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Alle Lebewesen der magischen Waldwelt sind dem verführerischen Willen Anjelens unterworfen, eines Priesters von großer Macht. Er verkörpert eine schreckliche, wilde Macht – ob zum Guten oder Bösen vermag niemand zu sagen.
Und welches Geheimnis birgt das Innere des berüchtigten Klosters, in dem sich die Gottesritter zu düsteren Ritualen treffen? Stimmt das Gerücht, dass die Gefolgsleute ihren Bund mit dem Blut besiegeln, das einer vom anderen trinkt?
»Eines der kraftvollsten und intelligentesten aller internationalen Fantasy-Talente.«
- PUBLISHERS WEEKLY
Der Gott des Waldes ist der zweite Teil des zweiteiligen Roman-Werks Das Blut der Rosen und erscheint als 14. Band der Tanith-Lee-Werkausgabe im Apex-Verlag.
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TANITH LEE
Der Gott des Waldes
Das Blut der Rosen - II
Tanith Lee-Werkausgabe, Band 14
Roman
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Die Autorin
Das Buch
DER GOTT DES WALDES
Drittes Buch: JUN
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Viertes Buch: EUJASIA
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Buch: MECHAILUS
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Tanith Lee.
(* 19. September 1947, + 24. Mai 2015).
Tanith Lee war eine britische Horror-, Science Fiction- und Fantasy-Schriftstellerin und Verfasserin von Drehbüchern. Sie wurde viermal mit dem World Fantasy-Award ausgezeichnet (2013 für ihr Lebenswerk) und darüber hinaus mehrfach für den Nebula- und British Fantasy-Award nominiert.
Im Laufe ihrer Karriere schrieb sie über 90 Romane und etwa 300 Kurzgeschichten. Sie debütierte 1971 mit dem Kinderbuch The Dragonhoard; 1975 folgte mit The Birthgrave (dt. Im Herzen des Vulkans) ihr erster Roman für Erwachsene, der zugleich auch ihren literarischen Durchbruch markierte.
Tanith Lees Oevre ist gekennzeichnet von unangepassten Interpretationen von Märchen, Vampir-Geschichten und Mythen sowie den Themen Feminismus, Psychosen, Isolation und Sexualität; als wichtigsten literarischen Einfluss nannte sie Virginia Woolf und C.S. Lewis.
Zu ihren herausragendsten Werken zählen die Romane Trinkt den Saphirwein (1978), Sabella oder: Der letzte Vampir (1980), Die Kinder der Wölfe (1981), Die Herrin des Deliriums (1986), Romeo und Julia in der Anderswelt (1986), die Scarabae-Trilogie (1992 bis 1994), Eva Fairdeath (1994), Vivia (1995), Faces Under Water (1998) und White As Snow (2000).
1988 gelang ihr mit Eine Madonna aus der Maschine (OT: A Madonna Of The Machine) ein herausragender Beitrag zum literarischen Cyberpunk; eine Neu-Übersetzung der Erzählung wird in der von Christian Dörge zusammengestellten Anthologie Cortexx Avenue enthalten sein.
Ihre wichtigsten Sammlungen von Kurzgeschichten und Erzählungen sind: Red As Blood/Tales From The Sisters Grimme (1983), The Gorgon And Other Beastly Tales (1985) und Nightshades: Thirteen Journeys Into Shadow.
Tanith Lee war seit 1992 mit dem Künstler John Kaiine verheiratet und lebte und arbeitete in Brighton/England.
Sie verstarb im Jahre 2015 im Alter von 67 Jahren.
Der Apex-Verlag widmet Tanith Lee eine umfangreiche Werkausgabe.
Alle Lebewesen der magischen Waldwelt sind dem verführerischen Willen Anjelens unterworfen, eines Priesters von großer Macht. Er verkörpert eine schreckliche, wilde Macht – ob zum Guten oder Bösen vermag niemand zu sagen.
Und welches Geheimnis birgt das Innere des berüchtigten Klosters, in dem sich die Gottesritter zu düsteren Ritualen treffen? Stimmt das Gerücht, dass die Gefolgsleute ihren Bund mit dem Blut besiegeln, das einer vom anderen trinkt?
»Eines der kraftvollsten und intelligentesten aller internationalen Fantasy-Talente.«
- PUBLISHERS WEEKLY
Der Gott des Waldes ist der zweite Teil des zweiteiligen Roman-Werks Das Blut der Rosen und erscheint als 14. Band der Tanith-Lee-Werkausgabe im Apex-Verlag.
Für John Kaiine,
dessen moralische und praktische Unterstützung
die Grundlagen dieses Buches
sichern half und dessen zahlreiche
großzügig gewährten Bilder in seinen
bunten Fenstern aufscheinen.
Aus dem ersten Samen, der wie ein glühender Funken Zeit in die heiße Erde des Anfangs fiel, entstand der Wald. Lange bevor er Schatten und Materie wurde und die Erde bedeckte, war er mit ihr bereits unlösbar verbunden. Ganz zu Anfang, als sich die Menschen einen Weg zwischen seinen schlanken Halmen hindurchbahnten und seine Knochen noch nicht dicker als Stöcke waren, nannten sie ihn den Großen Wald. Er atmete Wind, wob wie eine Spinne ein Geflecht aus Unterholz, gebar Tiere aus seinem lehmigen Boden und wimmelte von verborgenem Leben.
Und als der Wald groß geworden war, dicht und beständig, so dass Bäume Umstürzen konnten, ohne dass es ins Gewicht gefallen wäre, da war die Seele des Walds so weit erstarkt, dass ihm alle Wesen, die ihn durchquerten oder in ihm Zuflucht suchten, Opfer darbrachten.
Zunächst waren es zufällige Opfer. Was gestorben war, ließ seine Überreste zurück, sein Gerippe, sein erkaltendes Blut. Bäume wuchsen aus den Gebeinen von Füchsen hervor. Aus den Totenschädeln der Menschen wuchsen Kiefern.
Nach einiger Zeit wurden derartige Opfergeschenke erwartet.
Es war, als hätten die Bäume ihre Wünsche flüsternd kundgetan.
Es gab welche, die ihr ganzes Leben im Großen Wald zubrachten, die nie einen anderen Ort zu Gesicht bekamen und allem, was man ihnen erzählte, mit Misstrauen begegneten. War doch die Welt ein einziger Wald, den allenfalls hier und da Wasserläufe durchteilen mochten, aber sogar im Wasser wuchsen die Bäume, und nur die Berge ragten daraus hervor, und auch die Berge waren von Wald bedeckt.
Der Wald war Mutter und Vater, Schoß und Grab, Leben und Tod. Man verehrte den Wald, denn da der Wald alles war, war er auch Gott.
An einem Frühlingsabend saß der Auserwählte, Jun, auf dem Boden vor der Hütte des Waldmanns und spielte mit dem Hasen. Der Hase war fast weiß, ein gespenstischer Albino, der nachmittags oder bei Einbruch der Dunkelheit kam, um die Milch zu trinken, die man ihm hingestellt hatte. Vielleicht weil er spürte, dass der Knabe ebenfalls etwas Besonderes war, ließ sich der Hase von ihm liebkosen, hüpfte über Zweige, die der Knabe ihm hinhielt, oder spielte mit einem aus Gras geflochtenen Strick. Manchmal stellte der Waldmann dem Hasen Fragen, und der Hase antwortete mittels besonderer Bewegungen oder durch die Form der Exkremente, die er am Rand der Lichtung zurückließ. Hin und wieder überquerte eine gesprenkelte Schlange die Lichtung, dann achtete der Waldmann auf den Weg, den sie einschlug. Neuerdings bat der Waldmann auch Jun um gewisse Gefälligkeiten, zum Beispiel sollte dieser einen aus mehreren in der Hütte verstreuten Gegenständen auswählen oder ein Rätsel beantworten. Jun zu berühren, brachte Glück, aber nur sehr wenige kamen zur Lichtung des Waldmanns, die unter dem Baum lag. Der Waldmann war der Mittler zwischen dem Übernatürlichen und den Menschen. Die Erde war elektrisch aufgeladen, voller Wunder und Gefahren.
Schon bald würden mehrere hundert Menschen zur Lichtung kommen, doch das war etwas anderes.
Im Winter und im Frühjahr, wenn die niedrigeren Bäumen gerade erst ergrünten, sah man von der Lichtung aus den Baum, den Gott. Glatt und fast schwarz ragte er in den Himmel auf. Er wirkte unvergänglich, und das war er auch. Der erste Baum des Waldes hatte alle anderen hervorgebracht. Denn der Baum gehörte nicht nur einer Art an; das sah selbst das Kind. Die Äste, die von dem gewaltigen Stamm ausgingen, waren wie eine Schlangenkrone und die Blätter teils wie Nadeln, teils fleischig und seidig, während andere schwer und lappig herunterhingen, mit langen Adern und Graten darin. Der Gott verlor die Blätter nie, nicht einmal dann, wenn es schneite. Auch dies hatte der Knabe gesehen, denn er hatte den ganzen Winter über in der Hütte des Waldmanns zugebracht, unter dem Baum.
