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"Der große Krieg in Deutschland", eines der umfangreichsten Prosawerke Ricarda Huchs, erschien in den nun wieder vorliegenden drei Bänden zwischen 1912 und 1914 im Leipziger Insel-Verlag. Als "Der Dreißigjährige Krieg" wurde es ab 1929 in stark gestraffter Fassung erneut aufgelegt. Auf über 1000 Seiten der drei "neuen" Bände handelt Huch rund sieben Jahrzehnte vor und während des Dreißigjährigen Krieges ab. Dieser zweite Band "Der Ausbruch des Feuers" beleuchtet die Zeit zwischen 1620 und 1632 im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Die Handlung endet mit der Schlacht bei Lützen, in der Gustav Adolf fällt, und der Ahnung, dass auch Wallensteins Stern "nach einer Weile unordentlichen Flimmerns taumeln und gänzlich erlöschen wird."
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Seitenzahl: 663
Veröffentlichungsjahr: 2025
Der große Krieg in Deutschland
Band 2: Der Ausbruch des Feuers (1620 – 1632)
RICARDA HUCH
Der große Krieg in Deutschland 2, Ricarda Huch
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783988681959
Quelle: https://archive.org/details/dergrossekriegin01huch/page/n7/mode/2up
www.jazzybee-verlag.de
I1
II8
III15
IV.. 21
V.. 25
VI29
VII35
VIII41
IX.. 48
X.. 51
XI55
XII57
XIII64
XIV.. 69
XV.. 72
XVI79
XVII82
XVIII88
XIX.. 97
XX.. 99
XXI103
XXII106
XXIII110
XXIV.. 113
XXV.. 121
XXVI126
XXVII129
XXVIII137
XXIX.. 141
XXX.. 143
XXXI145
XXXII153
XXXIII157
XXXIV.. 160
XXXV.. 164
XXXVI166
XXXVII169
XXXVIII173
XXXIX.. 176
XL.. 177
XLI179
XLII183
XLIII189
XLIV.. 195
XLV.. 200
XLVI205
XLVII207
XLVIII210
XLIX.. 213
L.. 218
LI222
LII224
LIII228
LIV.. 234
LV.. 236
LVI238
LVII242
LVIII245
LIX.. 247
LX.. 251
LXI254
LXII258
LXIII263
LXIV.. 266
LXV.. 271
LXVI275
LXVII278
LXVIII283
LXIX.. 285
LXX.. 290
LXXI294
LXXII296
LXXIII300
LXXIV.. 302
LXXV.. 306
LXXVI308
LXXVII311
LXXVIII314
LXXIX.. 320
LXXX.. 327
LXXXI330
LXXXII336
LXXXIII340
LXXXIV.. 343
LXXXV.. 345
LXXXVI347
LXXXVII350
LXXXVIII356
LXXXIX.. 360
XC.. 362
XCI364
XCII367
Es war Ende Januar, als die Reisekutsche des flüchtigen Königs von Böhmen, so schnell wie möglich durch die schlammige Straße stolpernd, in Wolfenbüttel einfuhr. Seit zwei Tagen fiel dünner, gleichmäßiger Regen, der den Schnee weggeschwemmt hatte, nur im Schutze weit übergreifender Dächer lagerte hier und da noch ein übriggebliebener, verschmutzter Haufen. Die leeren Gassen glichen Röhren oder Schläuchen, durch die Wasser lief; nur dass sie je länger, desto schmutziger wurden. Im Schloss saß die Herzogin Anna Sophie am Fenster und sah ein paar großen alten Schweinen zu, die mit ihren Rüsseln in Dreck und Abfällen wühlten, und ihr unregelmäßiges, kluges Gesicht verzog sich zu einem schadenfrohen Lächeln, als die anfahrenden Pferde vor den grunzenden Bestien, die ihnen zwischen die Beine liefen, scheuten und dadurch den Wagen des Böhmenkönigs beinahe zu Falle brachten. Als die Schwester Georg Wilhelms, des nunmehrigen Kurfürsten von Brandenburg, der eine Schwester Friedrichs von der Pfalz zur Frau hatte, war sie mit diesem verschwägert, während ihr Mann ein Vetter der Elisabeth war, da sie beide von dänischen Prinzessinnen, Schwestern des Königs von Dänemark, abstammten. Auf diese nahen verwandtschaftlichen Beziehungen gründete Friedrich die Hoffnung auf Beistand und war sehr enttäuscht, den Herzog nicht daheim zu finden; denn er wusste, dass Friedrich Ulrich, der etwas schwachsinnig war, sich leicht beeinflussen ließ; zu seiner Schwägerin, der Herzogin, dagegen hatte er kein Zutrauen. Der Herzog komme erst in drei Tagen wieder, sagte sie, indem sie die schmutzigen Fußspuren betrachtete, die ihr Gast beim Eintreten hinterließ; wenn er ihn erwarten wolle, müsse er inzwischen mit ihr vorliebnehmen. Ob die Herzoginmutter auch nicht da sei? fragte Friedrich.
Nein, Gott sei Dank, die alte Scharteke traue sich nicht her, wenn sie allein da sei, antwortete Anna Sophie, sie möchte es ihr mich nicht raten. Sie langweile sich zwar toll und voll, das sei aber doch besser, als ein böses Luder um sich zu haben.
Ob sie denn so böse sei? fragte Friedrich neugierig. Das habe er nicht gewusst. Ihre Schwester, die verstorbene Königin von England, sei zwar ein grobes Vieh gewesen, habe ihre Tochter Elisabeth, seine Frau, misshandelt und sich öffentlich über ihren Mann, den König, lustig gemacht.
Sie werde gewusst haben warum, sagte die Herzogin, kurz auflachend, der sei auch ein Trottel wie ihrer. Den habe jetzt seine eigne Mutter von der Regierung bringen wollen, um ihren Liebling, den Christian, in den sie vernarrt sei, ins Nest zu setzen. Da wären ihrem Mann endlich die Augen über seine Mutter aufgegangen, jetzt dürfe sie sich eine Zeitlang nicht in Wolfenbüttel blicken lassen.
Er habe in Berlin davon munkeln hören, es aber nicht glauben wollen, sagte Friedrich; ob denn Christian damit einverstanden gewesen sei?
Freilich, sagte die Herzogin, der spiele immer mit seiner Mutier unter einer Decke, solange es gegen seinen Bruder gehe. In Wolfenbüttel wäre er zwar koch nicht geblieben, da sei es ihm viel zu langweilig, ihm sei es nur um das Geld zu tun. Die Domherren von Halberstadt wären scharf, ließen ihn nicht nach Belieben stehlen und rauben, darum habe er immer Händel mit ihnen. Mit den hiesigen Räten habe er geglaubt sich kesser zu verstehen, das sei auch eine Diebsbande; aber denen seien Trottel wie ihr Mann viel lieber, und Christian habe schimpflich abziehen müssen.
Was denn Christian vorhabe? fragte Friedrich, wozu er so viel Geld brauche? Nun, sagte die Herzogin boshaft, das werde er, Friedrich, wohl am besten wissen. Christian wolle ein Kriegsheld sein, habe sich ja schon vor zwei Jahren von den Böhmen wollen anwerben lassen, es sei aber nichts geworden, sie hätten wohl Wind bekommen, was für ein Käseritter das sei, er verstehe ja nichts vom Kriegswesen. Letzthin habe er Sold von den Generalstaaten genommen, sei auch mit unten in der Pfalz gewesen, aber unverrichteter Sache wiedergekommen. Wenn sie seine Mutter wäre, würde sie ihn gehörig aushauen und dann in die Ecke stellen. Weil er als Knabe von Vater und Mutter nicht ordentlich mit der Rute gestrichen sei, hole er sich jetzt seine Schläge draußen, werde wohl einmal genug bekommen.
Sie hatte sich erhitzt, und ihre Augen funkelten feindselig, umso mehr, als sie bemerkte, dass es Friedrich belustigte. Seine Mutter habe doch Geld genug, sagte er; warum sie ihn eigentlich nach Wolfenbüttel habe rufen wollen?
Damit der lieben Justiz aufgeholfen werde, sagte die Herzogin höhnisch, als ob es in Halberstadt anders zugehe als in Wolfenbüttel. Sie gäben eben alle schlechtes Geld aus und leerten hernach den Leuten die vollen Taschen unter dem Vorwande, dass es verbotene Münze sei. Der wahre Grund sei, dass sie in ihn vernarrt sei und gedacht habe, er werde als regierender Herzog vom Kriegswesen lassen. Sie wollte ihn bei sich im Lande behalten und beten lassen, darum rücke sie kein Geld heraus. Er solle nur nicht etwa glauben, wendete sie sich mit schadenfrohem Lachen zu Friedrich, dass er etwas von ihr erlange, sie halte es mit dem Kaiser wie ihr verstorbener Mann.
Gott sei's geklagt, sagte Friedrich, seit er im Unglück sei, wolle alles kaiserlich sein, Unglück und Armut gelte nicht als vornehm. Der Herzog habe sich doch früher so redlich gegen ihn erklärt, habe von der spanischen Tyrannei nichts wissen wollen, er habe ihn für einen guten protestantischen deutschen Fürsten gehalten.
Nun, sagte die Herzogin spitz, wenn er nur diejenigen für rechte deutsche Fürsten halten wolle, die sich zu ihm gegen den Kaiser schlügen, so sehe es windig im Reich aus. Friedrich solle sich nicht so viel einbilden; der Satan habe ihn geritten, dass er sich mit den lausigen Böhmen eingelassen habe, nun liege er im Dreck. Sollten sich andere dazustellen, dass sie auch noch einen Schmutzkübel über den Kopf bekämen? Der Denkzettel bekomme ihm wohl, er solle sich wieder sauber machen, dann werde man es ihm nicht nachtragen.
Die Herzogin unterhielt ein Liebesverhältnis mit dem Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg, der damals unter dem Kaiser diente, und vertrat deshalb mit besonderem Nachdruck diese Partei. Ihr Bruder, der Kurfürst von Brandenburg, fuhr sie fort, habe ihn auch weitergeschickt und habe recht gehabt. Ob er etwa geglaubt habe, ihr Mann sei ein Simson oder Herkules? Ihr Mann gehöre zu den Hunden, die jedem nachliefen, der ihnen den Wurstzipfel zeige. Im vorigen Jahr wären die kaiserlichen Gesandten bei ihm gewesen und hätten ihm nicht einmal lange zusprechen müssen. Friedrich werde sehen, wie gut er sein Sprüchlein von der Reichstreue und dem lieben Frieden aufsagen könne. Sie freue sich nur wegen der großmäuligen Pfaffen, die immer dreinreden wollten.
