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Schwester Fidelma ermittelt.
Auf einer sturmumtosten Insel findet Schwester Fidelma den Abt eines kleinen Klosters erstochen. Sie sucht nach dem Dieb des heiligen Schwerts der irischen Hochkönige, deckt Morde aus Rache, Eifersucht und Machtgier auf. Ob in Klöstern, auf Pilgerreise oder in Tara beim Hochkönig – überall fasziniert Fidelma mit ihrer Kombinationsgabe, wenn Verbrechen aufzuklären sind.
„Eine Schatzkiste für alle Fans historischer Krimis.“ Booklist.
„Eine brillante und bezaubernde Heldin. Man möchte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.“ Publishers Weekly.
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Seitenzahl: 686
Peter Tremayne
Der falsche Apostel
Schwester Fidelma ermittelt
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter, Meike Braun und Ulrike Seeberger
Aufbau-Verlag
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Die Originalausgabe unter dem Titel
»Hemlock at Vespers« erschien 2000
bei Headline Book Publishing, London
ISBN E-Pub 978-3-8412-0134-8
ISBN PDF 978-3-8412-2134-6
ISBN Printausgabe 978-3-7466-2511-9
Aufbau Digital,
veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, 2010
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin
Die deutsche Erstausgabe erschien 2009 bei Aufbau Taschenbuch, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG Copyright © 1999, 2000 by Peter Tremayne
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Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
Informationen zum Autor
Impressum
Vorbemerkung
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Schierling zur Vesper
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Das Schwert des Hochkönigs
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Mord im Tiefschlaf
Aus dem Englischen von Ulrike Seeberger
Gottes Wille geschehe
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Ein Lobgesang für Wulfstan
Aus dem Englischen von Ulrike Seeberger
Der falsche Apostel
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Gift im Abendmahlskelch
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Befleckter Heiligenschein
Aus dem Englischen von Ulrike Seeberger
Schmählicher Tod eines Pferdes
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Vor dem Zelt des Holofernes
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Angstschrei aus der Gruft
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Gift im Versöhnungstrunk
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
Die sich an uns versündigen
Aus dem Englischen von Meike Braun
Heiliges Blut
Aus dem Englischen von Ulrike Seeberger
Das Geheimnis der Madonna
Aus dem Englischen von Irmhild und Otto Brandstädter
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Im Gedenken an
John Carson (1932 – 2000),
dem leidenschaftlichen Sammler meiner Werke
»Erinnerung an frohe Zeiten
lässt Kummer uns vergessen.«
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Die Kriminalgeschichten um Schwester Fidelma spielen im siebenten Jahrhundert Anno Domini, vorwiegend in Irland, ihrem Heimatland.
Schwester Fidelma ist nicht eine fromme Klosterschwester schlechthin. Sie gehört der Glaubensrichtung an, die wir heute die Keltische Kirche nennen. Diese hat sich lange im Widerstreit mit Rom befunden. Dabei ging es immer wieder um theologische Fragen und auch um die Gestaltung des Zusammenlebens weltlicher Gemeinschaften. Es gab voneinander abweichende Auffassungen darüber, wie der Gottesdienst abzuhalten sei, über die Datierung des Osterfests, über die Art, die Tonsur zu tragen. Das Zölibat hatte sich nicht überall durchsetzen können. In vielen Abteien lebten Männer und Frauen zusammen und erzogen ihre Kinder im christlichen Glauben zum Dienst an Gott. Fidelma ist eine gut ausgebildete dálaigh, eine Anwältin an den Gerichtshöfen Irlands, deren Grundlage die von alters her geltenden Gesetze der Brehons waren. Damals konnte eine Frau ebenso wie jeder Mann in den höhere Bildung voraussetzenden Berufen wirken. Nicht wenige Frauen waren Anwälte oder Richter. Es ist ein Dokument überliefert, in dem die Richterin Brig in einem Berufungsverfahren das Urteil des Richters Sencha über die Rechte einer Frau revidiert.
