Der Prinz der Skorpione - Torsten Fink - E-Book

Der Prinz der Skorpione E-Book

Torsten Fink

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Beschreibung

Das Finale der großen Assassinen-Trilogie

Sahif hat seine Erinnerungen zurück, und seine schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt. Er war tatsächlich ein Assassine, einer der besten Killer seines Vaters, des Großen Skorpions. Doch nun, da er es weiß, ist er fest entschlossen, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Dafür muss er allerdings nicht nur seinem Vater entgegentreten. Vor allem muss er seine Schwester aufhalten, die ihn skrupellos für ihre Intrigen benutzt hat – und die bereit ist, für ihr Streben nach Macht die Welt in den Abgrund zu stürzen!

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Seitenzahl: 646

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Roman

Originalausgabe

1. Auflage

Originalausgabe Juli 2013 bei Blanvalet,

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © 2013 by Torsten Fink

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, inkcraft, München

Illustration: © Isabelle Hirtz unter Verwendung einer Fotografie von Olga Kessler

Karte: © Jürgen Speh

Lektorat: Simone Heller

HK · Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-09525-3

www.blanvalet.de

Prolog

Ein scharfer Wind trieb Schnee über die Passstraße, brach sich an hohen Festungsmauern und strich um die aufgespießten Köpfe, die in einer langen Reihe über die Zinnen hinwegschauten; weiter unten auf dem schmalen Pass zerrte die Böe an den Mänteln einiger Männer, die ein gutes Stück unterhalb der Festung von ihren Pferden gestiegen waren. Der Schnee wirbelte um ihre pelzverbrämten Umhänge, wurde den Hang hinab zu einem Bach getrieben und sammelte sich auf den erstarrten Gesichtszügen eines toten Soldaten, der sich an der steilen Böschung ins gefrorene Gras krallte. Vier gefiederte Pfeile steckten in seinem Rücken. Es sah aus, als wollte er sich auch im Tod noch den Hang hinaufziehen, vielleicht bis zu jener schmalen Passstraße, die von der Festung nach Süden und aus dem Paramar herausführte.

Padischah Akkabal at Hassat, der Große Skorpion, schlug seinen Umhang zurück, kratzte sich am Bart und beugte sich hinab zu dem Toten. »Sieh genau hin, Alamaq, mein Sohn, siehst du das?«

Der junge Prinz schüttelte den Kopf. »Was meinst du, Vater?«

»Sein Gesicht. Die nackte Angst. Dieser Mann wusste, dass er sterben würde, noch bevor er vom ersten Pfeil getroffen wurde. Er ist weggelaufen, aber du kannst nicht davonlaufen, wenn der Tod dich in sein Buch eingetragen hat. Der da hat seine Kameraden im Stich gelassen und versucht, sich zu retten. Aber Angst, mein Sohn, macht dumm. Er hatte gewiss nicht viele Möglichkeiten, seinem Schicksal zu entkommen, aber er hat sich für die schlechteste entschieden. Deshalb solltest du dich niemals von Angst beherrschen lassen, Alamaq. Sie ist ein schlechter Ratgeber.«

»Ja, Vater.«

Wieder kratzte sich der Padischah von Oramar am Kinn. »Ein dummer Mann. Ein Feigling noch dazu, aber immerhin kein Verräter.«

Der junge Prinz nickte eifrig, und der Große Skorpion lächelte über seinen Eifer. Er richtete sich auf und blickte hinab in das schmale Bachbett, das sich etliche Klafter unterhalb des Passes dahinzog. Im eisigen Wasser waren Männer dabei, Gefallene auszuplündern.

»Sind das auch sicher alle, Algahil?«, fragte der Padischah.

»Es sind alle, Vater. Meine Leute haben ganze Arbeit geleistet«, antwortete der Prinz, ein Mann jenseits der vierzig. Er war in einen besonders üppig mit Pelz besetzten Umhang gehüllt und schien dennoch zu frieren.

»Es war klug von dir, mein Sohn, dass du einige Männer über die Berge geschickt hast, bevor wir uns der Festung näherten.« Er wandte sich wieder an den Jüngeren: »Umsicht zeichnet den klugen Heerführer aus, Alamaq. Wäre nur einer der Soldaten aus diesen Bergen nach Süden entkommen, nach Atgath oder gar Felisan, hätte das all meine Pläne zunichtegemacht. Aber dein Bruder Algahil hat es verhindert. Und dabei wollte er erst selbst nicht glauben, dass seine Krieger diese schroffen Berge überwinden können.«

»Es sind auch nicht alle hinübergekommen«, merkte Algahil trocken an.

