Absolut freiwillig, Mattek«, hatte König vom BND gesagt und mich dabei so angeschaut, als wäre ich in seinen Augen ein verdammter Feigling, wenn ich mich nicht in die nächste Maschine nach Beirut setzte und das Geiseldrama beendete. Alles sei vorbereitet. Es käme nur darauf an, so lange zu überleben, bis Kurze gefunden war, und danach lange genug, um zusammen mit ihm Beirut zu verlassen. Wie schlimm konnte es schon werden?

Was er nicht erwähnt hatte, waren die Katjuscha-Raketen, die libanesischen Armeen, die muslimischen Milizen und die diversen christlichen Privattruppen, die vorsichtshalber erst einmal alles über den Haufen schossen, was sie nicht auf Anhieb erkannten.

Und die waren erst der Auftakt ...

Der Bundesbulle - Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme. Die unveränderte Neuausgabe der Krimi-Serie "Peter Mattek" von Peter Hebel aus den 90ern jetzt exklusiv als eBooks. Jede Folge ist in sich abgeschlossen.


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 156

Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme

Über diese Folge

Hinweis zu dieser Folge

Über den Autor

Titel

Impressum

Feuerhölle Beirut

In der nächsten Folge

Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme

Sein einmaliger Status gefällt den meisten nicht. Die Vorstellung von einem Polizisten, für den es keine Grenzen und Schranken gibt, bereitet ihnen Kopfschmerzen. Sie akzeptieren ihn als den Versuch einer Ausnahmeregelung, die aber keinesfalls zu lange dauern darf.

Trotzdem wurde die Ein-Mann-Soko ins Leben gerufen. Peter Mattek, der Bundesbulle, ist der Mann für ausweglose Situationen. Und auf ihn ist Verlass.

Über diese Folge

Der Bundesbulle - Folge 02: Feuerhölle in Beirut

»Absolut freiwillig, Mattek«, hatte König vom BND gesagt und mich dabei so angeschaut, als wäre ich in seinen Augen ein verdammter Feigling, wenn ich mich nicht in die nächste Maschine nach Beirut setzte und das Geiseldrama beendete. Alles sei vorbereitet. Es käme nur darauf an, so lange zu überleben, bis Kurze gefunden war, und danach lange genug, um zusammen mit ihm Beirut zu verlassen. Wie schlimm konnte es schon werden?

Was er nicht erwähnt hatte, waren die Katjuscha-Raketen, die libanesischen Armeen, die muslimischen Milizen und die diversen christlichen Privattruppen, die vorsichtshalber erst einmal alles über den Haufen schossen, was sie nicht auf Anhieb erkannten.

Und die waren erst der Auftakt …

Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme. Die unveränderte Neuausgabe der Krimi-Serie „Peter Mattek“ von Peter Hebel aus den 90ern jetzt exklusiv als eBooks. Jede Folge ist in sich abgeschlossen.

Hinweis zu dieser Folge

Bei diesem Titel handelt es sich um eine digitalisierte Neuausgabe aus den 90er Jahren. Um das Werk und das in den Romanen gezeichnete Zeitkolorit nicht zu verfälschen, wurde hier aus kulturhistorischen Gründen inhaltlich nicht in den Text eingegriffen. Bitte beachten Sie, dass Äußerungen in Bezug auf Politik, Religion, Umgangsformen und Ethnien im Kontext dieser Zeit zu verstehen sind und unter Umständen nicht mehr den heutigen Umgangsformen entsprechen.

Über den Autor

Peter Hebel, geb. am 2. Mai 1942, hat ein bewegtes Leben gelebt. Er fuhr zur See und verbrachte Jahre in der französischen Fremdenlegion, bevor er als freier Journalist und Autor arbeitete. Unter seinem Namen und diversen Pseudonymen hat er zahlreiche Spannungsromane veröffentlicht. Mit »Malkowski«, dem Privatdetektiv, und »Der Bundesbulle - Die Männer vom Ruhr-Revier« hat Peter Hebel zwei Serien geschaffen, die im In- und Ausland ein großes Publikum fanden. Am 3. November 1997 nahm sich Peter Hebel, unheilbar an Krebs erkrankt, in Villajoyosa, Spanien, das Leben.

