Der Kriegskaiser - Heinrich von Stahl - E-Book

Der Kriegskaiser E-Book

Heinrich von Stahl

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Beschreibung

Nach dem Scheitern seiner Befreiungsmission verweilt der Kastrup-General Pio Filippani-Ronconi mit seinen Kameraden weiterhin in der Festung der Invasoren. Es kommt zu einem mörderischen Kampf mit der Leibgarde der geheimnisvollen Bran, die das vegalische Imperium beherrschen. In der Zwischenzeit wird Generalfeldmarschall von Dankenfels zum Kriegskaiser gekrönt. Er befiehlt die Landung deutscher Armeen mit insgesamt zehn Millionen Mann an der amerikanischen Ostküste. Ziel ist es, die jüngsten militärischen Erfolge des Nordischen Bundes auszunutzen, um die vegalischen Streitkräfte noch vor Eintreffen der zweiten Invasionswelle auszuschalten. Doch dann entschließen sich die Bran zum Einsatz der ultimativen Waffe, die das Kriegsgeschehen zu ihren Gunsten wendet. Alles Leben auf der Erde steht vor der Auslöschung.

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Seitenzahl: 253

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Kaiserfront 1953

 

 

Band 4

Der Kriegskaiser

 

Heinrich von Stahl

Inhalt

Titelseite

Prolog

Kapitel 1: Das Geheimnis des Cytanten

Kapitel 2: Die Rache des Römers

Kapitel 3: Des neuen Kaisers Befehle

Kapitel 4: Operation Götterdämmerung

Kapitel 5: Die Schlacht um Amerika

Epilog

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Impressum

Prolog

Mittwoch, der 12. April 1950, 14:15 Uhr

 

Das deutsche U-Boot befand sich bereits in zweihundert Metern Wassertiefe und senkt sich immer weiter hinab. Erst nach weiteren dreißig Metern befahl Kapitänleutnant Schmidt die Trimmtanks anzublasen, bis sich das fünfzig Meter lange Boot in der Schwebe hielt.

Ängstlich vernahm Max Hauser das Knarren des Stahls der Außenhülle, der sich unter dem hohen Druck der Wassermassen setzte. Die Besatzung schien von den unheimlichen Geräuschen nicht beunruhigt zu werden, weshalb sich wiederum bei Hauser ein gewisses Vertrauen in die Technik einstellte.

»Es ist soweit, meine Herren, begeben Sie sich in die untere Schleusenkammer und legen Sie ihre Tauchanzüge an.«

Hauser folgte seinen zweiundzwanzig Kollegen, alles Wissenschaftler der unterschiedlichsten Fachgebiete, und einem weiteren Dutzend Agenten des Kaiserlichen Abschirmdienstes durch den Längsgang von U-479. Professor Max Hauser war Paläografologe und galt als Kapazität des Reiches für alte Schriften.

Von einem seltsamen Funksignal war die Rede, das hier, an der tiefsten Stelle der Ostsee, zwischen Gotland und Lettland seinen Ursprung haben sollte. Der Kaiserliche Abschirmdienst behauptete, hier etwas entdeckt zu haben, das der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlag. Dieses Etwas hatte den Geheimdienstlern jedoch offensichtlich für sie unlösbare Rätsel beschert, weshalb sie eine Spezialistentruppe aus den Koryphäen ihres jeweiligen Fachgebietes zusammengestellt hatten.

Prof. Hauser fühlte sich jedoch hoffnungslos überfordert: Zwar war er schon in die Kriechgänge babylonischer und ägyptischer Tempel vorgedrungen – was seiner notorischen Platzangst nicht unbedingt förderlich gewesen war –, doch was man ihm nun abverlangte, schlug dem Fass den Boden aus! Er sollte doch allen Ernstes in fast zweihundertvierzig Metern Wassertiefe dieses verdammte U-Boot verlassen und dabei auch noch eine mit Sauerstoff angereicherte scheiß Flüssigkeit einatmen, die ihn aufgrund ihrer Inkompressibilität vor dem hohen Druck schützen sollte. Ausgerechnet in dieser für einen Menschen in höchstem Maße lebensfeindlichen Umgebung sollte er helfen, den scheiß Sender zu untersuchen. Warum brauchte man dazu eigentlich um alles in der Welt einen habilitierten Paläografologen?

Unwillig kletterte der Professor die Leiter in die untere Schleusenkammer hinab; als alle hinuntergestiegen waren, verschloss einer von den geheimnisvollen ›Geheimdienstfuzzis‹ die Luke.

