Tore zur Nacht - Wolfgang Jeschke - E-Book

Tore zur Nacht E-Book

Wolfgang Jeschke

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Beschreibung

Ist dies das Ende?

Sollte man wirklich Kinder in diese Welt setzen? Eine Welt, die alles andere als perfekt und friedlich ist, sondern jeden Tag ein Stückchen näher an den Abgrund rückt, bedroht von Krieg und einer atomaren Katastrophe? Alain und Roger, zwei einfache Bürger, diskutieren diese Fragen während die Welt aus den Fugen gerät …

Die Erzählung „Tore zur Nacht“ erscheint als exklusives eBook Only bei Heyne und umfasst ca. 54 Seiten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 99

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WOLFGANG JESCHKE

TORE ZUR NACHT

Erzählung

Das Buch

Sollte man wirklich Kinder in diese Welt setzen? Eine Welt, die alles andere als perfekt und friedlich ist, sondern jeden Tag ein Stückchen näher an den Abgrund rückt, bedroht von Krieg und einer atomaren Katastrophe? Alain und Roger, zwei einfache Bürger, diskutieren diese Fragen während die Welt aus den Fugen gerät …

Die Erzählung »Tore zur Nacht« erscheint als exklusives E-Book Only zusammen mit weiteren Stories von Wolfgang Jeschke im Heyne Verlag und umfasst ca. 54 Seiten. Sie sind als Print-Ausgaben in den Sammelbänden »Der Zeiter«, »Partner fürs Leben« und »Orte der Erinnerung« im Shayol Verlag, Berlin erschienen.

Der Autor

Wolfgang Jeschke (1936-2015) war der Großmeister der deutschen Science-Fiction. Lange Jahre als Herausgeber und Lektor für den Heyne Verlag tätig, hat er vor allem auch mit seinen eigenen Romanen und Erzählungen das Bild des Genres geprägt. Jeschke wurde mehrmals mit dem renommierten Kurd Lasswitz Preis ausgezeichnet.

Von Wolfgang Jeschke sind im Wilhelm Heyne Verlag erschienen:

»Der letzte Tag der Schöpfung – Midas – Das Cusanus-Spiel« (drei Romane in einem Band) und »Dschiheads«.

Eine Übersicht aller Werke von Wolfgang Jeschke finden Sie in der Bibliografie am Ende dieses E-Books.

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 2006 by Wolfgang Jeschke

Erstmals veröffentlicht in: Munich Round-Up, Nr. 51, München 1963

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Stardust, München

Satz: Thomas Menne

ISBN 978-3-641-13598-0

»How goes the world, Sir, now?«

William Shakespeare

Wo Menschen schritten,

keine Spur.

Das große Werk umsonst.

Vertan.

Das mächtig einend Band der Schöpfung?

Frommer Wahn.

Wo blieb die reine Sommerhelle

im Laubgeäst,

dein zart Erglühn,

und Herbstes Blau im windgestreiften,

im weiten Meer der sonngereiften

Fliederschatten leis verblühn?

Kein Blatt zieht mehr auf Abendteichen,

kein Lächeln über deinen Mund,

des Vogels weichgefiedert Streichen

nur Schatten in verbranntem Grund,

und du und ich.

Die Zeit

rann spurlos über uns hinweg,

als wär dies alles nie geschehn.

ein Hauch vielleicht

noch im Vergehn,

ein Irrlicht,

das kein Gott gesehn,

ein Wimpernschlag der Ewigkeit.

Abendstunde, ungemessen.

Der Horizont in Auflösung.

Dämmerungen.

Nur Wolkenschleppen von Äonen schliffen das Gestein.

Fels und Asche, und das Licht erstarrt.

Nun blüht die Nacht aus Staub und Eis.

Sterne, von Wolken gejagt, vereinzelt, fern.

Die Tiefe: Leere, Abgrundschweigen.

Nichts schwebt über den toten Wassern.

Das Stundenglas zerbrach, die Zeit verrann ins Nichts. Aber vielleicht gab es Abende, undenkbare, grüne Dämmerungen voll Lachen und voll Zärtlichkeit, Geruch von Erde, Blütenschnee, Zigarettenduft und Straßencafés, Beat und Metaphysik, Gespräche, und die Zikaden lärmten. Tiefe Stunden zartfiedriger Nächte, zwar meist banal, doch oft verzaubert und voll Zuversicht.

Die Sterne hatten ihren Platz.

Möglichkeiten, undenkbare.

Doch keine Erinnerungen.

Nur Wolkenschleppen von Äonen schliffen das Gestein.

Fels und Asche, und das Licht erstarrt.

Unweit Toulouse, gegen Südwesten hin, wo das Hügelland beginnt, das ansteigt und bis an den Fuß der Pyrenäen reicht, zwischen sonnenverbrannten Silbersteppen, rotem Fels und schwerem Grün der Weinberge, dort hatten die Behörden die Maschine bauen lassen.

Ein Land der Klostereinsamkeit; verlassenes Ackergerät, das kärgliche Furchen riss. Die Stimmen der Bauern und der Mönche schluckt ein naher, unermesslicher Himmel. Stille, Gleichklang von Erde und All.

