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Ein Volk aus einer anderen Welt. Ein dunkles Wesen mit unvorstellbarer Macht. Und eine junge Geigerin, die kein Wunderkind ist - oder vielleicht doch? Als Kiara mit eigenen Augen sieht, dass sich ihr Geigenlehrer in eine Elster verwandeln kann, ist in ihrem Leben nichts mehr, wie es war. Denn seit vielen tausend Jahren leben die Wandler unerkannt in unserer Mitte – und Kiara ist eine von ihnen. In dem Kampf der beiden verfeindeten Wandler-Clans fällt ihr eine gefährliche Aufgabe zu: Sie soll sich in Prag unter die neuen Schüler des gegnerischen Clans mischen und den Skorpionkönig finden, bevor er sein tödliches Potenzial entfaltet. Dabei will Kiara doch nur ihre Vogelgestalt entdecken und fliegen. Und für ihre Mission ist es auch nicht gerade hilfreich, dass sie sich gleich am ersten Tag verliebt ...
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Seitenzahl: 626
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Teil I Die Verlorenen aus Wint Alamar
1 Wenn die Welt zerbricht
2 Vom Fliegen und Brennen
3 Die Akademie
4 Schlangen und Panther
5 Die Kreise der Wandler
6 Wir und die Feinde
7 Einer von uns
8 Wut und Verwandlung
9 Der Versuch, sich zu finden
10 Diese Stunden mit dir
11 Das höchste Glück
12 Die Nacht in dir
13 Wenn wir fallen
14 Weil du da bist
15 Schlaflos
Teil II Die Flügel der Schlange
16 Das Schlangenschloss
17 Du, ich
18 Weil ich fliegen kann
19 Unsere Ewigkeit
20 Das Herz meiner Mutter
21 Dunkle Tage
22 Die Prüfung
23 Der König
24 Deine wahre Gestalt
25 Wer ich bin und wer ich sein soll
26 Die Krönung
27 Königlich
Anhang Kasten, Kreise, Ränge der Clans
Die Wandler – Der Kuss des Wandlers E-Book-Ausgabe 11/2017 Copyright ©2017 by Eisermann Verlag, Bremen Umschlaggestaltung: Jaqueline Kropmanns Satz: André Piotrowski Korrektur: Marie Weißdorn http://www.Eisermann-Verlag.de ISBN: 978-3-96173-057-5
Die vier Männer tragen lange Mäntel aus schillernder Schlangenhaut. Ihre Haare flattern im Wind, der unzählige weiße, blutverschmierte Federn aufwirbelt. Zu den Füßen von Chris, dem Frontman von Serpent War, liegen die zerbrochenen Teile einer Geige inmitten einer Blutlache.
Wenn ich die Augen schließe, kann ich mir vorstellen, wie ich zwischen den vier Musikern stehe, vor dem dunklen Hintergrund mit den drohend zusammengeballten Wolken. Ich posiere zwischen Phil und Zac, meine honigfarben lackierte Geige im Arm, aus deren Schalllöchern Daunen rieseln. Auf dem Bild ist mein Haar flammend rot, ohne die weiße Strähne und die braunen Flecken, und so wie Schlagzeuger Tom habe ich statt eines Schlangenmantels Flügel, die weit über meine Schultern hinausragen. Ich lächle den Betrachter an, und im nächsten Moment öffne ich die Hand. Die Geige fällt auf den Boden und zerbricht.
Früher wäre mir das nicht passiert.
Als ich die Augen öffnete, hing immer noch das Poster an der Wand, das mir seit Jahren Mut gab, doch es gelang mir nicht mehr, mich in meiner Fantasie selbst zwischen die Rockstars zu stellen. Nicht meine Geige war längst zerbrochen, sondern mein Traum.
Mit einem wunden Lächeln betrachtete ich das goldbraune Instrument in meiner Hand. Es war Zeit, sich mit der Wahrheit abzufinden: Ich war nicht gut genug. Obwohl ich bei einem der weltbesten Geiger Unterricht nahm, war ich weder das Wunderkind, das meine Eltern in mir sehen wollten, noch hatte ich die reelle Chance, Mitglied meiner Lieblingsband zu werden. Schon eine geraume Weile hatte ich darüber nachgedacht, ob ich nicht ganz mit dem Spielen aufhören sollte, bevor die Erwartungen wuchsen und die unausweichliche Enttäuschung meiner Eltern noch größer ausfiel.
Ich hatte die Entscheidung immer vor mir hergeschoben, denn ich spielte gerne – nur eben nicht gut genug.
Es war Zeit, sich das einzugestehen. Und obwohl ich eigentlich stolz auf mich sein sollte, weil ich endlich erwachsen genug war, um die Wahrheit anzuerkennen, fühlte es sich an wie eine Kapitulation.
Mein Herz klopfte, als ich die Geige in den mit Samt ausgeschlagenen Koffer bettete. Sie war viel zu wertvoll für meine mäßigen Künste. Ich wusste es, Professor Mercier wusste es, jeder, der mir zuhörte und auch nur ein bisschen von Musik verstand, wusste es. Meinen Eltern die Augen zu öffnen, würde mich trotzdem viel Energie kosten, und ich bereitete mich innerlich auf einen lautstarken und tränenreichen Streit vor.
Noch ein letzter Blick auf meine Idole, bevor ich die Zimmertür öffnete. Chris, der auf dem Plakat seine blutende Geige in den Staub trat, konnte spielen wie der Teufel selbst, obwohl er keine klassische Ausbildung besaß. Der Schuppenmantel lag auf seinen Schultern wie eine zweite Haut, und das höhnische Lächeln in seinem Gesicht schien zu fragen: Glaubst du wirklich, dass ich Tauben und Geigen zerstöre?
»Ja«, sagte ich leise. »Das traue ich dir zu. So wie du meinen Glauben an mich selbst zerstört hast. Ich kann mich niemals mit dir messen.«
Ich streckte die Hand aus und riss das Poster von der Wand. Die Nadeln, mit denen ich es festgesteckt hatte, fetzten Löcher in die Tapete, aber das war mir gleich. Es war an der Zeit, ein neues Kapitel anzufangen. Ich war sechzehn und nicht mehr Mamas und Papas Wunderkind. Nun musste ich ihnen das nur noch beibringen.
Das zerknüllte Poster in der Hand, trat ich auf den Flur hinaus und horchte. Seltsam still kam es mir im Haus vor. Zu still. Wenn ich übte, lief das Radio nicht und Papa hörte auf zu singen, damit er und Mama keinen Ton verpassten. Meine Geige und diese andächtige Stille, sie waren wie siamesische Zwillinge.
Schluss damit.
»Seid ihr da?«, fragte ich laut.
»Bist du schon fertig mit Üben, Kiara?« Meine Mutter hob die Augenbrauen, als ich ins Esszimmer kam, wo sie und Papa Tee tranken. Es duftete verräterisch gut; auf dem Tisch thronte ein Schokoladenkuchen, den noch niemand angeschnitten hatte. Mir schwante Übles, und für einen Moment vergaß ich meine Mission, sie vom Ende meines Wunderkinddaseins zu unterrichten.
»Ist was passiert? Hat das Theater keinen Bedarf mehr an Kulissenbauern?«
Zu oft schon hatte mein Vater versucht, uns mit seinen Koch- und Backkünsten darüber hinwegzutrösten, dass er wieder einmal seinen Job verloren hatte.
»Bei mir läuft alles rund, keine Sorge«, meinte Papa gut gelaunt.
»Das war nicht mal eine Stunde«, sagte meine Mutter zu mir, sah dabei jedoch auf die Uhr. »Warum kommst du schon runter?«
»Kiara hat einen siebten Sinn dafür, dass etwas im Busch ist.« Er grinste mich an.
»Ihr überlegt euch gerade, mich abzumelden, stimmt’s?«
Deshalb der Kuchen. Deshalb die Vorfreude in ihren Gesichtern. Vielleicht wussten sie doch in ihrem tiefsten Inneren, dass auch zehn weitere Unterrichtsjahre bei Professor Mercier kein Genie zutage fördern würden.
»Witzig.« Meine Mutter lachte.
Was konnte es sonst sein? »Hast du dir wieder einen Papagei gekauft, Papa?«
»Oh, aber nein. Das geht doch nicht.«
Papa hatte sich bereits mehrfach einen Krummschnabel zugelegt, doch mein Geigenspiel machte es unmöglich, die Vögel zu behalten. Ob Graupapagei oder Amazone, Nymphensittich oder Zwergara – sobald ich mit meiner Musik begann, verwandelte sich der friedlich in seinem Käfig hüpfende Vogel in ein kreischendes, tobendes Etwas.
»Ich hab’s!«, rief ich aus, als sei mir diese Idee eben erst gekommen. »Ich hör mit dem Unterricht auf und du bekommst deinen Papagei.«
Meine Mutter seufzte. »Wir verzichten gerne auf unsere Hobbys, wenn du dein Talent entwickeln kannst. Es geht um deine Zukunft, Kiara.«
Müssen Eltern sich denn immer für ihre Kinder aufopfern? Können sie nicht ein kleines bisschen selbstsüchtiger sein? Es machte mir ein schlechtes Gewissen, dass sie so viel Geld ausgaben und auf ihre eigenen Interessen verzichteten, nur damit ich mich regelmäßig bei einem freundlichen, bebrillten Herrn im grauen Anzug ausheulen konnte. Etienne Mercier war nicht nur mein Geigenlehrer, sondern mein Freund und Sorgenonkel, und es würde mir schwerfallen, ihn nicht mehr regelmäßig zu besuchen. Aber an mich war sein Unterricht leider verschwendet.
