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Im Dortmund-Ems-Kanal ertrinkt eine junge Versicherungsangestellte unter zweifelhaften Umständen. Bei ihr zu Hause finden die Beamten vom Ruhr-Revier einen Abschiedsbrief und sogar eine ausführliche Erbregelung. Alles spricht für Selbstmord, doch irgendetwas scheint nicht zu stimmen ...
Währenddessen versuchen Koslowski und ich in Alicante, unbemerkt einem weltweiten Betrugskartell auf die Schliche zu kommen. Doch die Tarnung scheint schnell aufgeflogen, als eine 15-Meter Yacht im Hafenbecken von Alicante in die Luft fliegt - mit darauf die Mädchen und Jungs, mit denen wir die letzte Nacht um die Häuser zogen ...
Der Bundesbulle - Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme. Die unveränderte Neuausgabe der Krimi-Serie "Peter Mattek" von Peter Hebel aus den 90ern jetzt exklusiv als eBooks. Jede Folge ist in sich abgeschlossen.
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Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme
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Blutige Peseten
In der nächsten Folge
Sein einmaliger Status gefällt den meisten nicht. Die Vorstellung von einem Polizisten, für den es keine Grenzen und Schranken gibt, bereitet ihnen Kopfschmerzen. Sie akzeptieren ihn als den Versuch einer Ausnahmeregelung, die aber keinesfalls zu lange dauern darf.
Trotzdem wurde die Ein-Mann-Soko ins Leben gerufen. Peter Mattek, der Bundesbulle, ist der Mann für ausweglose Situationen. Und auf ihn ist Verlass.
Der Bundesbulle - Folge 07: Blutige Peseten
Im Dortmund-Ems-Kanal ertrinkt eine junge Versicherungsangestellte unter zweifelhaften Umständen. Bei ihr zu Hause finden die Beamten vom Ruhr-Revier einen Abschiedsbrief und sogar eine ausführliche Erbregelung. Alles spricht für Selbstmord, doch irgendetwas scheint nicht zu stimmen …
Währenddessen versuchen Koslowski und ich in Alicante, unbemerkt einem weltweiten Betrugskartell auf die Schliche zu kommen. Doch die Tarnung scheint schnell aufgeflogen, als eine 15-Meter Yacht im Hafenbecken von Alicante in die Luft fliegt – mit darauf die Mädchen und Jungs, mit denen wir die letzte Nacht um die Häuser zogen …
Der Bundesbulle – Der Krimi-Klassiker mit Ruhrpottcharme. Die unveränderte Neuausgabe der Krimi-Serie „Peter Mattek“ von Peter Hebel aus den 90ern jetzt exklusiv als eBooks. Jede Folge ist in sich abgeschlossen.
Bei diesem Titel handelt es sich um eine digitalisierte Neuausgabe aus den 90er Jahren. Um das Werk und das in den Romanen gezeichnete Zeitkolorit nicht zu verfälschen, wurde hier aus kulturhistorischen Gründen inhaltlich nicht in den Text eingegriffen. Bitte beachten Sie, dass Äußerungen in Bezug auf Politik, Religion, Umgangsformen und Ethnien im Kontext dieser Zeit zu verstehen sind und unter Umständen nicht mehr den heutigen Umgangsformen entsprechen.
Peter Hebel, geb. am 2. Mai 1942, hat ein bewegtes Leben gelebt. Er fuhr zur See und verbrachte Jahre in der französischen Fremdenlegion, bevor er als freier Journalist und Autor arbeitete. Unter seinem Namen und diversen Pseudonymen hat er zahlreiche Spannungsromane veröffentlicht. Mit »Malkowski«, dem Privatdetektiv, und »Der Bundesbulle - Die Männer vom Ruhr-Revier« hat Peter Hebel zwei Serien geschaffen, die im In- und Ausland ein großes Publikum fanden. Am 3. November 1997 nahm sich Peter Hebel, unheilbar an Krebs erkrankt, in Villajoyosa, Spanien, das Leben.
Peter Hebel
Folge 07
Blutige Peseten
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag in der Serie »Peter Mattek« erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 1990-1992 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von © shutterstock: Westend61 Premium; © thinkstock: LUNAMARINA | FaraFaran
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Ochsenfurt
ISBN 978-3-7325-3824-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Der weiße Golf GTI zappelte wie ein Fisch am Haken. Taucher hatten unter Wasser eine Stahltrosse um den Wagen gelegt. Bei dem geringen Gewicht des Wagens und dem festen Untergrund war nur ein Kran mit einem kleinen Ausleger nötig.
