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Die Theologie steht an Universitäten unter Denkmalschutz. Und wenig hilfreich scheinen auch die Beiträge zu sein, die die Theologie zu einer modernen Weltsicht beisteuern kann. Denn wo andere Fakultäten seit der Aufklärung die Welt real verändert haben, wird es in der Theologie schon als Innovation gefeiert, wenn ein alter Holzweg von Zeit zu Zeit mit viel verbalem Aufwand wieder frei geräumt oder eine neue Schule begründet wird. Ist die Theologie als "gläubige Wissenschaft" nicht eigentlich ein Relikt aus längst vergangener Zeit? Und was bedeutet es für das Ansehen einer Universität, wenn sie ein Fachgebiet in ihren Reihen duldet, dessen Vertreter nicht einmal in der Lage sind, ihren Gegenstand nachzuweisen? Womit beschäftigen sich Theologen an staatlichen Universitäten überhaupt? Heinz-Werner Kubitza, selbst "gelernter Theologe", macht sich auf in die Parallelwelten aktueller Dogmatiken und spürt den verschlungenen Denkwegen "moderner" Universitätstheologen hinterher. Kubitza benennt das Elend der Theologie, die Scheinprobleme und Scheinlösungen einer an Bibel und theologische Tradition gefesselten und selbsternannten Wissenschaft, die sich zwangsläufig immer wieder in innere Widersprüche verstricken muss und der es unmöglich ist, sich aus den theologischen Fesselspielen aus eigener Kraft wieder zu befreien. Und der Leser staunt, welche absurden Denkwege hoch gehandelte Theologen auch heute noch weitgehend kritiklos beschreiten, und wie sie verzweifelt versuchen, den löcherigen Kahn der Theologie schwimmfähig zu halten.
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Seitenzahl: 696
Heinz-Werner Kubitza
Der Dogmenwahn.
Scheinprobleme der Theologie. Holzwege einer angemaßten Wissenschaft.
© Tectum Verlag Marburg, 2015
ISBN 978-3-8288-6141-1
(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter der ISBN 978-3-8288-3500-9 im Tectum Verlag erschienen.)
Umschlagabbildung: fotolia.com, © andròmina, © Carmen Steiner
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Bibliografische Informationen der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Der Dogmenwahn
Scheinprobleme der Theologie. Holzwege einer angemaßten Wissenschaft
von Heinz-Werner Kubitza
Susanne,
für nun fast 30 Jahre Freundschaft
Vorwort
Die Theologie ist eigentlich ein Kuriosum an modernen Universitäten. Während andere Fachbereiche einen klar abgegrenzten Forschungs- und Lehrbereich haben, ist bei den Theologen nicht einmal klar, ob es den zentralen Gegenstand, der ihrer Wissenschaft Theologie den Namen leiht, ob es diesenTheosüberhaupt gibt. Selbst wenn der Nachweis gelänge (in den letzten 2000 Jahren hat dies leider nicht geklappt), wäre immer noch zu klären, ob es sich um den christlichen Gott oder einen der Tausend anderen Götter handelt, die irgendwo auf dieser Erde von Gläubigen verehrt werden. Gelänge aber auch dieser Nachweis und wäre es tatsächlich der christliche Gott, der existiert, bliebe immer noch die Frage, ob es die katholische oder die protestantische Variante ist. Denn wenn die Theologie ihren Gegenstand auch nicht nachweisen kann, gibt es sie dafür gleich doppelt, nämlich als katholische und als evangelische Theologie. Eine Wissenschaft mit konfessionellem Vorbehalt also, eine evangelische und eine katholische Wissenschaft? Auch dies ist eigentlich höchst kurios, denn träte die Physik z. B. als evangelische oder katholische Physik auf, würde alleine schon diese Benennung für eine Aura von Unseriosität sorgen. Bei der Theologie aber hat man sich augenscheinlich im Laufe der Jahrhunderte an diese Aura gewöhnt.