Den Lesern, die Schwester Fidelma auf ihren Abenteuern in |10|der Romanserie begleitet haben, ist vermutlich nicht bewusst, dass sie erstmals in einer Kurzgeschichte auftrat. Im Oktober 1993 erschienen in unterschiedlichen Publikationen vier Geschichten mit Fidelma als Hauptperson. Die wohlwollende Aufnahme dieser Erzählungen führte dazu, dass Fidelma zur Heldin vieler Romane wurde. Dennoch ebbte das Verlangen nach weiteren Kurzgeschichten nicht ab. So entstanden die in diesem Band vereinten fünfzehn Detektivgeschichten.
Auch darf ich meinen Lesern verraten, dass es ursprünglich gar keine Fidelma gab. Während meiner wissenschaftlichen Arbeiten als Keltist kam mir der Gedanke, die Figur einer irischen Nonne zu schaffen, die als Anwältin im alten Irland geheimnisvolle Verbrechen aufklärte. Das gab mir die Möglichkeit, eine größere Leserschaft mit dem faszinierenden Rechtswesen der irischen Kelten vertraut zu machen und auf die hervorragende Rolle hinzuweisen, die Frauen in jener weit zurückliegenden Zeit spielten. In der ersten Geschichte, die ich 1993 schrieb, hieß die Hauptgestalt Schwester Buan. Das ist ein altirischer Name, er bedeutet so viel wie »Ausdauer« und geht auf eine Königstochter zurück, die in der Sage den Helden Cúchulainn in den Kampfkünsten unterweist.
Als ich das Manuskript meinem Freund Peter Haining zeigte, dem Schriftsteller und Herausgeber von Sammelbänden, gefiel ihm die Geschichte, doch bei dem Namen warf er entsetzt die Hände hoch. Er fand, der ginge nicht glatt über die Zunge, obwohl er so kurz sei.
Ich dachte darüber nach, und schon wurde Fidelma geboren; es war, als hätte sie nur darauf gewartet, von mir entdeckt zu werden. Auch dieser Name ist uralt und bedeutet »die mit dem glatten Haar«. Kaum hatte sich Fidelma derart ins Leben gedrängt, ging alles wie von selbst. Ihr Name gab ihr einen Hintergrund und eine Familie! Die männliche und weibliche Form |11|des Namens waren in der Königsdynastie der Eóghanachta verbreitet, die das Königreich Munster von ihrem Hauptort Cashel (in der Grafschaft Tipperary) regierten. Außerdem war ich in der Landschaft zu Hause, denn die Vorfahren meines Vaters siedelten schon vor 700 Jahren, wie Urkunden zeigen, etwa sechzig Kilometer von Cashel. Dieser Ort ist für mich immer ein besonderer Ort gewesen, in dem Magie, Geheimnisumwittertes und reale Geschichte aufeinandertreffen.
So nimmt es nicht Wunder, dass Fidelma sofort ihre Identität gewann als Tochter des Königs Failbe Fland, der zwischen 637 und 639, wenige Monate vor Fidelmas Geburt, starb. Bevor sie also in ein Kloster eintrat und zur Anwältin herangebildet wurde, wuchs sie als Prinzessin im Clan der Eóghanachta auf.
Aufmerksamen Lesern wird aufgefallen sein, dass ich in der Abfolge der Romane eine strenge Chronologie eingehalten habe. In der Regel begibt sich die Handlung der Geschichten zwischen dem Frühjahr 664 und dem Herbst 666. Anno Domini 666 war Fidelma besonders stark eingebunden, denn in dem Jahr hatte sie zwischen Januar und Oktober nicht weniger als vier ganze Romanbände füllende Kriminalfälle zu lösen.