»Weiter hoch, das Ding!«
Der Kranführer zog an. In der Stahlschlaufe verkantete der Golf sich nach rechts. In wahren Sturzbächen strömte das Wasser aus dem Fenster. Mit dem letzten Schwall kam zuerst der Arm, dann der Kopf und schließlich der Oberkörper zum Vorschein.
Sekundenlang sah es aus, als würde die Tote aus dem zertrümmerten Fenster kippen. Dann jedoch verfing ein Körperteil oder Kleidung sich irgendwo im Wageninneren. Die Leiche blieb hängen.
Der Kranführer wurde blass und stoppte den Bergungsvorgang.
»Was is?«, brüllte einer der Polizeitaucher. »Willste se hängen lassen?«
»Scheiße!«, brüllte der Kranführer zurück. Er schwenkte den Ausleger langsam nach links und stellte den Golf GTI mit der makabren Fracht schließlich auf dem Deich des Dortmund-Ems-Kanals ab.
Der Junge, der rechts neben Kriminalobermeister Hermann Blechmann vom Ruhr-Revier stand, hustete hinter der vorgehaltenen Hand. Blechmann sah, dass es ihm nicht besonders gut ging. Er gab ihm eine Zigarette und Feuer.
»Und?«, fragte er. »Was is nun?«
»Das ist der Wagen«, sagte der Junge. »Weißer Golf GTI. Habe ich doch auch so gemeldet. Oder?«
Blechmann zuckte die Schultern. »Bei mir nicht. Bei der Verkehrspolizei. Und das auch erst heute morgen, obgleich der Wagen schon in der Nacht in den Kanal gefahren ist.«
Karl Senne, so hieß der kleine, dickliche ›Junge‹, schlug den Blick nieder. »Ich hab’ doch lang und breit gesagt, warum.«
»Weil du ›breit‹ warst und Angst hattest, die Polizei würde dir den Deckel abnehmen, wenn die dich in dem Zustand im Wagen erwischt oder dahinterkommen, dass du gefahren bist.«
»Ja.« Karl Senne nickte.
»Vielleicht könnte die Frau noch leben«, sagte Blechmann. Er war ein blonder Hüne mit schütterem Haar. Er schob sein eckiges Kinn etwas nach vorn und schaute Karl Senne durchdringend an.
»Quatsch«, sagte Senne halbherzig. »Von hier bis zum nächsten Telefon sind es mehr als zehn Minuten. Bevor die Bullen gekommen wären, wären doch noch einmal zwanzig Minuten vergangen. Die sind hier nicht so flott, wiese aussehen. Kein Mensch kann dreißig Minuten unter Wasser atmen, oder?«
»Und selbst reinspringen und versuchen ...«
Karl Senne schüttelte den Kopf. »Ich kann nich schwimmen«, sagte er. »Zum anderen wäre ein Sprung in diese Chemiebrühe doch glatter Selbstmord. Und, verdammt, ich hab’ auch gedacht, ich hab’ einen wegschwimmen sehen.«
»Zum anderen Ufer?«
»Ja. Ich dachte ...«
Hermann Blechmann nickte. Er verlagerte das Gewicht auf den linken Fuß. »Und die Frau war allein im Wagen?«
Senne zuckte die Schultern. »Ich habe keinen anderen gesehen ... aber ich war ja auch breit wie ’ne Scholle, Mann.«
»Gesehen hast du sie zum ersten Mal in der Salomo Bar.«
»Habe ich denen in Uniform schon alles verklickert.«
»Die Frau da?«
»Sieht so aus.«
»Sicher biste aber nich, oder?«
Bevor Senne erneut die Schultern zucken konnte, mit dieser Bewegung drückte er wahrscheinlich die ganze Palette seines Gefühlslebens aus, deutete Blechmann auf den Wagen.
»Anschauen musste se so oder so. Und im Sarg siehtse auch nich anders aus. Also komm, Karl.«
Hermann Blechmann wusste, wie der Junge sich fühlte. Nach eigenen Angaben hatte er nach dem Geschehen der vergangenen Nacht kein Auge mehr zugemacht. Das schlechte Gewissen, den Unfall nicht sofort gemeldet zu haben, hatte ihm keine Ruhe gelassen. Blechmann war nicht leichtgläubig, aber glaubte Senne. Der war neunzehn, hatte, wie die meisten in seinem Alter, die große Klappe eines Nilpferdes.