Peter Hebel

Folge 02

Feuerhölle Beirut

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag in der Serie »Peter Mattek« erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1990-1992 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von © shutterstock: Westend61 Premium; © iStock: tunart; © thinkstock: acidgrey

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Ochsenfurt

ISBN 978-3-7325-3819-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Hamisa Kahlil hielt die Kalaschnikow wie ein Engländer seinen Regenschirm: Locker, aber allzeit bereit, ihn in Aktion treten zu lassen. Vor der Mauer, hinter der Hamisa und ich uns gegen den Boden drückten, stand der von Staub, Asche und Geröll bedeckte Uralt-Mercedes. Bis vor wenigen Minuten hatten Katjuscha-Raketen die umliegenden Häuser erneut um ein Stockwerk niedriger gemacht. Jetzt, nachdem Rauch und Staub sich verflüchtigten, knallte die Sonne wieder unbarmherzig auf West-Beirut. Brand- und Modergeruch durchzogen die Schwüle des Mittags. Der sonst erfrischende Wind vom Meer war ausgeblieben.

»Okay«, sagte Hamisa Kahlil, der Libanese, »Okay, Aleman?«

Ich behielt den Kopf vorsichtshalber in der Armbeuge und fragte mich zum xten Mal, warum ich mich auf einen Job wie diesen eingelassen hatte.

»Absolut freiwillig, Mattek«, hatte BND-König gesagt und mich dabei so angeschaut, als wäre ich in seinen Augen ein verdammter Feigling, wenn ich mich nicht in die nächste Maschine nach Beirut setzte und den Job erledigte, an dem einige andere schon gescheitert waren. Angeblich waren die Chancen, ein Geiseldrama zu beenden, niemals so gut gewesen wie jetzt.

»Okay, Aleman?«, fragte der junge Libanese erneut, der sich nun in die Hocke erhoben hatte. Er stemmte sich den Schaft der Kalaschnikow in die Hüfte, wie John Wayne es kurz vor dem Sturm der Mexikaner auf Alamo getan hatte.

Ich erhob mich, rieb mir den Staub aus den Augen und versuchte ein Grinsen. Hamisas amüsierter Blick signalisierte, dass es mir misslang.

»Ich habe mich nie besser gefühlt«, sagte ich dennoch.

Sein Grinsen war echt, offen und etwas mitleidig. »Sie haben mir gesagt, dass du in Deutschland bei der Armee eine Spezialausbildung für solche Einsätze bekommen hast.«

Ich nickte. »Klar«, sagte ich. »Aber da sind mir keine Katjuscha-Raketen um die Ohren geflogen.«

Ich kroch um die Mauer herum. Abgesehen vom Prasseln der Flammen und vom Krachen der nachgebenden und einstürzenden Mauern, war es friedlich still.

Hamisa ging zum Mercedes. Er räumte Schutt und Steine vom Dach, entfernte den Staub der Windschutzscheibe mit dem Unterarm und setzte sich hinter das Steuer. Der Motor sprang nach der ersten Schlüsseldrehung sofort an.

»Made in Germany«, sagte der Libanese grinsend. »Die Karre gibt allenfalls nach einem Volltreffer den Geist auf.«

Er sprach sehr gut deutsch, da er einige Semester Medizin in Heidelberg studiert hatte. Danach hatte er es für seine Pflicht gehalten, sich am Beiruter Feuerwerk zu beteiligen.

Die rechte Tür des Mercedes fehlte. Die linke hatte ziemlich viele Einschusslöcher, manche davon waren faustgroß, so dass eine natürliche Aircondition gewährleistet war.

Ich zündete zwei Zigaretten an und gab Hamisa eine davon. Ich kannte ihn seit drei Tagen. Er schien mir ein Mann zu sein, auf den ich mich verlassen konnte, wenngleich ich noch immer nicht herausgefunden hatte, auf welcher Seite der Libanese wirklich stand. Wahrscheinlich immer auf der, die in Dollars zahlte.

»Weißt du, dass du verrückt bist?«, fragte er.