Die Einhaltung eines chronologischen Rahmens trifft auch auf die Kurzgeschichten zu. Fidelma ist etwa 27 Jahre alt, als sie ihre detektivische Laufbahn beginnt. Zuvor war sie nicht nur in einer Stätte kirchlicher Gelehrsamkeit ausgebildet worden, sondern hatte auch an der weltlichen Hohen Schule des Brehon (Richters) Morann in Tara studiert. Einen Brehon Morann hat es tatsächlich gegeben; seine Aussprüche und richterlichen Entscheidungen sind in der altirischen Literatur überliefert. Fidelma schloss ihre Studien sehr erfolgreich ab und erlangte den Grad eines anruth; das war nur eine Stufe unter der höchsten Auszeichnung, die geistliche und weltliche Bildungsstätten in Irland vergeben konnten. Während ihrer Studienzeit hatte |12|sie eine unglückliche affaire du coeur mit einem Krieger, der ihr geistig nicht gewachsen war. In der Folgezeit trat sie in die klösterliche Gemeinschaft ein, die St. Brigid in Kildare gegründet hatte. Dort tat sie sich bald als junge Nonne hervor, der es gelang, verzwickte Rechtsfälle zu schlichten und mysteriöse Vorgänge zu klären. Mit ihrem Talent als Anwältin, dálaigh im Altirischen, gewann sie weithin Anerkennung.
Der eine oder andere Leser mag überrascht sein, dass in keiner der Kurzgeschichten Bruder Eadulf vorkommt. In Nur der Tod bringt Vergebung, dem ersten Roman (1994 in England veröffentlicht), hatte sich Fidelma bereits einen Ruf als scharfsinnige Fragestellerin und als Sachverständige in Rechtsfragen erworben und wurde 664 als Beraterin der irischen Delegation zur Teilnahme an der Synode von Whitby geschickt. Die Synode war der Austragungsort der historischen Debatte zwischen Vertretern der Keltischen und der Römischen Kirche. Dort kam es zu ihrer Begegnung mit Bruder Eadulf, dem jungen angelsächsischen Mönch. Er hatte seine Ausbildung in Irland genossen, trug aber jetzt die Tonsur von Rom. Er wurde ihr »Doktor Watson« und spielte fortan mit Ausnahme von Tod im Skriptorium (1995 1) in allen Romanen eine Rolle.
In den Kurzgeschichten löst Fidelma die mysteriösen Vorgänge ohne die wohlwollende, wenn auch oft genug kritische Hilfestellung von Eadulf. Der Grund dafür ist darin zu suchen, dass etliche der Geschichten, wie zum Beispiel Mord im Tiefschlaf und Gottes Wille geschehe zeitlich vor ihrem Sich-Kennenlernen spielen. Auch Befleckter Heiligenschein, Der falsche Apostel und Das Geheimnis der Madonna gehören dazu.
In den frühen Geschichten erscheint Fidelma als »Fidelma von Kildare«. Man hat mich einmal gefragt, weshalb sie die |13|fromme Gemeinschaft verlassen hat, denn nach den Geschehnissen in Tod im Skriptorium nennt sie sich nur noch »Fidelma von Cashel«. Manches zum Hintergrund für ihr Ausscheiden aus dem Kloster erfährt der Leser in Schierling zur Vesper. Sie begann, die sie bewegenden Fragen mit ihrem Mentor, dem ihr zugetanen Abt Laisran von Durrow zu besprechen, an dessen gerühmter Klosterschule Mitte des siebenten Jahrhunderts Studenten aus nicht weniger als achtzehn Nationen eingeschrieben waren. In Durrow spielt Ein Lobgesang für Wulfstan. Während ihres Aufenthalts dort erreicht Fidelma ein Hilfeschrei von einer engen Freundin aus Kindertagen; beide waren gemeinsam aufgewachsen, und jetzt wird die junge Frau des Mordes an ihrem Mann und ihrem Kind beschuldigt. Wie sich die Sache zugetragen hat und ausgeht, wird in Vor dem Zelt des Holofernes erzählt. Auf ihrem Weg nach Tara zum Hof des Hochkönigs erfährt sie, dass die Gelbe Pest, die zu der damaligen Zeit schlimmste Verheerungen in Europa anrichtete, auch die beiden Hochkönige Diarmuid und Blathmac dahingerafft hat. Sechnusach, der neue Hochkönig, soll ins Amt eingeführt werden, doch stellt sich heraus, dass eins der Krönungsinsignien abhanden gekommen ist. Wenn Sechnusach nicht die geheiligten Artefakten vorweisen und damit sein Recht auf das Königtum bezeugen kann, drohen Bürgerkrieg und Anarchie. In Das Schwert des Hochkönigs erfahren die rätselhaften Vorgänge beredte Schilderung.