»Komm schon, Karl!«
Senne schaute in das Gesicht der Toten, die man inzwischen aus dem Wagen herausgeholt und in das Unkraut der Uferböschung gelegt hatte. Zwei, vielleicht drei Sekunden lang dauerte dieser Blick. Dann drehte Senne sich herum, nickte, entfernte sich einige Schritte und übergab sich.
Hermann Blechmann ließ ihn in Ruhe. Er wandte sich an den Polizeiarzt, der die Tote flüchtig untersucht hatte.
»Und?«
»Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass sie tot ist.«
»Ertrunken?«
»Wahrscheinlich.«
»Verletzungen?«
»Auf den ersten Blick die, die man sich bei einem solchen Unfall zuzieht. Nach der Obduktion ...«
Blechmann nickte. Man brachte eher einen Lahmen zum Laufen, als Mutmaßungen aus einem Polizeiarzt herauszuholen, die einen Fall wie diesen in ein falsches Licht setzen konnten.
Ein uniformierter Schutzpolizist brachte die Handtasche der Toten, in der sich die Papiere befanden.
»Monika Lempke«, sagte er. »34 Jahre, Landgrafenstraße 12. Der Wagen ist nicht auf sie zugelassen. Die Papiere lauten auf die Martin Zanker GmbH Hypotheken-Versicherungs-Finanzierungsgesellschaft, Hansastraße. Was ist mit dem Jungen?«
»Braucht ihr ihn noch?«
»Eigentlich nicht«, sagte der Schutzpolizist. »Er tut mir leid.«
»Warum?«
»Wenn das der falsche Staatsanwalt auf den Schreibtisch kriegt, dreht er dem Kleinen daraus einen Strick, an dem er sich aufhängen kann.«
»Ja«, sagte Blechmann. »Es gibt immer einige, die besonders eifrig sind, wenn es darum geht, kleine Schweine zu schlachten. Ihr habt die Personalien von Senne. Ich nehme ihn mit ins Ruhr-Revier.«
Blechmann ging zu Senne. Der kleine, dickliche Junge war noch immer bleich. Krampfhaft versuchte er, nicht in die Richtung zu schauen, wo die Tote auf der Böschung lag.
»Komm mit, Karl. Wir hau’n hier ab!«
»Ich brauche ’nen Schnaps oder so etwas.« Senne rieb sich den Schweiß von der Stirn. »Ich habe noch nie ’nen Toten gesehen. Ich meine, in Wirklichkeit.«
Blechmann legte ihm die Hand auf die Schulter. »Okay, wir halten unterwegs an, um einen zu trinken. Haste heute deinen freien Tag?«
»Ich habe schon seit drei Jahren meinen freien Tag«, sagte Senne. »Nach der Schule war mir ’n Job als Lehrling aufer Zeche zugesichert, aber die machte dicht. Aufen Bau herrscht Sonnenfinsternis, da stehen die Türken schon in der Schlange, und«, er tippte sich mit dem Zeigefinger an den Kopf, »und für Büro und son Scheiß reicht’s bei mir hier oben nich.«
»Kommt schon noch«, sagte Hermann Blechmann, ohne selbst dran zu glauben. »Wovon lebste?«
»Stütze«, sagte Senne. »Aber die Krücke ist so schwach, dasse nich mit einem Fuß drauf stehen kannst. Am Wochenende mache ich Bierkutscher. Dafür brauche ich die Pappe. Sonst hätte ich heute Nacht wirklich ... hätte ja doch keinen Zweck gehabt.«
»Und du hast ja auch einen wegschwimmen sehen.«
Senne nickte und kratzte sich am Kopf. »Ich war breit, okay?«
»Sicher, aber nicht blind, oder?«
»Wenn da wirklich einer geschwommen ist, dann nich sie.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter und traf ungefähr die Richtung, wo die Tote lag.
»Nee«, stimmte Blechmann zu. »Die sicher nich.«
»Der Junge, ist schon in Ordnung«, sagte Hauptkommissar Alfred Meise, den alle nur DAB nannten, weil er jede andere Flüssigkeit, abgesehen von zwischendurch mal einem Kaffee, als Dortmunder Actien Bräu kategorisch ablehnte. »Den würde ich sogar auf meine Tauben aufpassen lassen.«
Walther Lampert, der den Schatten einer Bohnenstange warf und deshalb ›Lazarus‹ genannt wurde, streckte die langen Beine unter Meises Schreibtisch aus. »Das ist das System«, sagte er.