»Sicher, ’n normalen Mensch macht hier in Beirut keinen Urlaub.«

Er grinste immer noch. Ich glaubte, er hatte sich das angewöhnt, um seine wirklichen Gefühle zu verbergen. Es konnte unmöglich sein, dass alles ihn unberührt ließ.

»Weißt du, wie’s weitergeht, Mattek?«

Ich zuckte die Schultern.

»Zuerst kommen die Raketen, dann die Angehörigen der libanesischen Armeen, muslimische Milizen und diverse christliche Privattruppen. Und weil keiner so richtig weiß, wer des anderen Freund ist, schießen die sich vorsichtshalber erst mal gegenseitig über den Haufen. Und wenn wir heil durch die ›Grüne Linie‹ kommen, Mattek, dann wissen wir nicht einmal, ob Adolf Kurze noch im gleichen Haus ist, ob er sich noch in den Händen von Abdul Saad befindet. Vielleicht ist das so, aber vielleicht läuft es darauf hinaus, dass Saad kassiert, ohne Kurze freizulassen.«

Hiobsbotschaften, Wenns und Abers überhörte ich lieber. König hatte behauptet, alles sei vorbereitet. Es käme nur darauf an, so lange zu überleben, bis Kurze gefunden war, und danach lange genug, um zusammen mit ihm Beirut zu verlassen.

Ich rauchte schweigend. Mein Blick strich suchend über die Trümmer, hinter und zwischen denen sich nichts regte.

Noch nicht ...

»Sind da wirklich zwei Millionen US-Dollar im Kofferraum?«

Ich zuckte die Schultern. Ich hatte das Geld nicht gezählt. Im »Commodore«, dem Journalistenhotel von Beirut, hatte man mir den Koffer überreicht. Privatgeld einer Firma, die damit ihren gekidnappten Angestellten freikaufen wollte. Außerdem hatte man mir die Adresse genannt, wo Kurze von Saad gefangen gehalten wurde. Adolf Kurze war einer von mehr als zehn Deutschen, die in Beirut verschwunden waren die sich in der Gewalt unterschiedlicher Gruppen befanden und wie Handelsware verkauft wurden. Sobald man Geld brauchte, um Waffen zu kaufen, Kommandos auszubilden, Terror in andere Länder zu tragen. Gesinnungsgenossen freizupressen.

»Runter!«, brüllte Hamisa Kahlil.

Ich kannte das Spiel inzwischen. Blitzschnell klappte ich den Sitz nach hinten und warf mich zurück. Ich sah nichts mehr. Ich verließ mich auf Kahlil, der leben und um nichts auf der Welt auf die zweihunderttausend Dollar Provision verzichten wollte, sollte es mit seiner Hilfe gelingen, dass Adolf Kurze und ich aus Beirut lebend herauskamen.

Das Feuer wurde von allen Seiten gleichzeitig eröffnet. Kahlil saß hinter dem Steuer. Unter dem schmutziggrünen T-Shirt spannten sich seine Nackenmuskeln. Hin und wieder fluchte er, während er wie wild am Steuer drehte und mit dem alten Daimler auf die Slalomstrecke durch die ›Grüne Linie‹ ging.

Zweihundert Meter war die Schneise breit. Rechts und links Ruinen, in denen das Leben wieder erwacht war. Zu sehen war von den Einwohnern so gut wie nichts; dass sie das Raketenfeuer überstanden hatten, signalisierten die verschiedenen Gruppen durch wildes Feuer aus automatischen Schnellfeuerwaffen. Es gab einige Betonblöcke auf der Straße, die eine schnelle Durchfahrt unmöglich machten.

Kugeln pfiffen rechts in den offenen Wagen hinein, zogen über mich hinweg und verließen den Wagen durch das heruntergedrehte Fenster auf der Fahrerseite.

Manchen fielen in solchen Momenten alle Gebete aus der Kinderzeit ein. Mir fiel kein einziges ein. Ich dachte vielmehr an Dortmund, an eine gemütliche Kneipe und ein mit Liebe gezapftes Pils.

