Der eigene Wald - Peter Wohlleben - E-Book

Der eigene Wald E-Book

Peter Wohlleben

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Beschreibung

Kleine Privatwaldgrundstücke werden häufig vernachlässigt. Und das, obwohl der Wert des Holzes seit einiger Zeit ständig steigt. Aber lohnt sich eine fachgerechte Waldbewirtschaftung überhaupt? Braucht man für die Bewirtschaftung eines Privatwaldes nicht sehr viel Zeit, Know How und im Forst ausgebildete Arbeitskräfte? Eine schonende ökologische Waldbewirtschaftung ist aber keine Hexerei. Das nötige forstliche Fachwissen, um entweder selbst Hand anzulegen oder beauftragte Forst-Unternehmer kontrollieren zu können, finden Sie in diesem Ratgeber für Kleinwaldbesitzer und Forstwirte.

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Peter Wohlleben

Der eigene Wald

Privatwald optimal bewirtschaften

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort1 Kleine Waldparzellen, lohnt sich die Bewirtschaftung?1.1 Der erste Schritt1.2 Abgeschaut1.3 Kleine Boden- und Baumartenkunde1.4 Sicherheit bei der Waldarbeit2 Die praktische Arbeit2.1 Pflanzung und Saat2.2 Pflege der Setzlinge2.3 Wildschäden2.4 Schutzmaßnahmen2.5 Pflege junger Waldbestände2.6 Erschließung2.7 Durchforstung2.8 Einfache Zuwachsschätzung2.9 Aufarbeitung2.10 Ernte reifer Stämme2.11 Holzverkauf2.12 Planung2.13 Borkenkäfer, Sturm und Co2.14 Naturschutz2.15 Klimawandel2.16 Hilfe bei der Bewirtschaftung2.17 An- und Verkauf von Wald2.18 Gesetzlicher Rahmen2.19 Versicherungen und Beiträge3 Neue Geschäftsfelder3.1 Survival-Trainings und Waldvermietung3.2 Waldesruh3.3 Ökokonto3.4 Verdienen mit dem KlimaschutzServiceLiteraturForstbedarfBildquellen
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Vorwort

Fährt man mit dem Auto über das Land, so fällt der Blick immer wieder auf besonders dunkle Wälder mit dichtem Baumbestand. Sie signalisieren, dass in ihnen nicht gewirtschaftet wird, für Fachleute ein Indiz für kleine Parzellen in Privatbesitz. Die Eigentümer ließen, oft in Unkenntnis der Lage ihres Waldes und ohne die nötigen Fachkenntnisse, die Bäume ungenutzt vor sich hin wachsen. Jahrzehntelang hat das die Politik nicht großartig interessiert. Im Zuge der boomenden Bioenergie und der Rohstoffknappheit auf dem Holzmarkt wird neuerdings staatlicherseits die Bewirtschaftung selbst kleinster Parzellen unterstützt. Oft ist dann das Gegenteil zu beobachten: Schwere Erntemaschinen holzen derart viele Bäume auf einmal ab, dass ein wackeliger Restbestand auf einem völlig zerfahrenen Boden zurückbleibt und eine leichte Beute des nächsten Sturms wird.

Dabei ist eine schonende, ökologische Bewirtschaftung keine Hexerei. Das nötige Fachwissen, um entweder selbst Hand anzulegen oder aber beauftragte Unternehmer kontrollieren zu können, finden Sie in diesem Ratgeber. Und Sie werden sehen: Das Arbeiten mit dem Wald, mit den Bäumen lässt nicht nur die Kasse klingeln, sondern ist auch eine entspannende Freizeitbeschäftigung, die nebenbei ganz neue Einblicke in die Natur bietet. Zudem gewinnt ein so behandelter Wald ständig an Wert und erfüllt so das uralte forstliche Versprechen der Nachhaltigkeit, welches besagt, dass die kommende Generation einen ökologisch gesunden Baumbestand mit mindestens denselben Nutzungsmöglichkeiten übergeben bekommt, wie wir ihn vorgefunden haben.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre und viele schöne Stunden auf Ihrem Waldgrundstück.