In der Tat begrüßte zwar Friedrich Ulrich seinen flüchtigen Vetter freundlich, fing aber sogleich von der notwendigen Neutralität zu sprechen an, und dass Friedrich darauf sehen müsse, seinen Frieden mit dem Kaiser zu machen. Der Kaiser habe eine Gesandtschaft an ihn abgelassen, vornehme und ehrbare Leute, die hätten auf Ehrenwort versichert, dass es in der böhmischen Sache nicht um die Religion gehe, es sei nur Krawall und Rebellion gewesen, wie es dort unten im Schwange sei, und woran des Kaisers allzu große Klemenz schuld sei, die die Leute übermütig mache. Nachdem es so sei, hätte sich Friedrich in eine so verfängliche Sache nicht einlassen sollen; warum er es eigentlich auch getan hätte? Er habe oft darüber nachgedacht, könne es aber durchaus nicht begreifen. Die Pfalz ernähre ihn doch fürstlich und reichlich, der Teufel müsste seinen Schwanz darin gehabt haben, anders könne er es sich nicht einbilden, oder er hätte schlechte Räte. Er solle nun förmlich auf Böhmen verzichten und froh sein, dass er so davonkomme, die Hussiten schienen ja gefährlicher zu sein als Spanier und Türken.
Friedrich wurde mit jeder Stunde, die er sich in Wolfenbüttel aufhielt, niedergeschlagener, er hatte nicht für möglich gehalten, dass man ihn so verlassen könne, und wusste sich nicht hineinzufinden. Wohin er kam, sagte man ihm, sein reicher, mächtiger Schwiegervater sei der nächste, etwas für ihn zu tun, wenn der sich weigere, müsste wohl etwas Unrichtiges an der Sache sein. Es war ihm unleidlich, die guten Lehren und klugen Reden anhören zu müssen, wie töricht er gehandelt und dass er sich sein Unglück selbst zuzuschreiben hätte, und er fühlte eine brennende Ungeduld, wieder in eine gebührende Stellung zu kommen, wo er anerkannt und gefeiert würde. Doch hörte er mit gefälliger Miene zu und versprach dem Herzog, dass er auf Böhmen verzichten wolle, woran ihm nichts liege; aber dem Kaiser sei es darum gar nicht zu tun, sondern er reiße seine Erblande an sich, auf die er dock keinerlei Recht habe.
Das könne er sich doch nicht denken, dass der Kaiser sich an der Pfalz vergreifen werde, sagte Friedrich Ulrich; sowie Friedrich sich gehorsam erweise, werde alles ins Reine kommen.
Inzwischen habe Spinola schon die ganze Unterpfalz eingenommen, sagte Friedrich, und die Spanier pflegten nicht loszulassen, was sie einmal in den Zähnen hätten.
Ja, die Spanier könne er auch nicht leiden, sagte Friedrich Ulrich; aber das sei gewiss nur provisorisch.
Ob denn die Acht schon verhängt sei? fragte die Herzogin lächelnd.
Es scheine nicht mehr weit davon zu sein, sagte Friedrich; aber das habe ja nichts auf sich. Das sei gar keine rechtmäßige Acht, die könne der Kaiser ohne die Kurfürsten nicht über ihn verhängen.
Es sei aber doch eine kitzlige, sehr kitzlige Sache, sagte Friedrich Ulrich ängstlich; wenn er nur nicht auch noch in so etwas hinein patschte. Sein Bruder Christian sei gar zu waghalsig, unversehens werde er den Kopf in der Schlinge haben.
Nun, sagte Friedrich beschwichtigend, das gäbe dem Kaiser noch kein Recht gegen ihn, und Christian sei sein jüngerer Bruder, den werde er doch regieren können.
Ach Gott, klagte Friedrich Ulrich, er habe doch auch ein Gewissen und sei lutherisch, und seine Pfaffen hielten ihm vor, der Kaiser wolle ganz Deutschland mitsamt dem niedersächsischen Kreis dem römischen Antichrist in den Rachen jagen, auch alle norddeutschen Stifter an sich ziehen, und wenn das wahr wäre, könne er doch nicht ruhig zusehen. Und was Christian anbelange, so könne er einmal nicht ruhig sitzen, der von Marenholz sei schuld daran, seine Mutter habe es auch gesagt, Christian sei als Kind gut und fromm gewesen, habe ihm immer dem schuldigen Respekt bewiesen, aber der von Marenholz reize ihn zu allem Bösen, habe sogar einen Advokaten bei sich und werde Christian gewiss zuletzt noch dem Teufel verpfänden.
Wer ihn dem Teufel verpfändet habe, sagte die Herzogin hämisch, sei seine Mutter, indem sie ihn so gottlos verhätschelt habe. Es mache einem fast Bauchweh, das abgöttische Wesen der beiden mit anzusehen, die Früchte davon schmeckten dann freilich sauer und bitter.
Als Friedrich seine Reise nach den Niederlanden fortgesetzt hatte, erschien am Wolfenbüttler Hofe Christian Wilhelm, de rAdministrator von Magdeburg, Vetter der Herzogin und Schwager des Herzogs, mit dessen Schwester er verheiratet war, in Sorgen, ob etwa Friedrich Ulrich sich auf die Seite des flüchtigen Böhmenkönigs habe ziehen lassen. Der Pfälzer, sagte er, soll seine Suppe allein ausessen, er, Christian Wilhelm, halte den Kaiser für den wahren Hort des Reiches, und der Teufel solle ihn holen, wenn er je vom Kaiser abfiele. Der Hof in Dresden habe kürzlich schön gepredigt, dass die Fürsten um den Kaiser stehen sollten wie die Erzengel vor dem Thron Gottes, die Tränen wären ihm darüber aus den Augen gelaufen, und er habe sich daraus abgezogen, dass der Pfälzer dem Luzifer zu vergleichen sei und billigerweise in den Abgrund fahre. Er hoffe nur, Christian von Halberstadt, des Herzogs Bruder, werde sich beizeiten von seinen rebellischen Umtrieben abwenden lassen, dass er den Herzog nicht noch mit ins Verderben reiße.
Friedrich Ulrich war erschrocken und gerührt, als er seines Schwagers Augen in feuchter Begeisterung glänzen sah; aber seine Frau sagte trocken, ihr komme es so vor, als sei Christians Treiben Christian Wilhelm nicht einmal so unlieb, denn er habe ja längst ein Auge auf das Bistum Halberstadt und meine vielleicht, er könne es erschnappen, wenn Christian es verwirke.
Der Administrator errötete und sagte, er hätte nie gedacht, dass verwandte Häuser eine solche Meinung von ihm hegten. Za, damals, als der Bischofsstuhl erledigt gewesen sei, habe er sich darum beworben, weil es sich so gut zum Bistum Magdeburg geschickt hätte, und er glaube sagen zu dürfen, das; er tauglicher dafür gewesen wäre als der Hansdampf und Strudelkopf Christian. Er sei aber freundvetterlich zurückgetreten, als Christians Mutter das Bistum für ihren Sohn ersteigert hätte, der Schaden sei ja auch für das Bistum größer als für ihn gewesen. Ob sie sich nicht denken könnten, dass das Turnieren mit den präpotenten Domherren und einer geschwollenen Stadt mehr eine Tragödie als eine Komödie für einen Fürsten sei?
Darum sei ihm wohl ein gewisses mächtiges Kurfürstentum lieber, sagte die Herzogin, ihn dreist anlächelnd. In Berlin bei ihrem Bruder gehe die Rede, der Kaiser habe ihm Brandenburg samt dem Kurhut versprochen für den Fall, dass der Kurfürst abtrünnig werde und sich die Acht auf den Hals ziehe.
Nein, das gehe zu weit, rief der Administrator, womit er so etwas von verwandten Häusern verdient habe! Ob er seinem Petter, dem Kurfürsten, seine Treue und Liebe nicht hundertfach bezeugt habe! Wenn einige von des Kaisers Dienern aus allzu ungestümer Ergebenheit gegen das Reichsoberhaupt ihm solche Anträge gemacht hätten, so sei das nicht seine Schuld, er sei nicht darauf eingegangen, habe sie nicht einmal verstehen wollen. Das sei der Lohn seiner Redlichkeit, schluchzte er, er gehe von Hof zu Hof, um alle zur Treue gegen den Kaiser zu ermuntern; aber die Lästerzungen könnten nicht ruhen, er sehe nun wohl, dass man Falschheit und Hinterlist gebrauchen müsse, um wohl angesehen zu sein.
Ja, sagte Friedrich Ulrich, das sei doch auch ein wunderliches Gerede, er verstehe gar nichts davon, man könne doch Fürstentümer nicht verbandeln und ausbieten wie alte Hüte. Christian Wilhelm solle nur die Augen trocknen, er halte ihn für einen frommen, unschuldigen Fürsten, der es gewiss nicht böse gemeint habe. Er solle doch nun auch seinem Bruder Christian das Gewissen rühren, damit er der kaiserlichen Majestät seine Pflicht erweise.
An den sei schon genug herangeschwatzt, sagte die Herzogin. Besser wäre es, die Generalstaaten ordentlich aufs Maul zu schlagen; denn ein Pfeifen von den Banditen mache ihn besser tanzen als eine Predigt von ehrlichen Leuten.
Mit diesen Worten hatte die Herzogin ein ergiebiges Fach im Bewusstsein ihres Mannes berührt, und er brach in laute Klagen über die Generalstaaten und die Hansestädte aus, die an allem Unglück auf Erden schuld und gottverfluchte Rebellen und Schweizer wären, sich gegen die Fürsten verschworen hätten und sie auch gewiss allesamt umbringen würden, wenn Gott sie nicht beschützte. Das habe sein hochseliger Vater auch gesagt, es habe ihn aber niemand hören wollen, und sie würden es noch bereuen. Es sei jedermann bekannt, was für uralte, unzweifelhafte Rechte er an die Stadt Braunschweig habe, und er würde die Widerspenstige leicht bezwungen haben, wenn die Generalstaaten und die Hansestädte ihr nicht zuhielten. Er müsse sich nur wundert, dass Gott so lange Geduld mit solchen Frevlern habe und sie nicht längst wie Sodom und Gomorra mit Schwefel begossen und von der Erde vertilgt habe.