Die Wahl wurde gegen Ende des Sommers getroffen, im Anschluss an die Ernte. Aus den umliegenden Ortschaften brachte man die acht- und neunjährigen Knaben zum Waldmann. Sie kamen sogar aus den Besitzungen des Fürsten im Tal, ohne dass der Herr davon wusste. Er war zu Christus konvertiert, dem Baumgott in anderer Gestalt. Da der Fürst die dem Opfer innewohnende Wahrheit missverstand, wollte er die Vorgänge im Wald nicht unterstützen und verschloss die Augen davor. Seine Vorväter waren noch persönlich zugegen gewesen und hatten in bestimmten Gegenden notfalls sogar selbst die Aufgaben des Waldmanns übergenommen... einmal hatten sie sogar einen Sohn gegeben. Inzwischen war das nicht mehr vorstellbar.
Die räumliche Nähe des Baumgotts zu den Ländereien des Fürsten, früher einmal der Anlass, gerade dort die Burg zu errichten, war jetzt eher lästig und unangenehm.
Vielleicht waren die Schlange und der Hase gut beraten gewesen, keinen Jungen aus dem Tal auszuwählen.
Die Auserwählten wurden gründlich untersucht und befragt, sowohl von den älteren Männern aus den Dörfern wie auch vom Waldmann, ihrem Priester. Das Kind musste unschuldig sein, durfte noch nicht einmal Hand an sich gelegt haben. Es musste vollkommen sein.
Jun war neun Jahre alt. Er hatte hart gearbeitet, war jedoch nie mit einer Rute geschlagen worden. Sexuelle Neigungen hatte er noch nicht entwickelt. Er hatte keine Narben und wies keinerlei Entstellungen oder Missbildungen auf. Er war ein stiller Junge, mit einem ovalen Gesicht und einem schlanken, wohlgestalteten Körper, den weiße Haut umhüllte.
Er wünschte sich ebenso sehr wie alle anderen, auserwählt zu werden, doch er strebte nicht danach, prahlte und protzte nicht und machte kein Aufhebens um seine Schönheit. In seiner Familie gab es drei weitere Söhne; er war entbehrlich. Wenn die Wahl auf ihn fiel, würde es seiner Familie Glück bringen. Nur die Frau weinte ein wenig. Das taten die Frauen immer.
Dem Knaben machte es nichts aus, von zu Hause fortzugehen und beim Waldpriester auf der Lichtung zu wohnen. Es war wie ein Wunder. Es war die Straße zum Himmel.
Anschließend stand er ein halbes Jahr lang zwischen dem Gott und der Welt und rückte der Unsterblichkeit stetig näher. Er wurde rücksichtsvoll behandelt, bekam nur das Allerbeste vorgesetzt, brauchte keine unangenehmen Tätigkeiten zu verrichten und wurde in geheimen Versen und Zaubersprüchen unterrichtet, mittels derer er sich zu erkennen geben würde, wenn Gott ihn zu sich nahm. Er hatte auch keine Angst vor diesem Moment. Man hatte ihn gelehrt, dass dies ein Anfang sei und kein Ende. Er würde erweitert, verwandelt und hochgehoben werden, bis dorthin, wo Sonne, Mond und Sterne auf den Baumwipfeln balancierten. Er würde in die Bruderschaft seiner Vorgänger eingehen. Er würde der Wald werden, er würde Gott werden. Sogar die Dörfler wussten das. Nein, Jun hatte keine Angst.
Der Hase hoppelte über die Lichtung und verneigte sich einmal vor einem Schilfrohr, das dort wuchs.
Der Waldmann trat aus der Hütte und fragte Jim, ob sich der Hase verneigt habe.
»Ja«, sagte Jun, und der Waldmann, der freundlicher zu ihm gewesen war als sein eigener Vater, lächelte ihn an.
Jun hatte großen Respekt vor dem Waldmann gehabt. Dieser Respekt war eher noch gewachsen, denn monatelang hatte Jun dem Priester bei seinen harmonischen und ungewöhnlichen Zaubereien zugeschaut. Er vermochte Tiere und Vögel zu sich zu rufen und schien ihre Sprache zu sprechen. Er hatte einen Schierling dazu gebracht, mit ruhiger blauer Flamme zu brennen, ohne dass diese ihn verzehrte. Einfacher ausgedrückt: Der Waldmann unterhielt das Kind, indem er Gegenstände verschwinden und wieder erscheinen ließ oder sie zu scheinbarem oder tatsächlichem Leben erweckte - eine Axt, die Holz für sie hackte, oder Bohnen in einer Schüssel, die ein Muster formten... Die ehrfürchtige Bewunderung des Jungen wurde vertieft von Liebe und Vertrauen. Als ein Sohn unter vielen hatte Jun niemals richtig lieben gelernt. In diesem Kokon zwischen den Welten hatte er Gelegenheit dazu. Der Waldmann, der jetzt sein Vater auf Erden war, würde ihn der Ewigkeit überantworten...
»Und welches Tier«, fragte ihn der Waldmann nun, »möchtest du als erstes sein?«
Jim wusste, dass ihm alle Erfahrungen offenstanden, wenn er erst einmal ein Teil Gottes und des Waldes geworden war.
»Ein Hase«, sagte Jun. »Ich werde ein Hase sein und zu Euch gelaufen kommen.«
»Tu das«, sagte der Waldmann ernst. »Einer deiner Vorgänger kam vor langer Zeit als Rabe zu mir zurück und erzählte mir ein wenig vom anderen Leben - aber nicht viel. Er durfte mir nicht allzu viel verraten, weil ich nämlich immer noch ein Sterblicher bin.«
Jun war neidisch auf den Raben.
»Ich«, sagte er, »werde Euch mehr erzählen.«
»Nein, du wirst denken wie der Gott. Mach dir nichts draus. Ich freue mich für dich, über die Wonne und die
Macht, über das Glück, das dich erwartet. Ich wünsche dir alles Gute.«
Die Schatten wurden allmählich länger. Der mächtige Schatten des Baumes senkte sich herab und hüllte sie in Dunkelheit. Sie schwiegen. Keiner von beiden hatte Anlass zu zweifeln. Der Priester wusste allerdings, dass der Junge vor seiner Umwandlung ein wenig leiden würde. Aber das war der Preis. Er hätte ihn auch selbst bezahlt, wenn er die Stelle des Jungen hätte einnehmen können. Der bevorstehende Abschied betrübte ihn. Er würde nach einem schwarzen Hasen mit wunderschönen Augen Ausschau halten.
»Heute«, sagte Jims Beschützer, »beginnen wir mit der letzten Unterweisung. In sieben Tagen ist es dann soweit.«
»Wirklich?« Der Knabe konnte es kaum mehr erwarten. Er vergaß den Priester und sehnte sich mit jähem spirituellem Verlangen danach, göttlich, heilig und mächtig zu sein.
Sein Sterben begann im Morgengrauen, als ihm der Waldmann seine warme Hand auf die Stirn legte und ihn weckte. Er bekam einen heiligen Trank zu trinken, einen Wein aus hellroten und braunen Knospen, den Blumen des Waldbodens. Als er ihn getrunken hatte, legte sich seine gewaltige, nahezu Übelkeit erregende Aufregung, und ein wunderbares, unbekanntes und namenloses Gefühl breitete sich in ihm aus.
Der Waldmann wusch Jun in einem Zuber in der Hütte. In das erwärmte Wasser waren Blüten gestreut. Jun wurde mit würzigem Kiefernsaft eingerieben. Er bekam ein gegerbtes Ziegenfell umgelegt, das sich weich auf der Haut anfühlte. Jun verspürte Freude, ohne überhaupt zu wissen, was Freude war.
Die Lichtung lag im Nebel. Der Himmel hatte eine grünliche Färbung.
Zwei junge Frauen näherten sich dem Jungen und setzten ihm wortlos einen Blumenkranz aufs dunkle Haar. Darin waren wilde Rosen, er roch ihren Duft, außerdem Kiefernzapfen, Farne, Narzissen.
Die beiden Frauen gingen wortlos davon, dann kam der Waldmann, nahm Jun bei der Hand und führte ihn über die Lichtung. (Nur einmal blickte Jun zurück, in der Hoffnung, er sähe den Hasen. Aber er würde sowieso schon bald wie ein Bruder mit dem Hasen spielen.)
Hinter der Lichtung standen Menschen dichtgedrängt im Wald, ebenso reglos und aufrecht wie die Bäume selbst. Jim hatte so etwas noch nicht erlebt, da immer nur ein Kind zugegen war und keine Frau, die noch kein Kind zur Welt gebracht hatte. Jun hielt Ausschau nach seiner Mutter und dem Mann, der ihn gezeugt hatte, war sich aber nicht sicher, ob er sie sah. Der Nebel verhüllte alles, und seine Augen stellten sich nicht scharf wie sonst, außerdem war es ihm auch gleich.
Der Waldmann führte Jun mit leichtem Nachdruck die Böschung hinauf. Dem Herrn der Welt entgegen.
Jun war kein einziges Mal zum Baum gegangen. Das war verboten. Nur der Priester durfte sich ihm nähern, ihn berühren. Hin und wieder hatte er ihm im Namen seiner Leute kleine Opfergaben dargebracht - mit Schnitzereien verzierte Knochen, reife Früchte, jedoch niemals Blut.
Sie gelangten zum Baum.
Es war, als umfasse er die ganze Welt.
Er war wie die Essenz des Waldes und des Seins.
Eine Säule, die den Himmel von der Erde trennte.