 

Hümmel, im Winter 2013

Peter Wohlleben

© Peter Wohlleben, Hümmel

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1Kleine Waldparzellen, lohnt sich die Bewirtschaftung?

Eine wichtige Frage vorweg: Lohnt sich die Bewirtschaftung kleiner Waldgrundstücke überhaupt? Oder andersherum gefragt: Gibt es eine Mindestgröße, unterhalb der Forstwirtschaft nicht sinnvoll betrieben werden kann? Schauen wir uns zunächst einmal die Struktur des Waldes an, der in privatem Eigentum ist. Der durchschnittliche Privatwaldbesitzer verfügt über einen Hektar Wald, manchmal noch auf verschiedene Kleinstparzellen verteilt. Zudem sind teilweise mehrere Eigentümer für dieselben Grundstücke eingetragen, Resultat von Erbgängen, bei denen die Grundstücke nicht noch weiter aufgeteilt werden sollten. Die vergleichsweise geringen Holzpreise der letzten Jahrzehnte führten dazu, dass das Interesse an einer Bewirtschaftung stark nachließ und viele Waldgrundstücke seit der Pflanzung keine weiteren Maßnahmen mehr gesehen haben. Selbst die Kenntnis der Grenzen ging teilweise verloren, oft mangels jeglicher noch vorhandener Grenzsteine.

Stellen wir uns einmal den typischen Durchschnittsbestand eines privaten Waldbesitzers vor: Einen Hektar Fichtenwald, vor 40 Jahren gepflanzt und seitdem sich selbst überlassen. Die Bäume stehen viel zu dicht, sind dünn, sehr lang und wären, ohne dass sie sich an den Nachbarn abstützen könnten, kaum in der Lage, einen lauen Sommerwind zu überstehen ohne umzustürzen. Selbst solche Parzellen sind in der Lage, innerhalb weniger Jahre jährliche Gewinne von mehreren hundert € pro Hektar abzuwerfen. Gut bewirtschaftete Wälder können problemlos Renditen von über 6 % erbringen; dabei ist die Art der Bewirtschaftung von größerer Bedeutung als die Bodengüte oder Lage des Grundstücks. Damit ist Waldbewirtschaftung nicht nur eine schöne Freizeitbeschäftigung, sondern sie schlägt in ihren Möglichkeiten so manches Anlagepapier der Banken. Das nötige Fachwissen für den Erfolg können Sie sich überwiegend selbst aneignen. Wie, das erfahren Sie auf den folgenden Seiten.

Größte Waldbesitzart Deutschlands

Mit rund 44 % übertrifft der Anteil des Waldes in privatem Besitz den des Staates und der Gemeinden deutlich. Über die Hälfte dieser Fläche entfällt auf Besitzgrößen unter 20 Hektar.

1.1Der erste Schritt

Die Grundlage allen Handelns ist die eigene Waldparzelle. Zunächst einmal ist es erforderlich, deren genaue Grenzen kennen zu lernen. Falls Sie noch keine Katasterkarte besitzen, können Sie diese gegen Gebühr beim zuständigen Vermessungs- oder Katasteramt erhalten. Mit Hilfe der darin eingezeichneten Grenzsteine ist das eigene Grundstück schnell gefunden, wenn die Steine tatsächlich noch stehen. Andernfalls wird es etwas kniffeliger. Manche Forstämter verfügen über Luftbildkarten, in denen die Grundstücksgrenzen eingezeichnet sind. Auf solchen Karten ist jeder Baum zu sehen, so dass man, mit einem Ausdruck bewaffnet, draußen vor Ort genau nachverfolgen kann, wo der eigene Bereich endet.

