Der Mann, der nicht die Wahrheit sagte - Patricia Vandenberg - E-Book

Der Mann, der nicht die Wahrheit sagte E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. »Was machst du heute, Trixi?« fragte Julian Steinbrück seine Tochter.»Ich fahre zu Bobby, die Kinder sind krank, und sie muß unbedingt zum Zahnarzt.Er musterte sie mit einem langen Blick. Trixi war mittelgroß und zierlich, wirkte in den engen Jeans und leichtem Baumwollpulli jungenhaft, daran änderte auch das halb­lange kastanienbraune Haar nichts.Wenn sie sich doch nur endlich mit mehr Chic kleiden würde, dachte Julian Steinbrück, aber er sagte lieber nichts. Er liebte seine einzige Tochter, aber er fürchtete ihren Trotz. Ja, dieser allgewaltige Industrielle fürchtete tatsächlich, daß er Beatrice kränken und Aggressionen herausfordern könnte, denn sie war seiner Schwester Geraldine sehr ähnlich. Die hatte ihren strengen Eltern die kalte Schulter gezeigt und war mit knapp zwanzig Jahren mit einem Mann durchgebrannt, weil sie sich nicht der Familientradition beugen wollte.Allerdings hatte Geraldine Glück gehabt. Gregor Belling hatte es zu Vermögen und Ansehen gebracht mit einigen Erfindungen auf elektronischem Gebiet, und schließlich war auch die Familie mit ihm versöhnt gewesen.Wolfgang, der einzige Sohn, war Teilhaber von Julian Steinbrück geworden, nachdem Gregor zum Bedauern aller schon mit fünfundfünfzig Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war. Geraldines einzigster Trost war, daß Wolfgang die reizende Roberta geheiratet hatte und sie sich an den beiden Enkelkindern Sabine und Till freuen konnte.Roberta, die Bobby genannt wurde, war jetzt achtundzwanzig Jahre alt, eine aparte Frau, die sich mit sehr viel Geschmack kleidete, und Julian Steinbrück hoffte, daß seine Tochter sich endlich mal ein Beispiel an ihr nehmen würde.»Vielleicht ist dir Bobby behilflich bei der Auswahl eines Ballkleides zum Sommerfest vom Golfklub«, sagte Julian vorsichtig und so ganz nebenbei.»Du traust mir wohl nicht zu, daß ich mir allein eins aussuchen könnte«, sagte Trixi sofort spöttisch, »aber ich habe nicht die geringste Lust, dieses Fest zu besuchen. Diese…« Sie hielt inne, weil ihr plötzlich einfiel, daß eine beleidigende Äußerung auch ihren Vater einschließen würde.»Sprich dich ruhig aus«, sagte er anzüglich. »Aber ich weiß schon, was du meinst. Es sind ja nicht nur Angeber anwesend, sondern auch nette Menschen, und ich würde mich freuen, wenn ich mich auch mal mit meiner hübschen Tochter zeigen könnte.

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Dr. Norden Bestseller – 283 –

Der Mann, der nicht die Wahrheit sagte

Patricia Vandenberg

»Was machst du heute, Trixi?« fragte Julian Steinbrück seine Tochter.

»Ich fahre zu Bobby, die Kinder sind krank, und sie muß unbedingt zum Zahnarzt.«

Er musterte sie mit einem langen Blick. Trixi war mittelgroß und zierlich, wirkte in den engen Jeans und leichtem Baumwollpulli jungenhaft, daran änderte auch das halb­lange kastanienbraune Haar nichts.

Wenn sie sich doch nur endlich mit mehr Chic kleiden würde, dachte Julian Steinbrück, aber er sagte lieber nichts. Er liebte seine einzige Tochter, aber er fürchtete ihren Trotz. Ja, dieser allgewaltige Industrielle fürchtete tatsächlich, daß er Beatrice kränken und Aggressionen herausfordern könnte, denn sie war seiner Schwester Geraldine sehr ähnlich. Die hatte ihren strengen Eltern die kalte Schulter gezeigt und war mit knapp zwanzig Jahren mit einem Mann durchgebrannt, weil sie sich nicht der Familientradition beugen wollte.