Das Kind schaute ganz bis nach oben, furchtlos vor Freude, und erblickte die Ewigkeit in diesem Turm aus Schwärze, in den emporstrebenden gewundenen Ästen, den Schwingen aus Blättern und Nadeln. Der Baum mochte grün sein, doch eigentlich bedurfte er keiner Farbe oder Gestalt. Er tönte und dröhnte vor unermesslicher Stille, und seine Reglosigkeit war ein Ausdruck von Willenskraft. Ein ruhender Pol.
Diese Dinge verstand der Junge ohne Worte. Er schaute benommen und fühlte, wie der Gott bereits die Hände nach ihm ausstreckte.
»Jun«, sagte der Waldmann zärtlich, »Jun, du musst dich hierhin stellen und zulassen, dass sie dich mit der Hand oder mit dem Finger berühren. Wirst du das tun? Um ihretwillen?«
Jun nickte.
Er wartete in der wirbelnden Reglosigkeit des Gottes und spürte kaum die Finger und Hände, die ihm auf Brust, Stirn und Arme gelegt wurden. Eine Prozession schritt an ihm vorbei. Wahrscheinlich kannte er einige der Leute. Er war bereits verwandelt. Niemand hatte etwas anderes erwartet.
Nach einer Weile hörte die Prozession auf, und die Leute bildeten wieder einen Kreis, mit dem Gott, dem Waldmann und dem Jungen in der Mitte.
Der Priester hielt Juns Hand.
»Mein Lieber, vertraust du mir?«
Jun nickte wieder. Er lächelte.
»Trink dies!«, verlangte der Priester. Er steckte Jun eine kleine glatte Eichel in den Mund. Jim schluckte etwas, das ihn überraschte; es war bitter. Er blinzelte, und der Priester sagte rasch: »Jetzt darfst du den Baum umarmen. Wenn du dies tust, wirst du mich und alle anderen schon verlassen haben. Vielleicht wird es wehtun, aber das geht rasch vorbei. Hast du verstanden?«
Jun lächelte wieder. Der Priester drehte ihn herum, und vor ihm ragte die Säule Gottes auf. Sie brannte wie die Flamme im Schierling, war jedoch so schwarz wie ein Fluss im Winter. Jun ging langsam auf den Baum zu, lehnte sich dagegen und legte die Arme darum. Dann spürte er sein Herz, er spürte sein Leben. Es war, als begreife er das Wesen aller Dinge, deren Mittelpunkt und Ursprung. Er liebte den Baum. Er gab sich dem Baum hin.
In weiter Ferne hatte etwas das Ziegenfell zerrissen.
Ein scharfer, dünner, stechender Schlag traf auf seine Schultern und wurde wiederholt. Er wurde viele Male wiederholt.
Jun fühlte das Brennen der Dornenzweige, die ihn trafen, ohne es recht zu spüren. Er war ganz mit dem Baum beschäftigt.
Daran änderte sich auch dann nichts, als ein anderer Schmerz aufflammte, der ihm den Kopf herumdrehte, ein seltsamer, überraschender Schmerz - er schaffte es nicht, darüber nachzudenken, denn dies alles ging ihn nichts mehr an. Nur noch der Baum. Salziges Feuer rann ihm in die Augen, und unter seinen Lidern quollen Tränen hervor, darum schloss er sie.
Feuer rann ihm die Arme hinunter, seine Füße waren nass und brannten. Jun rieb die Wange am Baum, und spitze Nadeln bohrten sich schmerzhaft in seine Schläfen. Doch dann hatte ihn der Baum gepackt. So unglaublich es klingt, der Baum zog ihn empor, mit seinen Armen, immer weiter in sich hinein, in den Mittelpunkt der Welt...
Der Knabe schwebte meilenweit über der Erde und legte den Kopf in den Nacken. Er machte sich nicht die Mühe zu schauen. Ekstase füllte ihn aus, und die Leiden seines Körpers gingen darin auf.
Über den Köpfen der Zuschauer schwang der makellose Junge, ausgepeitscht und gekrönt mit seiner zweiten Dornenkrone, an den Seilen des Flaschenzugs, die man an seinen Handgelenken festgebunden hatte. Die Schlagadern waren bereits verletzt, desgleichen die Handgelenke. Scharlachrotes Blut rann an dem von Peitschenhieben entstellten weißen Leib hinunter, über die rauschhafte und geheiligte Blässe des Gesichts, und spritzte auf die unterschiedlich geformten Blätter. Er hing mit dem ganzen Gewicht an den Seilen. Aufgrund des Drucks war der unschuldige Phallus angeschwollen. Der Anblick war von erlesener Grausamkeit, weder obszön noch anstößig. Mit menschlicher Lust hatte er nichts zu tun. Der Junge keuchte bereits, denn die Stricke schnitten ihm die Luft ab. Sein Atem sprudelte stoßweise hervor, im Rhythmus seines kämpfenden Herzens. Wenn er noch bei Bewusstsein war, so sah man es ihm nicht an. Der Gott schwebte im schwarzen Blätterdach des Baums wie ein herabsinkender Adler.
Einer nach dem anderen fielen die Anbetenden auf die Knie oder legten sich flach auf den Bauch.
Sie waren ausgeschlossen von der Qual, die sich im Baum vollzog. Sie konnten sie nur darbieten. Sie beneideten Jun, liebten Jun.
Der Waldmann stand gedankenverloren da, stolz auf das vollendete Werk und den Ruhm, den er dem Besten der Unbescholtenen und Guten hatte zukommen lassen.
Eine Stunde, nachdem die Sonne als goldene Scheibe am Himmel aufgegangen war, kam die wilde Jagd über den Hügel geritten und stürmte in das Gehölz, wo der Mittelpunkt des Waldes lag und wo die Welt des Waldes ihre Wurzeln hatte.
Ein Teil der Versammlung harrte noch immer aus; einige hatten innegehalten, um einen Tropfen von dem Blut aufzufangen, das von den Blättern fiel, ein schreckliches und göttliches Unterfangen, das ihnen erlaubt war. Der Waldmann stand unter dem Baum und hielt Wache, die müden Augen hatte er geschlossen. Er war ein alter Mann, und dies mochte das letzte Mal gewesen sein, dass er sein Amt ausgeübt hatte.
Die Reiter brachen wie grüne und rotbraune Geschöpfe des Waldes durchs Gehölz. In ihrer Mitte flatterte ein purpurfarbener Rabe auf einem quadratischen Tuch. Sie wurden sogleich erkannt, und die Menschen wichen vom Baum zurück, schüttelten seine Aura ab. Nicht mehr ergriffen, sondern schreiend vor Angst rannten sie die Böschung hinunter in den Kiefernwald, wo einige strauchelten oder von den Knüppeln der Verfolger zu Boden geworfen wurden.
Der Burgherr richtete sich brüllend in den Steigbügeln auf. In Christi Namen schalt er sie mit profanen Worten aus. Das Gehölz des Baumgottes wirkte auf einmal entheiligt, entehrt. Und der Baum selbst hatte sich in eine unermessliche Feme zurückgezogen und nur sein Sinnbild zurückgelassen, aber der Burgherr unter seinem Rabenbanner verwechselte das Sinnbild mit dem Baum und stürmte dagegen an. Auch ein bleicher Christuspriester ritt an seiner Seite, der mit Schaum vor den Lippen etwas von Hölle, ewiger Verdammnis und Fallgruben kreischte.
Dann brach der Lärm in Stücke. Sie flogen weg, zurück blieb Schweigen. Der alte Waldmann unter dem Baum sah blind zum Burgherrn auf. Einer der rüpelhaften Soldaten des Fürsten hatte sein Schwert in den alten Mann getrieben, geradewegs in sein Herz. Von der Klinge durchbohrt, seufzte der Waldmann auf, schüttelte den Kopf und starb.
Der Burgherr blickte sich von seinem Pferd aus drohend um. Das ganze Gehölz schien sich vor Blut, Mänteln und Zorn rot gefärbt zu haben. Darum schrie er wieder.
»Habt ihr das gesehen? Ich habe eurem verfluchten Barbarentum ein Ende gemacht. Ich habe euch gewarnt! Ich habe es euch gesagt. Schluss damit. Habt ihr mir überhaupt zugehört? Ihr werdet mir jetzt zuhören. Ich werde euch mit dem Schwert den wahren Gott bringen. Ich werde euch mit dem Stahl und der Rute vor der Hölle retten. Ich kriege euch, ich kriege euch, euch dreckiges, gottloses Gesindel.«
Gepanzerte Männer saßen ab und nahmen Aufstellung. Währenddessen wurde das Schwert zurückgezogen, und der Waldmann fiel zu Boden. Die Soldaten traten ihn und lachten, und der Burgherr brüllte: »Schluss mit dem Unfug! Seht ihr das Kind da oben? Aufgehängt wie ein Stück Fleisch... Herr im Himmel...«
Und der Priester schrie Verwünschungen, bis er heiser war.
Dann wählte der Burgherr zwei Männer aus, ließ sie entkleiden und auspeitschen und befahl den Soldaten, den Frauen große Büschel Haar abzuschneiden.
»Es ist aus«, sagte der Burgherr. »Ihr werdet keinen eurer Söhne mehr für eine solche Scheußlichkeit hergeben.« Als er sich umschaute, hielten seine Leute die Äxte bereits in Händen. »Fällt den Baum«, sagte er. »Fällt ihn, haut ihn in Stücke und verbrennt ihn.«
Das Geschrei war verstummt. Es herrschte völlige Stille. Das war das Ende der Welt. Widerstand war zwecklos.
Doch dann schallte der erste Axthieb durch den Wald.