Ja, sagte Christian Wilhelm gedankenvoll, sein Schwager habe recht, es gehe je länger je mehr gräulich auf Erden zu, und was für Gründe Gott habe, so lange mit der Strafe zuzuwarten, könne er sich auch nicht einbilden. Er sei jetzt am sächsischen Hofe gewesen, da habe er eine seltsame und fast unglaubliche Geschichte gehört, die sich in Frankreich zugetragen habe. Da sei nämlich ein Mann aufgetreten, der habe sich ungescheut als ein Atheist vorgestellt, indem er öffentlich gelehrt habe, es gebe keinen Gott, die Welt bestehe aus sich selbst, und was man von einem solchen seit Jahrhunderten gepredigt habe, sei nichts als Phantasmagorie und Aberglauben.
Die Herzogin, welche auf eine verliebte oder blutige Hofgeschichte gespannt gewesen war, zuckte die Achseln und sagte, das komme davon her, dass man dem Pöbel zu viel Freiheit lasse, außerdem hätte man den Narren ja leicht aus der Bibel heimschicken können.
Das sei auch geschehen, sagte Christian Wilhelm; bevor er verbrannt worden sei, hatten ihn die gesamte Geistlichkeit und hohe Fakultäten ausgefragt und ihm vorgehalten, die Wahrheit leuchte doch so schön aus jedem Würmlein und Blättlein hervor, auch der Ungelehrte müsse ja einsehen, dass die Regelmäßigkeit der wechselnden Jahreszeiten, das richtige Aufziehen der Sterne, die vernünftige Anordnung der Eingeweide im tierischen und gar menschlichen Körper und mehr dergleichen nicht von ungefähr kommen könne; wer denn nach seiner Meinung das alles gemacht habe? Darauf habe der Elende geantwortet: „Regina Natura“, welches aber auch sein letztes Wort gewesen sei, indem man nicht länger gezögert habe, ihm die gottlose Zunge mit einem glühenden Zünglein auszureißen, damit dergleichen ärgerlichen Blasphemien ein für alle Mal der Ausgang verstopft werde.
Regina Natura? wiederholte Friedrich Ulrich, indem er den Erzähler erschrocken und ratlos ansah, ob es denn eine Person dieses Namens gebe?
Gott bewahre, sagte Christian Wilhelm, es sei damit schlechtweg die Natur gemeint, der doch nur Heiden oder Gottesleugner einen Platz neben Gott einräumen könnten, als welcher allein und unvergleichlich regiere. Da könne man ebenso wohl katholisch sein und die Mutter Maria und die Heiligen anbeten, die nach Ansicht der abergläubischen Papisten denselben Rang wie Gott einnähmen.
Friedrich Ulrich schüttelte den Kopf und sagte, er könne es sich durchaus nicht reimen, was für unverständige und böse Leute es gebe; es müsse wohl eine Sündflut im Anzuge sein, wovon man ja auch schon allerlei Anzeichen habe.
„Dabei möchtest du wohl den Noah spielen," sagte die Herzogin mit einem spöttischen Lachen, in welches die beiden Herren einstimmten. Wenn er aber hernach die Erde wieder bevölkern wolle, müsse er ein wenig besser arbeiten, sagte Christian Wilhelm, auf des Herzogs Kinderlosigkeit anspielend mir einem halb schadenfrohen, halb lüsternen Seitenblick gegen die Herzogin. Diese schwieg und lächelte rätselhaft, während sie dachte, wie willkommen ihr eine Sündflut sein würde, die ihren Mann, vielmehr den schwachen Dummkopf, der diesen Titel führte, mitsamt seiner Mutter verschlänge und ihr die Freiheit gäbe, sich einmal durch und durch am Leben zu sättigen.
Schon im August des Jahres 1620 war der spanische Feldherr Ambrosius Spinola am Rhein erschienen und hatte sich still und eilig der Unterpfalz bemächtigt. Mit ihm zogen Mönche und Jesuiten, die an jedem Ort eine oder mehrere Kirchen in Besitz nahmen, den katholischen Gottesdienst einrichteten und Klöster begründeten. Die Jesuiten pflegten überall die Kirchenbücher durchzulesen und sich bei den Kirchendienern nach allen Umständen zu erkundigen, durch die etwa das kirchliche Wesen zu neuem Aufblühen gebracht werden könnte, und so erfuhren sie in Oberwesel, dass sich dort Reliquien des heiligen Werner befinden müssten, dessen Verehrung im Laufe der Zeit in Abgang gekommen und vergessen sei. Hiervon wurde Spinola in Kenntnis gesetzt, von dem man wusste, dass er sich für Heiligenverehrung interessierte und Reliquien sammelte, und der auch Befehl gab, der Sache nachzuforschen. Mit vieler Mühe wurde von der Geschichte dieses Werner folgendes in Erfahrung gebracht: Vor Jahrhunderten war einmal ein verwahrloster Knabe nach Oberwesel gekommen, welcher entweder seinen Eltern davongelaufen oder von ihnen weggejagt war, und der, halbverhungert, von einem Juden und seiner Frau in Dienst genommen wurde. Wie er sich dort aufführte und behandelt wurde, darum bekümmerte sich niemand; indessen geschah es nach einigen Monaten, dass er vermisst und dass später von Schiffern sein Leichnam aus dem Rheine aufgefischt wurde. Die Juden gaben an, dass sie ihn mit einigen Kreuzern zu einem Einkauf ausgeschickt hätten, und dass er nicht wiedergekommen sei; ob er nun das Geld verloren oder vergeudet und sich aus Furcht vor Strafe versteckt hätte oder weggelaufen und dabei verunglückt sei, das wollten sie nicht entscheiden, und niemand konnte es feststellen.
Plötzlich aber wurde die Angabe ganz und gar in Zweifel gezogen, und die Juden sollten anstatt dessen den Knaben geschlachtet haben, um mit seinem Blute Zauberei zu treiben, gegen welche Behauptung kein Leugnen und Verteidigen half, und wofür sie miteinander verbrannt wurden.
Vom ganzen Rhein her kam der Adel und das Volk, um die Leiche des armen kleinen Märtyrers anzubeten, der nun in der Kirche mit großer Feierlichkeit beigesetzt wurde und Wunder tat.
„Warum war es nicht ein Mädchen?" fragte Spinola kurz, nachdem die Jesuiten ihm diese Geschichte vorgetragen hatten; denn er hatte eine besondere Verehrung für die heilige Jungfrau und weibliche Heilige überhaupt. Sie entschuldigten sich und sagten, nach allem, was sie gehört hätten, scheine es durchaus ein Knabe gewesen zu sein. Freilich gestanden sie zu, dass sich nicht feststellen ließe, ob der Knabe wirklich vom Papste kanonisiert, also heiliggesprochen sei, doch glaubten sie es aus der Tatsache der großen Verehrung genugsam schließen zu dürfen, womit Spinola auch einverstanden war. Er ordnete an, dass mit allen Mitteln und Kosten den Gebeinen gründlich nachgeforscht werde, was sogleich geschah und zu einem glücklichen Ergebnis führte. Indem man die Kirche untersuchte, stieß man beim Klopfen auf einen Stein, der einen hohlen Klang gab, und da man mit freudigem Herzklopfen nachgrub, entdeckte man darunter menschliche Gebeine auf ein Kissen gebettet. Es war Februar und gerade Tauwetter eingefallen, der aufgelöste Schnee rann in kleinen, fröhlich tröpfelnden Bächen aus den Wasserspeiern, die milden, mondhaften Strahlen der durch Wolken scheinenden Sonne drangen durch ein schmales, buntes Fenster und fielen als ein süßes Licht auf die weißen, auferstehenden Knochen. „Seht da, das Zeichen!" rief der Jesuit, der die Arbeiter hereingeführt und beaufsichtigt hatte, fiel auf die Knie, sprach ein Gebet und begann zu weinen, worauf auch die Arbeiter niederknieten und zum Teil schluchzten. Inzwischen war Spinola benachrichtigt worden, und bald stieg der kleine, schlanke Genuese die steile Steintreppe hinauf, die zwischen der Kirchenmauer und dunklen, hohen Häusern zum Portal führte. Er nahm die Gebeine in Augenschein und fragte die anwesenden Jesuiten, ob es sicherlich die des sogenannten heiligen Werner seien. Ja, antworteten sie, der Ort entspreche der Schilderung in der Chronik, und außerdem hätte Gott ein sichtbares Zeichen gegeben und sie gewissermaßen selbst wunderbar an die richtige Stelle geführt, die sie ohne göttliche Hilfe unmöglich hätten auffinden können.
Spinola nickte und sagte, es sei gut, es solle alles zu Protokoll genommen und dasselbe versiegelt werden. Die Knochen, mit Ausnahme des Rückgrats und der Deine, die der Kirche verbleiben sollten, wolle er für sich behalten, teils zum eigenen Gebrauch, teils um davon an verschiedene Personen zu verschenken, zum Beispiel an die Erzherzogin Isabella, die Statthalterin von Belgien, mit der er auf besonders gutem Fuße stehe. Dieser Umstand verdross die Geistlichen; allein da es unmöglich war, dem siegreichen und berühmten Feldherrn zu widersprechen, gaben sie sich mit den ihnen vergönnten Resten zufrieden.
Mit dem Herannahen des Frühlings rechnete Spinola darauf, sich mit den Unionsfürsten schlagen zu müssen, die sich mit einem kleinen Heer aufgestellt hatten und eine scharfe Erklärung abgaben, sie würden eine Verletzung ihres Gebietes keineswegs dulden, sondern die fürstliche Libertät retten und die armen Untertanen bei ihrem Glauben schützen. Dagegen antwortete Spinola, der Kaiser habe durchaus nichts gegen die deutsche Libertät im Sinne, vielmehr wünsche er den Fürsten ein gnädiger Kaiser zu sein; sie müssten aber mit ihrem hohen Verstände einsehen, dass, nachdem Friedrich V. in die Acht und Abecracht erklärt sei, der Kaiser auch das Recht und die Gelegenheit haben müsse, die Acht zu vollstrecken. Nachdem einige Wochen hin und her verhandelt war, fand eine Zusammenkunft in Aschaffenburg statt, wo die unierten Fürsten versprachen, Spinola nicht anzugreifen, und er seinerseits versprach, ihr Gebiet nicht anzutasten.