Von dort treibt es Fidelma, wie bereits erwähnt, nach Whitby zur Teilnahme an der Synode. Von Whitby reist sie gemeinsam mit anderen, darunter auch Bruder Eadulf, nach Rom. Im Herbst des gleichen Jahres findet man den neu ernannten Erzbischof von Canterbury ermordet im päpstlichen Palast – eine wahre historische Begebenheit, Grund genug für Fidelma und Eadulf, sich des Falles in Ein Totenhemd für den Erzbischof|14|(1995) anzunehmen. Auch die Kurzgeschichte Gift im Abendmahlskelch spielt in Rom und in der gleichen Zeit, doch ist Eadulf hier keine Rolle zugedacht. Fidelma und Eadulf trennen sich in Rom; sie kehrt nach Hause zurück, während Eadulf die Aufgabe zufällt, den neuen Erzbischof von Canterbury, Theodor von Tarsus, zu unterweisen, ehe er ihn nach England zur Aufnahme seiner Pflichten begleitet. Fidelmas Heimreise führt über die Abtei von Nivelles, einer irischen Gründung im Seneffe-Wald im heutigen Belgien, wo Heiliges Blut angesiedelt ist.
Das Jahr 665 sieht Fidelma wieder in Irland. Sie geht nach Tara, dem Handlungsort von Angstschrei aus der Gruft, und weiter nach Kildare, wo sie in Schmählicher Tod eines Pferdes mysteriöse Vorfälle um ein Pferderennen aufdeckt. Sehr glücklich fühlt sie sich in Kildare nicht, und als ihr Bruder Colgú sie bittet, nach Cashel zurückzukehren, wo man dringend ihrer Hilfe bedürfe, tut sie das mit Freuden.
Wir sind noch immer im Jahr 665, und Cathal Cú Cen Máthair, der König von Cashel und Fidelmas Vetter, liegt im Sterben. Fidelma entspricht seiner letzten Bitte und lässt sich in Tod im Skriptorium in ein grauenhaftes Abenteuer in einem entlegenen irischen Kloster ein. Am Ende der Geschichte ist König Cathal tot, und neuer König von Munster wird der rechtmäßige Thronnachfolger, Fidelmas Bruder Colgú. Chroniken zufolge regierte Colgú von 665 bis 678 und war ein viel gerühmter König von Munster.
Im dann folgenden Buch Die Tote im Klosterbrunnen (1996) kommt es unter außergewöhnlichen Umständen zu einer Wiederbegegnung von Fidelma und Eadulf – im tiefen Winter in einem abgelegenen Kloster im südwestlichen Irland. Die nicht alltäglichen Ereignisse erreichen ihren Höhepunkt im Januar des Jahres 666. Von da an bleiben Fidelma und Eadulf |15|zusammen, und ihr Zuhause wird Cashel, der Königssitz von Munster. In Der Tote am Steinkreuz (1997), Tod im Tal der Heiden (1998) und Tod in der Königsburg (1999) agieren sie mit vereinten Kräften. Nur ab und an bleibt Fidelma ohne Eadulfs Beistand, so in den Kurzgeschichten Gift im Versöhnungstrunk und Die sich an uns versündigen.
