Der König und der Puppenmacher - Wolfgang Jeschke - E-Book

Der König und der Puppenmacher E-Book

Wolfgang Jeschke

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Beschreibung

»Puppe, Puppe, was, zum Teufel, soll diese Puppe?«

Collins, Ihrer Majestät Minister für persönliche Sicherheit und Futurologie, überwacht seinen Herrscher im leeren Thronsaal, denn seine neusten Berechnungen haben seltsames ergeben: Ihre Majestät wird zehn Sekunden lang nicht überwacht werden können – und mit einer mechanischen Puppe spielen. Der König ist beunruhigt, und Collins hat keine Möglichkeit, herauszufinden, wer hinter diesem Streich steckt – wenn es denn ein Streich ist …

Die Erzählung „Der König und der Puppenmacher“ erscheint als exklusives eBook Only bei Heyne und umfasst ca. 66 Seiten.

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Seitenzahl: 127

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WOLFGANG JESCHKE

DER KÖNIG UND

DER PUPPENMACHER

Erzählung

Das Buch

Collins, Ihrer Majestät Minister für persönliche Sicherheit und Futurologie, überwacht seinen Herrscher im leeren Thronsaal, denn seine neusten Berechnungen haben seltsames ergeben: Ihre Majestät wird zehn Sekunden lang nicht überwacht werden können – und mit einer mechanischen Puppe spielen. Der König ist beunruhigt, und Collins hat keine Möglichkeit, herauszufinden, wer hinter diesem Streich steckt – wenn es denn ein Streich ist …

Die Erzählung »Der König und der Puppenmacher« erscheint als exklusives E-Book Only zusammen mit weiteren Stories von Wolfgang Jeschke im Heyne Verlag und umfasst ca. 66 Seiten. Sie sind als Print-Ausgaben in den Sammelbänden »Der Zeiter«, »Partner fürs Leben« und »Orte der Erinnerung« im Shayol Verlag, Berlin erschienen.

Der Autor

Wolfgang Jeschke (1936-2015) war der Großmeister der deutschen Science-Fiction. Lange Jahre als Herausgeber und Lektor für den Heyne Verlag tätig, hat er vor allem auch mit seinen eigenen Romanen und Erzählungen das Bild des Genres geprägt. Jeschke wurde mehrmals mit dem renommierten Kurd Lasswitz Preis ausgezeichnet.

Von Wolfgang Jeschke sind im Wilhelm Heyne Verlag erschienen:

»Der letzte Tag der Schöpfung – Midas – Das Cusanus-Spiel« (drei Romane in einem Band) und »Dschiheads«.

Eine Übersicht aller Werke von Wolfgang Jeschke finden Sie in der Bibliografie am Ende dieses E-Books.

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 2006 by Wolfgang Jeschke

Erstmals veröffentlicht in: Munich Round-Up, Nr. 43 (Beilage), München 1961

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Stardust, München

Satz: Thomas Menne

ISBN 978-3-641-13616-1

»Bleibe Er stehen, wo Er ist, Collins! Jetzt kann jede Bewegung eine Fraktur bedeuten.«

»Jawohl, Euer Majestät«, sagte Collins und blieb stehen.

»Er lasse mich nicht aus den Augen!«, befahl der König.

»Jawohl, Euer Majestät«, sagte Collins und ließ Ihre Majestät nicht aus den Augen.

Die Zeit verrann. Es war totenstill im Saal. Der König war nervös auf die Vorderkante seines Thronsessels gerutscht und starrte ängstlich auf den flackernden Spiegel an der Wand gegenüber. Jedes Mal, wenn ein Beamter der Patrouille aus ihm heraustrat, fuhr er zusammen und richtete seine Waffe auf den Mann. Collins sah, wie der Lauf zitterte und wie sich auf Ihrer Majestät Stirn Schweißtropfen bildeten. Die Abstände wurden geringer, die Wächter traten sich beinahe gegenseitig auf die Füße. Die Patrouille hielt den Raum pausenlos unter Kontrolle. Der Spiegel zuckte jedes Mal, wenn das Feld die Männer entließ oder wieder aufnahm. Ein Wächter trat heraus, sah sich aufmerksam im Raum um und trat rückwärtsgehend wieder in den Spiegel. Aber es gab nichts Bemerkenswertes. Der Raum war leer. An den Wänden zeichneten sich noch die hellen Flecken ab, wo die wertvollen Bilder gehangen hatten. Auch sie hatte man abgenommen. Generationen von Herrschern und Herrscherinnen, die sonst missmutig, kritisch oder feierlich von den Wänden auf den jüngsten Spross ihres Geschlechts herabgeblickt hatten, blickten nun missmutig, kritisch oder feierlich in irgendwelche dunklen Winkel des Palastkellers, die sie zu Lebzeiten nie gesehen hatten. Selbst die Nägel hatte man aus den Wänden gezogen, die Gobelins entfernt, die Vorhänge, die Möbel, alles. Der Raum enthielt nur noch den Thronsessel, darauf Ihre Majestät, einen Zeitspiegel der Patrouille, der ab und zu einen Wächter ausspie und wieder verschluckte, und am dreifach gesicherten und gepanzerten Fenster Collins, Ihrer Majestät Minister für persönliche Sicherheit und Futurologie.