Der Burgherr riss sein Pferd herum und trabte über den Hang davon. Der Priester blieb noch einen Moment und kaute auf der Unterlippe, dann folgte er ihm.
Die Soldaten, dieser Abschaum aus zwanzig verschiedenen Orten, im Sold des Rabenfürsten und Christus ergeben, grinsten höhnisch und trieben ihre Äxte in den Baum, während das rote und weiße Kind immer noch über ihnen hing.
Wer konnte, suchte sein Heil in der Flucht. Die übrigen wandten die Gesichter ab. Sie flüchteten, so gut sie konnten.
Die Sonne stieg am Himmel empor. Das Hämmern der Äxte hielt an wie ein Wundschmerz. Der Baumstamm war hart wie Eisen. Es würde Stunden dauern, ihn zu fällen. Die Soldaten verfluchten den Baum. Bisweilen legten sie eine Pause ein, um zu trinken und um den drei oder vier ansehnlicheren Frauen, die zurückgeblieben waren, Gewalt anzutun.
Der Übertritt zum christlichen Glauben hatte die Soldaten der Rabengarnison vom Mutterboden des Waldes entfernt. Sie brachten den Leib und das Blut des Gottes in ein steinernes Haus im Tal und vergaßen die entsprechenden Rituale, die ihre Vorfahren vollzogen hatten. Der neue Gott war in mancher Hinsicht strenger, ließ sich aber auch betrügen. Man brauchte nur zu beichten und Ihn zu bezahlen - durch Fasten oder mit barer Münze dann vergab Er einem. Der alte Gott, so erinnerten sich einige schwach, hatte mit Vergebung nichts im Sinn gehabt. Unrecht war Unrecht gewesen. Es gab keine Schuld, der Gott vergoss keine Tränen wegen irgendwelcher Sünden. Aber wenn es eine Strafe gab, dann konnte man sich davon nicht loskaufen. Es war wie im Leben sonst auch. So unvermeidlich wie eine Geburt, wie das Atmen.
Am Nachmittag gab der riesige schwarze und außergewöhnliche Baum allmählich nach.
Die Männer hatten längst aufgehört, zu dem Jungen hochzusehen. Er war tot. Sie würden ihm ausweichen müssen, wenn der Baum umstürzte. Und dem Kerlchen dann ein richtiges Begräbnis zuteilwerden lassen, hier oben, auf heidnischem Boden - so hatte es der Burgherr geschworen.
Die Männer freuten sich nicht darauf. Sie hatten schon oft getötet. Nur wenige von ihnen hatten kleine Jungen getötet, und niemals auf so widerliche, abscheuliche Art, in Form eines Opfers. (Sie hatten die Frauen wegen ihrer verwerflichen Teilnahme am Ritual auf besonders gemeine Art geschändet. Die ausgepeitschten Männer lagen reglos am Boden. Das geschah ihnen recht.)
Als die Sonne im Westen im Meer des Waldes versank und einen Hagel grüner Pfeile durch sämtliche dazwischenliegende Zweige sandte, entwand sich der Baum plötzlich den Axtschlägen und drehte sich auf seinem gespaltenen Fundament herum wie auf einem gewaltigen Rad. Er schien an der Lichtung Maß zu nehmen und sich zu überlegen, ob er nach Süden oder nach Westen stürzen sollte, wo die Sonne unterging.
Die Soldaten sprangen schreiend beiseite.
Das Baumgebilde fiel mit trügerischer Eleganz seitwärts, wie ein Tragbalken des Himmelsgewölbes. Es traf auf die Wipfel der Kiefern und die Krone einer jungen Eiche und zerschmetterte sie. Deutlich abgehoben vor dem verblassenden Glanz der inzwischen unsichtbar gewordenen Sonne, erhoben sich Schwärme von Vögeln aus dem Wald, rufend und zwitschernd. Jeder einzelne Baum, der noch stand, schien die in ihm wohnenden Lebewesen auszustoßen wie einen Schrei. Es rauschte im Unterholz, und ein kalter Luftzug wehte.
Der Baum, der Tragbalken des Himmels, schlug der Länge nach auf dem Erdboden auf.
Die Erde erbebte. Sie bewegte sich. Aus hundert verborgenen Öffnungen und Spalten erhob sich ein Grollen, das in der Luft zerwehte wie Rauch.
Dann kam das Nichts. Es war, als hätte ein Herz aufgehört zu schlagen. Der Wald ringsum wirkte leer.
Einer der Soldaten stampfte geräuschvoll auf. »Das war's. Wo ist die Leiche hingefallen? Wir müssen sie herausholen.«
Der Junge war zusammen mit dem Baum, dem Flaschenzug und den Seilen hügelabwärts in den Sonnenuntergang gefallen. Dort ließ sich der Gischt der Blätter und Vögel nieder. Zufällig hatte kein Gefangener dort gelegen, wo der Baum niedergestürzt war.
Die Strahlen der untergehenden Sonne fielen durchs zertrümmerte Gehölz. Sie beleuchteten den Baumstumpf, und einer nach dem anderen wandten sich die Soldaten zu ihm um.
Der Baummischling hatte zahllose riesige Jahresringe, die sein jahrhundertelanges Leben im Innern festgehalten hatten. Jeder einzelne Ring blutete. Es war Eiter, es war Blut, im Licht der untergehenden Sonne war es rot.
Die Männer des Burgherrn starrten dieses Phänomen an, den blutenden Baumgott. Nach und nach stellten sie fest, dass das zerstörte Gehölz mit Blut bespritzt war. Auch sie selbst waren damit gesprenkelt. Ihre Äxte und Hände waren blutig rot.
Das Blut sprudelte aus dem Stumpf. Es floss auf den Boden. Die zahllosen Jahresringe des Baums waren nicht mehr zu sehen, das Blut hatte sie in einen rubinroten Tümpel verwandelt, der das Licht des Sonnenuntergangs widerspiegelte.
So wie die Gerippe von tausend Opfern mit dem Baum verschmolzen, mit ihm verwachsen und zum Baum geworden waren, so war ihr Blut, das ihn genährt hatte, in ihm aufgespeichert worden. Es war pflanzlich und fleischlich zugleich. Ein Baum, aber auch ein Mensch. Und ein Gott.
Tief im Innern des Baumstumpfs zerplatzte ein Gefäß.
Eine Blutfontäne sprudelte gen Himmel, so hoch wie eben noch der riesige Baum, eine Feuersäule... Aber die Sonne versank endgültig im Wald, und der Himmel war ein Opal, und das Feuer der Blutsäule sprühte über den Himmel und regnete wieder herab und benetzte das Gehölz.
Die Soldaten rannten schreiend davon, und die Pferde, die sich losgerissen hatten, stürmten mit ihnen wiehernd und sich vor Angst entleerend ins Freie.
Das Land ringsum hatte sich verändert. Es war, als wäre das Gehölz von einer gläsernen Mauer umschlossen.
Männer und Tiere verschwanden, als eine weitere Mauer aus Dunkelheit aus dem Boden emporwuchs.
In dieser Nacht regnete es in Strömen. Der Wald war erfüllt vom Geräusch des Wassers. Es kam zu Überschwemmungen.
Nach dem Regen war der Himmel wolkenlos, und die Sterne barsten vor kaltem, grellem Licht.
Wenn der Christuspriester am Morgen käme, sein Kreuz schwenkend und Gebete stammelnd, würden nur noch die Trümmer und der schwarze Stumpf eines gefällten Baums von den Ereignissen der Nacht künden.
Die bestraften Bauern würden sich davongemacht haben. Der Leichnam des Waldmanns und der des Kindes würden ebenfalls verschwunden sein. Die Bauern hatten sie bestimmt mitgenommen.
Der Burgherr würde die Bewohner seiner Wälder monatelang jagen. Er würde Sklaven machen. Er fühlte sich dazu verpflichtet, seinem Gott den Weg zu ebnen. Es sollte zwei Jahre dauern, zwei Jahre des Unglücks, der Missernten, der Krankheit und der kleinen Schrecken, bis sich ein neuer Gedanke in ihm zu Wort meldete wie ein Stachel unter der Haut.
Als der Baum gefällt wurde, war der Junge noch nicht tot gewesen. Er starb, trieb dahin... Als der Baum seinen Lebenssaft verströmte, lag Jun am Rand. Er war der Besitz des Baumes, war dem Baum überlassen worden, hatte sich ihm hingegeben. Als der Baum stürzte, wurde Jun ebenfalls zerquetscht, jeder einzelne Knochen im Leib wurde gebrochen und verrenkt, der Schädel zerschmettert. Aber Jun starb nicht. Der größte Teil von Jim starb, und er blieb übrig. Und der Geist des Baumes, seine gewaltige, grenzenlose Macht, die der Wald war und die Welt ebenso wie der Wald, drang in ihn ein.
Gott ist nichts unmöglich. Wo die geistigen Dimensionen sich überschneiden, hat eine Million Engel auf einer Nadelspitze Platz; so lehrt es die Kirche der Christen.
Während der Wolkenbruch das Gehölz tränkte, setzte sich Jims Körper Stück für Stück wieder zusammen.
Als Jun unter dem sternenübersäten Himmel die Augen aufschlug, blickte etwas daraus hervor, das nicht Junge war und nicht Baum, das sich nur schwach erinnerte, kein bestimmtes Ziel hatte und kein Bedürfnis verspürte.