»Wir sind hier nicht auf ’ner Gewerkschaftsversammlung, wo doch nur gesoffen und dummes Zeug geredet wird«, winkte Blechmann ab, zog die Oberlippe hoch und zeigte dem langen Lampert seinen Eckzahn aus Gold.
»Das verdammte System«, wiederholte Lampert. »Automatisierung, verstehste? Fertigungscomputer sind dämlicher als jeder Mensch, aber die arbeiten auf Knopfdruck, stellen keine Lohnforderungen ...«
»... und arbeiten sogar sonntags, genau wie die Idioten von der Polizei«, sagte Blechmann. »Wennse dich schon für die arbeitende Klasse stark machst, Lazarus, warum, verdammt, habe ich dann übermorgen Sonntagsdienst?«
»Weilse nichts Anständiges gelernt hast«, sagte DAB-Meise und beendete die Diskussion mit einer etwas herrischen Handbewegung, was eigentlich nicht seine Art war.
»Haste eigentlich ’n Parteibuch oder ’nen Gewerkschaftsausweis?«, fragte Lampert dennoch nach.
»Nee.« Blechmann schüttelte den Kopf.
»Dann kannste auch keine Forderungen stellen, Trittbrettfahrer!«
»Parteispenden kann ich mir nich leisten, und nach dem Scheiß mit der Neuen Heimat ...«
»Das sind doch verschiedene Schuhe, Blechmann! Dir fehlt der Durchblick, ’n paar Schwarze Schafe blöken überall. Ist doch so, DAB, oder?«
Meise nickte abwesend, riss ’ne Dose DAB auf und trank einen Schluck.
»Schwarze Schafe ...«, hakte Blechmann nach.
»Ja, verdammt«, sagte Lampert. »Nur weil der Sektionsleiter II, ein gewisser Hauptkommissar Alfred Meise, während des Dienstes Bier trinkt, sind wir doch hier kein versoffener Haufen, oder?«
Meise stellte die Dose ab. »Arbeitsbeschaffungsprogramm«, sagte er. »Würde ich nur in der Freizeit trinken, ginge der Umsatz zurück. Folge: Entlassungen, noch mehr Arbeitslose und für den Werktätigen noch höhere Belastungen. Und jetzt ist Feierabend.«
Blechmann zündete sich eine Zigarette an. »Martin Zankers Sekretärin«, sagte er. Das klang genauso verschwörend, wie Weiland Tell und seine Genossen den Rütlischwur geleistet hatten. »Haste Peter und den Polen schon erreicht, DAB?«
»Wie denn, wenn die am Strand liegen und sich den Arsch bräunen? Zum anderen muss das natürlich nichts zu bedeuten haben.«
»’n gerader Weg«, sagte Blechmann, »dann fährtse zum Kanal herunter und mit Volldampf rein. Senne sieht das alles, hält oben auf der Straße kurz an, ist breit wie ’n Plattfisch, und sieht, dass da wahrscheinlich jemand aus dem Wagen rauskommt und zum anderen Ufer schwimmt. Wenn das stimmt, ist sie vielleicht ins Wasser gefahren worden, DAB. Und Zanker ist, wenn Peter Recht hat, ein Spezialist, was Wasser angeht und Dinge darin versenken.«
Das Telefon schellte. DAB-Meise hob ab. Er nickte einige Male und legte wieder auf. »TNT-Okker ist in der Wohnung von Monika Lempke. Es gibt ’nen fehlerfrei getippten Abschiedsbrief und sogar eine Aufstellung, wie der Nachlass zu regeln ist.«
»Wunderbar«, sagte Blechmann.
»Was ist daran wunderbar?«, fragte Lampert.
»Wenn jemand ’nen Abschiedsbrief hinterlässt und seinen Nachlass ordentlich regelt, und wenn man dessen Leiche dann irgendwo findet, dann ist’s immer Mord gewesen.«
»Woher haste das denn?«
»Fernsehen«, sagte Blechmann. »Kannste jeden von deinen Gewerkschaftsfreunden fragen, Lampert. Vorausgesetzt, die haben neben kaltem Büfett und Spesen machen noch Zeit genug, um in die Glotze zu gucken. Abschiedsbriefe sind verdächtig! Da stehen jedem Fernsehkommissar die Antennen sofort auf scharf.«
»Kümmert euch mal um Zanker«, sagte DAB-Meise.