Allerdings hatte Geraldine Glück gehabt. Gregor Belling hatte es zu Vermögen und Ansehen gebracht mit einigen Erfindungen auf elektronischem Gebiet, und schließlich war auch die Familie mit ihm versöhnt gewesen.

Wolfgang, der einzige Sohn, war Teilhaber von Julian Steinbrück geworden, nachdem Gregor zum Bedauern aller schon mit fünfundfünfzig Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war. Geraldines einzigster Trost war, daß Wolfgang die reizende Roberta geheiratet hatte und sie sich an den beiden Enkelkindern Sabine und Till freuen konnte.

Roberta, die Bobby genannt wurde, war jetzt achtundzwanzig Jahre alt, eine aparte Frau, die sich mit sehr viel Geschmack kleidete, und Julian Steinbrück hoffte, daß seine Tochter sich endlich mal ein Beispiel an ihr nehmen würde.

»Vielleicht ist dir Bobby behilflich bei der Auswahl eines Ballkleides zum Sommerfest vom Golfklub«, sagte Julian vorsichtig und so ganz nebenbei.

»Du traust mir wohl nicht zu, daß ich mir allein eins aussuchen könnte«, sagte Trixi sofort spöttisch, »aber ich habe nicht die geringste Lust, dieses Fest zu besuchen. Diese…« Sie hielt inne, weil ihr plötzlich einfiel, daß eine beleidigende Äußerung auch ihren Vater einschließen würde.

»Sprich dich ruhig aus«, sagte er anzüglich. »Aber ich weiß schon, was du meinst. Es sind ja nicht nur Angeber anwesend, sondern auch nette Menschen, und ich würde mich freuen, wenn ich mich auch mal mit meiner hübschen Tochter zeigen könnte.«

Trixi lachte auf. »Du brauchst nicht zu schmeicheln, Daddy, ich kann mich kaum hübscher machen, aber du hast ja Bobby zum Repräsentieren«, erklärte sie ohne Hintergründigkeit. »Ich spiele Babysitter bei Binni und Till.«

»Geraldine kommt, und sie bleibt bei den Kindern. Du mußt dir eine andere Ausrede ausdenken, aber ich werde diesmal keine akzeptieren. Ich lasse mir nicht nachsagen, was eigentlich mit meiner Tochter los ist, oder daß ich sie verstecke.«

»Liebe Güte, das wird geredet?« wunderte sich Trixi. »Die Leute haben zuviel Zeit und zu wenig Verstand. Aber es paßt nicht zu dir, daß du auf Klatsch hörst.«

Das tat er auch nicht, aber er sah nun ein, daß er sie damit auch nicht locken konnte.

»Einmal könntest du mir wenigstens die Freude machen«, meinte er brummig. »So, jetzt muß ich gehen. Sag den Kindern schöne Grüße von mir.«

»Sie wurden sich bestimmt freuen, wenn sie dich auch mal wieder sehen würden«, erwiderte Trixi anzüglich.

Dann ging sie in die Küche zu Kati und naschte von den Waffeln, die Kati noch rasch für die Kinder gebacken hatte.

»Was meinst du, Kati, soll ich mit zu dem blöden Ball gehen?« fragte Trixi.

»So blöd sind die Bälle gar nicht«, gab Kati gleichmütig zur Antwort. »Andere Mädchen würden sich darum reißen.«

»Mich reizt es aber nicht«, erklärte Trixi bockig. »Dann muß ich mir doch tatsächlich so ein Gewand kaufen.«

Kati äußerte sich dazu lieber nicht. Sie dachte nur, daß es wahrhaft an der Zeit wäre, daß Trixi sich damenhafter kleiden würde, aber auch sie wußte, wie sauer Trixi reagieren konnte.