Wenn man die Theologie schon nicht gleich so radikal wie der Nietzsche-Freund Franz Overbeck als „Parasit an der Tafel der Wissenschaften“ bezeichnen will, so ist sie doch zweifellos ein Fremdkörper in einer modernen Universität. In der Wissenschaftsfamilie ist sie eigentlich so etwas wie ein Schwarzes Schaf, eine verschrobene Verwandte, bei der man sich zuweilen fragt, warum ausgerechnetdiewieder eingeladen werden musste. Sie bekommt den Katzentisch.
Und doch kann sie darauf verweisen, dass sie die älteren Rechte hat, dass ihr Stammbaum sich bis in die Antike zurückführen lässt, als die anderen Wissenschaften, die jetzt so bestimmend tun, allesamt noch im Teich der Hoffnung schwammen. Die Theologie ist in jeder Hinsicht ein Relikt. Sie ist die einzige Wissenschaft, die unter Denkmalschutz steht. Als solche wird sienolens volensakzeptiert, auch von Wissenschaftlern, die mit Kirche und Glauben nun gar nichts mehr anfangen können – und hinter vorgehaltener Hand Witze über sie machen.
Dabei dürften die wenigsten wissen, was Theologen an Universitäten eigentlich machen. Womit beschäftigen sich vor allem Dogmatiker? Wie gehen sie um mit ihrem Gott, den sie nicht beweisen können, den sie aber dennoch beschreiben müssen? Wie verhalten sie sich zu einem „Erlöser“, der nach Ausweis ihrer neutestamentlichen Kollegen gar nicht sich selbst verkündigt hat, keine neue Religion gründen und schon gar nicht religiös verehrt werden wollte? Wie rechtfertigen sie ihre „konfessionelle Wissenschaft“ gegenüber den anerkannten Wissenschaften einer Universität? Wie gehen sie um mit modernen und nicht zu leugnenden Erkenntnissen über Welt und Mensch, wo diese Erkenntnisse im Widerspruch zu kirchlichen Lehren stehen?
Als Königsdisziplin innerhalb der Theologie gilt nach wie vor die Dogmatik (bzw. die sog. Systematische Theologie). Sie versucht so etwas wie eine Gesamtschau der christlichen Glaubensinhalte zu liefern. Krönender Höhepunkt eines Dogmatikerlebens ist die Abfassung einer eigenen Dogmatik. Diese werden vor allem von Studenten der Theologie gelesen und haben so einen nicht geringen Einfluss auf das, was die angehenden Priester und Pfarrer dann selbst glauben und verkünden. Dogmatik-Professoren an Universitäten sind die Scharnierstellen, von denen die Inhalte des Glaubens intellektuell verantwortbar (so zumindest der Anspruch) an die nächste Theologengeneration übertragen werden.
Das Schreiben von Dogmatiken wäre eine ganz wunderbare Sache, würden die Dogmatiker dabei nicht immer wieder unsanft mit der Wirklichkeit zusammenstoßen. Das war im Prinzip schon immer so, doch im 20. und 21. Jahrhundert ist der Gegenverkehr besonders heftig. Denn stärker als früher sieht man sich durch eine moderne Welt und die Vielzahl der Religionen herausgefordert, die dogmatischen „Systeme“ gegenüber der Wirklichkeit rechtfertigen zu wollen und zu müssen. Doch das führt in den Dogmatiken (wie sollte es anders sein) zu imposanten Ausweichversuchen, Selbstwidersprüchen, verbalen Ablenkungsmanövern, sprachlichen Vernebelungen, kühnen Neudefinitionen wie unbeholfenen Rettungsversuchen traditioneller Lehrstücke, und auch nicht selten zu fragwürdigen bis peinlichen Aussagen, die man bei Gelehrten, die immerhin zu den besten ihres Fachs gehören und die an einer staatlichen Universität lehren, nicht für möglich halten würde. Oft genug werden wir in diesem Buch beobachten können, wie intelligente Männer und Frauen von einer als zwingend empfundenen dogmatischen Tradition sich wie Tanzbären in der Manege herumführen lassen und auch im 21. Jahrhundert noch Weltsichten verbreiten, die für ernsthafte Wissenschaftler nicht einmal diskussionswürdigsind. Wir folgen in diesem Buch fasziniert den dogmatischen Darbietungen und Kunststückchen, die „moderne“ Dogmatiker für uns ersonnen haben und die uns Einblick geben in eine Parallelwelt, die gewöhnlichen Sterblichen zumeist verborgen bleibt.