Der Thronsaal war hermetisch abgeriegelt, Türen und Fenster mit herabgelassenen Energiejalousien gesichert. Kein Insekt, kein Staubpartikel hätte einzudringen vermocht, geschweige denn ein Minikampfschiff oder eine ferngesteuerte Nadelgranate.

»Sage Er mir, wie lange das noch so weitergeht, Collins. Das halte ich nicht mehr aus!«, sagte der König weinerlich und warf seinem Minister einen flehenden Blick zu. Er zitterte.

Collins schlug seinen Umhang zurück, knöpfte seine Gürteltasche auf und zog einen Temporalstreifen hervor. Er hielt ihn weit von sich, denn er war ein wenig weitsichtig, und musterte ihn sorgfältig. Er war gelassen und ganz ruhig, nur seine Mundwinkel waren ein wenig spöttisch herabgezogen. Er hatte schon heiklere Situationen durchgestanden. »Mit Verlaub, Majestät«, sagte er. »Euer Majestät Besorgnis ist wirklich unbegründet. Die Patrouille weiß, dass sich alles zum Guten wendet. Wir haben jetzt noch siebenundzwanzig Minuten, in denen Ihr pausenlos überwacht seid, dann folgt dieses undurchdringliche Zeitsiegel von zehn Sekunden Dauer. Von der Sekunde an, in der dieser Spiegel von der Zeitlinie aus wieder zugänglich ist, steht dieser Raum erneut unter Kontrolle.«

Collins fuhr mit dem Finger die Punkte der Wächterpositionen ab, von denen Informationen vorlagen, und verglich sie mit dem Datum und der Uhrzeit, die am Rand fortlaufend aufgedruckt waren. Sogar die Namen der Wächter hatte er daraufgekritzelt. Es waren seine besten Leute. Mehr konnte man nicht tun. Abgesehen von der kurzen Unterbrechung lagen die Beobachtungspunkte so eng beieinander, dass sie eine Linie bildeten. Collins sah auf seine Uhr. Alles lief planmäßig. »Wie lauten die letzten Informationen?«, fragte der König. Seine Stimme war rau, die Angst saß ihm im Hals.

»Trotz allem, ungenau. Majestät wissen, dass WEISS bis weit in die Zukunft hinein Veränderungen vorgenommen hat. Die Siegel fließen, der undurchdringliche Zeitblock verschiebt sich ständig. Unsere Recherchen sind nur für jeweils ein paar Stunden gültig, dann sind die Temporalstreifen nur noch das Papier wert, auf das sie gedruckt sind. Gestern konnten wir noch vier Tage Zukunft überwachen, in diesem Augenblick sind es noch knapp zwei Stunden, und der Block wächst weiter auf uns zu. Nach unseren Berechnungen kommt er aber bald zum Stehen, so dass uns schließlich noch dreißig Minuten zur Überwachung bleiben. Aber das kann sich natürlich alles noch ändern, wenn WEISS Frakturen vornimmt.«

»Das ist es ja. Das ist es ja«, sagte der König ängstlich. »Unternehme Er doch etwas. Wie kann Er so tatenlos herumstehen, wenn ich in Gefahr bin?«

»Majestät sind nicht in Gefahr«, seufzte Collins. »Das ist so ziemlich das Einzige, was wir sicher wissen. Euer Majestät sitzen nach dem kritischen Zeitpunkt ebenso wie jetzt auf ihrem Platz. Allerdings …«

»Allerdings was?«

»Nun, Majestät, wir haben es oft genug besprochen. Mit Verlaub, aber sollen wir jetzt, wo dieser Zeitpunkt naht …?« Der König war in sich zusammengesunken und kaute verdrossen an seinen Fingernägeln.

»Ist Er sicher, dass ich es bin, der nach dem Zeitpunkt hier sitzt?«, fragte er misstrauisch.

»Aber Majestät, wer denn sonst?«

»Ja, wer sonst«, sagte der König und warf Collins einen scheuen Blick zu.