»Nun, ihr Opfer hat sich gelohnt, oder nicht?«, meinte der Padischah. »Wir werden wie dieser eisige Wind aus dem Norden über den Seebund herfallen, und seine Fürsten werden es erst merken, wenn wir schon mitten in Haretien stehen. Sie ahnen es noch nicht einmal, weil sie sich sicher fühlen, denn ihre Festung hier oben, sie ist doch nahezu uneinnehmbar und versperrt den einzigen Pass. Ja, ich behaupte, unsere zehntausend Krieger hätten sie nicht erstürmen können, obwohl nicht viel mehr als hundert Mann ihre Mauern verteidigten.«

»Und ich war es, der sie dir erobert hat, Vater«, warf ein breitschultriger Mann ein, der am Wegesrand stand und voller Verachtung auf die Männer blickte, die unten im Bachbett die Toten plünderten.

»Ich habe es nicht vergessen, Weszen, mein Sohn«, sagte der Padischah. »Und ich werde auch nicht vergessen, dass es uns keinen Tropfen Blut gekostet hat. Für ein paar tausend Stücke Gold hat dieser Kommandant seine Festung, seine Kameraden und letztendlich seine Heimat verkauft. Manchmal ist eben Gold die beste Waffe, Alamaq«, erklärte er dem jüngsten der Erbprinzen.

»Vor allem, wenn man es wiederbekommt, kleiner Bruder«, warf Prinz Weszen grinsend ein.

Der Padischah runzelte missbilligend die Stirn. »Es muss die Ausnahme bleiben, dass man sein Wort nicht hält, Alamaq. Das musst du stets bedenken.«

»Hättest du denn diese Verräter leben lassen, Vater?«, fragte der junge Prinz.

»Ja, denn ich bin der Padischah, und mein Wort ist in Gold nicht aufzuwiegen. Aber ich tadle deinen Bruder Weszen nicht. Es war seine Entscheidung, und er hat mir eine Festung erobert und uns Blut sowie Gold dabei gespart. Es ist ein großer Erfolg, mein Junge.«

»Hast du schon alle Männer über die Klinge springen lassen, geschätzter Bruder?«, fragte Algahil.

»Siehst du es nicht?«, erwiderte Weszen und deutete mit einer lässigen Geste zurück zu der Festung und den aufgespießten Köpfen, über die der Wind den Schnee in beißenden Schauern wehte.

»Ich hoffe, dir gehen die Lanzen nicht aus«, meinte Algahil spottend.

»Es sind ihre eigenen«, gab Weszen zurück. »Ich habe zweihundert Mann als Besatzung zurückgelassen. Ich hoffe, du bist damit einverstanden, Vater?«

Der nickte, klopfte seinem Jüngsten auf die Schulter und streckte sich. »Ah, diese Luft, diese Berge! Bemerkst du es? Diese Kälte klärt den Geist, und dabei hat der Winter noch nicht einmal begonnen. Solche Berge findest du in ganz Oramar nicht, Alamaq. Und bald gehören sie uns, wie das ganze Haretien. Und jetzt gebt das Signal. Wir ziehen weiter. Ich bin sicher, deine Schwester Shahila kann es kaum erwarten, uns wiederzusehen.«

Prinz Weszen stieß zweimal in sein Kriegshorn. Das große Tor der Festung öffnete sich, und ein Strom von Männern quoll hervor. Der Padischah bestieg sein Pferd. »Vorwärts, meine Söhne. Wir marschieren nach Atgath.«

Erster Tag

Jamade kletterte über die weißen Kreidefelsen, die im ewigen Zwielicht über Bariri aufragten. Sie zitterte vor Erregung, weil sie ihren Auftrag nun endlich erfüllt hatte und diese verfluchte Ebene der Toten mit ihren Gefahren beinahe hinter ihr lag. Sie hatte das Wort! Das Wort, das im fernen Atgath eine geheime Kammer öffnen würde. Es steckte in ihrem Kopf. Aussprechen konnte sie es nicht, nicht einmal ansatzweise, aber es war da, sie konnte es spüren. Und Sahif, der es vorher in sich getragen hatte, war ohne Zweifel inzwischen tot.