»Ich fahre jetzt erst mal nach Berg und lasse es mir durch den Kopf gehen«, erklärte Trixi gleichmütig. Dann holte sie ihren Wagen aus der Garage. Gegen diesen flotten Sportwagen hatte sie keine Einwände erhoben, als ihr Vater ihn ihr zum zwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Zuvor hatte sie mit einem billigeren zufrieden sein müssen, und sie war es auch gewesen. Sie hatte den Führerschein schon mit achtzehn Jahren ohne Schwierigkeiten gemacht und fuhr sehr sicher.

Trixi war sehr sportlich. Sie war eine ausgezeichnete Tennisspielerin, im Schwimmen und Reiten hatte sie auch schon Lorbeeren geerntet, und sie hätte auch gern Golf gespielt, wenn dies hier nicht den Privilegierten vorbehalten gewesen wäre. Arroganz und Angeberei waren für Trixi ein Greuel.

Obgleich sie auch die Schule ohne Schwierigkeiten absolviert hatte, konnte sie sich nicht für ein Studium entscheiden. Sie hatte noch eine Handelsschule besucht und wollte nun in der Steinbrück AG in der Personalabteilung arbeiten. Begeistert war ihr Vater davon nicht, weil er fürchtete, daß seine Tochter mit ihrem sozialen Tick, wie er es nannte, seine Autorität untergraben würde, aber schließlich setzte Trixi doch immer ihren Willen durch, denn er wollte nicht riskieren, daß sie sich aus Eigensinn bei der Konkurrenz bewarb, wo man die Tochter von Julian Steinbrück freilich mit Kußhand nehmen würde.

*

In dem wunderhübschen Haus am Hang, von dem aus man einen herrlichen Blick über den Starnberger See hatte, wurde Trixi stürmisch empfangen. Sie verstand sich mit Roberta sehr gut, und sie liebte Binni und Till genauso wie die Kinder sie liebten. Beide hatten die Windpocken, aber die waren schon im Abklingen.

»Sie sind nicht mehr ansteckend«, sagte Roberta.

»Schade«, sagte Trixi.

»Na, hör mal, was soll das hei­ßen?«

»Dann bräuchte ich nicht mit zu dem Golfball gehen, und das könnte man wirklich nicht als Ausrede auslegen.«

»Du bist ein komisches Mädchen, Trixi«, sagte Roberta, »wir gehen doch auch hin. Es wird bestimmt nett. Man braucht sich ja nicht um die Snobbys zu kümmern.«

»Ich habe dafür eben nichts übrig, Bobby, und ich hatte gehofft, daß ich hier Babysitting machen könnte.«

»Ma kommt, und du kommst diesmal mit. Man denkt ja sonst wirklich, man müßte dich verstecken.«

»Fang du jetzt bloß nicht auch noch mit dem Tratsch an. Daddy wollte mich damit schon umstimmen.«

»Mir gefällt es aber gar nicht, wenn manche munkeln, ob du vielleicht geistig oder körperlich behindert wärest.«

»Waaas?« rief Trixi gedehnt aus. »Die spinnen wohl! Mich kennt man doch von anderen Sportarten her.«

»Aber nicht als Tochter von Julian Steinbrück. Den Namen gibt es ja öfter. Und von seiner Tochter setzt man eben voraus, daß sie entweder bekannt und umschwärmt ist, oder man denkt, daß es bei ihr nicht richtig tickt. Da du hier nicht zur Schule gegangen bist, kennen dich die Mädchen deines Jahrgangs ja auch nicht, und die sind nicht so sportlich, daß du sie auf irgendwelchen Turnieren triffst, und ich darf dich auch daran erinnern, daß dabei eine Beate Stein und nicht eine Beatrice Steinbrück genannt wird.«

»Ich will nicht als Daddys Tochter akzeptiert werden«, erklärte Trixi trotzig. »Nun geh zum Zahnarzt, ich lasse mir die Sache mit dem Ball durch den Kopf gehen.«

Bobby hatte mehr Wirkung bei ihr erzielt als Julian, denn als geistig oder körperlich behindert wollte Trixi nicht gelten.

»Warum seufzt du, Trixi?« fragte die fünfjährige Binni.