»Meine Zukunft?« Ich versuchte zu lachen. »Ich spiele gerne, aber es ist nur ein Hobby, so wie …« Ich brach ab, als meine Mutter aufstand und einen Briefumschlag auf den Tisch legte.
»Was ist das?«
Natürlich erkannte ich sofort Merciers elegante Handschrift auf dem Kuvert. Seit wann schrieb er meinen Eltern Briefe? Hatte er ihnen mitgeteilt, dass ich letztendlich doch nur eine große Enttäuschung war und die erhoffte Verwandlung in ein Musikgenie einfach nicht eintreten wollte?
Nein, dann hätte es keinen Schokoladenkuchen gegeben. Und keine lächelnden Eltern, die darauf warteten, dass ich den Brief öffnete.
»Lies. Und dann sag noch mal, dass es nicht um deine Zukunft geht.«
Ich legte das Papierknäuel, das vor Kurzem noch meinem Traum von Weltklassemusik ein Gesicht gegeben hatte, unauffällig auf den leeren Stuhl neben mir, und griff nach dem Schreiben des Professors.
Eigentlich hätte da stehen sollen:
Sehr geehrte Frau Wieland, sehr geehrter Herr Wieland,
zu meinem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihre Tochter Kiara die hohen Erwartungen, die ich in sie gesetzt habe, nicht erfüllt hat …
Doch leider hatte er mir etwas ganz anderes geschickt. »Wie bitte?« Ich runzelte die Stirn. »Ist das ein Scherz?«
»Eine Einladung.« Meine Mutter strahlte bis über beide Ohren. »Zur Sommerakademie! Daran dürfen nur die begabtesten Jugendlichen teilnehmen.«
»Die Sommerakademie in Prag«, wiederholte mein Vater mit leuchtenden Augen. Kein Wunder – endlich trat ich in seine Fußstapfen. »Die besten Nachwuchstalente aus ganz Europa kommen dorthin! Junge Maler, Dichter, Musiker, Schauspieler … Das wird die Erfahrung deines Lebens, Kiara!«
Ich wollte seiner Freude nur ungern einen Dämpfer verpassen, schließlich wusste ich, wie sehr jener Sommer in Prag ihn in seiner Jugendzeit geprägt hatte. Aus diesem Grund brachte ich es nicht über mich, meine wahren Gedanken auszusprechen.
»Äh, schön.«
Wie konnte Professor Mercier mir das bloß antun? Er wusste, wie es um mich stand. Ich war der festen Überzeugung, dass er meinen Eltern nur deshalb vorschwindelte, ich wäre begabt, damit ich ihn weiterhin besuchen konnte. Sobald ich den Unterricht aufgab, würden wir uns nicht mehr sehen. Und wer würde mich dann trösten, meine Sorgen anhören und mir gute Ratschläge geben?
»Du glaubst, das ist ein Scherz«, sagte Papa, der viel zu gut in meinem Gesicht las. »Aber das ist es nicht. Auch wenn du an dir zweifelst, Kiara, andere tun das nicht. Du musst durchhalten! Professor Mercier glaubt an dein außergewöhnliches Talent. Und er muss es schließlich wissen, oder nicht? Er ist der Experte. Seine Schüler gewinnen am laufenden Band Preise und Stipendien. Warum sollte er sich mit dir abgeben, wenn du gänzlich unbegabt wärst?«
Genau das war die Frage – warum sollte sich ein brillanter Musiker von Weltrang mit einer mittelmäßigen Schülerin herumschlagen? Warum, wenn er nicht an eine Gabe glaubte, die sich erst noch zeigen musste? Dummerweise hatte ich einen Verdacht, der auf etwas ganz anderes hinauslief: Mercier widmete mir seine kostbare Zeit, weil wir mittlerweile Freunde waren. Mit ihm konnte ich über alles reden – nun ja, über fast alles. Manchmal vergaß er sogar, sich anzuhören, was ich geübt hatte, und gab mir am Schluss einfach ein neues Stück auf. Es kam vor, dass er mir etwas in Mathe erklärte, oder er ließ sich das Gedicht vortragen, an dem ich gerade feilte. Als ich mich mit meiner besten Freundin Franziska gestritten hatte, wollte er unbedingt wissen, warum ich geweint hatte, und hielt mir einen halbstündigen Vortrag über den Mut, die Wahrheit zu sagen. Irgendwie hatte mich das so getröstet, dass ich am nächsten Tag zu Franzi hingehen und ihr meine Sicht erklären konnte.
Ich vertraute ihm Dinge an, über die ich mit meinen Eltern nie gesprochen hätte: Von Kevin, der mich in der Siebten mit Papierfliegern bombardiert hatte, auf denen geheime Botschaften standen, die dann dummerweise die ganze Klasse las. Von Tobias aus meiner Parallelklasse, den ich während der achten und neunten Klasse für den attraktivsten Jungen der ganzen Schule gehalten hatte, der mich aber gar nicht bemerkte. Oder wir amüsierten uns darüber, dass neuerdings der sommersprossige Lukas aus der Zwölf ständig versuchte, mir kleine Geschenke zuzustecken.
Mit denselben kleinen Geschichten fütterte ich auch Franzis Neugier, da sie unglaublich gerne über mein nicht vorhandenes Liebesleben sprach. Dabei war sie sofort eifersüchtig, sobald ein Junge versuchte, mit mir zu flirten statt mit ihr, oder sie lästerte gnadenlos über das Objekt meiner heimlichen Leidenschaft.
Mein Vater interessierte sich sehr für alles, was mit Liebe zu tun hatte, aber auch nur die kleinste Andeutung inspirierte ihn dazu, stundenlang Liebeslieder zu schmettern, und das war mir auf die Dauer zu anstrengend. Meine Mutter hingegen würde die Brauen hochziehen und etwas über »hüpfende Hormone« murmeln. Für sie bestanden Teenager aus nichts anderem als Hormonen und einer gehörigen Prise Schwachsinn.
Professor Mercier war der perfekte Zuhörer. Insgeheim nannte ich ihn einen »Seelenkünstler«. Wenn er mir etwas auf der Geige vorspielte, wollte ich lachen und weinen und wünschte mir, dass er nie wieder aufhörte. Doch wenn er mit mir sprach, berührten seine Worte meine Seele genauso wie seine Musik. Er wusste von meinen verborgenen Gefühlen, bevor ich sie selbst eingeordnet hatte. Mercier war wie ein Großvater für mich, der nicht nur meine Hände zum Spiel anleitete, sondern auch mein Herz, denn, wie er immer sagte, es gibt keine erhebende Musik ohne eine tiefe Seele.
Manchmal hatte ich das Gefühl, dass in mir mehr Sehnsucht war, als man in ein Gespräch packen konnte, und sie richtete sich auf zu viele Dinge, für die ich kaum Worte hatte. Sie war wie ein Bild aus vielen Farben, und eine davon war die Musik.
Daher war ich dankbar, dass wir ein Thema stets ausklammerten, und das war mein hübsch anzuhörendes, nettes Geigenspiel für den Hausgebrauch. Er war ein Profi und ich war kein Wunderkind, aber ich hatte das Gefühl, dass es ihn persönlich verletzen würde, wenn ich es aussprach.
»Prag wird Auswirkungen auf dein ganzes weiteres Leben haben«, versicherte mein Vater. »Ihr werdet euch mit eurer Kunst gegenseitig beflügeln.«
Vielleicht konnte ich in der Akademie so tun, als wäre ich eine Dichterin oder Schauspielerin. Solange ich meine Geige nicht vorzeigen musste, konnte es sogar ein schöner Sommer werden.
»Die Musiker üben zusammen mehrere Stücke ein.« Papa war so in Erinnerungen versunken, dass ihm meine mangelnde Begeisterung nicht auffiel. »Das Abschlusskonzert ist der Höhepunkt des Ganzen! Und die Freundschaften, die dort entstehen, halten oft ein Leben lang.«
»Können wir uns das denn überhaupt leisten?«
»Du bekommst ein Stipendium.« Triumphierend wedelte Mama mit dem zweiten Blatt Papier, das ich mir noch gar nicht angesehen hatte. »Sechs Wochen Prag, und wir müssen keinen Cent bezahlen!«
Es ist nicht fair, wenn Eltern einen so anschauen. So, als wäre man ihr größtes Glück. So, als hätte man gerade alle ihre Träume erfüllt. So, als wäre man tatsächlich das Wunderkind, das sie sich immer gewünscht haben.
Von der Haltestelle zu Professor Merciers Wohnung brauchte ich zehn Minuten durch die Reihenhaussiedlung. Ausgerechnet jetzt begann es zu tröpfeln und die vorher so unschuldig wirkenden Wolken verdichteten sich zu einem drohenden Dunkelgrau. Ich beschleunigte meine Schritte und scheuchte eine Elster auf, als ich über eine Pfütze sprang und das Wasser hoch aufspritzte. Der hübsche Vogel, der gut in mein schwarz-weiß eingerichtetes Zimmer gepasst hätte, rettete sich laut schimpfend in ein Gebüsch.