Spinola, welcher bessere Mannszucht hielt, als üblich war, und die Gegenden, die er durchzog, möglichst wenig verwüstete, stand in dem Rufe, der Erbe der diplomatischen Kunst des berühmten Alexander von Parma zu sein, weshalb die deutschen Herren ihn zugleich fürchteten und ihm misstrauten, wozu auch beitrug, dass er in Essen und Trinken außerordentlich mäßig war, eine gewisse höfliche Geringschätzung gegen sie merken ließ und etwas Unergründliches an sich zu haben schien.
Danach versammelten sich die Unierten noch einmal in Heilbronn, um die Union aufzulösen, als welche nun ihren Zweck erfüllt habe. Es seien ja, sagten sie, schöne und heroische Beschlüsse gefasst und im Jülichschen Erbfolgekriege auch herrliche Siege erfochten worden; aber keine von den Mächten, die zuerst so große Zusicherungen gemacht hätten, wären dabei geblieben, und überhaupt herrsche leider Kleinmütigkeit bei vielen Ständen. Hätte nur Kursachsen das Seine getan, so hätte man sich auch mehr herauswagen können, aber man wisse ja, wie es da stehe. Wenn einmal der König von England sich auf seine Pflicht besinne, der so schimpflich seines eignen Blutes und seines Glaubens Niederlage zusehe, und wenn der König von Dänemark und der von Schweden sich die weltbekannten Vorund Unfälle mehr zu Herzen nähmen, so wollten sie es auch an ihrer Hilfe nicht ermangeln lassen.
Noch gehörte dem Kaiser Böhmen nicht ganz; denn außer einigen unbedeutenderen Plätzen hielt Mansfeld die wichtige Festung Pilsen besetzt, die zu erobern für ein langwieriges und fast unmögliches Unterfangen galt. Am kaiserlichen Hofe hielt man es für das Beste, wenn man Mansfeld gütlich gewinnen könnte, und man meinte, das würde nicht allzu schwer sein, da er doch Katholik und im Dienst des Erzhauses aufgewachsen und nur wegen eines Zanks mit dem Erzherzog Leopold, der dem Kaiser stets Widerwärtigkeiten einbrocke, zu den Evangelischen übergelaufen sei. Lohn und Ehre habe er von dort nicht mehr zu erwarten, biete man ihm ein Regiment und ein gutes Gehalt an, so werde dies schäbige, verzweifelte Hündlein wohl in den hingehaltenen Wurstzipfel beißen. Das zahle sich wohl aus, er sei geschickt, listig, erfahren und gefährlich, wenn auch in Schlachten nicht eben glücklich; nachdem Boucquoi Mitte Juli in Ungarn bei einer zufälligen Gelegenheit als ein Opfer seines Übermutes gefallen sei, habe man keinen bedeutenden Feldherrn mehr aufzuweisen außer Tilly, der aber in bayrischem Dienst stehe und also nicht frei verwendbar sei.
Als infolge dieser Beschlüsse ein kaiserlicher Abgesandter Mansfeld aufsuchte, um ein wenig anzuklopfen, sprach Mansfeld von seinen alten Beziehungen zum Erzhaus, von seiner Anhänglichkeit, und wie er der Sache des Böhmenkönigs müde sei. Überhaupt sei er ja im Sold des Herzogs von Savoyen gewesen, die Sache sei nun erledigt, wenn man ihm ersetze, was er aufgewendet habe, und ihm eine ansehnliche, einträgliche Stelle im kaiserlichen Heer verschaffe, so sei er nicht abgeneigt. Was Böhmen anbetreffe, so könne er darüber nicht sogleich entscheiden, wolle sich's aber zu Gemüte gehen lassen.
Mit grimmigem Lächeln las er den Brief, den Fürst Liechtenstein in dieser Angelegenheit an ihn richtete. Nach zehn Jahren heimatlosen Umherziehens, Kämpfens, Sollizitierens und Drangsalierens hatte er es dahin gebracht, dass die hochmütigen Österreicher sich herabließen, mit Schmeichelworten und Versprechungen seine Dienste nachzusuchen, dass Liechtenstein, der Bluthund, dem seine schamlose Blutund Geldgier mit dem Fürstentitel bezahlt war, ihn wie einen mächtigen Gönner umwerben musste. Seine Augen schlossen sich halb und schweiften unruhig in die schwankende Zukunft; jetzt konnte er es durchsetzen, dass er als rechtmäßiger Sohn und Erbe seines Vaters anerkannt wurde, Besitz, Ehren und Würden lagen erreichbar vor ihm. Er konnte nach Belgien zurückkehren und seine alten Widersacher und Zerkleinerer mit dem beneideten Glanze blenden. Was war von dem Pfälzer Friedrich noch zu erwarten? Der wirbelte hin, wo der Wind ihn hintrieb, er erweckte weder Achtung noch Furcht und würde niemals Glück haben.
Mit Ferdinand II. war es eine andere Sache, er würde noch lange Hilfsmittel aufbringen, seine Feinde würden nicht so leicht mit ihm fertig werden, weil er die Legitimität verkörperte. Eine Empfindung von Hass und Widerwillen stieg in ihm auf: war es klug von ihm, sich diesem Geschlechte hinzugeben, das ihn unter dem Titel des Rechtes um sein Erbe gebracht und ihn ins Elend ausgestoßen hatte? Würde es ihm anstehen, beim Kaiser zu antichambrieren und zu scherwenzeln, zur Messe zu gehen und mit jedem Günstling schönzutun, der eben in Flor war? Er spie aus, indem er sich das vorstellte. War er jetzt auch ein Bettler, jedermanns Feind, in Waffen gegen alle Welt, so war er doch frei und tat, was ihm beliebte. Je länger er darüber nachdachte, desto unleidlicher schien ihm der Zwang und die innere Demütigung, die mit dem kaiserlichen Dienst für ihn verbunden war, woraus aber nicht hervorging, dass er durchaus davon abgesehen, und noch weniger, dass er die Unterhandlungen sofort abgebrochen hätte. Während sie noch spielten, erschien er jedoch plötzlich, nicht zur angenehmen Überraschung der Unierten, in Heilbronn, um sie an die alten Verträge und Versprechungen zu mahnen. Doch konnten sie ihn nicht wohl abweisen, empfingen ihn höflich und beglückwünschten ihn, dass er in so stürmischen Drangsalen sich allein ruhmvoll behauptet habe. Allerdings stehe seine Sache wohl, sagte Mansfeld, Pilsen sei nach der trefflichen niederländischen Art befestigt und außerdem von braven Offizieren verteidigt, auf die er sich verlassen könne, dazu habe er noch Tabor, Ellbogen und einige andere Plätze. Auch habe er soeben Briefe seines Herrn, des Königs von Böhmen, empfangen, die ihn über die heroischen Absichten des unglücklichen Fürsten auf das beste vertrösteten. Er trug dieselben vor, welche aus dem Haag datiert waren und etwa so lauteten: Er, Friedrich, verlasse sich gänzlich auf die Klugheit, Tapferkeit und Treue seines Feldmarschalls, des Grafen Mansfeld, den er seinerseits niemals im Stich lassen werde. Er habe im Haag eine herrliche, fürstliche Aufnahme gefunden und gedenke keineswegs, wie die Verleumder und Böswilligen ausbreiteten, sein Reich Böhmen und seine treuen Untertanen aufzugeben und sich dem Kaiser zu unterwerfen. Vielmehr werde er bald zum Schrecken seiner Feinde, aber zum Troste seiner Anhänger gewaltig hervorbrechen und solche Taten verrichten, dass die Nachwelt darüber staunen sollte. Geld hätte er leider keines, aber die Herren Staaten würden ihm nach wenigen Monaten so viel vorstrecken, dass er den Krieg zu einem stattlichen Ende führen könnte; bis dahin verlasse er sich auf Mansfelds guten Verstand und löbliche Geschicklichkeit und trage ihm auf, die Pfalz zu verteidigen und an sich zu bringen mit allen Mitteln, die ihm gut schienen.
Die Herren sähen daraus, sagte Mansfeld, wie es stehe. Wenn sie ihn jetzt mit Geld versähen, dass er sein Heer einigermaßen befriedigen könne, so würde sich das Opfer vielfältig ersetzen; denn die Staaten hätten einen vollen Beutel und wüssten wohl, dass sie ihr Geld nicht besser anlegen könnten, als wenn sie Spaniens Feinde damit wacker hielten. Auch die Republik Venedig habe mehr Gold als Brot und gehöre zu seinen guten Freunden, sie wollten aber alle erst sehen, dass die evangelischen Reichsfürsten, die es ja eigentlich anginge, das Ihre täten.
Die Fürsten antworteten kühl, Mansfeld wisse ja wohl, dass die Städte, die das Geld hätten, sich gänzlich von der Union zurückgezogen hätten und zum Kaiser hielten. Auch wiesen sie auf Christian von Anhalts Los hin, der nun geächtet und landflüchtig sei, während sein Sohn in kaiserlicher Gefangenschaft schmachte, das sei der Lohn für seine Aufopferung und Treue.
Anhalt! sagte Mansfeld wegwerfend, warum sei er davongelaufen? Unter heiterem Himmel trotzen, das könne jeder; wenn es gelte, dem Wetter zu stehen, da zeige sich der Mann. Er sei auch geächtet, aber solche blechernen Blitze schreckten ihn nicht.
Der Markgraf von Ansbach wandte vorsichtig ein, er, Mansfeld, sei ja auch ungebunden, aber sie als Reichsfürsten müssten auf ihre Länder und Untertanen sehen, damit dieselben nicht in Verlust und fremde Botmäßigkeit gerieten.