Ich hatte die Augen geschlossen. Wenn es mich erwischte, brauchten sie mir die später schon nicht mehr zuzudrücken. Auch in kritischen Situationen sollte man nicht vergessen, es den Hinterbliebenen so leicht wie möglich zu machen. Dabei war das in meinem Fall Unsinn. Es gab mich nicht. Mein Name stand auf keiner Passagierliste. Bei keiner Dienststelle gab es ein Dossier über Peter Matteks Trip nach Beirut, um einen wichtigen Angestellten freizukaufen. Falls es mich erwischte, würde ich wie viele andere namenlos in einem Massengrab landen.

Ich war wirklich verrückt gewesen, mich auf dieses Spiel ohne Regeln eingelassen zu haben. Was in diesem Moment Gültigkeit hatte, konnte im nächsten schon wieder über den Haufen geworfen werden.

Es knallte, als Hamisa Kahlil mit dem rechten Kotflügel einen der Betonklötze küsste und den Daimler zum Einäugigen machte. Die Karre bockte, sprang wie ein störrischer Esel über irgendwelche Hindernisse hinweg, und als Abschiedsgruß klatschten einige Kugeln in den Kofferraum.

Dann lachte Kahlil wie ein Irrwisch. Er nahm eine Hand vom Steuer und rieb sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Angstschweiß, denn an die verdammte Hitze war er als Libanese gewöhnt.

»Du kannst wieder auftauchen, Aleman!«

Ich richtete mich auf, klappte die Lehne des Sitzes nach oben und rieb mir die Augen. Das Straßenbild hatte sich nicht verändert. Trümmer, Ruinen und Hausfassaden, die aussahen wie ein Haushaltssieb. Narben, die unauslöschlich waren, solange man die Ruinen nicht abriss und die Stadt neu aufbaute.

»Kennst du Abdul Saad?«, fragte ich, nachdem ich mir eine Zigarette angezündet hatte.

Hamisa nickte. »Dem Namen nach«, sagte er.

»Kann man ihm vertrauen?«

»Kann man dir vertrauen?«

Ich gab’s auf, schaute nach vorn. Zweihundert Meter vor uns kletterten einige junge Männer in Phantasieuniformen aus den Trümmern.

»Al-Murabitoun«, sagte der Libanese neben mir. Er war jung, so um die zwanzig herum, hatte levantische Züge mit einer ausgeprägten Nase und samtenen, braunen Augen. »Die Wächter.«

»Freunde von Saad?«

Hamisa zuckte die Schultern. »Gestern noch«, sagte er lakonisch. »Aber gestern ist weit.«

»Du kannst einem wirklich Mut machen, Freund.«

Er verlangsamte die Fahrt, steuerte auf die Männer zu und hielt an. Ich schaute nicht zum ersten Mal in eine Waffenmündung. Es war schon ein komisches Gefühl, einen Revolver auf sich gerichtet zu sehen. In diesem Fall waren es Sturmgewehre, Kalaschnikows und alte 45er Coltrevolver. Und die Knaben, die sie in den Händen hielten, machten nicht gerade einen vertrauenerweckenden Eindruck.

Hamisa redete. Dunkle, mordlustige Augen starrten mich an.

»Passport!«

»Journalist«, sagte ich und reichte einen Journalistenausweis der UPI nach draußen.

»Scheiße«, sagte der Mann und warf das Ding in den Wagen zurück. Er hob die Waffe. Von der Ewigkeit trennten mich nur wenige Millimeter. Wenn er den Finger um diese Distanz krümmte, dann war’s aus und vorbei mit Peter Mattek. Und ich war hilflos wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte. Schweiß rann mir brennend in die Augen. Dennoch zuckte ich mit keiner Wimper. Wenn der Kerl schoss, war’s Schicksal. Aber wenn ich auch nur ein Ohr am Kopf bewegte, forderte ich das Schicksal heraus.

Jemand schrie ihm etwas zu. Der Kerl trat vom Wagen zurück. Er sah aus, als täte es ihm leid, mich nicht erschießen zu dürfen.

Hamisa Kahlil nickte den jungen Männern in den Phantasieuniformen zu und fuhr weiter. Ich schaute nicht zurück. Jemand konnte das als Bedrohung auffassen.

»Ist es noch weit?«, fragte ich Minuten später. So lange brauchte ich, um mich von dem Schrecken zu erholen.