Da der Regen stärker wurde, begann ich zu laufen. Ein seltsames Unbehagen befiel mich; mir war, als würde ich beobachtet. Ich drehte mich um, aber da war niemand, jedenfalls niemand, der mich verfolgte. Eine ältere Frau, die zwei prall gefüllte Plastiktüten trug, ging mitten auf der Straße. Wahrscheinlich fürchtete sie, auf den unebenen Gehwegplatten zu stürzen. Ein junger Mann auf einem Fahrrad kurvte um sie herum und strampelte mit gesenktem Kopf an mir vorbei. Auch er schien mich gar nicht zu beachten.
Es war helllichter Tag, ein zwar ziemlich verregneter Nachmittag, aber es gab wirklich keinen Grund, sich zu fürchten. Meine Geige war wertvoll, aber keine Stradivari, also musste ich mir eigentlich keine Sorgen machen. Doch das komische Gefühl blieb. Die freundlichen Reihenhäuser mit ihren kleinen Vorgärten kamen mir sonst auf nette Weise spießig vor, heute hatte ich keinen Blick dafür.
Aus zehn Minuten wurde eine gefühlte Stunde, die ich brauchte, um das dreistöckige Stadthaus zu erreichen, das sich hinter einer ordentlich gestutzten Wacholderhecke verbarg. Normalerweise klingelte ich und wartete, bis der Professor den Türöffner drückte und das vertraute Summen ertönte, doch diesmal stand die Tür weit offen. Die Nachbarin aus dem Erdgeschoss nickte mir freundlich zu. »Mal wieder fiedeln, Kiara?«
»Was sein muss, muss sein«, antwortete ich und huschte mit ihr zusammen in den Flur. Angespannt warf ich einen Blick über die Schulter, aber natürlich war da kein vermummter Verfolger, der sich hinter mir ins Haus drängen wollte.
Trotzdem hetzte ich so schnell in den dritten Stock wie nie zuvor. Ich flog förmlich das Treppenhaus hinauf. Die Wohnungstür war wie immer unverschlossen, damit die Schüler, die zu früh dran waren, im Wohnzimmer auf den Beginn ihrer eigenen Stunde warten konnten – und sich damit quälen durften, begabten Wunderkindern zuzuhören.
Aus diesem Grund vermied ich es normalerweise, zu früh zu kommen, doch zum Glück hörte ich heute keinen anderen Schüler. Vielleicht war Lars, der sonst immer vor mir Unterricht hatte, krank? Ich klopfte an die Tür des Musikzimmers, aber alles blieb still. War der Professor gar nicht zu Hause, hatte er mich womöglich vergessen? An einem anderen Tag hätte ich mich in einen der bequemen Sessel gesetzt und einfach gewartet, aber dazu war ich heute zu nervös. Behutsam drückte ich die Klinke hinunter und spähte ins Musikzimmer, wo das Klavier, aufgeschlagen wie ein Buch, zu warten schien. Der Schemel war verwaist. Durch die geöffnete Balkontür fuhr ein Windstoß und eine Bewegung im Zimmer ließ mich zusammenfahren.
»Entschuldigung, ich hab Sie gar nicht …«, begann ich, dann wurde mir auch schon bewusst, dass ich nicht zu Professor Mercier sprach, der in einer Ecke stand, sondern zu einem Kleiderständer, an dem sein grauer Anzug hing. Sogar seine schwarzen Schuhe standen auf dem Parkett. Von Mercier selbst jedoch keine Spur. Gerade wollte ich die Tür wieder schließen, als eine Elster auf dem Balkongitter landete, hinter den kleinen Kunststofftisch sprang und dann als Mann wieder zum Vorschein kam. Als ein offenbar nackter Professor Mercier!
Zum Glück verbargen der Tisch und die unzähligen Blumentöpfe darauf alles unterhalb seines Bauchnabels. Er strich sich das zerzauste graue Haar glatt, doch da wich ich schon zurück, bis ich mit den Kniekehlen an meinen Polstersessel stieß. Mit klopfendem Herzen ließ ich mich hineinfallen und wunderte mich darüber, dass sich sonst nichts verändert hatte. Die Welt ging nicht mit einem Paukenschlag unter. Ich starrte auf meine Hände. Ganz offensichtlich war ich immer noch ich selbst, und ich war wirklich hier. Es musste ein Traum sein, aber es fühlte sich nicht so an. Und wenn es keiner war … wie konnte ich die Realität dazu bringen, sich wieder real anzufühlen?
»Kiara? Wollen wir anfangen?« Professor Mercier lugte um die Ecke. Er war vollständig angezogen und nichts wies darauf hin, dass er eben noch eine Elster gewesen war. Er war immer noch der gleiche Mann, den ich seit ungefähr zehn Jahren einmal in der Woche besuchte. Der freundliche Herr im grauen Anzug, ein großer, hagerer Sechzigjähriger mit eckiger Brille, dessen schlanke Hände den Musiker verrieten. Seine Finger trommelten gegen den Türrahmen.
»Ist mit dir alles in Ordnung?«
Immer noch brachte ich kein Wort heraus. Jetzt erst bemerkte ich, dass ich die Notentasche hatte fallen lassen. Sie lag genau vor seinen Füßen, die, wie mir auffiel, in denselben schwarzen Schuhen steckten, die vorhin noch unter dem Garderobenhaken auf ihren Einsatz gewartet hatten.
Eine Halluzination, das war die Lösung! Mit der Wirklichkeit und mit Professor Mercier war alles in Ordnung – ich selbst war das Problem! Mein Verstand versuchte mich mit dieser genialen Erklärung zu beruhigen. Schließlich glaubte ich nicht einmal selbst, dass mein Geigenlehrer draußen als Elster herumflog, wenn er nicht gerade Unterricht gab.
»Kiara?« Er bückte sich, um die Noten aufzuheben. Als er das Lehrbuch, das halb aus der Tasche gerutscht war, wieder zurückschob, entdeckte er darunter den Brief, die Einladung zur Sommerakademie. Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. »Ah«, meinte er, »ist es das, was dich so aufregt?«
»Nein«, sagte ich, während mein Sprachzentrum noch darum kämpfte, einen vernünftigen Satz zusammenzustellen. Ich ignorierte die Bemühungen meines Gehirns und begann an ihm vorbei alles hervorzusprudeln, was mir auf der Zunge lag. »Es ist … ach, eigentlich ist nichts. Ich komme damit klar, dass Vögel sich in Musiklehrer verwandeln, danke der Nachfrage.«
Professor Mercier stutzte. »Du hast mich also gesehen. Geht es dir gut? Möchtest du ein Glas Wasser?«
»Mir geht es hervorragend«, krächzte ich. »Und Ihnen?«
»Mir? Wieso? Verwandeln ist weder anstrengend noch gefährlich.«
Professor Mercier ging nach nebenan in die Küche. Ich konnte hören, wie er zischend eine Wasserflasche öffnete, wie das Wasser in ein Glas plätscherte, und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, hatte ich das Gefühl, dass er mir auswich. Aber wie gut kannte ich ihn denn schon? Bisher hatte ich schließlich keine Ahnung davon gehabt, dass er … Es fiel mir immer noch schwer, es zu denken.
Er kann sich in eine Elster verwandeln.
Das ist verrückt. Das ist eine Halluzination.
Ist es nicht. Du hast es selbst gesehen.
»Bitte schön, dein Wasser.« Er setzte sich mir gegenüber aufs Sofa. »Nun, Kiara, das ist ja eine schöne Bescherung. Ich hatte eigentlich nicht vor, dass du es so unvermittelt und unvorbereitet erfährst.« Er seufzte. »Andererseits ist mir bis jetzt nicht eingefallen, wie ich es dir schonend beibringen könnte.«
»Sie wollten mich also … einweihen?«
»Natürlich«, sagte er ernst. »Du solltest es auf jeden Fall erfahren, bevor du nach Prag gehst.«
Dankbar ergriff ich die Gelegenheit, das Thema zu wechseln. »Das ist auch noch so eine Sache, die ich mit Ihnen besprechen muss. Diese Akademie für Hochbegabte … da habe ich nichts verloren, und das wissen Sie so gut wie ich.«
Mercier musterte mich eine Weile. »Da bin ich anderer Meinung.«
»Ich werde mich unsterblich blamieren!«
Er lehnte sich zurück und lächelte. »Es geht in Prag nicht um Musik, also mach dir keine Sorgen, Kiara.«
»Worum geht es dann?«
Ein spitzbübisches Lächeln glitt über seine Züge. »Ist dir jemals aufgefallen, in welcher Sprache wir miteinander reden?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wie wir sprechen, hört sich das für dich deutsch an?«
»Nun, Sie sprechen mit französischem Akzent, aber …«
»Kiara«, sagte er, »was meinst du wohl, warum ich mich ständig mit dir unterhalte, anstatt mir dein Geigenspiel anzuhören? Wir reden in unserer wahren Muttersprache, du und ich. Auch jetzt.«
Jetzt war er völlig übergeschnappt.
»Das würde ich doch merken!«
»Ist es nicht so, dass dir am Anfang mein Akzent auffällt und dann nicht mehr? Dass du manchmal das Gefühl hast, dass du ebenfalls einen leichten Akzent hast, der nach ein paar Sätzen verschwindet? Sag irgendein Wort.«
»Geige.«
»Und jetzt wiederhole es – auf Deutsch.«
»Geige«, sagte ich noch mal. Und plötzlich dämmerte es mir. Beim ersten Mal hatte ich andere Silben ausgesprochen. Sie waren so natürlich, so selbstverständlich über meine Lippen gekommen, dass ich es nicht einmal gemerkt hatte.