Die Tauchanzüge mit den klobigen Rückentornistern, die die atembare Flüssigkeit enthielten, hingen an den Wänden der ausgedehnten Schleusenkammer. Einer der Agenten des KAD half dem Wissenschaftler, den Anzug anzuziehen, nachdem dieser seine Kleidung bis auf die Unterwäsche ablegen musste. Anschließend kümmerte sich der Mann um den nächsten Wissenschaftler. Es dauerte fünf Minuten, bis die insgesamt zweiunddreißig Männer und drei Frauen die Taucheranzüge angelegt und ihre Kleidung in wasserdichten Fächern verstaut hatten.

»Drücken Sie die Verschlüsse der an der Wand hängenden Schläuche fest auf das Ventil im Hüftbereich ihres Anzuges. Anschließend drehen Sie den Schraubverschluss Ihres Tornisters auf«, hörte Hauser die Stimme des Expeditionsleiters aus den Lautsprechern des Kopfhörers, den er sich aufgesetzt hatte, bevor der gläserne Helm seinen Anzug vervollständigte.

Mit äußerster Skepsis verband Max den Schlauch mit dem Anzug und betätigte den Drehverschluss. Sofort wurde die unangenehme Kälte einer Flüssigkeit spürbar, die vom Tornister in seinen gläsernen Helm strömte. Gleichzeitig füllte sich der Anzug bis zum Hals mit normalem Wasser.

Der Paläografologe begann vor Kälte am ganzen Körper zu zittern. Ein Zittern, das wohl durch die kreatürliche Angst vor dem Ertrinken noch beträchtlich verstärkt wurde. Die Flüssigkeit im Helm hatte bereits sein Kinn erreicht … Max reckte den Kopf nach oben, um möglichst lange die im Helm verbliebene Luft zu atmen. Doch immer mehr davon entwich aus einem Ventil, immer mehr Flüssigkeit strömte nach. Schon wurde sein Mund von der Flüssigkeit benetzt! Dann erreichte die leicht rosa gefärbte Flüssigkeit seine Nase: Hauser hielt die Luft an … Er begann unter Atemnot zu leiden. Schließlich gewann der Atemreflex die Oberhand – und er sog die Flüssigkeit tief in seine Lungen. In Verbindung mit der noch vorhandenen Luft löste der Vorgang einen heftigen Hustenanfall aus. Dann atmete er ruhig weiter. Er spürte lediglich den höheren Widerstand, den die Flüssigkeit im Vergleich zu Luft beim Ein- und Ausatmen seiner Lungenmuskulatur entgegen setzte – das war auch schon alles. Fasziniert und gleichzeitig erleichtert, tatsächlich nicht an diesem seltsamen Zeug zu ersticken, machte sich eine gewisse Euphorie in ihm breit.

Einer der kaiserlichen Agenten betätigte das Stellrad der Schleuse, das die Flutungskanäle öffnete. Klappen im Boden öffneten sich. Das fontänenartig eindringende Wasser stieg schnell höher und erreichte bereits nach einer Minute die Schleusendecke. Ein anderer Agent öffnete die Bodenluke. Einer nach dem anderen ließ sich hindurch auf den drei Meter tiefer liegenden Meeresgrund hinab gleiten. Max sah die Hand vor Augen nicht – vollkommene Schwärze umgab ihn …

Die Scheinwerfer auf den Brustteilen der Tauchanzüge wurden eingeschaltet. Zunächst war nichts als schlammiger Untergrund zu sehen. Winzige Fischchen tanzten einen seltsamen Reigen vor den Augen des Wissenschaftlers. Die Schritte der Kollegen und Soldaten wirbelten den Boden auf und verschlechterten die Sicht. Dann wurde es plötzlich fast taghell. Mehrere Flutlichtmasten, offensichtlich vom Geheimdienst bei der nur wenige Tage zurückliegenden ersten Expedition aufgestellt, spendeten ein grelles Licht, das die zahllosen Staubpartikel und Kleinstlebewesen im Wasser aufleuchten ließ. Im Schein der leistungsstarken Lampen erkannte der Professor, dass sie sich in einem tiefen Graben befanden. Die rechte Flanke der unterseeischen Schlucht ragte unmittelbar vor ihnen empor und verlor sich jenseits der Reichweite der Flutlichter in der unendlich erscheinenden Dunkelheit der Ostsee. Unmittelbar davor sah Hauser das rund einen Meter durchmessende Saugrohr, das bis zum Forschungsschiff VERNE an der Oberfläche reichte. Es hatte einen Teil des Hangs abgesaugt und so ein metallenes Schott freigelegt. Eine feine Naht in der Mitte deutete darauf hin, dass es aus zwei Teilen bestand.