Als sich Juns Körper erhob und zwischen den Mauern des Waldes fortging, war nur noch ein letzter Antrieb übriggeblieben, wie der schwache Nachgeschmack von Wein in einem leeren Becher.
Somit war es dieser Antrieb, der zur Lichtung hinunterging.
Die Soldaten hatten einen Abstecher zur Hütte des Waldmanns unternommen und auch diese dem Erdboden gleichgemacht, mit der Absicht, später zurückzukommen und die Überreste zu verbrennen. Sämtliche Wertsachen hatten sie gestohlen, aber viel war es nicht gewesen. Die paar Talismane hatten die Waldbewohner bereits mitgenommen, um sich zu trösten, so wie sie sich den Leichnam ihres Priesters angeeignet hatten. Die Trümmer seiner Behausung waren unter den verletzten Bäumen verstreut: die Stützbalken und das grasgedeckte Dach, ein in vier Teile zerbrochener Tisch, die umgestürzten Hocker und zerbrochenen Gefäße.
Der helle Hase, der gekommen war, um Milch zu trinken, und sie nicht vorgefunden hatte - nur den Aufschrei oben im Gehölz hatte er gehört -, kehrte im Licht der Sterne zurück, als suche er etwas. Er leuchtete in seiner Blässe, verdrehte den Kopf, die langen Vorderläufe erhoben, mit aufgerichteten Ohren lauschend. Als der zweite Hase auftauchte, wich der Albino ängstlich zurück. Der zweite Hase war stärker. Er war dunkel wie die Nacht und näherte sich mit zögernden, fließenden, wiegenden Bewegungen. Sein Fell war so struppig, als bestünde es aus Blättern oder Kiefernnadeln. Es raschelte, wenn er sich bewegte, wie im Wald über ihren Köpfen. Seine Augen waren die eines Menschenkindes.
Der weiße Hase schoss davon.
Der schwarze Hase hoppelte zögernd zu den Trümmern der Hütte.
Niemand war da, es gab nichts, was eine Erinnerung in ihm hätte wecken können.
Der schwarze Hase stellte sich auf die Hinterbeine und imitierte die Haltung, die zuvor der Albino eingenommen hatte. Dann veränderte er sich. Es war, als zöge eine Wolke vor dem Mond vorbei. Aus der Wolke erhob sich der Junge. Jun, der jetzt nicht mehr Jun war.
Und das Kind, das nicht Jun war, ging fort in die Nacht.
Die Herberge, die von den frommen Frauen für Reisende unterhalten wurde, war ein bedrückender Ort, trostlos und kalt. Gottesbruder Orro bedauerte dies. Die Eiseskälte, die aus dem Wald verschwunden war, verweilte noch in den steinernen Wänden, abgesehen vom Kamin mit seinem kümmerlichen Feuer und den paar widerwillig brennenden Scheiten, die kaum Wärme spendeten. Die Kirche lehrte, man solle Härte üben gegen sich selbst, aber doch gewiss nicht gegenüber Reisenden, die von der Nacht überrascht worden waren und hier hatten Zuflucht suchen müssen? Was ihn betraf, so war Orro die Annehmlichkeiten des Klosters in Timuce gewohnt. Die Familie Esnias, der das Land im Wald gehörte, hatte das Kloster und die Kapelle am Waldrand erbaut. Der Boden war voller Gräber der Esnias. Eine fromme und streitlustige Familie. Und geschäftig. Als Gegenleistung für die ihnen gewährte Unterstützung waren die Priester, abgesehen von der Kirche - von Gott ganz zu schweigen -, auch der Burg Esnias Gehorsam schuldig. Vre Esnias hatte entschieden, die Einsiedeleien und Domas seiner Ländereien unter Aufsicht zu stellen. Für diese Arbeit wählte er Orro aus. Derartige Aufgaben wurden einem üblicherweise von Khish übertragen, doch Orro hatte keine Einwände erhoben. Vre Esnias begehrte von den Kirchenvätern zu Khish Vergebung wegen eines außergewöhnlich gewalttätigen und aufsehenerregenden Fehdemords. Wer konnte, musste helfen. Der geduldige Orro, im fünfzigsten Lebensjahr angelangt, hatte die Frühjahrsreise anstrengend gefunden. Seinen Zorn ließ er jedoch an niemandem aus. Dort, wo er Nachlässigkeit vorfand, tadelte er milde, und wo Reparaturen nötig waren, schrieb er lediglich einen Bericht an seinen Vre. Vielleicht wären die strengen Mägde zu größerer Selbstlosigkeit bereit, wenn man ihnen ein paar Annehmlichkeiten zukommen ließ.
Ein scheußliches Kratzen an der Tür meldete das Eintreffen der Oberin.
Auf Orros Aufforderung hin trat sie ein, eine hässliche, warzige Frau voller Unmut und Widerwille. Wenngleich sie den Blick in den Spiegel scheute, hielt sie große Stück auf ihr Aussehen. Ihr Hass auf Gott hatte sie dazu gebracht, Ihn zu verehren. Sie war die Tochter eines Burgherrn und hatte sich einer Ehe widersetzt; der Mann hatte sie zweifellos schief angesehen.
Orro sprach mit sanfter Stimme.
»Ich habe einen Brief aufgesetzt. Man soll Euch gewisse Gegenstände schicken, als Entschädigung für Eure Mildtätigkeit.«
»Vre Esnias ist ein frommer Mann«, fauchte sie. (Sie stammte nicht von der Burg Esnias.)
»Bitte setzt Euch«, schlug Orro vor.
Sie nahm auf dem unbequemen Stuhl Platz - er hatte mit dem Rheumatismus fördernden Hocker vorliebgenommen. Sie verschränkte die hässlichen Hände und starrte sie mit bitterem Ausdruck an, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie sagte: »Da ist noch etwas. Wir bedürfen dringend Eurer Hilfe. Ich habe mich schon gefragt, ob Ihr Euch selbst darum kümmern könntet, aber Ihr seid natürlich so überlastet...« Sie unterdrückte ihren Sarkasmus. Wessen Last konnte schwerer sein als die ihre, aber wen kümmerte das? »Bei Eurem gewissenhaften Einsatz für den Fürsten Esnias...«
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Orro. Daran war er gewöhnt. Irgendetwas gab es immer. »Könnt Ihr mir sagen, worum es sich handelt, Schwester?«
»Ich zögere.« Er wartete. Bald darauf öffneten sich ihre Hände wie eine kleine fleischfressende Pflanze.
»Vater, unsere beiden Novizinnen... Ihr müsst mir abnehmen, dass ich nicht an Dämonen glaube. Gott ist allmächtig. Die Schwachen und Fehlbaren jedoch...« Abermals brach sie ab.
Nach mehreren langen Pausen und ein paar kleinen Anstößen berichtete sie ihm, die beiden Novizinnen seien unter den Einfluss eines Dämons geraten. Sie selbst hätten ihn heraufbeschworen, und jetzt werde er immer realer, sie verliehen ihm Lebenskraft. Die älteren Frauen fürchteten sich.
»Wie äußert sich der Einfluss des Dämons?«, fragte er. Er hatte diese Geschichte schon früher gehört, genaugenommen seit seinen Anfängen in Khish. Was den Wald betraf, so waren die heidnischen Gebräuche dort immer noch vorherrschend, und in den abgelegenen Dörfern grassierten Geschichten von Gespenstern, übernatürlichen Wesen, Wechselbälgern und Kobolden. Nicht weit von diesem Nonnenkloster entfernt hatte man ihn bereits mit Phantasiegeschichten über einen Werwolf ergötzt, der sich angeblich in der Gegend herumtrieb. Im Winter hatten sich hier offenbar Wölfe aufgehalten. Aber die Dorfbewohner beharrten darauf, dass seit Generationen ein Tier im Wald umherstreife, das halb Wolf, halb Mensch sei. Sie hinterlegten Opfergaben auf einer Lichtung, und die Gaben würden stets angenommen. Orros unschuldiger Kommentar bezüglich der Dankbarkeit von Zibetkatzen und Ratten fiel auf unfruchtbaren Boden. Er segnete das Dorf, aber die Amulette gegen Wolfsmenschen wurden trotzdem nicht entfernt. An einer Eiche am Rande der Lichtung, wo die Opfergaben hinterlegt wurden, hingen reihenweise mit fleckigen Bändern und vertrockneten Blüten geschmückte Wolfsschädel.
»Sie behaupten«, sagte die hässliche Frau, »ihnen erscheine ein Engel, im Wald. Zunächst verbargen sie ihre Torheit, kicherten nur und vergossen deswegen Tränen. Dann beschuldigte sie unsere Schwester Resa, einem Bauernknaben nachzuspionieren, der in einem nahegelegenen Weiher bade. Dies leugneten sie und rückten stattdessen mit ihren Tollheiten heraus.«
»Ein Engel«, sagte Orro. »Wie eigenartig das doch ist. Wir glauben, dass die Reinen und Heiligen solche Wesen häufig zu Gesicht bekamen, jedoch immer nur in der Vergangenheit. Das Naheliegende ruft unser Misstrauen hervor. Und dennoch gehen wir davon aus, dass wegen Christus die Möglichkeit weiterer Wunder gegeben ist.«
»Ja, Vater«, sagte sie. Er spürte, dass sie nicht daran glaubte.