»Um den kümmern sich doch Mattek und Koslowski. Na ja, was Mattek so kümmern nennt.«
»Verdammte Scheiße«, fluchte DAB. »Dann will ich ’n bisschen mehr Hintergrund über die Lempke.«
»Wie im Fernsehen«, nickte Blechmann. »Da schickt der Kommissar auch seine Hilfswilligen los, lässt den Hintergrund beleuchten ...«
DAB schluckte den Rest aus der Dose und feuerte sie in den Papierkorb. »Freunde, Bekannte, Lebensumstände. Was hat sie in der Salomo Bar gemacht, wer kann eventuell ihr Begleiter gewesen sein, wenn’s den überhaupt gegeben hat?«
»Interessiert dich auch ihr letzter unehelicher Beischlaf?«, fragte Blechmann schon in der Tür stehend. Er zog sie so schnell hinter sich zu, dass er Meises Kommentar nicht mehr hörte.
Bevor die Schallwelle das Hafenbecken und den Paseo überbrückte und die Scheiben des Restaurants ›Delfin‹ zum Klirren brachten, war die Santa Maria schon in einem grellen Feuerblitz verpufft.
Von den beiden Mädchen und den Männern, die sich auf dem Schiff befunden hatten, würde man nichts mehr oder doch nur so wenig finden, dass die Versicherungen es sich leisten konnten, mit der eventuellen Auszahlung Schwierigkeiten zu machen.
»Madre mio!«, brachte Alfonso Paquero, der Oberkellner des Delfin, mühsam über die Lippen. Er bekreuzigte sich.
Paquero stand nur zwei Schritte von Paul Koslowskis und meinem Tisch entfernt. Durch die Panoramascheibe starrte er über das Hafenbecken zu dem Feuer, das vielleicht eine Seemeile entfernt auf dem Wasser zu tanzen schien und dann auf einen Schlag verloschen war.
»Madre mio!«
Vor einer Minute hatte Kriminalhauptmeister Paul Koslowski vom Ruhr-Revier in Dortmund noch die ganz normale Urlauberbräune im Gesicht getragen. Nun war er bleich wie die Wand in seinem Rücken. Er schluckte zweimal schwer an der Gamba, die ihm im Hals stecken geblieben war.
Rings um uns herum verstummte das Geklapper von Besteck. Den Paseo und den Hafen konnten wir von unserem Tisch aus nicht mehr sehen. Wie eine dunkle, bedrohliche Mauer hatten die Gäste sich vor der breiten Fensterfront aufgebaut, obgleich das Schauspiel schon lange gelaufen war.
»Ruhig bleiben, Paul!« Ich legte Koslowski, den im Revier jeder ›Pole‹ nannte, weil er in einem unaussprechlichen Kaff in Polen geboren war, die Hand auf den Unterarm, als er aufstehen wollte.
»Mensch, Peter ... das war die ...«
Ich nickte und lächelte unwissend, weil Paquero, der Oberkellner, plötzlich in unsere Richtung schaute. Ich konnte ihm regelrecht ansehen, was er dachte.
Gestern hatten wir mit den beiden Mädchen und den Männern von der Santa Maria in diesem Lokal am gleichen Tisch wie jetzt gesessen. Anschließend waren wir auf der 15-Meter-Yacht gewesen, und schließlich waren wir Paquero am frühen Morgen auch noch beim letzten Drink in irgendeiner Altstadtkneipe von Alicante begegnet.
Er sah uns an und dachte: Ihr Alemanes habt mit der Sache zu tun! Hundertprozentig!
»Verdammt«, wiederholte Paul Koslowski. »Ich bin nicht Don Johnson, und keiner hat mir gesagt, dass das hier ’ne Folge aus Miami Vice wird.«
»Das war die Santa Maria, Señor Mattek«, sagte Paquero. Er war an unseren Tisch herangetreten. Seine dunklen, misstrauischen Augen durchbohrten mich beinahe.
»Unsinn«, sagte ich. »Die Jungs haben gesagt, sie fahren übermorgen raus. Wir sind mit denen noch verabredet und ...«
»... das war die Santa Maria, Señor Mattek.«
Ich hielt Paqueros Blick stand und schüttelte den Kopf.
»Die waren auf dem Weg nach Ibiza«, blieb Paquero stur. »Und das wissen Sie genau, Señor Mattek.«
»Nach Ibiza.« Ich nickte. »Aber erst morgen. Verdammt, Alfonso! Mach mich nicht verrückt!«
Ich legte zehntausend Peseten auf den Tisch und stand auf. Paul Koslowski schaute mich fragend an.