Wenn auch dieses Hilfsmittel fehlt, gibt oft der Bewuchs Aufschluss: Selten wurden alle Nachbarparzellen gleichzeitig und mit den gleichen Bäumen bepflanzt, so dass unterschiedliche Wuchshöhen und Arten die Grundstücke unterscheiden. Und sollte auch das nicht eindeutig genug sein, so kann ein gemeinsamer Grenzbegang mit dem Nachbareigentümer letzte Unklarheiten beseitigen. Werden Sie sich mit den Nachbarn nicht einig oder wollen Sie den Grenzverlauf ohne deren Mitwirkung feststellen, so gibt es noch das Verfahren der Grenzanzeige. Ein öffentlich bestellter Vermessungsingenieur zeigt Ihnen dabei den rechtsverbindlichen Grenzverlauf und schaut, welche Steine noch vorhanden sind und ob diese am richtigen Platz sitzen. Je nach Grenzlänge und Anzahl der Messpunkte kommen dabei leicht 1000 bis 2000 € an Gebühren zusammen. Wollen Sie die nicht vorhandenen Grenzsteine neu setzen lassen, wird es noch teurer. Man sollte sich genau überlegen, ob das Verfahren lohnt oder ob nicht doch eine gütliche Einigung mit den Nachbarn die bessere Variante darstellt, selbst wenn diese nicht auf den Meter genau ist.

Abb. 1 Grenze zwischen zwei Parzellen: Häufig wurde mit Abstand gepflanzt, so dass der Verlauf gut erkennbar ist. © Peter Wohlleben, Hümmel

Die Grenzen sollten markiert werden

Ist die Grenze gefunden, sollte sie an den Randbäumen der eigenen Parzelle mittels Farbe markiert werden. So wissen Sie, vor allem aber Ihre Nachbarn, wo das jeweilige Eigentum endet. Das schützt vor bösen Überraschungen.

Die Grenzen Ihres Wirkungsbereichs stehen nun fest. Der zweite Schritt befasst sich mit der Ermittlung des Waldbestands. Was befindet sich überhaupt auf Ihrer Parzelle? Ist sie vollständig mit Bäumen bestanden oder gibt es größere Lücken im Bestand? Als Lücken bezeichnet man baumfreie Stellen, deren Durchmesser größer als 15 m ist. Welche Baumarten wachsen auf Ihrem Grundstück und wie alt sind diese? Eine Altersermittlung bei stehenden Fichten oder Douglasien ist recht einfach, dazu müssen Sie nur die Anzahl der Astquirle ermitteln. Andere Baumarten behalten ihr Geheimnis für sich, so dass erst eine Probefällung mit anschließender Zählung der Jahrringe Aufschluss über das Alter gibt. Nun fehlt nur noch die Feststellung, welche Bodenqualität vorliegt (siehe Kapitel Kleine Boden- und Baumartenkunde), und die Ausgangslage ist erfasst.

Abb. 2 Nadelbäume, hier eine junge Fichte, bilden jedes Jahr neben dem Haupttrieb einen neuen Quirl aus Seitentrieben. © Peter Wohlleben, Hümmel

Es stellt sich die entscheidende Frage: Was wollen Sie mit Ihrem Wald anfangen? Zwar könnten Sie nun einfach beginnen einige Bäume zu pflanzen oder zu fällen, das wäre aber so, als wenn ein Architekt einfach Steine aufeinander setzte, ohne zu wissen, was er bauen wollte. Denn je nach Verwendungszweck sieht ein idealer Wald ganz unterschiedlich aus. Möchten Sie möglichst viel Brennholz gewinnen oder finanziell die bestmöglichen Ergebnisse erzielen? Soll Ihr Wald optimal auf den Klimawandel vorbereitet sein oder möglichst vielen Tierarten ein Zuhause bieten? Wenn Sie Ihren Wald nach ökologischen Kriterien bewirtschaften, werden häufig mehrere Aspekte gleichzeitig abgedeckt. Dennoch gibt es ein „Feintuning“, welches für die Erreichung Ihres persönlichen Schwerpunkts erforderlich ist. Dieser Schwerpunkt, dieses Ziel, sollte bei den in den folgenden Kapiteln aufgezeigten Bewirtschaftungsmöglichkeiten im Auge behalten werden.