Die Erkenntnis überwältigte mich. Ich suchte nach Wörtern und fand eine ganze Sprache. Es war, als hätte mir jemand im Schlaf eine Fremdsprache ins Gehirn gepflanzt – nur dass es sich nicht wie eine Fremdsprache anfühlte und anhörte. Es war so nah bei mir wie Atmen oder Weinen. Hastig wischte ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Kein Grund zum Heulen, sagte ich mir und merkte gleichzeitig, dass ich das nicht auf Deutsch gedacht hatte, sondern in dieser anderen Sprache, die mir so leicht und flüssig über die Lippen ging. Diese Sprache, in der ich dachte. In der ich vielleicht schon immer gedacht hatte.
»Wir sind keine Menschen«, sagte Professor Mercier leise. »Keine echten Menschen.«
Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Es war ein Gefühl, als hätte ich mir das Knie aufgeschlagen oder etwas gebrochen – ein Schmerz, der mich zugleich betäubte und aufwühlte.
»Was sind wir?«, flüsterte ich. Und auf einmal wusste ich, warum ich weinte. Dies war ein Abschied. Wenn ich durch diese Tür ging, würde es die Kiara, die mit ihrem Geigenkoffer und ihren Noten und der Einladung nach Prag hier hereingestolpert war, nicht mehr geben. »Außerirdische?«
Er lachte leise. »In gewisser Weise – ja. Obwohl wir nicht von einem anderen Planeten kommen. Nur aus einem anderen Land, zu dem es von hier aus keinen Zugang gibt. Es ist ein Land, in das niemand reisen kann. Du kannst uns durchaus als Ausländer betrachten, auch wenn wir schon seit unzähligen Generationen hier leben. Obwohl wir uns mit den Einheimischen vermischt haben. Obwohl es viele von uns gibt, die nicht wissen, was sie sind. Wir nennen sie die Getriebenen, denn sie werden immer mit dem Gefühl leben müssen, dass ihnen etwas fehlt.«
»So wie ich.« Immer noch gab es die Möglichkeit, dass er plötzlich aufspringen und rufen würde: Reingefallen! Alles nur ein Scherz!
Aber ich spürte mittlerweile sehr deutlich, dass die Worte, die über meine Lippen kamen, nicht deutsch waren. Und ich hatte die Elster gesehen. Wenn das alles ein Scherz sein sollte, dann hatte sich jemand unglaublich viel Mühe damit gemacht. Und mein Herz wusste es bereits, wusste, dass alles, was der Professor sagte, der Wahrheit entsprach.
»Nein, nicht wie du. Die Getriebenen verstehen kein Alamarisch. Sie sind wie Menschen, die ihr Gedächtnis verloren haben; ihre wahre Herkunft wird immer ihr blinder Fleck sein.«
»Aus welchem Land kommen wir denn?«
»Wint Alamar«, sagte er, und als er es aussprach, war es mir, als wäre da schon immer eine Stimme in mir gewesen, die flüsterte: Wint Alamar. Vergiss nicht. Wint Alamar. Als wäre ich mit diesem Namen auf meiner Stirn geboren, als würde ich ihn wie eine Tätowierung auf der Haut tragen.
»Wint Alamar«, wiederholte ich. Es schmeckte wie eine unbekannte Speise auf meiner Zunge, zugleich fremdartig und süß, verlockend und beängstigend. Er hatte recht: In dieses Land konnte man nicht reisen. Und doch kam es irgendwie näher, als ich »Wint Alamar« sagte, so als sei diese Silben ein Zauberspruch, der es anlockte wie ein scheues Tier.
Der Professor beobachtete mich genau. »Du nimmst es gut auf. Besser, als ich befürchtet habe. Aber vielleicht habe ich auch genau das von dir erwartet. Willst du noch mehr wissen oder reicht es dir für heute?«
Natürlich wollte ich alles wissen. Am besten sofort. Aber als ich meine Hand nach dem Wasserglas ausstreckte, zitterte sie so sehr, dass ich es nicht festhalten konnte. Ich gab auf und lehnte mich in den Sessel zurück.
»Ich denke, das genügt für heute«, murmelte Professor Mercier fürsorglich, doch in seinen Augen lag ein Brennen, eine Anspannung, vielleicht sogar Gier – und auf einmal fürchtete ich mich vor dem, was ich noch alles erfahren sollte. »Gut gemacht, mein Mädchen. Aber du solltest jetzt nach Hause gehen.«
»Und meine Eltern?«, fragte ich. Auf einmal kam es mir unmöglich vor, heimzukommen und so zu tun, als wäre nichts. »Wissen sie es?«
»Nein«, antwortete er. »Aber einer von ihnen muss natürlich ebenfalls aus Wint Alamar stammen. Sonst hättest du diese Gene nicht geerbt.«
Warum überraschte mich das so? Hatte ich etwa gedacht, dass ich irgendwie aus diesem fremden Land Wint Alamar herausgefallen und auf ihrer Türschwelle gelandet war?
»Mein Vater.«
»Wieso kommst du gerade auf ihn?«
»Er war auch in Prag«, sagte ich. »Es hat etwas mit dieser Akademie zu tun, oder?«
»Ja«, gab Professor Mercier zu. »Aber jetzt frag nicht weiter. Das nächste Mal erfährst du mehr. Ich rate dir nur, zu Hause nichts davon zu erzählen.«
Ich starrte ihn an, und er seufzte.
»Nun lass gut sein. Bis nächsten Dienstag.« Er öffnete die Wohnungstür.
»Eine Frage habe ich noch«, sagte ich, bevor ich mich ins Treppenhaus schieben ließ. Merkwürdig, sonst hatte er es nie so eilig, mich loszuwerden. »Kann ich … kann ich das auch?«
»Was?«
»Mich in eine Elster verwandeln.«
»Das solltest du nicht einmal versuchen«, meinte er sofort. »Du hast ja keine Ahnung.«
Damit schloss er die Tür zwischen uns, und ich stand im Flur.
Erst im Erdgeschoss fiel mir ein, dass ich meine Geige in seiner Wohnung gelassen hatte. Heute war wirklich nicht mein Tag. Ich kehrte wieder um, doch vor Merciers Tür zögerte ich. Schließlich hatte er mich ziemlich deutlich hinausgeworfen. Vielleicht konnte ich mich unbemerkt hineinschleichen, mir meine Sachen schnappen und wieder verschwinden? Behutsam drückte ich die Klinke hinunter und schob die Tür leise auf. Auf Zehenspitzen schlich ich zum Sessel, neben dem immer noch mein Geigenkasten lag. Da hörte ich hinter der geschlossenen Tür des Musikzimmers Stimmen.
Wie seltsam. Einem weiteren Schüler hätte ich doch im Treppenhaus begegnen müssen? Nein, die zweite Stimme, tief und knarrend, gehörte unzweifelhaft einem Erwachsenen.
»Du hast gesagt, sie würde so weit sein.«
»Das ist sie auch«, beteuerte Professor Mercier. »Ich halte es für das Beste, behutsam vorzugehen. Diese Entscheidung solltest du schon mir überlassen. Ich kenne sie seit Jahren.«
Zwei Stimmen. Ich schluckte, als ich mir darüber klar wurde, was das bedeutete. Noch jemand musste über den Balkon gekommen sein. Es gab noch andere, die sich in Vögel verwandeln konnten, und einer davon war hier.
»Recht hübsch, aber eine graue Maus. Sie sieht nicht aus, als hätte sie die innere Stärke für den Auftrag.«
Ich hatte gewusst, dass mich nicht nur die Elster beobachtet hatte, sondern noch jemand. Wer war es gewesen? Einer der Spatzen? Die Amsel?
»Ich habe gesagt, sie wird vorbereitet sein.«
»Ich halte es trotzdem für das Beste, wenn wir ihr nichts von Nicolas sagen. Sie ist so naiv, sie könnte ihn verraten. Ich behaupte ja nicht, dass es absichtlich wäre.«
Professor Mercier schnaubte böse.
»Worum geht es eigentlich?«, fragte der Fremde. Zu seiner Art zu sprechen hätte ein süffisantes Lächeln gepasst. »Um unseren Krieg oder um deinen Ruhm? Ich werde jedenfalls nicht zulassen, dass deine kleine Schülerin alles verdirbt. Das ist unsere Chance, die erste seit Jahrhunderten!«
»Ich weiß, ich weiß«, stimmte Professor Mercier säuerlich zu. »Aber sie wird es nicht verderben. Sie ist eine wahre Tochter der Schlange.«
Ich hielt inne, den Geigenkasten in beiden Händen, als das Gespräch nebenan stockte. Dann lachte der Fremde leise, und mich überlief es kalt.
»Das ist deine Meinung, Etienne. Aber ich warte lieber ab, ob sie sich bewährt.«
»Es würde ihrer Sicherheit dienen, wenn sie wüsste, an wen sie sich wenden kann«, entgegnete mein Geigenlehrer. »Im Notfall. Es kann immer einen Notfall geben.«
»Du weißt nicht, wie gut sie ist. Du kannst es nicht wissen. Und auf deine Hoffnungen hin werde ich nicht Nicolas’ Sicherheit gefährden. Es genügt, wenn er weiß, wer sie ist. Er kann ein Auge auf sie haben – obwohl bereits das ihn unzumutbar gefährden könnte.«
»Dir geht es immer nur um Nicolas«, knurrte der Professor.