Völlig unspektakulär drückte einer der Taucher auf einen roten Knopf neben dem Schott. Die beiden Hälften glitten auf. Dahinter war nichts als undurchdringliche Schwärze zu sehen – jedoch nur für wenige Sekunden, dann schaltete ein anderer Taucher die Standlampe ein, die man in dem Raum hinter dem Schott aufgestellt hatte.

Zum Vorschein kam ein rund einhundert Quadratmeter großer, rechteckiger Raum. Die fünfunddreißig Mitglieder der Expedition traten ein. Jemand drückte einen Schalter an der Wand. Das Außenschott schloss sich, das Wasser verschwand mit beachtlicher Geschwindigkeit. Als der Raum vollständig mit Luft gefüllt war, glitt das Innenschott auf. Zum Vorschein kam ein Raum voller Pulte, Maschinen, Rechenanlagen, deren Erbauer eindeutig die Versöhnung von Kunst und Wissenschaft im Sinn gehabt hatten. Sämtliche Gegenstände waren von ästhetischer Schönheit und farblich aufeinander abgestimmt. An den Wänden hingen Gemälde in kräftigen Farben verschiedener Stilrichtungen, einige hätten von Dali, andere von Magritte, wieder andere hätten ein Werk von Michelangelo sein können. Trotzdem hatten es die Fremden verstanden, die unterschiedlichen Stilrichtungen zu einer in sich konsistenten Harmonie zu verbinden. Einige der Bilder zeigten Menschen, Gesichter, eins sogar den Akt einer wie eine griechische Göttin wirkenden Frau. Folglich war klar, dass es sich bei den Erbauern um Menschen gehandelt haben musste.

»Sie können jetzt die Flüssigkeit abpumpen und ihre Helme abnehmen«, teilte der Expeditionsleiter via Helmfunk mit.

Die Wissenschaftler und Geheimagenten folgten der Aufforderung und verschwanden zwischen den wie Skulpturen wirkenden Maschinen, Aggregaten und Gebilden unbekannten Zweckes.

»Kommen Sie bitte einmal her Professor«, sprach einer der Männer des Kaiserlichen Abschirmdienstes über Helmfunk Hauser an – und lieferte diesem intelligenterweise gleich eine Hilfestellung bei der Zielortung mit: »Ich befinde mich bei dem roten, drei Meter hohen Kegel.«

Der Paläografologe fand die bezeichnete Stelle sofort. Ein hellblonder Mann, den Hauser beim Näherkommen als Expeditionsleiter Schulz identifizierte, beugte sich über ein türkises Pult in Form eines Nierentisches: Eine verzierte, vielfarbige Landkarte war in die glänzende Oberfläche eingearbeitet worden. Die Küstenlinien im Nordwesten kamen dem Paläografologen irgendwie bekannt vor, ohne sie jedoch beim ersten Hinschauen zuordnen zu können.

»Können Sie die Schrift identifizieren oder vielleicht sogar lesen?« fragte Schulz und deutete auf die Bezeichnungen von Ländern, Städten und Meeren auf der Karte.

Während Prof. Hauser versunken auf die fremdartigen Zeichen starrte, flüsterte ihm der Expeditionsleiter mit fast schon religiöser Ehrfurcht zu: »Ich habe soeben die Ergebnisse der Radiokarbonanalyse von Professor Profant erhalten. Die Anlage hier ist zehntausendfünfhundert plus/minus zweihundert Jahre alt … Vielleicht hilft Ihnen das weiter, bei der Analyse der Schrift?«

»Ich kann in der Tat etwas mit den Zeichen anfangen«, gab Hauser zurück. »Sie sehen wie eine abgewandelte Form germanischer Runen aus.«

»Können Sie auch lesen, was da steht?« Schulz deutete auf einen besonders fett gedruckten Schriftzug in der Mitte der Karte.

»Ja, warten Sie, da steht … Atlantik … nein, falsch. Jaja, jetzt habe ich es – hier steht ganz eindeutig Atlantis!