Der Minister musterte seinen Streifen. Die Punkte der Wächterpositionen setzten kurz aus, tauchten wieder auf, um schließlich ganz zu verschwinden. Hier lag das Siegel, dort begann der Block. Was geschah an diesen unzugänglichen Stellen? Weshalb hatte WEISS sie angebracht? War es eine Falle, eine Finte oder ein Schachzug? Er hatte eine Menge Zeit mit dem Problem verbracht, seine besten Männer eingesetzt, aber er hatte keine Lösung gefunden, trotz der vielen Fakten, die er zusammengetragen hatte. Er war müde. Ein Urlaub würde ihm gut tun. Er sah sich in dem ungemütlichen Raum um, musterte die kahlen Wände. Raus hier, dachte er. Sich irgendeine Zeit suchen. Zur Saurierjagd in die Kreide? Über dieses Alter war er hinaus. Jagdexpeditionen waren ihm ein Gräuel. Zu laut, zu viel Aufregung, zu viel Sauferei und seit einigen Jahrzehnten völlig überlaufen. Die brachten es fertig und rotteten die Viecher mit ihren Strahlgewehren in kürzester Zeit aus. Na, und wenn schon? Waren ja auch scheußlich. Minimale Fraktur. Ein paar knochensammelnde Wissenschaftler späterer Epochen würden sich vielleicht darüber wundern, dass die Biester so plötzlich verschwunden waren. Sie würden sicher eine Erklärung finden, dazu waren sie ja Wissenschaftler. Tertiär, ja Tertiär wäre besser. Da war es schön warm in dieser Gegend. Ein paar Wochen Tertiär. Dort hatte die Patrouille eine Urlaubsstation. Herrliche Ruhe, gutes Essen, Säbeltigertatzensteak. Obwohl, da hatte er einmal ein Jahr erwischt, in dem er schon einmal dort gewesen war. Nicht, dass es ihm noch etwas ausmachte, sich selber ständig über den Weg zu laufen, das war ihm schon öfters passiert, daran gewöhnt man sich. Man trinkt mit sich selbst ein paar Gläser, frischt gemeinsame Erinnerungen auf, macht sich Komplimente, wie gut man damals noch ausgesehen habe, wie man sich andererseits gut gehalten habe, man ödet sich an, ein gewisser Neid kommt auf, der sich bis zum Hass auswachsen kann, wenn man die schlechten Gewohnheiten sieht, die man damals schon hatte, sich längst abgewöhnen wollte, aber in ein paar Jahren noch haben wird. Da steht die Jugend gegen die Erfahrung, ja, und die Jahre dazwischen, um die man herumredet wie um den heißen Brei, die man ausklammert, aber doch nicht übersehen kann. Jeder weiß, dass dies böse Zeitfrakturen bedeuten kann, wenn man nicht vorsichtig ist, irreparabel, Eingreifen der Kommission, günstigstenfalls Deportation in eine Eiszeit oder die drei ersten Jahrtausende der Zeitrechnung, schlimmstenfalls Löschen von der Zeitlinie, Verurteilung zur Nichtexistenz, vorbehaltlich Amnestie durch Gnadenerlass des obersten Zukunftsrates.

»Er steht herum und schweigt«, riss ihn die Stimme des Königs aus seinen Gedanken. »Ich habe Ihn etwas gefragt.«

»Verzeiht mir, Majestät.«

»Also, was wird geschehen?«, forschte der König ärgerlich. »Noch einmal Punkt für Punkt.«

»Gewiss, Majestät«, sagte Collins. »Wie ich schon wiederholt darlegte, halten wir die gesamte uns zugängliche Zeitlinie mit Wächtern besetzt und beobachten speziell diesen Raum des Palastes. Es geschieht nichts. Das heißt, wie Majestät ja längst wissen, bis auf die Puppe.«

»Blödsinn! Puppe! Immer wieder diese verdammte Puppe! Wie oft muss ich das noch hören? Wofür bezahle ich Ihn? Kommt mir immer wieder mit dieser Albernheit!«

»Eine kleine mechanische Kunstfigur«, sagte Collins ungerührt, »eine Art Miniaturrobot erscheint und Majestät geruhen mit ihm zu spielen.«

»Das ist doch Blödsinn, Collins! Wie oft soll ich Ihm das noch sagen? Was soll ich mit einer Puppe? Hat er mich je mit einer Puppe spielen sehen? So ein Unfug!«

»Gestatten, Majestät, aber Ihr scheint, mit Verlaub zu sagen und wie die Wächter unserer Zeitpatrouille berichten, dem kleinen mechanischen Gerät überaus zugeneigt zu sein.«

»Das ist es ja, was ich nicht verstehe! Was habe ich mit einer Puppe zu schaffen? Bin ich ein Kind? Höre Er endlich mit dieser Puppe auf! Sie macht mich nervös.«

Der Minister zuckte die Achseln und sah auf die Uhr. »Ich berichte nichts als Fakten, wenn ich sage, dass Majestät geruhen, diese Kunstfigur liebevoll zu handhaben, dazu die Waffe aus der Hand legen und ganz den Eindruck machen, als seien Majestät sehr erleichtert, überaus gut gelaunt, um nicht zu sagen …«

»Was?«

»… um nicht zu sagen – nun – wie ausgewechselt.«

Der König lehnte sich seufzend zurück, schüttelte energisch den Kopf, rutschte nervös wieder nach vorn und grübelte.

»Puppe, Puppe, was, zum Teufel, soll diese Puppe?«, murmelte er und schlug sich einige Male mit der flachen Hand gegen die Stirn. Dann fuhr er Collins schneidend an. »Seit Wochen höre ich nichts anderes mehr von Ihm, als Berichte über Puppen und ähnlichen Unsinn. Er hat versagt, Collins! Als Minister für die Sicherheit meiner Person hat Er versagt! Das kann Ihm den Kopf kosten! Weiß Er das?«