Hamisa deutete mit einem knappen Kopfnicken auf die Einmündung einer schmalen Gasse. Sie war zu eng, um sie mit dem Mercedes passieren zu können. Davor stoppte er.

»Ich warte hier.«

Ich stieg aus. Zwei Millionen Dollar waren eine Menge Scheine, aber es machte keine Mühe, den Koffer zu schleppen. Ich ging die ungepflasterte schmale Gasse entlang. Einheimische standen vor den Türen, schauten mich an, aber keiner sagte etwas.

»Mattek?«

Ich blieb stehen. Vor mir war ein Loch in der Erde, aus dem zuerst ein Kopf, dann eine Kalaschnikow hervorkam. Es war ein Mann mit einem eingefallenen, schmalen Gesicht und einem ausdruckslosen Blick. Ich hatte noch nie so viele Menschen mit stumpfen Augen gesehen wie in dieser Stadt. Vielleicht lag es am allgegenwärtigen Tod, der, so schien es, seinen Schreck verloren hatte.

Der Kopf und die Waffe verschwanden wieder. Ich trat auf das Loch zu. Ein halber Meter Leere dann die abgetretenen Treppenstufen, deren Ende nicht abzusehen war. Vielleicht führten sie geradewegs in die Hölle.

Ich stieg hinab. Den Koffer balancierte ich in beiden Händen. Staub wirbelte unter meinen Schuhen auf.

»Weiter!«

Ich hörte nur die Stimme und folgte ihr bis in einen quadratischen Kellerraum. Meine Augen hatten sich mittlerweile an die schlechten Lichtverhältnisse gewöhnt. Ich sah den Mann an der mir gegenüberliegenden Mauer hocken. Er hatte weißes Haar und ein ausgemergeltes Gesicht. Seine Lippen waren aufgesprungen.

Adolf Kurze!

Ich hatte Bilder von ihm gesehen. Sie waren vor etwas mehr als einem halben Jahr aufgenommen worden. Seitdem war Kurze um ein halbes Jahrhundert gealtert. Er wollte etwas sagen. Seine Lippen bewegten sich schon, als ein scharfer Zuruf ihm befahl zu schweigen.

»Stellen Sie den Koffer auf den Boden, und machen Sie ihn auf.«

Meine Finger zitterten. Mit Mühe gelang es mir, das Zittern zu verbergen. Ich öffnete den Koffer. Zwei Millionen Dollar waren sogar in diesem trostlosen Kellerraum, der jeden Moment einstürzen konnte, ein faszinierender Anblick.

»Okay. Nehmen Sie Kurze mit!«

Der Mann, der hier die Befehle gab, blieb unsichtbar. Es war ohne Frage Abdul Saad, und er hatte allen Grund, sich nicht zu zeigen. Er handelte in seinem eigenen Interesse, aus Gewinnsucht. Er verkaufte eine Geisel, obwohl man sie später, sollte es wirklich kritisch werden, noch viel besser als Druckmittel einsetzen könnte.

Kurze stand auf. Er wankte. Unter den weiten Hosenbeinen zeichneten sich deutlich seine dünnen Beine ab. Einen Moment lang glänzten seine Augen, dann wurde der Blick wieder stumpf. Für ihn war das alles noch nicht zu Ende. Wahrscheinlich hatte seine Freilassung schon des Öfteren kurz bevorgestanden und war dann doch aus mir unbekannten Gründen nicht geschehen.

Ich drehte mich um und ging. Kurzes Schritte dröhnten hinter mir. Ich kroch aus dem Loch auf die Straße zurück. Kurze streckte mir die Hände entgegen. Er war zu schwach, um aus eigener Kraft nach draußen in die Freiheit zu gelangen.

Ich half ihm. Draußen angekommen kniff er die Augen zusammen. Es musste lange her sein, seit er das letzte Mal ins Sonnenlicht geblickt hatte. Er blieb stehen.

Ich nahm seine Hand wie die eines ängstlichen Kindes.

»Nicht stehen bleiben«, sagte ich leise. »Durch diese Gasse müssen wir. Am Ende wartet ein Mercedes. Wir sind hier reingekommen, und wir kommen auch wieder raus. Okay?«

»Okay«, krächzte er.