Aus Mansfelds schmalen grauen Augen flogen gehässige und verachtende Blicke wie kleine, spitze Pfeile auf die fürstlichen Herren. Der Kaiser, sagte er, hätte ihm, dem Ächter, solche Anerbietungen gemacht, dass es ihm an Land und Leuten nicht fehlen würde; aber er verriete seine Fahne nicht. Es dächten doch auch noch andere wie er, in Braunschweig sei der König von Böhmen gut ausgenommen, Landgraf Moritz von Hessen hätte ihn dort besucht und ihm Hilfe zugesagt, der Bischof von Halberstadt sei seinetwegen zu Felde gezogen.
Das wollten sie dahingestellt sein lassen, war die Antwort, es sei doch eine heikle Sache, einen Ächter zu unterstützen, das Gesetz könne man einmal nicht umblasen. Friedrich würde besser tun, sich mit dem Kaiser zu versöhnen und der Acht ledig zu werden, hernach könne man weitersehen.
Je mehr Mansfeld einsah, dass er nichts ausrichten würde, desto weniger konnte er seine Ungeduld und seine Wut meistern. Wenn man ihn stecken ließe, sagte er drohend, so müsse er sich selbst helfen. Wenn man ihm nicht freiwillig gebe, so werde er sich nehmen, was er brauche. Er werde jetzt missachtet; aber er werde sich furchtbar machen.
Um ihn zu begütigen, gestatteten sie ihm, in ihren Gebieten Werbungen anzustellen; etwas anderes erreichte er nicht und war schon wieder auf dem Wege nach Böhmen, als er die Nachricht erhielt, Pilsen habe sich ohne Schwertstreich Tilly übergeben. Die Offiziere, die er mit dem Kommando betraut hatte, verkehrten schon seit Wochen freundschaftlich mit denen vom ligistischen Heer, bankettierten und handelten miteinander und wurden schließlich einig, Pilsen gegen eine gewisse Summe zu überliefern. Mansfeld schalt und fluchte, seine Ehre sei befleckt, denn man werde glauben, er habe dies gutgeheißen, und er wolle nicht weiterleben, wenn er die Verräter nicht am Galgen sähe. Den Regimentsschultheißen Deiningen, der in Prag die Unterhandlungen geführt hatte und der nun flüchtig durch die Oberpfalz kam, ließ ergreifen und ins Gefängnis werfen. Dieser jammerte, er habe nur des Grafen Befehle ausgeführt und mit den Herren von Prag unterhandelt, abgeschlossen habe er nicht und auch nie eine andere Meinung gehabt, als dass alles nur zum Schein sei; aber Mansfeld blieb dabei, Deiningen habe sich vom Feinde bestechen lassen, und ließ ihm trotz allen Flehens und Protestierens den Kopf abschlagen. Den schuldigen Offizieren konnte er nichts anhaben, weil sie nicht in seiner Macht waren, auch behaupteten sie, ohne alle Schuld zu sein; sie hätten Briefe über Briefe an Mansfeld geschickt, dass sie Pilsen nicht halten könnten, wenn die Soldaten nicht endlich Sold erhielten, er hätte ihnen nicht geantwortet, sondern sei umhergereist, als gehe ihn die Sache nichts an; auf irgendeine Weise hätten sie sich doch Geld beschaffen müssen. In Wahrheit hatten sie die Absicht, das Geld für sich zu behalten, wenigstens argwöhnten das die Soldaten, da die Offiziere den Sold erst dann auszahlen wollten, wenn die Regimenter Prag verlassen hätten. Sie glaubten, die Offiziere würden sie betrügen und im Stich lassen, sowie sie draußen wären, und es kam darüber zu einer Meuterei, bei welcher Kapitän sprach von den Aufrührern erschlagen wurde.
Nach Beendigung des Böhmischen Krieges begab sich Boucquoi nach Wien, wo er im feierlichen Aufzuge dem Kaiser die dem Feind abgenommenen Fahnen überreichte. Festlich auf seinem Sessel thronend und von prächtig ausgeputztem Hofstaat umgeben, harrte der Kaiser, als die Tür sich öffnete und zuerst Boucquoi eintrat, schön gerüstet und mit gestickter Schärpe umwunden, hinter ihm vierundzwanzig stattliche und gleichfalls reich uniformierte Soldaten, von denen jeder eine der erbeuteten Fahnen trug; sie waren alle aus farbiger Seide mit Bildern und Emblemen bestickt. Auf ein Zeichen Boucquois, der nach tiefer Verbeugung an die Seite des Kaisers getreten war, setzten sich die Soldaten in Bewegung und gingen mehrmals, die Fahnen rhythmisch schwenkend, am Kaiser vorüber, um sie dann, auf ein abermaliges Zeichen des Feldherrn, mit einem langen Rauschen zu Füßen des Kaisers niederzulassen.
Boucquoi hätte dies Schauspiel gern als den Schluss seiner Laufbahn in kaiserlichen Diensten betrachtet; denn er hatte noch immer keine rechte Lust weder zu dem Kriege noch zu den böhmischen Gütern, die ihm verliehen worden waren. Er sei nun fünfzig Jahre alt, sagte er zum Kaiser, habe es in seiner Jugend etwas hitzig getrieben, so dass er nun der Ruhe bedürftig sei. Der Kaiser und seine Räte entgegneten ihm, er sehe ja aus wie ein rüstiger Jüngling, würde den Kaiser durch seinen Abgang kränken und fast desperat machen, und der König von Spanien und die Infantin Isabella würden es gewiss nicht billigen, wenn er den Kaiser stecken lasse, bevor er seine Feinde gänzlich niedergeworfen habe. Boucquoi seufzte, er laboriere noch an einer Wunde, bringe die Lust zum Kriegswesen nicht mehr so recht auf, sein Sinn stehe nach zu Hause, der Kaiser möchte ihn ziehen lassen. Dieser sprach seinem Feldmarschall zu, im Winter stockten allemal die Säfte, er kenne das auch, da helfe nur die Jagd, und im Frühling werde es besser; er könne durchaus seinen heroischen Arm nicht entbehren, wenn er aber die Ungarn noch zur Räson gebracht habe, wolle er ihn, sofern es nicht anders sein könne, entlassen.
Es blieb Boucquoi nichts übrig, als den Feldzug gegen die Ungarn im Frühling zu eröffnen, was er denn auch, da er einmal daran war, mit gewohntem Ungestüm und Bravour tat. Nach einigen Monaten jedoch fiel er vor der Festung Neuhäusel bei Gelegenheit eines Ausfalls, den die Ungarn unternahmen. Der Markgraf von Gonzaga, der vergeblich versuchte, den von allen Seiten Umringten herauszuhauen, schrie ihm zu, er solle sich ergeben, worauf Boucquoi unter seinem gestürzten Pferd hervor antwortete, solcher Canaille ergebe er sich nicht, und niedergestochen wurde. Sein Leichnam wurde nach Wien geführt und prächtig in der Franziskanerkirche beigesetzt; auf seinem Sarge lagen das Goldene Vlies, seine Handschuhe, sein mit vielen Edelsteinen besetzter Kommandostab, die vergoldeten Schlüssel der von ihm eroberten Städte und die rotseidene Fahne seines Regiments, auf welcher ein Bildnis des Gekreuzigten gestickt war, mit der Umschrift „Exurge Domine et judica causam tuam“, das heißt: Stehe auf, Herr, und richte deine Sache.
Dieser Todesfall setzte das Kaiserhaus in große Bestürzung, umso mehr, als schon im vorigen Jahre auch Dampierre, gleichfalls in Ungarn, gefallen war, und es wurde immer wünschenswerter, Mansfeld zu gewinnen, der plötzlich, sich von der Unterpfalz wegwendend, das elsässische Hagenau erobert hatte und Ferdinands Bruder, den Erzherzog und Bischof von Straßburg, Leopold in seiner Festung Bergzabern bedrohte.
Leopold, der sich ohnehin stets zurückgesetzt fühlte und zum Zorn neigte, war entrüstet, dass ihm weder von spanischer noch von österreichischer Seite Hilfe kam, und sagte bitter, man scheine vergessen zu haben, dass er ein Erzherzog sei. Die Statthalterin von Belgien, Isabella, übernahm es diesmal, mit Mansfeld anzuknüpfen, und das Geschäft wurde geführt durch einen Jugendfreund Mansfelds, namens von Rollingen, dem Mansfeld folgende Antwort gab: er habe im vorigen Jahre die Verhandlungen abgebrochen, weil er zum Herzog Maximilian kein Vertrauen habe fassen können. Seine Anhänglichkeit an das Haus Österreich sei unvermindert, namentlich an die Infantin Isabella, die ihm in seiner Jugend so viele Proben ihrer Huld gegeben habe, und der zukünftig zu dienen er sich glücklich schätzen werde. Da die Fürstin mit Freuden darauf einging und ihn aufforderte, Vorschläge zu machen, ließ er sich vernehmen, er wolle vor allen Dingen das von ihm eroberte Hagenau als Fürstentum behalten und dazu mit dem Fürstentitel begabt werden, ferner Amnestie für alle seine Untergebenen, Aufhebung der Acht und außer den schon früher versprochenen 200 000 Reichstalern noch 100 000 Goldkronen. Obwohl diese Ansprüche der Statthalterin hoch gegriffen zu sein schienen, so erklärte sie sich doch zu allem bereit, und es herrschte große Freude an den Höfen von Brüssel, Wien und Prag, dass der verstockte Feind endlich versöhnt sei.