»Weil ich mir so ein Ballkleid kaufen muß.«

»Das finde ich toll. Mami hat eine Boutique, wo es wunderhübsche Kleider gibt. Wenn ich groß bin, kaufe ich mir viele Kleider.«

»Sie spinnt«, sagte der vierjährige Till. »Ich finde es viel schöner, wie du bist, Trixi. Solche bemalten Ziegen kann ich nicht leiden.

»Mami ist auch nicht bemalt, aber schön«, sagte Binni.

»Und ich finde Trixi auch schön«, erklärte Till.

»Du Schmeichler«, lachte sie.

»Du hast so schöne Zähne«, sagte nun auch Binni. »Ich möchte auch mal solche Zähne kriegen.«

Momentan zeigte sie beim Lachen einige Lücken, aber es sah lustig aus. Sie war ein niedliches Kind mit großen blauen Kulleraugen und einem blonden Lockenkopf. Till war ein richtiger Junge mit rotbraunem störrischem Haarschopf, Sommersprossen, einer lustigen Stupsnase und verschmitzten Augen, die mehr grüngrau waren, als blau.

Trixi hatte ihren Spaß mit ihnen, aber auf der Nase herumtanzen ließ sie sich nicht.

»Übermorgen kommt die Noni«, erzählte Binni, nachdem sie ein paar Runden im Swimmingpool gedreht hatten und nun am Rand in der Sonne saß, die Beine im Wasser baumelnd.

Die Noni, das war Geraldine, die Großmutter. Binni hatte sie so gerufen, als sie sprechen lernte, und das war ihr geblieben, und es gefiel Geraldine auch sehr gut.

»Diesmal bleibt sie länger«, fügte Till hinzu. »Du kannst ruhig mit auf den Ball gehen, Trixi.«

»Ich würde aber viel lieber bei euch bleiben«, sagte Trixi.

»Vielleicht geht Noni mit auf den Ball und du bleibst bei uns«, meinte Till mit einem Lausbubenlächeln.

»Noni geht auf keinen Ball«, warf Binni ein.

»Ich werde mich aufraffen«, sagte Trixi, wieder mit einem Seufzer. »Auch Daddy zuliebe. Ich soll euch schön grüßen von ihm.«

»Er könnte ruhig auch mal wieder kommen«, meinte Till. »Aber die Männer arbeiten bloß immer. Papi auch. Mami schimpft manchmal.«

»Sie meint es aber nicht böse«, sagte Binni. »Sie möchte bloß, daß Papi auch mehr bei uns ist.«

Bobby blieb nicht lange fort, und als sie kam, sah sie nicht aus, als wäre sie arg von dem Zahnarzt geplagt worden. Sie sagte, daß er nur einen Backenzahn plombiert hätte und legte dann ein paar Modezeitungen vor Trixi auf denTisch.

»Damit kannst du dich schon mal beschäftigen, Trixi«, sagte sie.

Die warf ihr einen schrägen Blick zu. »Meinst du etwa, ich würde mir ein sündteures Kleid arbeiten lassen? Kommt nicht in Frage. Ich kaufe eins fertig. Schließlich gehe ich nicht auf Männerfang.«

Bobby war an der Tür. »Ich mache uns einen Kaffee«, sagte sie.

»Kriegen wir ein Eis, Mami?« fragte Till.

»Okay, ihr kriegt Eis.«

Trixi starrte auf eine Zeitung. Das Titelbild stellte eine attraktive schwarzhaarige Schönheit dar.

»Wenn man so aussieht, kann man natürlich auch solche gewagten Kleider tragen«, stellte Trixi fest.

»Die ist ja fast nackert«, sagte Till, »da tät’ Papi aber mosern, wenn Mami so was tragen würde.«

»Mami ist auch viel schöner«, sagte Binni.

»Guck mal, die da hat auch so wenig an«, sagte Till und deutete auf ein anderes Foto.

»Das ist doch Jana Kamp!« rief Bobby aus. »Was, die feiert ihren dreißigsten Geburtstag? Da kann ich ja nur lachen!«

»Warum?« fragte Trixi.