Aus der Ferne klang das Belfern von automatischen Waffen durch die Hitze. Singend zogen einige Raketen ihre Bahn über uns hinweg und schlugen irgendwo in West-Beirut ein.

Hamisa wartete. Ich schob Kurze auf die Rückbank. »Legen Sie sich hin«, sagte ich leise.

Er legte sich hin, und Hamisa startete den Daimler.

»Wie geht das weiter?«

»Wir bleiben einige Tage«, sagte ich, ohne mich zu Kurze umzudrehen. »Angeblich ist es dort, wo wir uns verstecken, sicher. Aber angeblich ist relativ und keine Garantie. Abdul Saad hat ein Privatgeschäft gemacht. Er wird behaupten, Sie seien entkommen oder eine andere Gruppe habe Sie befreit. Dann wird er sich aus diesem Scheißkrieg verabschieden und mit dem Lösegeld als Veteran leben. In nächster Zeit werden andere an Ihnen interessiert sein. Man wird Sie suchen. Ich habe keine Informationen über Sie, Kurze, aber Sie scheinen ein wichtiger Mann zu sein. Sobald der erste Sturm sich gelegt hat, bekommen wir eine Maschine, die uns aus Beirut heraus bringt.«

»Wer hat euch gesagt, wo man mich finden kann?«

»Keine Ahnung. Das interessiert mich auch nicht. Ihre Firma bekam Informationen. Man nannte eine Summe, stellte die Bedingung, die Politik sollte aus dem Spiel bleiben, und verlangte, dass eine Privatperson die Sache zu Ende bringt. Jemand war der Meinung, dass man Beirut gesehen haben muss, bevor man die Augen für immer zumacht. Er ließ mir die Ehre zuteil werden, herzukommen.«

»Warum haben Sie ja gesagt?«, fragte Kurze.

»Warum habe ich ja gesagt, Hamisa?«, fragte ich den jungen Libanesen, der wieder Slalom durch die Straßen fuhr.

»Weil du verrückt bist, Aleman Mattek«, antwortete er.

»Und warum hast du dich darauf eingelassen?«

»Ich bekomme zweihunderttausend Dollar. Was kriegst du?«

»Vielleicht einen warmen Händedruck«, antwortete ich.

Hauptkommissar Alfred Meise, Leiter der Sektion II im Ruhr-Revier, wischte sich den Schaum von den Lippen und streichelte die DAB-Reklame auf dem Bierglas, bevor er es wieder auf die Theke stellte.

»Man kann alles übertreiben«, sagte Susanne Steiner, ein etwas grobknochiges, aber hübsches Mädchen mit einem sehr sanftem Gesicht. Sie war Werner Okkers Freundin. Und Werner Okker war Polizeimeister im Ruhr-Revier. Ein ehemaliger Feuerwehrmann mit Sprengmeisterausbildung. Er wurde von allen Kollegen TNT genannt, weil er mit jeder Sorte von Sprengstoff umgehen konnte wie der erste Geiger mit einer Stradivari.

»Sicher«, sagte Meise. »Aber die Liebe zu DAB-Bier ist die harmloseste, die ich mir vorstellen kann. Lass die Luft aus dem Glas, Susanne. Der Urlauber zahlt!«

Mit dem Urlauber meinte DAB-Meise mich. Ich war seit sieben Tagen aus Beirut zurück, war braungebrannt und sah äußerlich gut erholt aus. Innerlich jedoch fühlte ich mich noch immer wie ausgebrannt. Manchmal hatte ich nachts sogar wieder das Jaulen der Katjuschka-Raketen und das Gehämmer der automatischen Waffen im Ohr. Klaus König, mein Verbindungsmann vom BND aus Bonn, hatte sich noch nicht gemeldet. Ich hatte inoffiziell Urlaub. Nicht einmal Oberstaatsanwalt Karl Lohmeyer, mein direkter Vorgesetzter, hatte sich nach mir erkundigt.

Werner Okkers Augen glänzten. »Ich wäre in Beirut gerne dabei gewesen«, sagte er. »Anschauungsunterricht vor Ort. Ich hätte denen einige Blindgänger ...«