In dieser Landschaft steht das Gerät, majestätisch und kalt, Zeugnis menschlicher Macht und geometrisches Symbol, Gleichklang von Materie und Geist.

Die Gelder wurden bewilligt, als die Wissenschaftler es für besser hielten, dass die Frauen ihre Kinder nicht mehr selbst austrugen. Der Krebs, das Nikotin, Gifte und Kreislaufstörungen, die Figur. So trat die Maschine an ihre Stelle.

Geometrie des Mutterleibs.

Viele hielten es für den dernier cri, andere für Gotteslästerung.

Die Mönche beteten.

Straßencafé, irgendwo, bunte Tische, bunte Lichter, Sommerabend, Radiomusik, Stimmen, Lachen.

Alain drehte sein Glas zwischen den Fingern, es war leer. Roger wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß ab. Es war heiß.

Der Kellner im fleckigen weißen Jackett kam aus dem Lokal. Die Perlenschnüre am Eingang klirrten leise. Für einen Moment sah man Männer im Innern an der Theke lehnen, die rauchten und sich laut unterhielten, um das Radio zu übertönen. Der Kellner stellte frisch gefüllte Gläser auf das weiß gestrichene Blech des Tisches vor Alain und Roger. Die grüne Flüssigkeit sprudelte.

»Voilà.«

»Roger, ich weiß, was du denkst, aber wir haben es bestimmt nicht deshalb weggegeben, glaub mir.« Seine Finger sammelten die Untersätze auf und stapelten sie aufeinander zu einem flachen Turm. »Glaub mir, es wäre mir wirklich egal, wenn sie … ich … ich meine, wie sie nachher aussehen würde, aber du kennst doch Eve, sie ist zu schwach dazu, sie hätte es nicht geschafft. Schon die ersten Tage machten ihr Schwierigkeiten, bevor es umgepflanzt wurde.«

Roger sah seinem Rauch nach und schwieg.

»Ich hatte Angst, dass sie es nicht durchsteht, deshalb habe ich ihr zugeredet, es herzugeben. Der Arzt sagte auch, es sei besser so, viel einfacher und sicherer, keine Schmerzen, keine Kinderkrankheiten, keinen Ärger, und in ein paar Monaten haben wir es wieder. Wir freuen uns schon darauf.«

Roger sah zum Himmel auf. Es war fast dunkel und man sah die ersten Sterne.

»Und außerdem, wenn man die Weltlage betrachtet, sollte es tatsächlich zum Krieg kommen, dann ist das Baby dort am sichersten, und unsere Chancen davonzukommen sind wahrscheinlich auch größer, wenn wir das Baby nicht haben. Meinst du nicht auch?«

Roger drückte heftig seine Zigarette aus.

»Weißt du, Alain, man sollte heute überhaupt keine Kinder haben.«

»Aber …«

»Wenn es heute zu einem Krieg kommt, dann wird es bei den Raumwaffen, die über uns ihre Kreise ziehen, danach weder die Maschine noch Babys noch sonst etwas geben. Niemand wird eine Chance haben. Sie haben den Overkill auf dem Papier ausgerechnet, haben ihn alle fünf Jahre verdoppelt, aber sie glauben ihren Statistiken nicht, weil sie vertrottelt, verkalkt und phantasielos sind. Sieh sie dir doch an, die an den Knöpfen sitzen. Jahrzehntelang haben sie uns Sand in die Augen gestreut, so eine Bombe sei doch harmlos, Aktentasche genügt, zumindest für die kleinen Leute, für Leute mit Geschmack und ein bisschen mehr Geld ein 50 000-Franc-Bunkerchen neben dem Swimmingpool, alles inklusive. Jetzt glauben sie es schon selbst, diese Idioten! Graben sich 200 Meter tief in Granit, und es ist ja alles halb so schlimm. Hauptsache, es bleiben ein paar Raketenstellungen intakt, um den Gegenschlag auszulösen, alles andere ergibt sich dann von selbst. Schon wieder fangen die Tattergreise an, am Sandkasten herumzufingern und den starken Mann zu spielen, weil sie die Impotenz peinigt trotz Affendrüsen und Ohojuhu für die Sekretärin. Nein, Alain, ich habe die Hoffnung aufgegeben. Als ich noch jünger war, dachte ich, wenn schon die Politiker zu dumm sind, um zwei und zwei zusammenzuzählen, sie haben ja jetzt ihre Computer, die das für sie tun, aber nein. Ihre Gallensteine und Magengeschwüre haben mehr Einfluss auf ihre Entscheidungen als die Prognosen, die ihnen die Elektronik schwarz auf weiß ausdruckt. Sieh sie dir doch an, wie stark sie sich wieder fühlen, wie sie sich aufspielen, wie sie ihre Blähungen mit Rückgrat, ihre Ignoranz mit Entschlossenheit verwechseln. Sie spielen mit einem Feuer, das zu löschen selbst die Ozeane nicht ausreichen, und diesmal zündeln sie verdammt sorglos an dem Pulverfass herum.«

»Mein Gott, Roger, glaubst du tatsächlich, dass es dazu kommen könnte?«