»Natürlich«, gab die Stimme zurück. »Und für dich sollte dasselbe gelten. Du kannst unseren Plan jetzt nicht mehr ändern, dafür ist es zu spät.«
»Ich hatte nicht vor, ihn zu ändern.«
»Gut. Gut, das zu hören, Etienne. Dann steht dem neuen Zeitalter nichts mehr im Wege.« Wieder lachte der fremde Besucher.
Ich stahl mich zur Tür und rannte mit klopfendem Herzen nach unten. Erst als ich schon auf der Straße war, fiel mir ein, dass ich zwar die Geige, nicht aber die Noten mitgenommen hatte. Aber nichts auf der Welt würde mich dazu bringen, noch einmal umzukehren.
Es war das gleiche Gefühl, wie wenn man nach einem langen Urlaub nach Hause kommt. Für eine kurze Zeit sah ich alles mit den Augen einer Fremden. Schon der Geruch im Hausflur – nach feuchtem Stein, Schuhen und Brot – drang mit ungewohnter Intensität auf mich ein. Merkwürdige Geräusche irritierten mein Gehör; ich musste erst um die Ecke lugen, um festzustellen, dass mein Vater in der Küche Brötchen schnitt. Nie zuvor war mir aufgefallen, wie laut sich das anhörte. Das Messer schabte, mahlte, knirschte. Krümel rieselten auf das Wachstuch wie feiner Regen.
»Ich hab Brötchen aufgebacken«, sagte er, ohne aufzublicken. »Mama dreht eine kurze Runde um den Block, hast du sie getroffen?«
»Nein«, antwortete ich.
Mein Vater beugte sich über den Küchentisch. Sein Haar war tiefschwarz, bis auf ein paar vorwitzige graue Strähnen, über die er sich oft lauthals ärgerte. Meine Mutter lachte bloß darüber, sie meinte, je mehr er sich darüber aufregte, umso mehr graue Haare würde er bekommen. Für sein Alter trug er es eigentlich etwas zu lang. Ich betrachtete ihn von der Seite und überlegte, ob er wohl aussah wie ein typischer Einwohner von Wint Alamar. Bisher hatte ich sein Aussehen und seine Eigenarten darauf zurückgeführt, dass er in Rumänien aufgewachsen war. Bei der Hochzeit hatte er den Nachnamen meiner Mutter angenommen, und da er akzentfrei Deutsch sprach, konnte man leicht vergessen, woher er stammte.
»Papa«, sagte ich, und bevor ich mir im Klaren darüber war, was ich tat, fügte ich hinzu: »Hast du jemals versucht zu fliegen?« Die Sprache von Wint Alamar floss so leicht über meine Lippen, als hätten wir uns schon immer darin unterhalten. Aber der Unterschied war mir sehr wohl bewusst. Und auch, wie gespannt ich auf seine Reaktion wartete.
»Du stellst Fragen«, meinte er lachend und zwinkerte mich durch seine wirren Ponysträhnen hindurch an.
Mir stockte der Atem. Merkte er denn gar nicht, dass er mir auf Alamarisch antwortete, in der Sprache, die unser Geburtsrecht war?
»Wohin willst du fliegen?«
»Nach Prag vielleicht? Erzähl mir von Prag.«
Mein Vater ordnete die Brötchenhälften im Korb an und holte die Butter aus dem Kühlschrank.
»Das Haus war magisch.« Er benutzte ein Wort, das viel mehr beinhaltete. Es rief in mir Vorstellungen hervor, die etwas vom Geschmack vergessener Träume in sich trugen, vage und halb verschwommen. »Wir haben außerhalb der Stadt gewohnt, in einem richtigen Schloss. Es war riesig, man konnte sich darin verlaufen. Aber ich habe gesehen, dass die Akademie diesmal woanders stattfindet, die Adresse ist nicht dieselbe. Daher sollte ich dir wohl besser nicht den Mund wässrig machen. Sonst bist du enttäuscht, wenn ihr viel einfacher untergebracht seid.«
»Ich werde schon nicht enttäuscht sein«, versprach ich. »Erzähl weiter.«
»Es war eine wunderbare, intensive Zeit. Sie hat mein Leben geprägt. Ich hoffe für dich, dass es dir genauso geht. Wenn so viele Gleichgesinnte zusammenkommen …«
Ich hörte, wie die Tür aufging, dann hallten die Schritte meiner Mutter im Hausflur. Ihre Walkingjacke raschelte beim Ausziehen. »Adrian? Kiara? Ihr habt doch nicht auf mich gewartet?«
»Doch, Schatz!«, rief mein Vater. Ohne zu stocken wechselte er zurück ins Deutsche. Als hätten wir nie in einer anderen, fremdartigen Sprache miteinander geredet. Zu gerne hätte ich ihn gefragt, ob er über uns Bescheid wusste. Über mich. Über Professor Mercier. Und über das, was wirklich in Prag vor sich ging.
Es war, als wäre ich bei mir selbst zu Besuch. Alles fühlte sich fremd an. Mein Blick wanderte über die großformatigen Serpent-War-Poster an den Wänden, das Zebrasofa, die schwarz-weiß gemusterte Bettdecke und blieb am Notenständer hängen. Meine Geige lag noch unten auf der Treppe, ihr Platz war leer.
Vielleicht würde ich mich irgendwann an den Gedanken gewöhnen. Vielleicht würde es sich irgendwann normal anfühlen zu wissen, dass ich kein richtiger Mensch war. Noch war das eine Tatsache, die ich irgendwie in mich integrieren musste, so als hätte ich erfahren, dass ich Krebs hatte und bald sterben würde.
»Und Papa auch«, flüsterte ich und überlegte, ob mich das trösten konnte. Ja, es war durchaus hilfreich zu wissen, dass ich nicht völlig allein damit war. Auch wenn ich Papa nicht fragen konnte, wie er damit klarkam. Er wusste nichts davon. Womöglich war es ein Segen, nichts zu wissen.
Ich ließ mich auf mein Zebrasofa fallen und schloss die Augen. Sofort sah ich wieder die Elster vor mir, die auf dem Balkongeländer landete, die Flügel ausstreckte und hinuntersprang.
Ich versuchte mir vorzustellen, dass meine Arme Flügel waren. Dass meine Nase in einen spitzen harten Schnabel auslief. Dann schlug ich – leider nur in Gedanken – mit den Flügeln und hob ab …
Vermutlich war ich die einzige Sechzehnjährige auf der Welt, die sich ernsthaft fragte, warum sie nicht mit den Armen wedeln und fliegen konnte. Warum sie sich nicht in einen Vogel verwandelte.
Vielleicht …? Mein Zimmer lag unter dem Dach, das Bett direkt unter der Dachschräge. Ich hatte nur ein Dachfenster, aus dem ich gerade so hinausschauen konnte, wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte. Um dort hinauszuklettern, musste ich meinen Schreibtisch von der Wand wegrücken, direkt unters Fenster. Vorher schob ich mein kleines Tischchen, das zwischen Bett und Couch Platz hatte, beiseite; die Töpfe der fleischfressenden Pflanzen, die ich unter dem Fenster zog, fielen dabei fast um. Nun den Schreibtisch hierherzerren. Und hinaufsteigen.
Zuerst sah ich nur das Dach mit seinen roten Ziegeln und die Spitze vom Birnbaum, aber wenn ich mich weit vorbeugte, konnte ich sogar Mamas Jasminstrauch erkennen, der neben der Terrasse wuchs und dessen Duft den Garten erfüllte.
Unsere Terrasse war mit rötlichen Steinen gepflastert. Trotzdem würde mein Blut, wenn ich dort unten aufschlug, einen unschönen dunklen Kontrast bilden. Vorsichtshalber verabschiedete ich mich von dem Gedanken, aus dem Fenster zu springen, um dabei fliegen zu lernen. Es war wohl doch sinnvoller, die umgekehrte Reihenfolge beizubehalten: erst fliegen können und dann springen.
Ich kletterte wieder zurück, wobei ich auf meinem Aufsatzheft ausrutschte und dummerweise meinen Stuhl umwarf.
»Kiara?« Meine Mutter steckte den Kopf ins Zimmer. »Was machst du da bloß?«
»Das ist, äh, Yoga.«
»Fall nicht wieder um, ja? Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich morgen nicht wecken kann, ich muss schon um fünf raus.«
Ein Glück. Ich hatte schon Angst gehabt, sie wollte mir ein ernstes Gespräch aufdrücken. Marlene Wieland liebte ernste Gespräche über meine Zukunft. Vor allem belehrte sie mich gern darüber, wie wichtig es war, sich gehörig anzustrengen. Sie hatte schon immer Angst gehabt, ich würde wie mein Vater werden. Er war unglaublich begabt, aber er brachte es einfach nicht fertig, etwas daraus zu machen. Es wäre ihr lieber gewesen, er hätte nicht so viel Talent für alles Mögliche und stattdessen etwas mehr Ehrgeiz. Mir dagegen fehlte leider beides. Ich hatte keine besonderen Talente. Ich war nicht schlecht und stand in den meisten Fächern auf Zwei oder Drei, aber ich ragte nirgends heraus und es gab auch kein Gebiet, das mich mehr interessiert hätte als die anderen. So gerne ich auch Geige spielte, ich war nicht verrückt danach. Neben Chris auf der Bühne zu stehen war nie ein realistischer Traum gewesen. Es gab nichts, wofür ich mich mit Herz und Seele eingesetzt hätte, wofür ich brannte. Bis jetzt.