»Auf der anderen Seite«, fügte er hinzu, »ist Vorsicht geboten. Die Wahrheit behauptet sich gegen alle unsere Zweifel. Möchtet Ihr, dass ich mit Euren Novizinnen spreche?«
Sie meinte, dies sei ihr recht. Tatsächlich wusste sie nicht, was sie wollte, abgesehen davon, dass irgendjemand aus irgendeinem Grund getadelt werden möge.
Er vermutete, die beiden Mädchen seien entweder hübsch oder ebenso hässlich und unerwünscht wie die Oberin - Neid oder Enttäuschung mochten mit im Spiel sein, etwas in der Art. Es handelte sich jedoch um zwei ganz gewöhnliche gesunde Bauernmädchen, die man in den Orden abgeschoben hatte, um Gott gefällig zu sein, und nicht weil sie sonst keinen Mann gefunden hätten. Andererseits waren es gerade die Bauern, die dem Übernatürlichen leidenschaftlich zugetan waren. Es stellte sich heraus (sie sprachen freimütig darüber), dass die Engelserscheinung weitgehend den Kindheitsmythen entsprach. Der Engel war der Gott des Waldes, ein Wesen, das sie verehrten, dem sie Opfer darbrachten und das in Gestalt eines unschuldigen Knaben vor hundert Jahren alljährlich wiederum dem Wald geopfert worden war, um die Blutsbande zwischen den Bäumen und den Menschen zu erneuern.
»Es dämmerte«, sagte das jüngere Mädchen, das brünettes Haar hatte, eine ungewöhnliche Farbe, die seinem Dorf vielleicht nicht gefallen hatte, »und ich sollte Wasser holen. Ich fürchtete mich. Es ist nicht gut, nach Einbruch der Dunkelheit im Wald zu sein. Und ich wusste, dass ich den Reim, den mir meine Mama beigebracht hatte, nicht aufsagen durfte, sondern auf Christus vertrauen musste, darum betete ich. Und dann, als ich ins Wasser schaute, erblickte ich etwas Weißes und Leuchtendes. Ich sah genauer hin, und da war ein nackter Mann. Er hatte keinen Faden am Leib.« In ihrer Stimme lag weder lüsternes Interesse noch Hochmut. »Aber sein Haar war lang und schwarz wie der Wald bei Nacht, und er hatte schwarze Flügel. Deshalb kniete ich nieder, denn er war ein Engel. Ich schloss die Augen und überlegte, was ich tun sollte. Und als ich wieder hinsah, war er verschwunden.«
Das brünette Mädchen vertraute sich der anderen Novizin an. Am nächsten Abend beschlossen sie, gemeinsam in den Wald zu gehen. Und einige Tage später gingen sie wieder hin, da er sich nicht gleich wieder gezeigt hatte.
»Wieso habt ihr geglaubt, er werde sich wieder zeigen? Wenn er ein Engel war, dann wäre einmal doch bestimmt genug?«
Die Mädchen waren verwirrt. Orro fiel auf, dass sie sich an das Schema des Waldes hielten; auch der Wald war nach dem Prinzip der Wiederholung aufgebaut.
Und so war es denn auch, der Gott des Waldes kehrte zurück, und beide Mädchen sahen ihn. Die zweite Novizin meinte, sie habe keine Flügel gesehen, nur eine Art Schatten an seinem Rücken. Er habe jedoch geleuchtet wie der Mond.
Fortan erblickten sie die Erscheinung noch sechs- oder siebenmal, gewöhnlich am Abend oder bei Sonnenaufgang. Einmal jedoch, als das dunklere Mädchen frühmorgens hinausging, sah es etwas Helles unter den Kiefern hinter der Kapelle Vorbeigehen. Auch das sei der Engel gewesen.
Die Erscheinung versetzte die Mädchen in eine heitere, sich selbst beglückwünschende Hysterie. Als ihr Erlebnis bekannt wurde und Schwester Resa Einwände erhob, reagierten sie mit Überraschung und Entrüstung. Sie hatten genug junge Bauern gesehen, bekleidet und unbekleidet, um den Unterschied zu einem Engel zu erkennen.
»Und außer euch wurde keiner anderen Schwester das Vorrecht eingeräumt, den Engel zu sehen?«
Sie meinten, sie würden als einzige in den Wald geschickt.
Das mochte er glauben. Sie waren jung und gesund, und die übrigen Frauen kamen allmählich in die Jahre.
»Was meint ihr wohl«, fragte Orro, mit dem sich leicht reden ließ, »warum gerade euch ein solch göttlicher Anblick zuteilwurde?«
Darauf wussten sie keine Antwort. Eines ging jedoch aus ihren Gesichtern hervor: sie waren unverdorben, naiv und voller Glauben. Wenn Christus vor ihnen am Kreuz gehangen hätte, bedeckt mit blutigen Wunden, dann hätten sie keine Fragen gestellt, sondern sich lediglich verneigt. Die Oberin hingegen hätte eine Erklärung verlangt.
»Herr, ich flehe Dich an, erlöse mich vom Bösen und von der sündhaften Verschwendung meiner eigenen Unzulänglichkeit...«
Orro betete, wie es sich gehörte, auf schmerzenden Knien, die er nicht beachtete, in der Kapelle der Schwesternschaft. Der Putz an den Wänden war ebenso rissig wie ihre Hände. Gewiss, gewiss, man sollte das Fleisch missachten, aber wenn es schlecht behandelt wurde, dann protestierte es lautstark. Ein Quäntchen Freundlichkeit hielt das Fleisch ruhig. Wenn es durfte, verhielt es sich brav. Denn er hatte festgestellt, dass die Frömmsten und Gottesfürchtigsten beiderlei Geschlechts diejenigen waren, die gesund und glücklich waren. Der Lust konnte man entsagen, aber Kopfschmerzen und Frostbeulen - ach, die waren der eigentliche Teufel. Gott verlangte nicht immer ein Martyrium. Manchmal wünschte Er sich einfach nur Liebe.
Vor dem Altar im tiefen Wald erforschte Orro seinen Glauben an Gott. Er dachte: Ich werde hinausgehen und nachschauen. Ob ihr Dämon wohl auch vor einem Mann erscheinen wird?
Er glaubte an Dämonen - an solche des Geistes und solche der Erde. Alles war möglich, denn die Welt war feuchter Ton, den alle mächtigen Wesen noch immer zu formen vermochten.
Als er sein Gebet beendet hatte, stand er auf und massierte sich die schmerzenden Knie. Er hatte heilende Hände, und bald darauf trat er zur Tür hinaus und blickte sich um.
Die Sonne ging unter. Der Himmel war wie ein See schimmernder Wolken, warm und kühl, allmählich aufklarend, ohne Scheu vor der Nacht. Vögel spielten, und die Bäume schüttelten sich. Die Kiefern waren bereits schwarz umrandet.
Als er den Hof überquerte, sah er, wie die Kerzen angezündet wurden, und hörte die Schwesternschaft zum Abendgebet in der Kapelle eintreffen. Auch die beiden Novizinnen wären dort. Sie hatten Orro treuherzig den Weg beschrieben, so als solle er ein Stelldichein mit einem anerkannten Liebhaber beaufsichtigen - aber darum handelte es sich wirklich nicht.
Als Orro die Klostergebäude hinter sich ließ, beschlich ihn erwartungsgemäß eine böse Vorahnung. Ähnliches hatte er auch bei den Gespenstersuchen und Werwolf Untersuchungen der letzten Monate empfunden. Hoffentlich wusste Vre Esnias abwechslungsreiche Lektüre zu schätzen...
Das Dickicht des Waldes, das hinter der Kapelle und den Mauern begann, hatte sich inzwischen verfinstert. Schattenhafte Formen tauchten darin auf, beunruhigende Trugbilder. Die Nächte waren kalt und gemahnten die erwachenden Blätter und Knospen an den nächsten Winter. Ja, der Wald war Wiederholung.
Er gelangte im richtigen Augenblick zum Weiher, gerade als die Abenddämmerung zu einer riesigen blauen Kugel anschwoll. Der Tümpel war klar und wurde von einem Bächlein gespeist, das zu ihm hinunterplätscherte. Abgesehen von den Kräuselungen, die sein Erscheinen ausgelöst hatte, war das Wasser ein blauer Spiegel.
Orro wartete unter den Bäumen. Er empfand keine Angst, sondern verspürte nur bange Erwartung - das ja. Obwohl sich frühere Vorkommnisse als normalen Erklärungen zugänglich erwiesen oder als Einbildungen herausgestellt hatten, spürte er, dass er es hier mit etwas anderem zu tun hatte; irgendetwas war geschehen, geschah in diesem Moment.
Aus den Augenwinkeln nahm er ein Leuchten wahr. Anfangs hielt er es für einen letzten Rest schräg einfallenden Tageslichts. Dann bemerkte er seinen Irrtum, wandte langsam den Kopf, drehte sich um und sah es. Zwischen den Bäumen öffnete sich eine Gasse. An deren Ende, etwa dreißig Schritte von ihm entfernt, stand eine Gestalt vor dem schwarzen Vorhang des Waldes.
Diese Gestalt war anders als die gespenstischen Formen des ersten Zwielichts. Sie schimmerte wie Elfenbein und wirkte ebenso gegenständlich.
Orro blickte ihr standhaft entgegen und blinzelte gelegentlich, da ihm die Augen tränten, vielleicht vor Anspannung oder aus einem anderen Grund.