Es war im April, wo ein lauer Frühling begann das pfälzische Land lieblich anzuhauchen, als Herr von Rollingen einer Einladung Mansfelds folgte, damit der Vertrag durch seine Unterschrift fertiggestellt würde. Er fand den Grafen in besonders gesprächiger und angeregter Laune, die er selbst durch einen bevorstehenden werten Besuch erklärte. Als die Tür aufging, erblickte der staunende Rollingen die freundliche Erscheinung des Kurfürsten oder Böhmenkönigs Friedrich, dessen ganz kürzlich erfolgte Ankunft ihm verborgen geblieben war. Friedrich reichte ihm die Hand und sagte lachend, das sei also derjenige, der ihm seinen treuesten Diener habe abspenstig machen wollen; worauf Rollingen, den Schrecken und Beschämung lähmte, keine passende Antwort einfallen wollte. Bei Tafel herrschte, von Rollingen abgesehen, laute Fröhlichkeit. Friedrich erzählte von seinen Reiseerlebnissen und wie er in Frankreich der Gefahr, erkannt und gefangen zu werden, sehr nahe gewesen sei. „Ich hatte mir geschmeichelt," sagte er, „dass die Bilder, die von mir im Umlaufe sind, mich nur unvollkommen wiedergäben; allein sie müssen mich doch leidlich getroffen haben, da man mich trotz der Verkleidung erkannte, und obwohl ich so gut Französisch spreche wie irgendein Parlamentsrat in Paris." In Deutschland scheine er weniger gut bekannt zu sein; denn in einem Wirtshause an der Grenze habe er mit Deutschen an einem Tische gesessen, die sich, ohne seine Anwesenheit zu ahnen, sogar über ihn unterhalten und unter anderem Reime vorgetragen hätten, die ihm etwa so im Gedächtnis geblieben wären:
Der Pfälzer Fritze
Stand an der Spitze,
Der bayrische Schütze
Warf ihn vom Sitze
Ach Gott! in die Pfütze
Und nahm ihm die Mütze.
Calvinischer Fritze,
Barhaupt bei der Hitze!
Er lachte vergnügt, indem er sie vortrug, versprach jedem eine Dublone, der einen Vers dazu machte, und während die anderen sich vergeblich besannen, rief er lustig:
Was ist ihm denn nütz
Die pfälzische Mütz
Ohne pfälzischen Witz
Und calvinische Blitz!
In französischer Sprache, setzte er hinzu, hätte er richtigere und wohlklingendere Verse machen können; aber für sein grobes altes Deutsch schienen sie ihm artig genug zu sein.
Bald nach der Ankunft Friedrichs gelang es Mansfeld, Tilly eine Niederlage beizubringen, und er meldete dem König, der dem Gefechte zugesehen hatte, zugleich mit der Siegesnachricht, seine, Friedrichs, Anwesenheit habe das Heer angefeuert und die Feinde geschreckt. Friedrich erklärte sich fröhlich bereit, in dieser Weise sein Land zurückzuerobern, und wirklich schienen die Aussichten sich zu klären; nicht nur näherten sich die Scharen des Bischofs von Halberstadt, sondern auch der Markgraf von Baden rückte nach langem Zögern mit einer vorzüglichen Armee und einer trefflich verbesserten Artillerie ins Feld, so dass man meinte, dem ligistischen Heere eine überwältigende Truppenmacht entgegensetzen zu können. Bevor sich aber die verschiedenen Feldherren geeinigt hatten, schlug Tilly den Markgrafen von Baden bei Pforzheim und bot, nachdem er Mansfeld durch eine geschickte Scheinbewegung nach Mannheim gelockt hatte, dem sich Frankfurt nähernden Christian von Halberstadt eine Schlacht an. Diesem rieten seine Offiziere, sich mit dem weit überlegenen Feind nicht einzulassen, und er hätte auch Zeit gehabt, seine Truppen über die Mainbrücke zurückzuziehen; aber er verwarf ihre Mahnungen mit Entrüstung: es sei nicht Rittersitte, einem herausfordernden Feind auszuweichen, er wolle lieber untergehen, als dass jemand das Recht haben sollte, ihn Feigling zu schelten.
Von jenseits des Maines sahen die Fischer und Bauern zu, wie die Scharen Christians sich hitzig gegen die ligistischen Regimenter warfen, die in schweren, in Vierecke geordneten Massen vorrückten, von ihnen wie von ehernen Schilden abprallten, mehrere Male mit verzweifeltem Mute wieder dagegen anstürmten und endlich von den unaufhaltsam sich vorwärts wälzenden Kolonnen zermalmt, aufgelöst und in die Flucht geschlagen wurden. Die ersten, die sich zurückzogen, kamen in leidlicher Ordnung über die Brücke, je mehr Fliehende aber sich zu drängten, desto hastiger schoben sie sich, so dass viele von der Brücke ins Wasser stürzten, während andere, die eine Furt durch den Main suchten, vom Fluss weggerissen wurden. Als die untergehende Sonne rosenrot in den Weidengebüschen verschmolz, zwischen denen der Main sanft hinfloss, kamen nur noch Nachzügler, und auf diese warfen sich die Fischer, die sich bis dahin verborgen gehalten hatten, hieben mit Knütteln auf sie ein und schlugen sie nieder oder stießen sie ins Wasser. Die Erschöpften und Verwirrten wussten sich dieser Männer, die aus den Büschen mit gefletschten Zähnen und rollenden Augen wie Wölfe auf sie sprangen, nicht zu erwehren, zumal es bereits dämmerte, und liefen zum Teil vor Entsetzen selbst in den Fluss; wollten sie sich dann wieder ans Ufer retten, warfen ihnen die Dauern Steine auf die Köpfe und riefen ihnen zu: „Hört auf zu quaken, ihr Frösche!" oder: „Sauft nur Wasser statt Blut, ihr Mordbrenner!" Die Nacht hindurch zogen die Fischer mit Stangen die Leichen ans Ufer, leerten ihre Taschen, entkleideten sie oder schnitten die Knöpfe und den Besatz von den Röcken und ließen sie weiterschwimmen; schienen es angesehene Leute zu sein, so behielten sie sie wohl zurück, für den Fall, dass die Angehörigen ein Lösegeld für den entseelten Körper ausbieten sollten.
Mit den Überbleibseln seines geschlagenen Heeres zog Christian dem Kurfürsten und Mansfeld zu, denen unterdessen ein stattlicher Fang geglückt war; sie waren nämlich in Darmstadt eingedrungen und hatten den Landgrafen Ludwig, als er im Begriffe war zu fliehen, gefangengenommen, um ihn für seine kaiserfreundliche Haltung zu bestrafen und ihn bei etwaigen Friedenstraktaten zu verwerten. Landgraf Ludwig, ein schlauer, vorsichtiger, behaglicher Mann, war etwas niedergeschlagen, hielt aber seine fürstliche Würde aufrecht und ließ sich mit leidlich guter Miene die Leckerbissen schmecken, die Friedrich als ein Kavalier seinem Gefangenen vorsetzte. Christian von Braunschweig machte sich bei Tische ein Vergnügen daraus, den Landgrafen durch Erzählungen von seinen Kriegsabenteuern und verübten Gewalttaten zu unterhalten, umso mehr, als der Landgraf, der ihn seit seiner Kindheit kannte, ihn noch vor kurzem väterlich zur Umkehr gemahnt hatte, da er sonst sich selbst das schreckliche Ende der Gottlosen bereiten werde.
Er erzählte von seinen Erfolgen in Westfalen, von seinem Einzuge in Paderborn, wo die Evangelischen ihn mit Halleluja empfangen hatten, als sei er der Heiland und komme auf einem Eselein geritten. Da habe er treffliche Männer kennen gelernt, die Söhne des von den Katholiken hingeschlachteten Bürgermeisters Liborius Weichard; die hätten als Kinder zusehen müssen, wie ihrem Vater, auf einen Tisch gebunden, das Herz aus dem lebendigen Leibe gerissen sei, weil er rechtmäßigerweise die Freiheit und den Glauben der Stadt gegen den Bischof verteidigt habe. Sie hätten zu ihm gesagt, wo sie auch wären und was sie auch täten, so rochen sie das teure Blut, das damals vergossen sei, und sie würden es sich Gut und Leben kosten lassen, wenn sie es rächen konnten. Sie hätten ihm auch gewiesen, wo in Kirchen, Klöstern, jesuitischen Universitäten Geld und Geldeswert zu finden sei, und wenn er sie ermächtigt hätte und es möglich gewesen sei, so hätten sie ganz Paderborn von der Erde weggeschabt, wie die Quacksalber mit dem Rasiermesser die leidigen Warzen von den Füßen schnitten. Er habe sich aber milde bewiesen als ein Gottesmann, der er ja sei, habe niemanden am Leben gestraft, wie die beiden Jesuiten bestätigen könnten, die er mitgenommen habe, damit sie seine wahre, bischöfliche Tugend vor aller Welt bezeugen könnten. Sie müssten zwar dann und wann etwas Ungewohntes mit ansehen, so hätten einmal Soldaten ein Mädchen etwas zu ungestüm gebraucht, so dass es halbtot in einer Scheune gelegen habe; als er dazugekommen sei, da habe er seinen Brandlegern befohlen, die Scheune anzuzünden, damit die Dirne lieber stracks gen Himmel fahre, anstatt als ein Schandfleck und Ärgernis ihr Leben jämmerlich fortzufristen, und die Baracke habe denn auch, bis man drei zählen könne, in Flammen gestanden, so gut verständen diese Leute ihr Handwerk. Dergleichen möge frommen Vätern fremd Vorkommen; aber es sei Kriegsbrauch, und er habe ja die Ungerechtigkeit nicht angestiftet, durch die der Krieg entbrannt sei.
Die beiden Jesuiten, die mit an der Tafel sitzen mussten, blickten steif auf die Teller und sagten, sie entsännen sich eines solchen Vorfalls nicht, sie für ihre Personen hätten vom Herzog stets eine rücksichtsvolle Behandlung erfahren, wofür sie ihm dankbar wären.
Nun, sagte der Herzog, diese katholischen Geistlichen ließen ihm Gerechtigkeit widerfahren, wohingegen seine Halberstädter Domherren immer wider ihn bellten. Sie nennten ihn Räuber, Dieb und Rehabeam, machten ihm vor der ganzen ehrbaren Welt eine schändliche Reputation, weil sie, geizig und habgierig, seine Soldaten nicht in Quartier nehmen noch sonst zum Kriegswesen kontribuieren wollten. Da wunderten sie sich denn, wenn er sich das Geld anderswie zu beschaffen suchte. Sie gäben allen Unterschlupf und Vorschub, die von seinen Räten beraubt zu sein vorgäben, während seine Räte, als seine treuen Diener, nur unrichtig gemünztes Geld konfiszierten, wobei sie sich freilich wohl einmal irren und vergreifen könnten. Er habe aber ein gutes Mittel, seinen Justiz liebenden Domherren das Maul zu stopfen, indem er von Zeit zu Zeit verordne, sie sollten ihre Konkubinen und Huren abtun. Dann schwiegen sie wieder still, ihre Weiber schickten sie freilich doch nicht heim, ließen sich lieber vom Pöbel auf der Straße ausspotten und nachschimpfen. Und doch gebe er ihnen als der Bischof ein schönes Beispiel, lebe fast als ein Heiliger, so dass er seinen Durst nur lösche, wenn es die Natur durchaus verlange.