Zum Aufbau des Buches:
Es wurden für dieses Buch vor allem Dogmatiken und Kompendien berücksichtigt, die meist jüngeren Datums sind und wo davon auszugehen ist, dass sie besonders von Studenten der Theologie, also den angehenden Multiplikatoren des christlichen Glauben, z. B. zur Examensvorbereitung Verwendung finden. Zur Sprache kommen insbesondere die Dogmatiken und Kompendien von Hans-Martin Barth, Christofer Frey, Wilfried Härle, Wilfried Joest, Rochus Leonhardt, Heinrich Ott, Horst Georg Pöhlmann, Gunda Schneider-Flume und Wolfgang Trillhaas.1Als Nichttheologe muss man diese Namen nicht kennen. Und natürlich wäre auch eine etwas andere Auswahl denkbar gewesen. Unser Buch folgt in seinen Kapiteln den Bahnen der traditionellen „heilsgeschichtlichen“ Dogmatik, an die sich auch die zitierten Dogmatiker im Wesentlichen halten. Über die Prolegomena mit der Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Theologie führt uns der Weg über die fragwürdigen BegriffeOffenbarungundGlaubehin zum Verständnis der Bibel, dann über die Gottes- und Schöpfungslehre zur theologischen Anthropologie, weiter zur Christologie und schließlich zur Soteriologie (christlichen Heilslehre). Traditionell kämen dann noch die Lehre von der Kirche (Ekklesiologie) und die Sakramentenlehre, auf deren Darstellung aber hier verzichtet wird, um den Umfang eines lesbaren Buches nicht zu überschreiten. Denn wie ein Pfarrer über alles predigen darf, aber nicht über 20 Minuten, darf auch ein Autor über alles schreiben, aber nicht über 400 Seiten. Deshalb fehlt hier ebenso die Eschatologie, ein weites und überaus interessantes Feld, dessen Darstellung vielleicht einmal Gegenstand eines eigenen Buches wird.
1Hans-Martin Barth, Dogmatik. Evangelischer Glaube im Kontext der Weltreligionen, 3. Aufl., 2008; Christofer Frey (Hg.), Repetitorium der Dogmatik, 7. Aufl., 2000; Wilfried Härle, Dogmatik, 3. Aufl., 2007; Wilfried Joest / Johannes von Lüpke, Dogmatik I: Die Wirklichkeit Gottes, 5. Aufl., 2010; dieselben: Dogmatik II: Der Weg Gottes mit dem Menschen, 5. Aufl., 2012; Rochus Leonhardt, Grundinformation Dogmatik, 4. Aufl., 2009; Heinrich Ott, Die Antwort des Glaubens. Systematische Theologie in 50 Artikeln, 3. Aufl., 1981; Horst Georg Pöhlmann, Abriss der Dogmatik. Ein Kompendium, 4. Aufl., 1985; Gunda Schneider-Flume, Grundkurs Dogmatik, 2. Aufl., 2008; Wolfgang Trillhaas, Dogmatik, 1962
Theologie, die gläubige Wissenschaft
Die Theologie führt an den Universitäten eine seltsame Existenz. Während Physiker die Gegenstände nachweisen oder berechnen können, über die sie forschen, Literaturwissenschaftler sich mit gegebenen Texten beschäftigen, und die Notwendigkeit einer Medizin als Wissenschaft von niemandem ernsthaft in Frage gestellt wird, wissen die Theologen nicht einmal, ob ihr primärer Gegenstand, obGottüberhaupt existiert. Und ob die dicken Dogmatiken, die Auskunft über ihn und sein Werk geben, nicht überhaupt als geistvolle Luftnummern zu betrachten sind, wenn der beschriebene „Gegenstand“ sich als ebensolcher entpuppt.