Nach und nach traten immer mehr Einzelheiten hervor. Das Kopfhaar des unbekleideten Jünglings war lang und schwarz und verschmolz mit der Dunkelheit des Waldes. Auch das Schamhaar war schwarz. Augen und Brauen schienen ebenfalls schwarz zu sein. Das Gesicht war rasiert. Die Gestalt war vollkommen ebenmäßig. Es war ausgeschlossen, dass es sich um eine gewöhnliche, erklärbare Erscheinung handelte.
Der Mann schritt durch die Gasse und näherte sich dem Weiher.
Orro wollte weglaufen. Es überraschte ihn ein wenig, wie sehr ihn die Situation in den Bann schlug.
Es gab kerne Flügel. Das war eine Täuschung gewesen, die wahrscheinlich mit dem schwarzen Haarschopf zu tun hatte... Der Priester fuhr zusammen, als er bemerkte, dass Fuß- und Handgelenke des Jünglings von blutenden Wunden umschlossen waren.
Der Gott des Waldes. Daran gab es keinen Zweifel. Der Gott der Waldreligion in seiner Rolle als Opfer. Alljährlich hatten sie ihn getötet, und dann, im Herbst, wurde er wiedergeboren, auserwählt, gesegnet, verehrt und den Bäumen und der Erde im Frühjahr zurückgegeben, zum Dank dafür, dass der Winter sich zurückgezogen hatte... Diese Praktiken waren jedoch nicht mehr gebräuchlich. Der Vre der Esnias hatte sich über einen Nachbarn beklagt, die Rabenburg der Korhlen, und gemeint, dort würden nach wie vor Frühjahrsopfer dargebracht, auch wenn sie mit einer neuen Kapelle, einem Priester und ihren Opfergaben an die Kirche von Khish protzten. Andererseits waren die mächtigen Korhlen den Esnias nicht sonderlich wohlgesonnen. Man tat nicht immer gut daran, sich auf einen solchen Köder zu stürzen. Außerdem wurden die heidnischen Riten häufig in kleinem Rahmen vollzogen oder mit den christlichen Ritualen vermengt. Wen anders erblickten denn die Bauern des Waldes am Holzkreuz als ihren alten Gott, das vollkommene, makellose Opferlamm, das voller Einverständnis starb, um sie von ihren Sünden und ihrem Kummer zu erlösen? Orro vermutete, dass das Opfer in Korhlen, wenn überhaupt, nur symbolisch vollzogen wurde. Es war nicht immer ratsam oder angebracht...
Der weiße und schwarze Jüngling ging an Orro vorbei.
Sein Leib, der tatsächlich makellos und wunderschön und der eines etwa neunzehnjährigen Mannes war, verströmte einen Duft, der an junge Blätter und frischgeschnittenes Gras erinnerte. In seinem Haar hatten sich Kiefernzapfen verfangen, ein schmucker Kranz.
Er hatte den Weiher erreicht und spiegelte sich darin.
Orro verspürte eine Beklemmung in der Brust, er fror, und die Augen tränten ihm. Es war wie eine Vision, jedoch nicht zu verwechseln mit etwas Heiligem. Es war profan, andererseits aber auch so vollkommen rein, dass er sich nicht dagegen zu wehren vermochte.
Er ertappte sich bei dem Gedanken, das Wesen müsse sich jeden Moment verflüchtigen. Doch das geschah nicht. Der Gott des Waldes ging im Weiher umher und geriet in das Zwielicht unter den Bäumen am anderen Ufer. Das Licht erlosch allmählich, und die Nacht und der Wald ließen ihn verschwinden.
Folglich wäre es vernünftig gewesen, wenn er sich gesagt hätte: Das ist ein fragwürdiger Scherz, den die Leute mit uns treiben. Aber das sagte Orro nicht bei seiner Rückkehr in die Doma, weder im Stillen noch laut.
Die hässliche Frau kam herein und nahm mit verschränkten Händen vor ihm Platz. Er kam ihren Fragen sogleich zuvor: »Eure beiden Novizinnen trifft so gut wie keine Schuld. Ihr mögt ihnen eine leichte Buße wegen Halsstarrigkeit auferlegen, aber sie sind noch sehr jung. Sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Ich bin sicher, Ihr nehmt mein Urteil mit Freuden auf, Schwester.« Das tat sie keineswegs, obwohl sie in geziertem Tonfall Gegenteiliges behauptete. Wahrscheinlich würde sie an den Vre Esnias schreiben und sich beklagen, dass Orro ein sentimentaler Trottel sei, der sich von der Jugend erweichen ließ, während er sich von der Pflicht hätte leiten lassen sollen. Er bezweifelte, dass Esnias ihrem Brief große Beachtung schenken würde. »Was das Wesen betrifft, das sie gesehen haben, so kann ich ihre Beobachtungen nur bestätigen, ja, aber ich halte es für nichts Dämonisches. Es erfordert jedoch eine Untersuchung und macht gewisse Einschränkungen notwendig. Bitte schickt weder Eure Schwestern noch die Novizinnen frühmorgens, bei Sonnenuntergang oder nachts Wasser holen.«
Sie meinte, sie werde seinen Rat beherzigen. Jetzt hatte sie die Neugier gepackt. Sie wusste, sie musste demütig und vorsichtig sein, bemühte sich aber sehr, ihm weitere Einzelheiten zu entlocken. Orro befriedigte ihre Neugier nicht. Entsagung war sie gewohnt, die arme Frau. Er entspannte sich erst, als sie gegangen war.
»Ihr braucht keine Angst zu haben. Unser aller Schicksal liegt in Gottes Hand.«
Sie blickten ihn unschlüssig an. Es war lächerlich, solche Worte zu sagen, und dennoch blieb ihm keine andere Wahl, wenn er sie ansprechen wollte. Sie hatten eine Vorstellung von religiösen Begriffen. Sie ließen sich davon trösten, während sie gleichzeitig ihren Versprechungen misstrauten.
»Bringt eure gewöhnlichen Waffen mit«, sagte Orro. »Ich glaube, ihr werdet keinen besonderen Schutz brauchen.«
Nach langem Zögern sagte einer: »Aber das geht schon immer so, Vater. Und dann hört es wieder auf.«
»Seit Urgroßvaters Zeiten«, sagte ein anderer.
»Noch länger«, meinte ein dritter.
Orro hatte bereits ihren Reden und halblauten Bemerkungen entnommen, dass es in dieser und in umliegenden Gegenden des Waldes seit hundert Jahren üblich war, dem Wolfsmenschen zu opfern. Das mochte durchaus sein. Heidnische Rituale waren damals weitverbreitet gewesen, und der christliche Glaube war eine Kraft, die als schmales Rinnsal zwischen den Bäumen hindurchrauschte.
»Weil etwas schon lange Zeit üblich ist«, sagte Orro, »ist es noch lange nicht richtig. Wenn ihr gefehlt habt, dann lasst uns euren Irrtum wiedergutmachen.«
Sie murrten, aber er stand vor ihnen als leibhaftiger Stellvertreter Christi. Wäre der Wolf zugegen gewesen und hätte zu ihnen gesprochen, wäre es anders gelaufen. Was wäre, wenn der Wolf tatsächlich sprechen könnte? Nein. Es war unwahrscheinlich, dass der Wolf dazu in der Lage war.
Orro hatte die Mosaiksteine der Fakten sorgsam geordnet. Im Wald bekam man einiges zu hören. Kinder wurden von ihren Eltern, die sie nicht ernähren konnten, zum Sterben ausgesetzt, wurden von wilden Tieren adoptiert und wuchsen ohne das Erbe der Menschheit zu seltsamen Fuchs- und Wolfswesen heran.
Die Gerüchte vom Wolfsmenschen und der nackte Jüngling, den er gesehen hatte, passten nicht ganz zusammen, obwohl sie sich ergänzten. Aufgrund eines mysteriösen und unbewussten Prozesses, der ihm in der Vergangenheit ein paarmal geholfen hatte, war Orro zu der Überzeugung gelangt, dass der Gott des Waldes in irgendeiner Form ein Symbol war für die Seele dessen, was bei seinen früheren Besuchen durch die Dörfer und die Phantasie ihrer Bewohner gegeistert war, nämlich der leibhaftige Werwolf-Gott, dem die Opfer dargebracht wurden.
Orros Wiederauftauchen und sein Begehren erfüllten die Dorfbewohner mit Unbehagen. Beim letzten Mal hatte sie seine Einmischung verdrossen. Jetzt wollte er, dass sie mit ihm loszogen, den Wolf suchten und jagten. Er beharrte darauf, dass der Wolf nach menschlichem Ermessen nichts Übernatürliches an sich habe. Sie konnten ihm nicht widersprechen. Orro repräsentierte Christus und die Burg Esnias.
Sie kamen an der Eiche mit dem Schmuck aus Wolfsschädeln vorbei. Es war Mittag, der Kiefernwald war hell- und dunkelgrün und sonnendurchflutet, es war ein warmer und vielversprechender Tag. Die Erlen am Bach waren mit smaragdgrünen Perlen behängt, und die jungen Birken, die sich dort eingeschlichen hatten, waren mit Federn geschmückt, die heller waren als Apfelschale.
Die Bäume traten auseinander, und vor ihnen lag die Lichtung mit dem gefällten Baum und den (neuen) Opfergaben, über die sich bereits die Vögel hergemacht hatten. Bei ihrem Erscheinen erhob sich ein Schwarm von Finken mit Brocken in den Schnäbeln.