Der Zeitabschnitt, in dem wir uns bewegen, wird fälschlicherweise »das finstere Mittelalter« genannt. Für Irland war es das »Zeitalter der goldenen Aufklärung«, als Recht und Ordnung, Gelehrsamkeit und Schrifttum in einer der bemerkenswertesten Zivilisationen Europas ihre Blütezeit hatten. Es war eine Zeit, da Missionare aus Irland, allein oder auch in Scharen, loszogen und ihr Wissen in alle Himmelsrichtungen trugen, bis nach Kiew in der Ukraine, nach Island und den Färöern, nach Spanien und über die Alpen nach Italien, selbst bis nach Taranto, wo ein irischer Mönch namens Cathal der heilige Cataldus wurde und damit der Schutzheilige der Stadt. Es war eine Zeit großartiger künstlerischer Leistungen, der Schaffung reich verzierter Evangeliare, erstaunlich schöner Gold- und Silberarbeiten, wunderbarer Reliquiare, eine Zeit der Buchschreine, Kelche und Kreuze; eine Blütezeit der Literatur, nicht zu vergessen die Leistungen eines Rechtswesens und einer sozialen Ordnung, die in vieler Hinsicht bezüglich ihrer Philosphie und Herangehensweise unseren heutigen Auffassungen nicht nachstehen.
Aber – und es wird bei allem Positiven immer ein Aber geben – was die rein menschlichen Dinge angeht, so war es ein Zeitalter mit allen Tugenden und Lastern, die Menschen nun einmal eigen sind, mit Tugenden und Lastern, wie wir sie auch heute sehen und verstehen. Die Tatmotive für Verbrechen sind über die Jahrhunderte die gleichen geblieben. Im Irland des siebenten Jahrhunderts brauchte es einen geschärften Blick und |16|einen analytischen Verstand genauso gut wie eine rein menschliche Sicht auf die Dinge und entsprechende Auslegung des Gesetzes; Fidelma formulierte es einmal so: »Es gibt Fälle, da bei aller Liebe zum Gesetz der Gerechtigkeit der Vorrang gebührt.« Begleiten wir also unsere gute Schwester in eine Welt, deren Verhältnisse uns fremd erscheinen mögen, in der wir aber Angst, Missgunst, Liebe und Hass erkennen – menschliche Schwächen und Leidenschaften, wie es sie zu allen Zeiten und in allen Gesellschaftsformationen gegeben hat und auch noch heute gibt.
Peter Tremayne
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Die Glocke, die zum Sechs-Uhr-Gebet rief, war längst verklungen, als Fidelma am Tor des in der Abenddämmerung liegenden grauen Klosters anlangte. Sie war spät dran. Die Andacht war vorüber, und die Schwestern hatten sich bereits in den Speisesaal zum abendlichen Mahl begeben. Fidelma klopfte flüchtig den Reisestaub von der Kleidung, eilte zum Refektorium und huschte in demütiger Haltung mit gesenktem Kopf und in den Falten des Habits verschränkten Armen an ihren Platz.
Einem aufmerksamen Beobachter wäre aufgefallen, dass die Kopfhaltung das einzige Anzeichen von Demut an ihrer äußeren Erscheinung war. Selbst die Schwesterntracht konnte die schlanke, wohlgefällige Figur nicht verbergen; der Gang verriet Lebensfreude und Tatendrang, weniger Ergebenheit und in sich gekehrte Würde, wie man es von Nonnen kannte. Widerspenstige rote Haarsträhnen, die sich unter dem Schleier hervordrängten, unterstrichen den Eindruck; sie passten gut zu dem blassen, jugendlich frischen Gesicht und den leuchtend grünen Augen, die fröhlich in die Welt schauten.
Qualmende Öllampen gaben dem Saal Licht; ihr stechender Geruch vermischte sich mit dem von brennendem Torf, denn an der Stirnseite des Raumes schwelte ein Feuer. Beides, Lampen und Herdstelle, sorgten für etwas Wärme an dem kalten Vorfrühlingsabend.
|18|Die Äbtissin hatte bereits zum Gratias angehoben, als Schwester Fidelma ihrem Platz am Ende eines der langen Tische zustrebte, wo sie etwas atemlos und in ungebührlicher Hast das Knie beugte. Teils empörte, teils amüsierte Blicke der Mitschwestern begleiteten sie.