1.2Abgeschaut

Ökologisches Wirtschaften orientiert sich an der Natur. Sinn des Ganzen ist nicht nur, etwas für die Umwelt zu tun, sondern vor allem natürliche und damit kostenlose Prozesse zu nutzen. Dazu muss man natürlich erst einmal wissen, wie Natur in unseren Breiten aussieht. Bis auf wenige Ausnahmen war die Landfläche Mitteleuropas von Lauburwäldern bedeckt, überwiegend aus Buchen mit eingemischten Eichen bestehend. Lediglich in wenigen Ausnahmefällen, etwa den kalten Regionen der Alpen, den Hochlagen des bayerischen Waldes oder trockenen Sandstandorten des Ostens traten Nadelbäume in Form von Fichten und Kiefern auf.

Neben der dominierenden Buche ist aber ein ganz anderer Faktor interessant: Das Sozialleben der Bäume in Urwäldern. So kümmern sich Elternbäume aktiv um ihren Nachwuchs, indem sie ihn über Wurzelverwachsungen mit Zuckerlösung ernähren. Die Schösslinge wachsen im Schatten der alten Generation nur sehr langsam auf mit der Folge, dass sich ein sehr dichtes und zähes Holz bildet, welches das Bäumchen gegen Pilzbefall schützt und sich bei Stürmen leichter biegt, ohne zu brechen. Durch den Lichtmangel bleiben die Äste dünn, sie fallen nach ihrem Absterben rasch ab und die Aststummel werden schadlos vom Holz des Stämmchens überwachsen. Bei dickeren Ästen ab 3 cm Durchmesser würde diese Überwallung etliche Jahre dauern, in dieser Zeit dringen holzzerstörende Pilze ein, die den Stamm im Laufe der nächsten Jahrzehnte mehr und mehr angreifen.

Die kleinen Bäume wachsen, häufig in dichten Gruppen zu einigen hundert, viele Jahrzehnte im Zeitlupentempo. Das wenige Licht können nur diejenigen nutzen, die schön gerade wachsen. Biegt eine der Jungbuchen mit dem Höhentrieb ab, wächst also krumm, so schieben sich die Nachbarn an ihr vorbei und knipsen ihr regelrecht das Licht aus. Das krumme Bäumchen stirbt und wird wieder zu Humus. Im Laufe der Jahre werden die fehlerhaften Buchen immer weniger, so dass schließlich nur noch gerade, feinastige Exemplare übrig bleiben. Stirbt nach 350 Jahren der Mutterbaum den Alterstod, nutzt die größte der verbliebenen Jungbuchen die Chance und wächst rasch in die Lücke empor. Gerader Schaft, Feinastigkeit, das Ausdünnen des Nachwuchses – all dies liegt auch im Interesse des Wirtschafters.

Abb. 3 Natürlicher Buchenwald © Peter Wohlleben, Hümmel

Der Urwald besitzt auch ein besonderes Mikroklima: Durch die auf ganzer Fläche intensiv gemischten jungen und alten, kleinen und großen Bäume ist der Luftraum zwischen den Bäumen von Blättern erfüllt, die als Windbremse wirken. Während draußen ein warmer Sommerwind die Wiesen austrocknet, herrscht im Waldinnern Windruhe und bewahrt so die kostbare Feuchtigkeit. So kann sich im Dämmerlicht besonders wertvoller Humus bilden, der die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens deutlich erhöht. Derartige Wälder machen sich ihr Kleinklima gewissermaßen selber und sind so von Klimaschwankungen relativ unabhängig.