*

In den nächsten Stunden fertigte Hauser ein Alphabet der atlantischen Runen mit der passenden Übersetzung in lateinische Schriftzeichen an. Wodurch er die Informatiker der Expedition sehr schnell in die Lage versetzte, die berührungsempfindlichen Bildschirme bedienen zu können. Bereits nach wenigen weiteren Stunden hatten die Spezialisten Zugriff auf die unglaublich leistungsfähigen Rechnersysteme. Sie enthielten eine ungeheure Flut von Daten, die teilweise mittels noch unbekannter Algorithmen verschlüsselt waren. Die Experten ließen keinen Zweifel aufkommen, dass die Entschlüsselung unter Umständen Jahre dauern könnte, falls sie überhaupt möglich war.

Während die Informatiker an den Rechnern herumspielten, und zwar auf die unbeschwerte Art, die ihnen im Allgemeinen zu eigen ist, schien einer von ihnen ein besonderes Programm gestartet zu haben.

Ungefähr in der Mitte der Halle entstand zunächst ein Flimmern, dann schälte sich ein in eine schwarze Kutte mit Kapuze gekleideter Mann aus dem Nichts. Seine hohe Stirn, die hellblauen Augen, die schmale Nase und die dünnen Lippen lagen teilweise im Schatten der Kapuze.

Einer der Wissenschaftler hob sofort seine Kamera und begann die Szene zu filmen. Der Kuttenträger begann in einer fremden Sprache zu reden. Dabei trat er auf einen der Soldaten zu – und ging einfach durch ihn hindurch.

»Ein Hologramm«, rief irgendjemand.

Der Fremde deutete auf eine der Maschinen, sagte etwas, dann auf eine andere und gab erneut einen unverständlichen Kommentar ab.

»Ich glaube, Wortfetzen indogermanischer Sprachen zu erkennen«, flüsterte Max dem Expeditionsleiter zu, als befürchtete er, lauter gesprochene Worte könnten das Hologramm verärgern und zum Verschwinden veranlassen.

»Können Sie die Worte des mutmaßlichen Atlanters übersetzen, wenn Sie sich die Filmaufzeichnungen ansehen?«

»Möglicherweise«, sagte Hauser und nickte zuversichtlich.

Zurück in seiner Bibliothek an der Universität Dresden brauchte er noch nicht einmal vier Tage, um die Erklärungen des Kuttenträgers mit ziemlicher Sicherheit unzweideutig übersetzt zu haben. Es handelte sich bei der atlantischen Sprache um Fragmente des Altgriechischen, Lateinischen, Sanskrit und des – bislang von Sprachforschern nur als hypothetisch angenommenen – Urgermanischen. Treffender formuliert trugen diese alten Sprachen Fragmente des Atlantischen in sich …

 

Kapitel 1:Das Geheimnis des Cytanten

Mittwoch, der 05. August 1953, 04:20 Uhr MEZ

Kalter Schweiß klebte die zu einem Seitenscheitel gekämmten dunkelblonden Haare des Mannes auf seine Kopfhaut. Immer wieder musste Alan Turing die Stirn mit dem Ärmel seines dunkelblauen Anzuges von der salzhaltigen Flüssigkeit befreien, damit sie ihm nicht in die Augen tropfte. Mit höchster Konzentration starrte er auf den nur wenige Millimeter dicken Flüssigkristallbildschirm. Der Monitor thronte auf einem Pult, unter das er seine vor Nervosität gelegentlich zuckenden Beine ausgestreckt hatte.

Die dargestellten vegalischen Symbole bildeten die Programmzeilen des Hergalax-Betriebssystems in Maschinensprache, mit dem unter anderem auch der elektronische Teil der Cytanten-Hirne arbeitete. Im gesamten Sonnensystem gab es weniger als ein halbes Dutzend Männer, die mit einer solch sinnverwirrenden Zeichenfolge überhaupt etwas anfangen konnten. Das Programm lief Schritt für Schritt im Kopf des begnadeten Informatikers und Kryptoanalytikers ab. Er entdeckte einen Bereich auf dem elektronischen Datenspeicher des Cytanten, auf den er bislang keinen Zugriff gehabt hatte. Nun suchte er nach den entsprechenden Schutzmechanismen im Betriebssystem, die ihm das Auslesen der dort gespeicherten Daten verwehrten.

Alan war derart in das Programm vertieft, dass er die Welt um sich herum längst nicht mehr wahrnahm. Auch den Mann nicht, dessen Hand er plötzlich auf seiner rechten Schulter verspürte. Eine Berührung, die ihn aus einer anderen, für die meisten völlig unverständlichen Welt zurückholte. Dementsprechend erschrak er heftig und wandte dem hinter ihm stehenden Ankömmling ruckartig den Blick zu.

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