Seit ich gesehen hatte, wie mein Geigenlehrer auf dem Balkon gelandet war, wusste ich, was ich wollte. Ich wollte das können, was er konnte. Ich wollte fliegen.
»Und mit dir ist wirklich alles in Ordnung? Oder machst du dir Sorgen wegen Prag?«
»Nein, alles klar. Ich freu mich schon drauf. Nacht, Mama.«
Als Vertriebsleiterin einer großen Firma war meine Mutter sowieso nicht oft zu Hause. Ich war es gewohnt, selbständig zu sein und mich um solche Dinge wie die Wäsche zu kümmern.
Als sie die Tür wieder geschlossen hatte, ließ ich mich vorsichtig aufs Sofa sinken. Der blaue Fleck, den ich mir bei meiner Aktion geholt hatte, schwoll spürbar an. Aus dem Fenster springen! Ich verdiente wirklich nichts Besseres.
Warum hatte ich meiner Mutter nicht einfach die Wahrheit gesagt? Ich versuche zu fliegen. Ich will herausfinden, wie ich mich in einen Vogel verwandeln kann. Ach, übrigens, liebste Mama, dein schöner Adrian ist kein richtiger Mensch und ich auch nicht. Macht dir das was aus?
Ächzend schob ich den Schreibtisch zurück an die Wand, rückte mein Tischchen wieder unter das Dachfenster und stellte meine Pflanzen mit dem richtigen Abstand zueinander wieder hin.
»Was ist eigentlich los mit dir?« Franzi musterte mich kopfschüttelnd. Sie verfolgte mich schon seit Tagen über den Pausenhof. Leider war ich zu einem vernünftigen Gespräch nicht in der Lage. In meinem Kopf passierte einfach zu viel. Ich wollte nur über das nachdenken, was Professor Mercier mir erzählt hatte, und dabei in Ruhe gelassen werden. Aber jemand wie Franziska konnte das natürlich nicht akzeptieren. Dumm von mir zu glauben, ich könnte irgendetwas vor ihr geheim halten.
»Ich denke nach.«
»Ach nein. Und worüber? Mensch, Kiara, jetzt sei doch nicht so. Wir sind Freundinnen, weißt du noch?«, drängte Franzi. »Für immer und ewig. Wir haben geschworen, dass wir ehrlich zueinander sind.«
»Okay, du hast es nicht anders gewollt.« Ich grinste sie an. »Ich werde dir jetzt etwas erzählen und du wirst mich nicht unterbrechen.«
»Versprochen.«
»Vor vielen tausend Jahren ging ein junger Prinz mitsamt seinem Gefolge auf die Jagd, in einem Land namens Wint Alamar. Sie ritten durch einen Wald, der sich endlos in alle Richtungen erstreckte. Ein Wald, in dem die Bäume so alt waren wie die Welt selbst.«
»Äh, was hat das …?«
»Du wolltest mich nicht unterbrechen, schon vergessen?«
»Ach ja. Tschuldigung.«
»Sie ritten tagelang durch diesen Wald, immer der Beute nach. Es war ein kostbarer bunter Vogel, den man nur einmal in seinem Leben zu Gesicht bekam. Der Prinz wollte ihn fangen und in sein Schloss bringen, aber er entwischte ihnen immer wieder. Doch irgendwann merkten sie, dass sie nicht mehr die Jäger waren, sondern die Beute. Etwas war hinter ihnen her, etwas Großes, Dunkles. Gefahr lag in der Luft, ihre Nackenhaare stellten sich auf, ein Frösteln lief über ihre Haut. Es war, als hätte der Tod selbst sich auf ihre Spur gesetzt. Er ging ihnen mit langsamen Schritten nach und war doch schneller als ihre Pferde, und je schneller sie ritten, umso näher kam er ihnen. Sie gerieten in Panik, sie stürmten drauflos, ohne auf die Richtung zu achten, und dann befanden sie sich plötzlich in einem anderen Wald. Die Bäume waren kleiner und jünger, und die Luft roch anders. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie herausfanden, dass sie nicht nur in einem anderen Wald gelandet waren, sondern in einem anderen Land. Schlimmer noch, in einer anderen Welt. Und es gab keinen Rückweg nach Wint Alamar. Falls es einen gab, fanden sie ihn nicht. Sie mussten hierbleiben, in der Fremde. Sie und alle ihre Nachkommen.«
Ich wartete auf eine Reaktion, aber Franzi hob nur die Brauen. Offensichtlich wartete sie auf etwas.
»Und?«, fragte ich neugierig.
»Was, und? Das war’s?«
»Nicht vollständig natürlich. In tausenden von Jahren passierte natürlich jede Menge. Aber so fing es an.«
Ihre Stirn kräuselte sich. Sie schien zu überlegen, ob ich sie auf den Arm nahm. Doch dann lächelte sie.
»Du denkst dir ein Märchen aus? Du schreibst eine Geschichte? Darum musst du doch wirklich kein Geheimnis machen, Kiri. Ich hab auch schon mal versucht, ein Gedicht zu schreiben.« Sie zuckte mit den Achseln. »Es ist leider nichts geworden. Da war ich in Stefan verschossen, und nachher hab ich’s vernichtet.«
Ich hätte genauso reagiert, wenn ich nicht selbst miterlebt hätte, wie die Elster sich verwandelt hatte. Und wenn die fremde Sprache nicht gewesen wäre, die mir in Fleisch und Blut übergegangen war. Trotzdem hatte ich gehofft, sie würde mir glauben.
Das wünsche ich mir, dachte ich plötzlich. Genau das. Ich brauche jemanden, mit dem ich über diese unglaubliche Geschichte reden kann, jemanden, der weiß, dass sie stimmt. Den ich nicht überzeugen muss.
»Ich fahre übrigens im Sommer nach Prag«, sagte ich.
»Aha.« Franzis Gesichtsausdruck teilte mir deutlich mit, dass sie dachte: Was wird das jetzt schon wieder?
»Ich sollte diese Geschichte noch besser ausarbeiten.«
»Klar, das solltest du. Und das muss in Prag passieren?«
Ich konnte ihr nicht einmal verdenken, dass sie mich für leicht übergeschnappt hielt.
»Der stolze Prinz weigerte sich, sich den Herrschern dieser Welt zu unterwerfen. Er ignorierte die Gesetze, er zahlte keine Steuern, und die Leute im Umland erzählten sich schaurige Geschichten über die Fremden, die sich in Tiere verwandelten. Nichts Besonderes, wenn man aus Wint Alamar kommt … Aber bald rückten Bewaffnete an, und obwohl die Neuankömmlinge sich durchaus wehren konnten, gingen sie dazu über, ihre Fähigkeiten nur noch im Geheimen zu praktizieren. Um nicht verfolgt zu werden und unauffällig leben zu können, verteilten sie sich in den Dörfern und Städten und führten ein Leben im Verborgenen. Allerdings hörten sie niemals damit auf, ihrem eigenen König zu huldigen.«
Franzi starrte bereits quer über den Schulhof. »Hast du schon etwas davon aufgeschrieben? Das solltest du, damit du es nicht vergisst. Du kannst es mir ja zu lesen geben. Hast du schon gehört, was Malte zu Sarah gesagt hat?«
Nun, da sie herausgefunden hatte, dass meine Schweigsamkeit keine spannendere Ursache hatte als die, dass ich über meinen Fantasien brütete, wollte sie zur Normalität übergehen. Sie liebte die Normalität über alles. Und nun das – Fliegen! Wint Alamar! Der Abgrund zwischen uns wurde immer tiefer, das Ausmaß meiner Andersartigkeit immer größer. Bald würden wir uns gar nichts mehr zu sagen haben.
Doch noch tat der Gedanke daran, meine beste Freundin aufzugeben, zu weh. Daher lächelte ich und hörte mir an, wer was zu wem gesagt hatte. Ich lachte sogar, als sie Frau Niehaus, unsere meistgehasste Lehrerin, gekonnt imitierte. Aber meine Gedanken waren bei einem Volk, das in dieser Wirklichkeit gestrandet war und seine Kräfte verstecken musste, um nicht als Zauberer oder Dämonen verfolgt und vernichtet zu werden. Sie kamen aus Wint Alamar. Sie waren die Wandler.
Und ich gehörte dazu.
Auch an diesem Dienstag würde ich ein Puzzlestück erhalten. Der Professor hatte versprochen, mir in den verbliebenen Wochen bis zu den Sommerferien jedes Mal, wenn ich zum Unterricht erschien, etwas Wissenswertes mitteilen. Beim letzten Mal, als er mir die märchenhafte Geschichte vom Prinzen und der gestrandeten Jagdgesellschaft erzählt hatte, war er mir traurig vorgekommen. Seine Stimme war immer leiser geworden, so als bereitete es ihm Schwierigkeiten, diese Dinge auszusprechen. Es schien mir nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, um die Frage zu stellen, die mir auf der Zunge brannte: Wie viele von uns wurden ermordet? Sind wir ein vom Aussterben bedrohtes Volk?
»Nun, Kiara? Wie war deine Woche?«
Ich hatte natürlich wieder versucht, mich zu verwandeln. Erfolglos. Mit dem Ergebnis, dass ich angefangen hatte, an meinem Verstand zu zweifeln und an Professor Merciers Verstand gleich mit.