Kurfürst Friedrich belustigte sich sehr an solchen Gesprächen, wenn ihm auch die Verehrung des schönen jungen Herzogs für seine Frau, Christians Base, nur zum Teil angenehm war. Elisabeth hatte unleugbar ein gewisses Wohlgefallen an ihm und seinem exorbitanten Wesen, wie es auch Friedrich anzog; denn es war nicht recht dahinterzukommen, ob er ein ritterlicher Held oder ein gottloser Spötter war, der sich über alle Welt lustig machte, oder ob er nur in Erstaunen setzen und bewundert sein wollte. Gerade diese Undeutlichkeit oder Vieldeutigkeit machte Friedrich Vergnügen, und solange Christian bei ihm im Kriege und nicht bei seiner Frau im Haag war, konnte er sich unbesorgt an ihm erfreuen.
An einem heißen Sommertag näherten sich die Spitzen des Mansfeldischen Heeres einem Dorfe an der Straße nach Bergzabern, wo die müden und durstigen Soldaten eine Erfrischung 'zu finden hofften. Wie sie aber an den ersten Häusern anpochten, zeigte es sich, dass sie leer waren, ebenso die folgenden, und es wurde klar, dass die Bewohner sich mit ihrer besten Habe davongemacht hatten. Zurückgeblieben waren ein Blödsinniger und zwei Kinder, die bei der Kirche saßen und sich damit unterhielten, einen alten gesprungenen Tiegel mit Sand und Steinen zu füllen und wieder auszuschütten. Der Blödsinnige grinste die Soldaten freundlich an, wie wenn sie alte Bekannte wären, die er erwartet hätte; von den beiden Mädchen sagte die ältere, die ein zu kurzes Bein hatte und hinkte, als sich alle auf die Wagen gedrängt hätten, um zu entfliehen, hätte sie keinen Platz bekommen und zurückbleiben müssen, denn weit laufen könne sie nicht, und die kleine Schwester hätte sie nicht verlassen wollen. Auf die Frage der Soldaten, wo etwas zu essen und zu trinken sei, nickte der Blödsinnige stolz und glücklich und führte sie zu einer dickstämmigen, vielästigen Linde, die in der Mitte eines Platzes stand. Um sie herum lief eine hölzerne Bank, unter welcher ein kleines Weinfass und ein großer Laib Brot lagen, dort von den Entflohenen geborgen oder vergessen oder vielleicht für den Blödsinnigen zurückgelassen. Die Soldaten jubelten, schlugen das Fass auf, aßen und tranken und teilten auch den Kindern und dem Blödsinnigen mit, die neugierig zusahen. Inzwischen waren mehr Soldaten herangekommen, die auch zu essen verlangten und den Blödsinnigen drängten, er solle zeigen, wo noch mehr versteckt sei. Anfänglich schüttelte er den Kopf, als er aber die drohenden Gesichter sah, rieb er sich die Stirn, sah sich betrübt um und zeigte plötzlich, als sei ihm ein glücklicher Einfall gekommen, auf das Gasthaus, das eine blanke Sonne aus Messing bezeichnete. Lärmend durchsuchten sie alle Zimmer und auch den Wirtsgarten, der von niedrigen Birnbäumen beschattet wurde, ohne aber irgendetwas zu entdecken. Der Blödsinnige, an den sie sich fragend und drohend wendeten, schüttelte ratlos den Kopf und schien vergessen zu haben, weshalb sie hergekommen waren, worüber sie endlich wütend wurden und mit Gewehren auf ihn losschlugen, und als er laut und durchdringend wie ein gestochenes Schwein zu schreien anfing, töteten sie ihn vollends. Nun fielen die Blicke einiger auf die beiden kleinen Mädchen, die mitgelaufen waren und sprachlos erschrocken dem blutigen Schauspiel zusahen, und von grausamer Luft ergriffen, zogen sie sie in das Haus, um sie zu missbrauchen. Ein Leutnant, der jetzt in den Wirtsgarten kam, schalt die Soldaten, dass sie sich aufgehalten hätten, anstatt den Fliehenden nachzusetzen und ihnen die mitgeführten Vorräte abzunehmen, und ein Trupp Reiter wurde sofort zu diesem Zweck ausgesendet. Mansfeld und Friedrich, die nun zu Pferde eintrafen, stießen im Gasthause, wo sie eine Weile rasten wollten, auf die halb entkleideten Leichen der beiden Kinder; die kleine Brust der Jüngsten atmete noch schwach. Pfui, sagte Friedrich, das sei ekelhaft, da könne er nicht bleiben. Man solle eine solche Bestie, die dergleichen verübe, nachdrücklich bestrafen. Mansfeld zuckte die Achseln und sagte, der würde sich aus dem Staube gemacht haben. Es hätte sie wohl wild gemacht, dass sie das Nest leer gefunden hätten. Die Vögel in dieser Gegend hätten ihn jetzt kennen gelernt und wären schlau und vorsichtig geworden. Wie sie aus dem Hause traten, meldete ein Unteroffizier, ein Soldat, der aus dem Dorfe gebürtig sei, gebe an, die Bauern hätten, so wie er sie kenne, das bare Geld nicht mitgenommen, sondern wenigstens zum Teil in der Kirche unter einem lockeren Stein vergraben. Ferner wisse er eine halbe Stunde entfernt einen reichen Bauernhof, dessen Besitzer nicht geflohen sein werde, weil er abseits liege und sich im Gehölz versteckt glaube, da werde man Nahrungsmittel im Überfluss finden. Der König gab Befehl, in der Kirche nachzusuchen, und es wurde wirklich Geld gefunden, welches nach Vorschrift unter das Heer verteilt wurde, in der Art, dass der Angeber das Doppelte der Gebühr erhielt.
Friedrich war verdrießlich und zeigte sich unlustig zur Fortsetzung des Krieges. Er sei des zwecklosen Umherziehens müde, sagte er, und sehne sich nach Weib und Kind, hier sei jetzt doch nichts auszurichten. Ohne Geld freilich nicht, sagte Mansfeld; das Land sei ringsherum ausgemergelt und gebe nichts mehr her. Der Landgraf von Hessen-Darmstadt, sagte Friedrich, habe ihm sein Wort gegeben, sich beim Kaiser für ihn zu verwenden; vielleicht komme es zu einem guten Frieden oder Waffenstillstand. Mit Gewalt komme man jetzt nicht weiter, zumal da seine Untertanen sich so feige und wetterwendisch zeigten. Auf den pfäffischen Darmstädter würde er nicht bauen, sagte Mansfeld; Friedrich sollte sehen, wie er seinen Schwiegervater, den König von England, oder seinen Oheim, den König von Dänemark, auf die Beine brächte. Er, Mansfeld, könne sein Heer nach Frankreich hinüberführen, wo es Nahrung genug finden werde; er habe Verbindung sowohl mit dem König von Frankreich wie mit dem Herzog von Bouillon und den Hugenotten. Friedrich ärgerte sich, weil er bemerkte, wie verächtlich Mansfeld ihn zuweilen in Blick und Ton behandelte; denn er fand, dass der länderlose Bastard am wenigsten das Recht dazu habe. Nach einigen Verhandlungen waren es beide zufrieden, sich zu trennen, Friedrich, um sich zunächst wieder zu seiner Familie zu begeben, Mansfeld, um anderswo, sei es bei den Generalstaaten, bei Frankreich oder bei der Statthalterin und dem Kaiser eine Bestallung zu suchen; freilich war die Lage augenblicklich nicht so, dass er beim Kaiser oder bei Spanien einen guten Preis zu erzielen hoffen konnte.
In einem förmlichen Manifest entließ Friedrich den Grafen Mansfeld und den Herzog Christian nebst ihren Offizieren und der gesamten Soldateska, da er die Mittel nicht habe, sie zu erhalten, und gab ihnen die Befugnis, sich anderswo einen Dienst zu suchen.
Nachdem sich die beiden Söldnerführer eine Zeitlang unter ergebnislosen Verhandlungen in Lothringen aufgehalten und das dortige Land verwüstet hatten, traten sie in den Dienst der holländischen Staaten, schlugen sich, den spanischen Feldherrn Cordova in blutigem Kampfe zurückwerfend, nach Bergen-op-Zoom durch und halfen die von Spinola belagerte Stadt entsetzen.
Es hatte nämlich nach zwölfjährigem Waffenstillstand der Krieg zwischen Spanien und Holland wieder begonnen, obwohl den Spaniern, da es ihnen an Geld mangelte, der Friede lieber gewesen wäre; aber es schien ihnen nicht ehrenvoll, nachzugeben, und sie forderten die Holländer auf, sich wieder unter ihre Botmäßigkeit zu begeben, damit dem gegenseitigen Einverständnis nichts mehr im Wege stehe. Die Holländer antworteten, sie fänden dies Ansinnen befremdend, da sie längst von allen Staaten und Potentaten als freie Republik traktiert würden, und die Feindseligkeiten nahmen zu großer Genugtuung der Kriegspartei, an deren Spitze Moritz von Oranien stand, ihren Anfang.