Die Existenz Gottes wird einfach vorausgesetzt. Gäbe es einen allgemein nachvollziehbaren Existenznachweis, hätten uns Theologie und Kirche dies sicher längst mitgeteilt. Theologen meinen sich das leisten zu können. Die Sache wird noch merkwürdiger, wenn man sich klarmacht, dass es gar nicht um die Frage nach Gottim Allgemeinengeht, also um die theoretische Frage (heute kaum noch betrieben), ob ein irgendwie übernatürlich geartetes Wesen Teil der Wirklichkeit ist oder diese Wirklichkeit gar konstituiert hat. Es geht nicht um den Gott der Philosophen und auch nicht um das offenbar weltweit vorhandene Bedürfnis nach Transzendenz, nicht um ein pantheistisches Ahnen, von dem Giordano Bruno, Goethe oder auch Einstein sprachen. Nicht vonWelterfahrungoder einemAhnen des Unendlichenist die Rede, wenn Theologen von Gott reden. Universitätstheologen meinen einen ganz konkreten Gott, sie reden vomGott Abrahams, Isaaks und Jakobs, einem ganz und gar unphilosophischen Gott, der sich vor 3000 Jahren einer bronzezeitlichen Hirten- und Nomadenkultur an heiligen Bäumen, in Stürmen oder in Träumen geoffenbart haben soll. Halblegendarische Anfänge im historischen Niemandsland und wenig vertrauenserweckend. Ein solcher Gott ist eigentlich ein Kuriosum für Universitäten. Ganz zweifellos war Jahwe damals ein Provinzgott, ein Emporkömmling unter den vielfältigen Göttergestalten im Alten Orient, anfangs noch ohne festen Wohnsitz, sondern verehrt in einer Art Wanderheiligtum, das später von den Anhängern anderer (stärkerer?) Götter zeitweise gestohlen wurde. UmdiesenGott, nicht um denGott der Philosophengeht es auch im 21. Jahrhundert der Theologie an staatlichen Universitäten.
Was hat überhaupt eine Religion an einer wissenschaftlichen Hochschule verloren? So werden auch viele Professoren „seriöser“ Fachbereiche fragen (ohne dies freilich unbedingt öffentlich zu äußern). Doch muss die Anwesenheit einer solchen „Wissenschaft“ nicht das Ansehen westlicher Universitäten und deren Fachbereiche insgesamt schädigen? Wenn an der Universität Kairo der Islam gelehrt wird, trägt dies ja auch nicht gerade zu einem erhöhten Renommee bei.
Die Königin der Wissenschaften
Dass die Theologie an den Universitäten immer noch geduldet wird, hat historische Gründe. Sie ist ein Relikt, aber eben eines mit Tradition. Und manche hängen an ihr wie an einem alten, durchgesessenen Sofa, das eigentlich längst auf den Sperrmüll gehört. Doch wie das alte Möbel einst bessere Zeiten gesehen hat, war auch das Ansehen der Theologie einst höher, ja sie galt als die Wissenschaft schlechthin, ging es doch in ihr, wie man lange meint, um die allerletzten Dinge, um das, was die Welt im Innersten zusammenhält. Demgegenüber wurde selbst die Philosophie zu einer Sklavin oder bloßen Dienerin der Theologie und war jahrhundertelang Stichwortgeber und Formulierungsgehilfin für theologische Spitzfindigkeiten.
Doch geht man noch weiter zurück, hatte der Begriff „Theologie“ auch schon früher eine wenig schmeichelhafte Konnotation. Denn bei Platon ist damit noch keineWissenschaftgemeint. Theologie war der Sammelbegriff für Göttermythen, die wilden Erzählungen und Gesänge über den zweifelhaften Lebenswandel des griechischen Pantheons. Theologie meinte Mythologie. Und damit wollten jedenfalls die gebildeten alten Griechen immer weniger zu tun haben. Bei ihnen blühte die Philosophie, und zwar nicht nur eine bestimmte, sondern mit Platonismus, Stoa, Epikureismus, Skepsis, den Eleaten, Kynikern etc. eine ganze Reihe unterschiedlicher Richtungen. Im römischen Kaiserreich verband sich die philosophische Vielfalt mit einer erstaunlichen Bildung in der herrschenden Schicht. Doch auch breitere Volkskreise, ja selbst viele Sklaven konnten lesen und schreiben und hatten Zugang zu der Vielzahl der öffentlichen Bibliotheken, von denen etliche mehr als 100.000 Bände beherbergten (und damit in
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