»Fragen Sie lieber nicht.«
Er musterte mich aufmerksam. »Die Sache nimmt dich ziemlich mit, wie? Vielleicht sollte ich lieber aufhören.«
»Womit aufhören? Mir einzureden, ich würde zu einem Volk gehören, das auf diesem Planeten eigentlich nichts zu suchen hat?«
Der Professor seufzte. »Die jungen Leute, die nach Prag kommen, haben keine Ahnung, was sie erwartet. Sie werden erst dort mit der Wahrheit konfrontiert. In der Akademie werden ihre Zweifel und Fragen aufgefangen. Es könnte Misstrauen erwecken, wenn du allzu abgeklärt dort auftauchst.«
»Abgeklärt?« Ich verzog das Gesicht. »Unwahrscheinlich. Außerdem möchte ich das alles lieber von Ihnen erfahren als von Lehrern, die ich nicht kenne.«
»Trotzdem«, murmelte er. »Wir müssen vorsichtig sein. Sie werden merken, wenn deine Überraschung nur gespielt ist.«
»Warum ist es denn schlimm, wenn ich schon Bescheid weiß?«
»Was auch immer geschieht«, sagte er, »erwähne nie meinen Namen. Sag keinem, ich wiederhole: keinem, dass du mich kennst.«
»Die sind hinter Ihnen her, stimmt’s?«
Seine Augen hinter den Brillengläsern waren so grau, dass sie fast farblos wirkten.
»Ein Geier käme hier sowieso nicht rein«, versuchte ich ihn aufzumuntern. »Und ein Krähenschwarm … nun, das wäre wirklich gruselig. Aber wir Wandler halten doch zusammen, hoffe ich. Tun das nicht alle Völker im Exil?«
»Du hast ja keine Ahnung«, sagte er leise. »Wie könntest du auch.«
Ich wartete. Da er sich nicht rührte, packte ich schon mal den Bogen aus und strich damit über das Kolophonium, ein Ritual, das sich gut für schweigsame Momente eignete.
»Die Nachkommen des Prinzen haben sich zerstritten. Es waren zwei Brüder«, sagte er schließlich. »Zwei Prinzen. Anfangs waren sie ein Herz und eine Seele. Sie waren mächtiger als jeder vor ihnen und jeder nach ihnen. Während die Fähigkeit zur Verwandlung sich bei ihren Untertanen auf ein oder zwei Tiere eingependelt hatte, gab es für sie keine Grenzen. Sie konnten sich in jedes Tier verwandeln, das sie wollten. Zu diesem Zeitpunkt beschloss der eine von ihnen, dass wir uns nicht länger verstecken sollten. Dass es keinen Grund dafür gab, gejagt zu werden, nur weil manche sich in Wölfe verwandelten und andere in Raben. Wir sind keine Zauberer, keine bösen Magier, wir sind einfach nur anders. Der jüngere, heißblütige Prinz war es leid, seine Fähigkeiten zu verstecken. Er beschloss, dass wir den Menschen den Krieg erklären sollten, denn sie würden uns niemals sein lassen, was wir sind.« Professor Mercier suchte meinen Blick. »Verstehst du, Kiara, was das bedeutet hätte? Niemand wäre mehr sicher gewesen. Es wäre so leicht gewesen, die Mächtigen auszuschalten und sich an ihre Stelle zu setzen. Was hätten Leibwachen und Türsteher einem König genützt, wenn jederzeit ein giftiger Skorpion durch sein Fenster kriechen konnte? Wie hätte ein Bauer sich wehren sollen, wenn Stiere die Dörfer niedertrampelten, Raubtiere die Wälder unsicher machten, wenn für jeden Mord an einem von uns hunderte und tausende der Menschen bluten würden? Ein schwarzer Skorpion, ja, das war seine Lieblingsgestalt. So nannte man ihn, den wahnsinnigen Prinzen: den Skorpionkönig. Und die Wandler hörten ihm zu. Nach Jahrhunderten der Verfolgung bot er unserem Volk Hoffnung. Er bot uns Rache, Blutgier, Macht, ein Gemetzel ohne Ende.«
»Dazu kam es nicht«, vermutete ich.
»Doch, aber nicht in dem Ausmaß, wie der Skorpionkönig es geplant hatte. Denn sein Bruder wandte sich gegen ihn. Sein älterer Bruder, der ihm so nah war wie niemand sonst … und der kein Blut an seinen Händen haben wollte, der lieber im Verborgenen lebte, als die Menschheit in die Knechtschaft zu zwingen. Den Schlangenkönig nannte man ihn, denn als Schlange besuchte er die Häuser der Menschen und belauschte ihre Geheimnisse, die er zum Wohle unseres Volks nutzen wollte. Er stellte sich dem Skorpion in den Weg und beanspruchte die Herrschaft über die Wandler für sich. Die Schlange wollte die Vernunft regieren lassen, nicht den Wahnsinn. Güte statt Rache. Frieden statt endlosem Krieg. Dafür gab er sein Leben.«
»Der Skorpionkönig hat ihn getötet?«, fragte ich erschrocken.
»Sie haben sich gegenseitig getötet, Schlange und Skorpion … in einem Kampf, wie es ihn nie zuvor gab und nie wieder geben wird. Und so wurde über das Schicksal unseres Volks und der Menschen entschieden, an einem einzigen Tag, und dort ist ein Teil von uns gestorben, mit unseren beiden Königen.« Er seufzte und wandte den Blick ab.
»Wie lange ist das her?«, fragte ich vorsichtig, denn Mercier wirkte wie jemand, der gerade einen seiner Angehörigen verloren hatte.
»Zweieinhalbtausend Jahre«, antwortete der Professor. »Seitdem leben wir nicht nur im Exil, nicht nur im Verborgenen, sondern auch geteilt in zwei Clans, die jeder ihrem toten König huldigen. Die völlig unterschiedliche Ziele verfolgen. Du kannst dir denken, dass die Mitglieder des Schlangenclans versuchen, friedlich unter den Menschen zu leben. Falls sie in Erscheinung treten, dann um dieses Miteinander zu bereichern. Unzählige Künstler und Wissenschaftler gehörten und gehören zum Schlangenclan. Ich gehöre zum Schlangenclan.« Er machte eine Pause. »Du gehörst zum Schlangenclan.«
Nach seiner langen Rede überraschte mich das nicht wirklich. »Und die anderen?«
»Ihnen blieb keine andere Wahl, als im Verborgenen zu bleiben. Aus dem Untergrund an der Vernichtung der Menschen zu arbeiten. Irgendwann, so glauben sie, wird ein neuer Skorpionkönig geboren. Unter seiner Herrschaft wird der Clan der Skorpione das Antlitz dieser Welt verändern. Dann werden alle Menschen erfahren, dass es uns gibt und wozu wir fähig sind.«
Ich versuchte mir vorzustellen, was das bedeuten würde. Es gelang mir nicht. Eine Welt, in der alle Menschen wussten, dass es Wandler gab? Eine Welt, in der die Wandler so mächtig waren, dass ihnen niemand etwas anhaben konnte?
»Aber es wird keinen neuen Skorpionkönig geben … oder?«
»Sie suchen ihn schon seit Langem. In den Jahrhunderten ging die Kenntnis über die Abstammungslinie des Skorpions verloren – wie übrigens auch über die Linie der Schlange. Doch die Anzeichen mehren sich, dass die Nachforschungen Erfolg hatten. Es gibt Nachkommen des Skorpions. Und irgendwann wird einer dieser Nachkommen Fähigkeiten offenbaren, die ihn als den mächtigsten aller Wandler ausweisen. Sobald er gekrönt wird, wird er zu seiner Machtfülle gelangen. Das, liebe Kiara, ist etwas, das niemals geschehen darf.«
»Besser nicht«, stimmte ich ihm zu. Mir graute bei dem Gedanken an ein Wesen, das aussah wie ein Mensch und dabei die Vernichtung der Menschheit plante. Bei den heutigen Waffen und Möglichkeiten war dieses Vorhaben bestimmt umsetzbar. Ich dachte an winzige Insekten, die sich auf den Körpern von Wissenschaftlern oder Geheimdienstlern in verborgene Labors und Waffenarsenale schmuggelten und dort Chaos anrichteten. Bevor ich anfing, mir Katastrophen auszumalen, kehrte ich lieber zum Boden der Tatsachen zurück.
»Aber sie werden ihn doch nicht finden, oder?«
»Sie werden«, sagte er leise. »Bald sogar. Vielleicht in ein paar Jahren. Vielleicht schon in diesem Sommer. Wenn sie alle vielversprechenden Kandidaten zusammenrufen und begutachten – in Prag.«
»Die Sommerakademie?« Das konnte doch nicht wahr sein! »Aber warum bin ich dann eingeladen? Sie werden den Nachkommen des Skorpionkönigs doch bestimmt in ihrem eigenen Clan suchen?«
Er nickte ernst. »Genau aus diesem Grund brauchen wir jemanden von unserer Seite dort. Es ist mir gelungen, deinen Namen auf ihre Liste zu setzen. Man wird dich einlassen, denn es gibt nur wenige ausgeklügelte Möglichkeiten, einen Skorpion von einer Schlange zu unterscheiden. Wir alle sind Wandler.« Ich ahnte schon, was er als Nächstes sagen würde. »Nur Jugendliche werden nach Prag eingeladen. Wenn ich könnte, wäre ich selbst gegangen oder hätte jemanden geschickt, der genau weiß, worauf er sich einlässt. Aber diese Wahl haben wir nicht. Wir haben nur dich, Kiara.«
»Ich soll also dabei sein, wenn sie den Skorpionkönig finden? Und dann?« Hatte ich mich jemals auf diese sechs Wochen in Tschechien gefreut?