Gleichzeitig bestieg der junge Philipp IV. den spanischen Thron, nachdem sein Vater, der schwächliche Philipp III., einst das Lipperli, vorzeitig gestorben war. Die letzten Jahre dieses Königs waren durch einen kirchlichen Streit bewegt, der von der Frage über die sündliche oder fleckenlose Empfängnis der Jungfrau Maria herrührte. Die Spanier nämlich, die der Mutter Gottes jede mögliche Ehre zuwenden wollten, erhitzten sich für ihre unbefleckte Empfängnis und rasten gegen ihre Gegner, welches namentlich die Dominikaner waren, die sagten, die Eltern der Maria wären nur gemeine Menschen gewesen, wie sie denn die Maria anders als im Fleisch hätten zeugen sollen? Außerdem sei die Jungfrau Maria nach allen vorliegenden Zeugnissen gestorben, es heiße aber, der Tod sei der Sünden Sold, also müsse sie wohl in Sünden empfangen sein. Damit diese verleumderischen Reden aufhörten, bestürmte König Philipp den Papst, die Lehre der Affirmanten, wie sich diejenigen nannten, die die heilige Jungfrau in Sünden empfangen sein lassen wollten, zu verdammen, womit er denselben in nicht geringe Verlegenheit setzte. Er suchte sich erst durch Ausflüchte zu helfen, da der spanische Gesandte ihm aber keine Ruhe gab, erließ er ein Dekret, die Lehre der Affirmanten solle bei Strafe der Exkommunikation weder in Kirchen noch Universitäten gelehrt werden; es sollten aber diejenigen Affirmanten hiervon ausgenommen sein, denen der Papst es speziell gestatte, denn er wolle die Lehre keineswegs verdammen oder verwerfen, wie sie dieselbe denn auch privatim lehren dürften, wenn sie sich nur ärgerlicher Stichelreden enthielten.
Im ersten Taumel des Triumphes zündeten die Spanier, besonders in der Stadt Sevilla, welche als unter dem besonderen Schutze der Jungfrau Maria stehend betrachtet wurde, Freudenfeuer an; bei näherer Betrachtung des Dekretes aber, das überall angeschlagen wurde, erkannte man, dass die Sache eigentlich blieb, wie sie zuvor gewesen war, was sich König und Volk sehr zu Gemüte zogen. Es erschien abermals ein Gesandter in dieser Sache in Rom, den aber der Papst scharf ablaufen ließ; sein geliebtester Sohn, der König von Spanien, solle sich einmal zur Ruhe begeben, er habe das Mögliche für ihn getan, daran müsse er sich genügen lassen. In diesem Stadium befand sich die Angelegenheit, als der König und der Papst nacheinander starben, ihren Nachfolgern die endliche Lösung überlassend.
Kurz nach dem Tode des Königs starb auch seine Witwe Margarete, die Schwester Kaiser Ferdinands, an einer seltsamen, raschen Krankheit, die vergiftetem Räucherwerk und einem Günstling ihres verstorbenen Mannes zugeschrieben wurde. Sie sei überhaupt, hieß es, da sie die Spanier nicht hätte leiden mögen und ihre Abneigung allzu sehr habe merken lassen, bei den Spaniern sehr unbeliebt gewesen.
Als im Jahre 1620 Truppen durch Nürnberg zogen, gab ihnen Kaplan Mannich das Geleit bis Fürth mit Bewilligung des Rates; denn derselbe hätte gern gewusst, was die Soldaten eigentlich vorhatten und wohin sie wollten, und meinte, der fröhliche Geistliche, der mit mehreren von den Offizieren bekannt war und vertraulich mit jedermann umzugehen wusste, würde unter der Hand etwas herausbringen. Es war zehn Uhr abends und die Stadt still und dunkel, als auf dem Marktplatze lautes Trompetenschmettern erscholl, das viele, die schon schliefen, aufweckte und veranlasste, aus dem Fenster zu sehen, was es gebe. Da erblickten sie Kaplan Mannich, der von einem Trüpplein Soldaten heimbegleitet worden war, damit er in der Trunkenheit nicht den Weg verfehle, und dem sie nun einen Abschiedstusch bliesen, was er mit Handwinken und lallenden Worten erwiderte. Als er bemerkte, dass aus einem gegenüberliegenden Wirtshause neugierige Leute herauskamen und gafften, nickte er ihnen jauchzend zu, auf welche Ermutigung hin sie ihn ihrerseits mit Geschrei und Gelächter begrüßten.
Als dem Kaplan am andern Morgen dieser Auftritt wieder in den Sinn kam, beschloss er, um den Rat zu begütigen, der es etwa empfindlich aufnehmen könnte, eine Predigt zu seinem Belieben zu halten; es war nämlich Sonntag. Es sei hohe Zeit, begann er mit herausfordernden Blicken, dass das Volk einmal Buße tue, sie steiften sich allezeit auf die Gnade des Herrn, die sie so lange überflüssig genossen hätten, statt aber dadurch vorsichtig und demütig zu werde«, unterfingen sie sich unchristlicher Zuversicht, säßen in den Wirtshäusern und vergriffen sich mit dem leidigen Besserwissen und Mäkeln an ihrer Obrigkeit. Da könne die Strafe Gottes natürlich nicht ausbleiben, und es hätte ja auch schon der Komet im letzten Jahre leserlich angezeigt, wessen man sich von Gott zu versehen habe. Die vielen Soldaten gäben dem Einsichtigen, der den Weltlaufkenne, auch zu denken; umsonst wären sie nicht auf den Deinen, man wisse nicht, wohin das Wesen ziele, seinerzeit werde es schon ausbrechen. Inzwischen sollten sie sich bessern und sich still und friedlich halten, damit Gott in seiner Barmherzigkeit noch das Übel zum Guten kehre.
Als aus Böhmen die Nachricht von der gänzlichen Niederlage und Flucht des Pfälzers kam, vermehrte sich die Besorgnis der Stadt. Bald trafen vorwurfsvolle und bedrohliche Schreiben des Kaisers ein, dass Nürnberg dem Mansfeld, der doch in der Reichsacht schwebe, Werbungen in seinem Gebiet gestattet habe, was sich allerdings so verhielt, und was nun mit einigen zwiespältigen Wendungen vertuscht werden musste. Es verlautete von großen Rüstungen allerorten, und dass der König von Böhmen die Türken zu Hilfe gerufen habe, wodurch der Rat schließlich bewogen wurde, wieder einen Türmer auf die Burg zu setzen, was seit Jahrzehnten außer Gebrauch gekommen war. Unter denjenigen, die sich zu dem Amte meldeten, war ein Kammmacher, der infolge von Trunksucht ein wenig in seinem Gewerbe heruntergekommen war, der sich aber durch scharfe Augen und ansehnliche Empfehlungen geeignet machte; auch meinte man, dass er, weil auf dem Turme kein Wirtshaus sei, seinem Laster mehr oder weniger entfremdet werden würde. Seiner beweglichen Bitte, man möchte ihn in der schwindligen Höhe nicht ohne Zusprache und Hilfe, auch Ablösung lassen, willfahrte man, indem man ihm einen Drahtzieher mitgab, welche beiden an einem Septembertag von zwei Ratspersonen in ihre Behausung eingeführt wurden.
Die Ratsherren hielten ihnen vor, welches ihre Pflichten und wie groß ihre Verantwortung sei, und prüften sie gründlich, ob sie mit den Himmelsgegenden, Straßen, umliegenden Dörfern und angrenzenden Ländern Bescheid wussten.
Es war weit und breit nichts zu sehen, als Wagen voll bräunlichen Korns, die schwer unter Nussbäumen und Linden hin schwankten, Frauen und Mädchen, die hier und da die abgestreiften Ähren auflasen, und spielende Buben, die, über die Stoppelfelder laufend, ihre papierenen Drachen an langen Fäden nach sich durch den himmlischen Ozean zogen.
Ein besonders fleißiges Aufmerken von Seiten des Rates verlangten die vielen österreichischen und böhmischen Flüchtlinge, die eintrafen und die Erlaubnis, sich niederzulassen, begehrten, von denen zwar viele adelig und begütert waren und den Flor der Stadt mehren zu sollen schienen, die aber, wenn auch fromme und redliche Leute, oft hochfahrend und unruhig waren, mit den Feinden des Kaisers in Verbindung standen oder mit den Einheimischen aneinandergerieten, was dann teils verhütet, teils geschlichtet werden musste.
Eines Tages kam ein junger Mensch in einem buntscheckigen, etwas fadenscheinigen Anzuge auf das Rathaus und meldete, indem er sich stattlich gebärdete, er sei ein Knappe des Don Matthias d'Austria, Sohnes der hochseligen Majestät des Kaisers Rudolf, welcher zum Behuf seiner Vermählung mit einer italienischen Dame in das Welschland zu ziehen im Begriff sei und in der Stadt Nürnberg in der Goldenen Gans zu nächtigen gedenke. In Erinnerung an die Treue, mit der die berühmte Stadt Nürnberg seinem hochseligen Vater angehangen habe, und an die Huld, die derselbe ihr zugewendet habe, wolle er die Stadt um dreihundert Taler Reisegeld angehen, damit er sein Ziel umso förderlicher erreichen möge. Sowie der Knappe sich wieder entfernt hatte, beschieden die Herren den Wirt zur Goldenen Gans auf das Rathaus, einen etwa sechzigjährigen, beleibten, treuherzigen Mann, der bei Reichs-, Kurfürsten- und Fürstentagen aller Art so viele regierende Herren beherbergt hatte, dass er sich vortrefflich mit ihnen auskannte. Diesen fragten sie, wie es mit dem fremden Ankömmling bestellt sei, ob er wohl wirklich der natürliche Sohn des Kaisers, Don Matthias d'Austria, sei oder ein Gauner und Abenteurer, der dem Rat Geld ablisten wollte, wie man dergleichen leider nur zu oft erlebe. Der Wirt gab an, ein etwas seltsames Ansehen habe die Sache freilich, doch sehe der Fremde dem hochseligen Kaiser Rudolf gleich, besonders die Unterlippe sei nicht unverfänglich, hänge herab, wie wenn einer schlotterigen Jungfer das Bändel aufgegangen sei; auch trete er wie ein großer Herr auf, rede Spanisch und Italienisch durcheinander und schicke sich überhaupt im Ganzen wohl zur habsburgischen Familie. Gleich nach seiner Ankunft habe er vom Apotheker Magen-Morsellen, Rosenzucker und dergleichen holen lassen, sitze jetzt im Armstuhl und knabbere daran, habe auch ein paar Mägde von der Bedienung zu sich gerufen und schwatze mit ihnen, wobei er sich bestens zu unterhalten scheine.
Nach dieser Auskunft schien es dem Rat geboten, dem Prinzen die Ehre der Begrüßung nach altem Brauch zu erweisen, indem sie ihm eine Kanne Malvasier zum Willkomm überreichten. Das Geld betreffend, ließen sie es bei zweihundert Talern bewenden, indem sie sich mit den schwierigen Zeitläuften entschuldigten.