Mit der Natur geht’s einfacher

Natur ist gewalttätig. Sie versucht immer wieder, in den optimalen Gleichgewichtszustand zurückzukehren. Jedes Abweichen, etwa von der günstigsten Baumart, wird vom Waldbesitzer mit hohem Aufwand in Form von Zeit und Geld teuer bezahlt. So ist etwa der Anbau von Fichte in warmen Gebieten katastrophenanfällig und zwingt über Sturmwurf und Borkenkäferfraß zu ständigem Neubeginn.

Neben der hervorragenden Qualität so aufgewachsener Bäume ist es dieses Kleinklima, welches einen Urwald für die Forstwirtschaft so faszinierend macht. Denn der gute Humuszustand mit seinen Wasserreserven bedeutet ein entsprechend gutes Baumwachstum und damit gesteigerte Holzmengen.

Das Pflanzen und Pflegen von Jungbäumen kann man sich weitgehend sparen und sogar das Holzwachstum steigern – wenn man sich diese natürlichen Prozesse zu Nutze macht. Die entsprechende Wirtschaftsform heißt Plenterwald.

In diese Wirtschaftsform kann man mit jeder Waldfläche einsteigen – egal ob mit einer Kahlfläche oder mit einem uralten Baumbestand. Da erst mit älteren Bäumen signifikante Änderungen zur klassischen Forstwirtschaft notwendig sind, finden Sie die notwendigen Schritte im Kapitel „Durchforstung“.

1.3Kleine Boden- und Baumartenkunde

1.3.2Der Baum als Lebewesen

Um mit Bäumen wirtschaften zu können, sind Kenntnisse über deren Funktionen hilfreich. Starten wir bei den Wurzeln. Sie gehen als mächtige hölzerne Bodenanker vom Stamm ab und enden, tausendfach fein verästelt, als empfindliche, watteverpackte Gebilde. Zwar sind diese Feinwurzeln mit Haaren besetzt, um die Oberfläche zu vergrößern, für die erforderliche Wasseraufnahme ist dies jedoch zu wenig. Daher hat sich jede Baumart mit speziellen Pilzen verbündet und lebt mit diesen in Symbiose, einer Gemeinschaft, von der beide profitieren. Der eigentliche Pilz besteht aus einem feinen Geflecht von watteähnlichem Gewebe, während die für uns Menschen so interessanten Formen mit Stiel und Hut nur die Fruchtkörper darstellen. Die Pilzfäden vergrößern die Wurzeloberfläche um ein Vielfaches und erlauben neben der Wasseraufnahme eine effektive Erschließung der Bodennährstoffe. Als Belohnung erhalten die Helfer eine Zuckerlösung, ohne die viele Pilzarten nicht leben könnten. So ist es etwa Steinpilzen oder auch Pfifferlingen nicht möglich, ohne Bäume die von Sammlern begehrten Fruchtkörper auszubilden.

Ist das Wasser unterwegs, geht es weiter in den Stamm. Bis heute streitet die Wissenschaft, wie das kühle Nass nach oben transportiert wird. Die viel zitierte Transpiration der Blätter, die durch Sog das Wasser nach oben ziehen soll, kann es nicht sein: Der höchste Wasserdruck in einem Stamm entsteht kurz vor dem Laubaustrieb, also noch vor Einsetzen dieses Effekts. Mittlerweile weiß man, dass die Wurzeln das Wasser aktiv nach oben pumpen, aber auch dies reicht für Baumhöhen von 30 bis 130 m (bei Douglasien) zur Erklärung nicht vollständig aus. Es sind eben noch nicht alle Geheimnisse gelüftet.