»Keine Sorge. Alles andere ist unsere Angelegenheit. Wir müssen nur wissen, wer es ist. Bevor sie ihn krönen. Bevor er seine Macht erlangt. Du musst ganz gewiss nichts Gefährliches tun, Kiara. Nur seinen Namen herausfinden, und dann übernehmen wir.«
Ich schluckte. »Wir? Wer ist wir?«
»Es gibt verschiedene Gruppen von Wandlern, und einige davon haben eine besondere Verantwortung für das Wohlergehen des Clans.«
»Dann sind Sie ein Nachkomme des Schlangenkönigs?«, rief ich aufgeregt.
»Oh nein, nein, da hast du mich falsch verstanden. Ich bin lediglich ein Ratgeber. Wir kümmern uns um die Verwaltung des Clans.«
Abwartend sah ich ihn an. Da war doch bestimmt noch mehr.
»Du musst alles genau wissen, wie?« Mercier seufzte. »In unserem Clan sprechen wir von fünf Kasten. Ganz oben in der Königskaste stehen natürlich die seltenen Abkömmlinge der Könige. Dann kommen die Nachfahren des Ratgebers aus Wint Alamar – wir übernehmen entweder administrative Aufgaben oder begeben uns auf die Suche nach den Stammbäumen unseres Clans. Außerdem gibt es die Kriegerkaste, aufgesplittert in fünf Ränge. Das sind die wichtigsten Kasten. Darunter steht die Volkskaste – die Gebundenen, wie wir sie nennen, da sie an eine bestimmte Verwandlung gebunden sind. Und als Letztes die Außenkaste, die armen Seelen, die keinen Zugriff auf ihr Wandlererbe haben.«
»Die Getriebenen«, murmelte ich, und er nickte erfreut, weil ich mir das gemerkt hatte.
»Die Skorpione haben andere Begriffe, aber die Einteilung ist dieselbe. Wir haben sie immer im Auge behalten. Wir, die Ratgeber und die Krieger.«
»Ah ja«, meinte ich. »Ich kann mir ungefähr vorstellen, was es bedeutet, wenn die Krieger übernehmen.«
Ich würde also in die Sommerakademie des Skorpionclans geschleust werden. Ich würde den Namen des zukünftigen Königs erfahren und an meinen eigenen Clan weitergeben. Und dann würden ihn meine Leute aus dem Verkehr ziehen, bevor er gefährlich werden konnte. Gar kein Problem, dachte ich, aber meine innere Stimme klang gar nicht fröhlich.
Sie würden ihn nicht umbringen, oder?
Doch ich stellte eine andere Frage. »Er wird in meinem Alter sein?«
Professor Mercier nickte. »Die Eingeladenen sind alle zwischen vierzehn und fünfundzwanzig.«
»Und wenn man mich entdeckt? Ich bin nicht besonders gut darin, Spionin zu sein. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob ich das überhaupt kann.«
»Man wird dich nicht entdecken«, versprach er. »Vergiss nicht, Wandler sind keine Zauberer. Wir können nicht Gedanken lesen. Wir schauen nicht in Kristallkugeln. Wir beeinflussen keine Menschen mit unserem Willen. Wir können uns nur verwandeln, nicht mehr und nicht weniger.«
»Kann ich mir das Ganze noch mal überlegen?«
»Kein Problem – wenn du im Gegensatz dazu bereit bist, dir einen mehrstündigen Vortrag darüber anzuhören, was der Skorpionclan alles vorhat, sobald ihre Fürsten den König gefunden haben.«
»Das ist gemein«, flüsterte ich mutlos. Ich merkte auf einmal, dass ich immer noch den Bogen und das Stück Kolophonium in den Händen hielt. Behutsam legte ich beides zurück in den Koffer.
»Sei nicht traurig, Kiara. Du kannst das. Ich hätte dich nie für diese Aufgabe ausgesucht, wenn ich nicht der festen Überzeugung wäre, dass du das Herz und die Nerven dafür hast.«
»Es wäre besser für diese Welt, wenn es gar keine Wandler gäbe, oder? Dann würde es auch niemals einen neuen Skorpionkönig geben.«
»Eine Welt ohne Wandler«, murmelte der Professor. »Wie schrecklich. Und wer soll dann all die Träume träumen, die wir aus Wint Alamar mitgebracht haben?«
Er holte seine eigene Geige aus dem Musikzimmer und begann zu spielen. So süß und intensiv, so wehmütig und leidenschaftlich, dass ich zuhörte, ohne mich zu rühren. Wie eingefroren saß ich auf dem Wartesessel und lauschte der Musik, und ich dachte: Das ist es, was die Wandler dieser Welt geben. Die Sehnsucht, fliegen zu können.
Auf dem Bronzeschild, über der eingravierten Abbildung eines kleinen Skorpions, stand in schönen geschwungenen Buchstaben: Palais des Scorpions – Internationale Akademie zur Förderung der schönen Künste.
Vier Schrauben hielten es an der hohen Backsteinmauer fest. Das schmiedeeiserne Tor stand offen und gab den Blick auf einen breiten gewundenen Weg frei, der zu einer riesigen Villa führte. Eher noch zu einem Schloss. Einem wunderschönen Barockschloss mit zwei Türmen an beiden Seiten und einer grünlich schillernden Kuppel über dem Mittelteil des Gebäudes. Ich hatte seit meiner Ankunft gestern bereits eine Reihe Prager Sehenswürdigkeiten bewundern dürfen, aber dieses Palais schien mir das schönste der ganzen Stadt zu sein.
Eigentlich hatte ich nicht erwartet, dass sie es wagten, »Skorpion« auf ihre Tafel zu schreiben. Und dass ihr Hauptsitz öffentlich zugänglich war. Diese Straße war zwar ruhig, aber wenn ich mich umdrehte, konnte ich durch die Häuserschlucht die nächste große Straße sehen, wo der Verkehr vorbeirauschte.
Ich zögerte. Der Gang durch dieses Tor hindurch hatte etwas Endgültiges, obwohl Professor Mercier mir versichert hatte, dass ich jederzeit aussteigen könnte. »Es ist beileibe nicht so, als würdest du eine Haftstrafe antreten. Wenn es dir dort überhaupt nicht gefällt, kannst du wieder nach Hause fahren. Die Skorpione haben kein Interesse daran, sich mit widerwilligen Teenagern herumzuschlagen. Fahr hin. Vergiss deinen Auftrag. Hab Spaß. Ich werde mich mit dir in Verbindung setzen, auch wenn ich dir jetzt noch nicht sagen kann, wie und wann das geschehen wird.«
Hab Spaß? Wenn ich diese Akademie betrachtete, konnte ich mir kaum vorstellen, dass dort irgendetwas anderes als grausame Folter stattfinden würde. Noch konnte ich umkehren und mit meinen Eltern, die ein paar Tage in der Stadt verbringen wollten, nach Hause fahren. Sie hatten es sich nicht nehmen lassen, mich herzubringen und die Gelegenheit zu nutzen, sich Prag anzuschauen.
Professor Mercier war entsetzt gewesen, als er davon erfahren hatte. »Um Gottes willen! Dein Vater ist eine Schlange. Die Skorpione dürfen ihn nicht in der Nähe der Akademie antreffen!«
»Das ist auch etwas, was ich nicht verstehe«, sagte ich. »Wenn er eine Schlange ist, wieso war er dann schon einmal in Prag? Oder habt ihr ihn auch als Spion losgeschickt?«
Professor Mercier zog erst die Brauen hoch, doch dann lächelte er – als hätte er befürchtet, ich würde etwas anderes wissen wollen.
»Wir haben ebenfalls einen Sitz in Prag«, teilte er mir mit. »Unserem Clan gehört ein Schloss, das außerhalb liegt, auf dem Land. Dorthin laden wir unsere jungen, unwissenden Wandler ein.«
»Genau wie die Skorpione.«
»Ja, aber unser Ziel ist ein anderes. Wir suchen keinen König, der die Weltherrschaft übernehmen soll, sondern fördern ihre weltlichen Gaben, wie wir dazu sagen. Ihre Musik, ihre Malerei, was auch immer, damit sie eine Bereicherung für ihr Umfeld sein können. Und wir klären sie über ihre Herkunft auf.«
»Meinen Vater habt ihr nicht aufgeklärt.«
»Kiara«, meinte der Professor milde lächelnd, »dein Vater ist ein Getriebener, einer von denen, die nicht einmal Alamarisch verstehen. Die fünfte Kaste wird nicht eingeweiht, wer dazugehört, wird sich nie verwandeln können. Deshalb darfst du es ihm auch nie erzählen, hörst du? Er würde dich für verrückt halten, und selbst wenn du ihn dazu bringen könntest, dir zu glauben, wäre es grausam, weil er nie sein Erbe antreten kann. Hast du das verstanden?«
»Ja«, sagte ich. Ich verkniff mir die Frage, wie es dann sein konnte, dass ich mich mit meinem Vater auf Alamarisch unterhalten hatte.
»Auch wenn er nur ein Getriebener ist, er ist eine waschechte Schlange, und die Skorpione dürfen ihn auf keinen Fall sehen. Du musst deine Eltern dazu überreden, dich mit der Bahn fahren zu lassen. Notfalls bringe ich dich hin.«