»Benedic nobis, Domine Deus, et omnibus donis Tuis, quae ex larga liberalitate Tua sumpturi sumus per …«
Einem plötzlichen Schmerzensschrei folgten Sekunden erschrockenen Schweigens. Sie vernahmen den Aufschrei ein zweites Mal, ein unbeherrschtes Stöhnen aus männlicher Kehle, dann den dumpfen Aufprall eines menschlichen Körpers und das Geräusch splitternden Geschirrs. Schwester Fidelma war nicht die Einzige, die ob der unerwarteten Ruhestörung den Kopf hob; erregtes Geflüster ging durch den Saal.
Alle Blicke wanderten zu dem Tisch, der für die Gäste des Hauses der heiligen Brigid in Kildare vorgesehen war und an dem sichtliche Aufregung herrschte. Eine Schwester eilte zu dem auf einem Podest stehenden Tisch, von dem aus man die im Saal Versammelten im Auge haben konnte und wo die Äbtissin und die anderen führenden Mitglieder des Hauses hinter ihren Plätzen standen.
Es war Schwester Poitigéir, die Apothekerin, die der Äbtissin in heller Aufregung etwas ins Ohr flüsterte. Die Äbtissin verzog keine Miene. Mit einer Kopfbewegung fertigte sie die Schwester ab.
Inzwischen war das Getuschel in ein Stimmengewirr übergegangen. An die hundert Mitglieder der Gemeinschaft waren nach der abendlichen Vesper in den Saal geströmt, um das letzte Mahl des Tages einzunehmen.
Ruhe gebietend, hämmerte die Äbtissin mit ihrem irdenen Becher auf den Tisch. Sie war finster entschlossen, in ihrem Dankgebet fortzufahren.
|19|»… sumus per Jesum Christum Dominum nostrum. Amen.«
Zwei Schwestern mühten sich, einen Mann – wie es Fidelma schien – aus dem Saal zu schaffen. Follaman, ein großer Mensch mit rötlichem Gesicht, dessen Aufgabe es war, sich um die männlichen Besucher im Gästehaus zu kümmern, kam ihnen zu Hilfe.
»Amen.«Rau hallte das Schlusswort durch den Raum, und die hundert Anwesenden glitten nahezu lautlos auf ihre Plätze. Normalerweise hätte jetzt mit dem Herumreichen von Brot die Mahlzeit beginnen sollen, doch die Äbtissin hob die Hand und gebot den Verantwortlichen, mit dem Austeilen zu warten.
Aufmerksames Schweigen. Sie räusperte sich. »Meine Kinder, wir müssen uns ein wenig gedulden. Unserem Gast ist plötzlich unwohl geworden, und wir müssen den Bericht unserer Apothekenschwester abwarten. Sie glaubt, er könnte etwas zu sich genommen haben, das ihm nicht bekommen ist.«
Sie begegnete dem augenblicklich ertönenden aufgeregten Gemurmel mit einer gebieterischen Bewegung ihrer schmalen, weißen Hand. »Während wir hier warten, übernimmt Schwester Murgain das Gebet …«
Ohne weitere Erklärung entschwebte die Äbtissin, und Schwester Murgain intonierte in einem Gemisch von Latein und Irisch mit schriller Stimme:
Regem regum rogamus
In nostris sermonibus
anacht Nóe a luchtlach
diluvii temporibus
König der Könige,
Wir beten zu dir,
Der du Noah beschützt hast
Zu Zeiten der Sintflut.
|20|Schwester Fidelma beugte sich zu Schwester Luan, einem etwas einfältigen Geschöpf, das neben ihr saß, und fragte leise: »Wer war das, den sie da hinausgetragen haben?« Sie war zwei Wochen in Tara, dem Hauptort der fünf Königreiche von Irland und dem Sitz des Hochkönigs, gewesen und wusste nicht, was sich in der Zwischenzeit in ihrer Gemeinschaft ereignet hatte.
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