Abb. 4 Jahrringe einer Fichte: Ihre Anzahl entspricht dem Alter des Baums. © Peter Wohlleben, Hümmel

Das Holz des Stamms ist quasi das Skelett des Baums. Jedes Jahr wird ihm eine Schicht wie ein neuer Mantel hinzugefügt. Holz wächst nur während der Vegetationszeit, also von April bis Oktober. Im Frühjahr werden Zellen mit großen Hohlräumen gebildet, wodurch das Holz eher hell erscheint, im Sommer dagegen nur welche mit kleinen Zellen und einem dunkleren Farbton. Entsprechend nennt man die unterschiedlichen Zellen eines Jahres Frühholz bzw. Spätholz. Fällt man einen Baum, so zeigt sich auf dem Stammquerschnitt dieses jahreszeitlich unterschiedliche Wachstum in Form von Jahrringen, die nach der Auszählung das Baumalter verraten. Die äußeren Jahrringe, Splintholz genannt, transportieren Wasser und Mineralien in die oberen Etagen. Ob fünf Ringe oder 20 hierfür aktiv sind, hängt nicht nur von der Baumart ab, sondern ist individuell verschieden. Die inneren Jahrringe sind stillgelegt und werden bei einigen Baumarten wie der Eiche oder der Lärche durch rötliche oder bräunliche Konservierungsstoffe vor Pilzbefall geschützt. Bei diesen Arten ist das sogenannte Kernholz daher auch optisch gut sichtbar. Zwischen Holz und Rinde befindet sich eine glasklare dünne Schicht, das Kambium. Es bildet nach innen Holz und nach außen Rinde und ist damit der Motor des Wachstums. In der inneren Rindenschicht, dem Bast, werden Zucker und andere Kohlenhydrate gespeichert und an die Wurzeln weitergeleitet. Die äußeren Rindenschichten dienen dem Schutz und sind bei einigen Arten sogar flammhemmend ausgerüstet.

Das Kambium, der Motor unter der Rinde

Die äußere Rinde, die Borke, dient dem Baum als Puffer und schützt das darunter liegende Kambium, die Wachstumsschicht. Wird dieses glasklare Gewebe verletzt, so zeigt sich dies in lebenslangen Narben auf der Rinde und im Holz. Neben den Beeinträchtigungen für den Baum bedeutet das unregelmäßig gewachsene Holz auch einen Wertverlust bei der späteren Nutzung des Stamms.

Zur vollständigen Beschreibung fehlt nur noch das Solarkraftwerk, die Blätter und Nadeln. Oberseits mit einer Wachsschicht gegen Verdunstung bedeckt, atmen sie durch Öffnungen an der Unterseite. Dabei wird nicht nur Sauerstoff abgegeben: Nachts atmet ein Baum über diese Organe ebenfalls Kohlendioxid aus, weil er für seine Vitalfunktionen ebenfalls Zucker verbrennt, genau wie der Mensch. In der Summe überwiegt allerdings die Abgabe von Sauerstoff.

In trockenen Sommern kann der Baum die Atmung reduzieren, um nicht zu viel Wasserdampf zu verlieren. Darunter leidet dann auch das Wachstum. Wird es zu trocken, so können bei Laubbäumen die Blätter ganz abgeworfen werden, ohne dass der Baum abstirbt. Es bedeutet zwar einen enormen Kraftakt, neu Auszutreiben, aber immerhin überlebt er so. Dieser Vorgang ist an einem extrem dünnen Jahrring abzulesen. Nadelbäume wie Fichten oder Kiefern sind zu so einer Rettungsaktion nicht in der Lage.

Die Fortpflanzung erfolgt normalerweise nur etwa alle fünf Jahre. Häufig synchronisieren sich die verschiedenen Arten und blühen alle gleichzeitig. Die Produktion der ölhaltigen Samen ist ein Kraftakt, der den Holzzuwachs etwas bremst. Bedingt durch Luftverschmutzung und den Klimawandel blühen die Waldbäume heute in kürzeren Abständen, oft alle zwei Jahre. Das ist eine typische Stressreaktion. Der Baum möchte in einer Krisensituation sicherstellen, dass seine Gene überleben. Leider schwächt ihn dieses zusätzliche Blühen noch mehr.