»Komm mit«, sagte ich. »Wir schauen selbst nach.«
So schnell hatte ich den Polen einen wirklich göttlichen Fresstempel noch nie verlassen sehen. Er stolperte die Treppe hinunter, hätte mit dem Kopf um ein Haar die Tür der Damentoilette gerammt und kriegte die Kurve erst auf den letzten Zentimetern. Die Blondine, mit der er zusammenstieß, hatte mehrere Gläser zuviel getrunken und schlang ihm gleich die Arme um den Nacken.
»Wat bisse stürmisch, Junge«, lallte sie.
Ich stand schon an der langen Theke und wartete auf Koslowski, der sich erst aus dem Krakengriff der liebebedürftigen Schnapsdrossel befreien musste. Sie war ein bisschen arg aus den Fugen geraten. Bei soviel schlanker, junger Konkurrenz kam sie natürlich schwer an einen Mann ran und schnappte nach allem.
Koslowski lächelte sauer. Er sagte einige polnische Worte, von denen ich wusste, dass sie eine schweinische Bedeutung hatten.
Sie kannte die Bedeutung nicht, klammerte sich noch fester an Koslowski, und der konnte sich nur mit einem unfreundlichen Ruck aus dem angedeuteten doppelten Nelson verabschieden.
»Na, dann eben nich!«, rief sie Kaslowski nach. »Impotenter Püttrologe!«
Der Pole zuckte zusammen, als die Worte ihn trafen. Der Laden hier war zu fünfzig Prozent mit Deutschen bestückt. Irgendwo lachte jemand heiser. Woanders behauptete ein Bayer, dass die Lady vollkommen Recht hatte und man vom Kohlefressen ab einem gewissen Alter sowieso keinen mehr hochbekäme.
Dieser Angehörige eines kleinen diebischen Bergvolkes am Rand der Alpen saß am Ende des Tresens, nahe der Tür. Ich blieb neben dem Edelweißjäger. stehen. Er sah aus wie ’n frischgekochter Krebs. Seine Augen waren glasig. Von dem Dimpel, den er trank, sabberte er die Hälfte auf das Hemd.
Ich klopfte ihm mit der flachen Hand freundschaftlich auf die sonnenverbrannte Haut seiner Schulter, auf der sich schon kleine gemeine Bläschen bildeten. Er ließ das Glas fallen. Die wässrigen Augen weiteten sich, und dann stieß er einen Jodler aus, der in dieser langen und schmalen Cafeteria das berühmte ›Königssee-Echo‹ bekam.
Koslowski hatte beschlossen, der zweibeinigen Qualle nicht in die Damentoilette zu folgen.
»Was hat der Weißwurstelimitator gesagt?«, fragte der Pole, als er neben mir an der Theke stehen blieb.
»Dass du keinen Steifen mehr kriegst, weil du als Kind zuviel Kohle gefressen hast«, antwortete ich.
»Hat er Schmerzen?«
»Das auch«, sagte ich. »Dazu ’nen ausgewachsenen Sonnenbrand auf den Schultern.«
»Musste unbedingt einreiben«, sagte Koslowski voller Mitgefühl und hieb ihm die flache Hand auf die andere Schulter.
Nach meiner freundschaftlichen Berührung hatte er noch das Glas fallen lassen und einen Jodler ausstoßen können. Nun kippte er vom hohen Barhocker, verdrehte im Fallen die Augen und spürte gar nicht mehr, wie sein flacher Hinterkopf die mit Sägemehl bestreuten Marmorfliesen küsste.
Dann standen wir auf der Straße. Keiner folgte uns. Die Leute kamen nach Spanien, um Spaß zu haben. Den hatten wir ihnen geliefert.
»Und jetzt?«, fragte Koslowski. »Wenn das wirklich die ›Santa Maria‹ war, dann habe ich hier nichts mehr zu suchen, Peter. Du hast mich doch nur als Dolmetscher mitgenommen, weil der Besitzer ’n Pole war.«
»Vielleicht ist der Commandante der Guardia Civil auch Pole«, sagte ich. »Du kannst dich nicht so einfach aus dem Staub machen.«
»Hast du ’ne Ahnung!«
»Hier herrscht noch Standrecht«, warnte ich. »Fahnenflüchtige werden auf der Stelle erschossen.«
Koslowski stöhnte. »Du weißt verdammt genau, warum man die Santa Maria ausgeblasen hat, he?«