»Weil sie mindestens vierzig ist. Sie macht sich doch nur lächerlich, wenn sie ewig dreißig bleiben will.«

»Sie wird Peer de Ridder heiraten«, sagte Trixi, die die Unterschrift unter dem Foto gelesen hatte.

»Das wäre dann der Dritte. Aller guten Dinge sind drei«, spottete Bobby. »So sagt man doch. Jedenfalls gibt es immer reiche Scheidungen, oder gab es für sie bisher. Ob de Ridder ihr überhaupt etwas anderes bieten kann als seinen Charme, möchte ich bezweifeln.«

»Dreimal heiratet die?« staunte Binni. »Wie oft darf man heiraten, Mami?«

»Das kann jeder, so oft er lustig ist«, erwiderte Bobby ironisch.

»Aber du doch nicht und Papi auch nicht«, sagte Till entsetzt.

»Gott bewahre, bei uns heiratet man nur einmal«, sagte Bobby.

»Und Papi würde auch nie erlauben, daß Mami so auf eine Zeitung kommt, so halb nackert und bemalt.« Till schüttelte den Kopf und blätterte um.

»Wenn sie vierzig ist, sieht sie aber noch sehr gut aus«, stellte Trixi fest.

»Man müßte sie mal in Natura und ohne Make-up sehen«, sagte Bobby. »Noni kennt sie sehr gut. Und diese Tanja Lorant von der anderen Titelseite ist jetzt ihre Rivalin bei den Modemachern.«

»Du weißt sehr gut Bescheid«, sagte Trixi.

»Noni war doch eine excellente Modefotografin. Sie kann viel erzählen.«

»Weiß ich ja gar nicht«, meinte Trixi.

»Das kommt davon, weil du dich bisher nie für Mode interessiert hast, sofern sie nicht Hosen und Pullis betraf. Du bist doch nicht böse, wenn ich das sage, Trixi?«

»Warum denn? Es stimmt doch, und ich werde mich nie besonders dafür interessieren. Damit du aber beruhigt bist, zum Ball gehe ich mit.«

»Fein, dann fahren wir am Donnerstag mal in die Stadt und suchen dir ein Kleid aus. Und außerdem möchte ich mal wieder Dr. Norden einen Besuch abstatten. Es fehlt mir doch sehr, daß er nicht herkommen kann. Bei Windpocken braucht man ja keinen, der so gut Bescheid weiß, aber…« Sie geriet ins Stocken.

»Fehlt dir was, Bobby?« fragte Trixi erschrocken.

»Nicht so direkt, aber ich habe da so ein paar komische Punkte an den Beinen. Sieht aus wie Warzen, aber doch anders. Man schreibt so viel, daß man auf Veränderungen achten soll.«

»Zeig doch mal her«, sagte Trixi beklommen.

Aber da kamen die Kinder schon wieder herein. »Gibt noch ein Gewitter heute, Mami«, sagte Binni.

Sie hatte Angst vor Gewittern, seit sie einmal bei einem sehr schweren Gewitter unterwegs gewesen waren und die Hagelkörner, taubeneigroß, auf das Auto geprasselt und dann sogar das Rückfenster zerschlagen hatten.

»Es scheint doch die Sonne«, sagte Trixi beruhigend.

»Aber Herr Weber von nebenan hat gesagt, daß es ein Gewitter gibt. Sein Hund, der Tasso, merkt es.«

»Aber du brauchst keine Angst zu haben, Schätzchen«, wurde Binni von ihrer Mami getröstet. »Wir sind ja zu Hause.«

Tatsächlich verdunkelte sich der Himmel bald darauf, und Trixi meinte, daß es wohl besser wäre, sie würde auch fahren, damit Kati sich nicht aufregen müsse, denn sie war auch ängstlich, wenn Trixi bei einem Unwetter nicht zu Hause war.