Sie standen verlegen herum, die Männer mit ihren primitiven Speeren und Messern und Orro mit seinem Kruzifix und dem Priestergewand, und blickten hierhin und dorthin. Speiste der Wolf wirklich hier am Baumstumpf? Orro trat vor und untersuchte die Stelle gründlicher als zuvor. An der Seite des Opfertisches waren lange Kratzer, die er für natürliche Risse der verwitterten Rinde gehalten hatte... Auf der anderen Seite der Lichtung lag etwas Mattrotes im Farn. Orro ging, um nachzusehen, und entdeckte ein Kaninchenfell, das wie ein Geldbeutel weit aufgerissen war und aus dem man das fleischliche Geld hervorgeholt hatte. Der ausgeweidete Balg kam ihm wie ein Zeichen vor. Worauf hatte er sich da bloß eingelassen? Orro versuchte die Ruhe zu bewahren. Ihm blieb keine andere Wahl. Hier ging es nicht um Gefühle, sondern um Überzeugungen.
Orro winkte einen der Männer zu sich. Er war ein Jäger aus dem Dorf, angeblich dazu in der Lage, einem Tier bis zu seinem Bau zu folgen - sie hatten mit den Wildschweinen geprahlt, die er für sie aufgespürt hatte. Jetzt wirkte er scheu und störrisch.
Sie wechselten kein einziges Wort. Er wusste, was der Geistliche von ihm wollte, und drängte sich durchs Gebüsch am Rand der Lichtung. Seine beiden Hunde hatte er nicht mitgebracht.
Orro, der dem Mann nicht ganz traute, hatte bereits damit begonnen, im Farn und im Unterholz nach Spuren Ausschau zu halten. Plötzlich erblickte er eine Fährte, die so gut zu erkennen war, als hätte man eine Schneise durchs Unterholz geschlagen. Allerdings war das Wesen, das sie verfolgten, auch kein richtiges Tier.
Die Kiefern verfinsterten sich und rückten näher zusammen, der Tag wurde zur Nacht. Das grüne Zwielicht war von einzelnen Sonnenstrahlen durchbrochen.
Als der Jäger Ausflüchte vorzubringen begann, wusste Orro, dass sie in der Nähe des Wolfsbaus angelangt waren.
Orro hatte keine Angst vor Wölfen. Es war Frühling, und Wild war im Überfluss vorhanden. Gefährlich waren sie nur im Winter oder wenn sie vom Wahnsinn gepackt wurden, was auch für die Menschen galt.
Orro winkte den Jäger zurück. »Bleib hier stehen. Ich gehe allein.«
»Aber Vater, die Fährte ist hier verwischt...«
»Nein, sie ist so deutlich, dass selbst ich sie sehe. Du bleibst bei den anderen. Seid vorsichtig. Ihr dürft nicht weglaufen. Aber ihr braucht nicht mitzugehen.«
Sie blieben murrend zurück. Sie wirkten wie aus Holz geschnitzt; bemooste Gestalten, in deren Augen Reflexe der Sonne aufblitzten. Sie rührten sich nicht.
Orro drang weiter ins Gehölz vor. Die Bäume traten hinter ihm zusammen, bis die Holzfiguren verschwunden waren. Der Boden stieg zu einer Hügelkuppe an, wo nackter Fels zutage trat. Abgesehen von einer Stelle war er dicht mit Efeu überwachsen, das seit Jahren nicht mehr gestört worden war. Der Eingang in den Felsen war dunkel. Eine besondere Kühle und Stille lag auf diesem Ort, schloss ihn ein. Irgendwo zwitscherte ein Vogel, wie hinter einer Mauer.
Der Priester kletterte zur Höhle hinauf und entdeckte zwischen den Baumwurzeln einen Knochen. Es war kein menschlicher Knochen, anscheinend stammte er von einem Hasen. In der Nähe der Höhle roch es nach Wolf, jedoch nicht sonderlich stark. Ansonsten war da nur der Geruch des Waldes, seiner Knospen und Säfte. Orro hatte erwartet, dass es nach Mensch röche.
»Gott möge mir beistehen und mir Seinen Schutz gewähren. Ich bin nicht allein. Selbst inmitten von Widersachern bist Du bei mir, wenn ich nur an Dich glaube.«
Seine Worte waren ein Raunen, so leise wie das Rascheln der Kiefern, die sich aneinander rieben, und Orro kletterte das letzte Stück und blickte in den Eingang der Höhle.
Es waren keine Wölfe darin, seit vielen Jahren hatten auch keine mehr in der Höhle gehaust. Aufgrund der langen Benutzung und der verbliebenen Aas-Reste hatten sich ihr Geruch und ihre Aura jedoch erhalten.
Das Wesen, das wie eine Schlange zusammengerollt auf dem Höhlenboden schlief, war ein verwirrendes, furchterregendes Muster aus Dunkelheit und Blässe.
Orros altersschwaches Herz hämmerte protestierend in der Brust.
Als hallte das Geräusch im Höhleninnern wider, regte sich das Wesen.
In dem Gewirr aus Schwärze und Blässe drehte sich der schlangengleiche Hals. Eine Maske wurde emporgehoben.
Aus einem schwarzen Wust von Haar und Bart stieg wie eine Erscheinung des Waldes, des Dickichts der Farne und des Dornengestrüpps das bleiche Gesicht eines Mannes in die Luft, so körperlos, schwebend wie ein Mond, und die schwarzen Augen blickten Orro direkt an. Es waren nicht die Augen eines Wolfs oder eines Wolfsmenschen. Sie waren durchdrungen von einer unerbittlichen Intelligenz. Und diese und nicht das Erschrecken über den Wolf oder Halbwolf war es, das Orro den Priester zurückweichen ließ. Er entfernte sich etwa zehn Schritte weit von der Höhlenmündung, und dort hörte er sich wie in Trance leise und ruhig, besänftigend und einschmeichelnd sagen: »Komm heraus, komm jetzt heraus. Ich werde dir nichts tun, und du darfst mir nichts tun. Gott ist mit dir, Bruder. Komm heraus.« Er hatte sich so intensiv darauf vorbereitet, was er sagen durfte, ohne den Fremden zu erschrecken oder zu reizen, dass die Worte jetzt nur so aus ihm hervorsprudelten. Orros Wille hatte ihn ruhig gemacht, hatte ihn bewogen, stehenzubleiben und das Erscheinen des Wesens aus dem Wolfsbau abzuwarten. Orro selbst war hilflos. Innerlich betete er zu Gott, Er möge ihm zu verstehen helfen, und das Herz pochte ihm in der Brust.
Dann, vielleicht weil es auf seine Stimme reagierte oder einfach nur deshalb, weil der Zeitpunkt zum Aufbruch gekommen war, kam das Wesen, das er gerufen hatte, aus der Höhle hervor.
Es kam als Wolf heraus. Auf allen vieren. Orro hatte davon gehört, dass Arme und Beine in einem solchen Fall deformiert und als Folge der Anpassung an die Fortbewegungsweise eines Tieres verwachsen sein konnten. Doch dann richtete sich der Wolf auf, und vor ihm stand ein Mann. Er wies keinerlei Missbildungen auf.
Der Anblick, der sich Orro bot, war jedoch seltsam genug. So wie das Efeu den Felsen umhüllte, umhüllte das lange Haar das Menschenwesen; es war ein Umhang, und durch das Gewebe hindurch sah Orro die nackte, schlanke Blässe des Körpers und die Knochen des Gesichts. Vor ihm, in seinem Umhang aus Haar, stand der junge Waldgott, das Wesen, das er am Weiher bei der Doma beobachtet hatte. Orro hatte gewusst, dass es so sein würde.
Er hatte gebetet in blindem Vertrauen auf Gott. Manchmal war es nicht ratsam, Theorien aufzustellen, Fragen zu stellen oder allzu viel zu verstehen. Häufig war Glaube der Schlüssel, nicht das Begreifen.
Der junge Gott des Waldes balancierte auf der Böschung und blickte auf ihn herunter.
Orro sagte: »Möchtest du mit mir sprechen? Kannst du überhaupt sprechen, Gott sei dir gnädig?«
Vorübergehend kam das Wolfsgesicht wieder zum Vorschein, und dann schien das Gesichtshaar abzufallen, und Orro erblickte das rasierte Gesicht, das er in jenem anderen Zwielicht schon einmal gesehen hatte. Es mochte an einem vorbeiziehenden Schatten liegen, denn es wehte ein schwacher Wind, und die Sonnenflecken wanderten über den Waldboden und kehrten wieder zurück.
»Ich kann sprechen«, sagte der Wolf oder der Gott, oder der neunzehnjährige Jüngling auf der Böschung. »Was soll ich sagen?«
Orro stand wie versteinert da. Er konnte sich weder bewegen noch sprechen.
»Soll ich dir erzählen, wie ich jage? Wie ich schwarze Hasen fange, ihnen das Rückgrat breche und mich an ihrem roten Fleisch labe? Oder soll ich dir von den Hermelinen im Schnee erzählen? Von den Bächen, aus denen ich trinke und deren Wasser so klar ist wie die Edelsteine der Händler, welche die Frauen in den Dörfern tragen? Oder von den gepanzerten Männern, die hier herumreiten? Oder von den Männern, die Bäume fällen, von den Bäumen, die sie mit Puppen und Schädeln behängen? Oder von denen, die dir gleichen und die einen Baum mit einem quergestellten Ast verehren?«