»Wir sehen uns am Donnerstag«, sagte Bobby. »Ich melde mich für vormittags bei Dr. Norden an, und dann hole ich dich ab. Ausreden werden nicht akzeptiert, Trixi.«

»Ist ja in Ordnung. Ich komme mit, und ich werde mir auch ein Kleid kaufen.«

»Julian wird sich freuen«, sagte Bobby.

»Aber ich werde ihm sagen, daß du mich besser überreden konntest als er.«

»Komm bald wieder, Trixi«, sagten die Kinder.

»Jetzt kommt ihr mal wieder zu uns, dann macht euch Kati die besten Süßspeisen. Wir müssen mal wieder einen Familientag machen, wenn Noni da ist.«

»Wenn die Männer mal Zeit haben«, meinte Bobby anzüglich.

*

Es wird doch Bobby nichts fehlen, ging es Trixi durch den Sinn, als sie heimwärts fuhr. Sie hatte ja auch schon über die Hautveränderungen gelesen, auf die man achten sollte, und sie war wegen eines ziemlich großen Leberflecks auch schon mal bei Dr. Norden gewesen. – Aber er hatte sie beruhigt.

Trixi vertraute Dr. Norden sehr. Als sie zehn Jahre alt gewesen war, hatte sie ihn nach einem schweren Sturz vom Fahrrad aufgesucht, weil er am ehesten zu erreichen war, und sie wollte nicht so blutend nach Hause kommen.

Da hatte schon eine richtige Freundschaft begonnen, denn er war so lieb und verständnisvoll gewesen, daß sie auch in den Entwicklungsjahren mit all ihren Sorgen und Fragen sich vertrauensvoll an ihn wandte, weil ihr Vater ja nie Zeit hatte und wohl auch keine Antworten gewußt hätte. Kati war prüde und hatte mit Aufklärung gar nichts im Sinn gehabt. Obgleich Trixi auch so aufgewachsen war, entwickelte sie doch sehr früh ein gesundes Selbstbewußtsein, und verklemmt konnte man sie wirklich nicht nennen, obwohl eben bei ihnen intime Themen tabu waren.

Sie erinnerte sich noch genau an den Tag, als sie, gerade sechzehn geworden, ihren Vater fragte, ob er eigentlich ein Verhältnis hätte. Julian war so fassungslos gewesen, daß er nach Luft geschnappt hatte. Erst recht war ihm die Sprache weggeblieben, als Trixi dann gemeint hatte, daß er doch in einem Alter wäre, wo man gern noch eine Frau haben würde.

Nun, ans Bekennen war es nicht gegangen, aber es war doch ein etwas vertrauteres Verhältnis auch diesbezüglich zwischen Vater und Tochter entstanden, und Julian hatte seiner Trixi dann auch gesagt, daß sie mit ihren Problemen ruhig zu ihm kommen könne.

Nein, da würde sie doch lieber zu Dr. Norden gehen, hatte sie gemeint, denn er würde sie nicht wie ein kleines Mädchen behandeln.

Zu beichten gab es für Trixi allerdings nichts. Sie hatte keine Einstellung zu Männern. Entweder waren sie ihr zu oberflächlich, oder es waren Paschas.

Im Grunde war ihr Daddy der einzige Mann, den sie voll akzeptierte, wenn sie ihm das auch nicht so zeigte und schon gar nicht sagte. Wolfgang hatte sie zwar recht gern, aber es wunderte sie doch, daß Bobby so gut mit ihm auskam. Von Liebe hielt Trixi nicht viel, wohl auch deshalb, weil sie dieses Gefühl noch nicht kennengelernt hatte.

Kati hatte schon nach ihr Ausschau gehalten, denn ein paar Blitze waren schon über den Himmel gezuckt, und natürlich hatte Kati darauf gleich bei Bobby angerufen.

»Es wird gleich losgehen«, sagte Kati besorgt. »Gut, daß du da bist, Trixi.«

»Du brauchst dich doch nicht aufzuregen. Es zieht vorüber«, erklärte Trixi, aber sie behielt nicht recht. Es krachte und blitzte, und dann hörte man auch schon die Feuerwehr.