Jetzt musste sie nur noch irgendwie von dieser Insel herunterkommen und so schnell wie möglich nach Atgath gelangen. Deshalb hatte sie den Weg zur Festung der Schatten eingeschlagen. Es hatten immer einige Boote in einer versteckten Grotte unter der Festung gelegen. Die Schatten hatten die Insel zwar verlassen, aber Jamade setzte darauf, dass sie vielleicht ein Boot zurückgelassen hatten– schließlich war Meister Iwar auch noch da, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sich von der Gunst und den Schiffen der neuen Inselbewohner abhängig gemacht hatte.

Sie hetzte über die schroffen weißen Grate, und sie fühlte sich gut, beinahe glücklich, dabei gab es eigentlich keinen Grund zur Euphorie, das wusste sie, denn es lag noch ein weiter und gefährlicher Weg vor ihr: Sie musste das Meer überqueren, und der Plan mit dem Boot hatte den Haken, dass sie sich mit Booten nicht besonders gut auskannte. Vielleicht hatte sie Glück und stieß auf einer der nächsten Inseln auf ein Fischerdorf, von wo aus sie jemand nach Malgant bringen könnte. Dort musste sie dann ein Schiff finden, das auf schnellstem Weg nach Felisan fuhr. Es musste sehr schnell gehen, denn das Heer des Seebundes, das dort gelandet war, als sie mit der Sperber in See gestochen waren, war vielleicht schon nach Atgath marschiert. Sie hatte bislang kaum darüber nachgedacht, weil sie genug andere Probleme gehabt hatte, aber jetzt beunruhigte sie der Gedanke. Heere waren für gewöhnlich träge und wälzten sich nur langsam übers Land, aber was, wenn ausgerechnet dieses schnell zuschlug? Was, wenn der Seebund Atgath schon eingenommen hatte? War all die Mühe am Ende vielleicht vergebens? Waren Shahila, die Auftraggeberin, und Almisan, der Schattenmeister, vielleicht schon tot, wenn sie Atgath erreichte? Was dann?

Dann nutzt du diesen Schlüssel eben selbst, flüsterte ihr eine innere Stimme zu. Ein verlockender Gedanke. Jamade hatte keine Ahnung, welche Geheimnisse die verborgene Kammer barg, aber sie mussten groß und mächtig sein, wenn man den Aufwand bedachte, den die Baronin betrieb, um hineinzugelangen. War nicht sogar der Marghul hellhörig geworden, als er erfahren hatte, worum es ging? Natürlich könnte sie das Wort auch dann selbst benutzen, wenn Shahila und Almisan noch nicht tot waren…

Jamade rannte schneller, als könne sie den Gedanken auf diese Art hinter sich lassen. Sie war ein Schatten, keine ehrlose Diebin, die ihre Auftraggeber hinterging. Außerdem: Sie trug zwar den Schlüssel in sich, aber sie hatte keine Ahnung, wo sich die geheime Kammer befand, die er öffnen sollte. Sie sprang über die weißen Felsen und versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass ein findiger Schatten diesen Ort sehr wohl aufspüren könnte.

Sie erreichte eine stehende Felsplatte, die mit zahlreichen roten Handabdrücken verschmiert war. Die meisten waren lange verblasst, kaum zu erkennen, aber wenigstens einer war ganz neu und frisch. »Der Alte Lenn«, murmelte Jamade. Seine magischen Zeichen sorgten dafür, dass es einen halbwegs sicheren Weg nach Aban gab.

Leider kannte sie diesen Pfad nicht, denn die Oberen hatten den Schülern verboten, ihn zu benutzen, und es war ein Verbot jener Art gewesen, über das man sich besser nicht hinwegsetzte. Die jungen Schatten hatten seinerzeit vermutet, dass der Weg irgendein spektakuläres Geheimnis offenbaren würde. Einer von ihnen– Jamade erinnerte sich nicht an seinen Namen, aber es war ein schmaler, verwegener Knabe aus dem fernen Tenegen gewesen–, hatte alle Warnungen in den Wind geschlagen und sich aufgemacht, ihn zu erkunden. Er war nie zurückgekehrt, und die Meister hatten kein Wort über sein Schicksal verloren. Allerdings hatte es nach dieser Geschichte eine Woche lang kein Abendessen gegeben– für keinen der Schüler. Später hatten die Meister sie doch hin und wieder nach Aban geführt, aber nie über Lenns Pfad.

Hinter dem nächsten Grat ragten schon die Zinnen des Turmes auf. Im Grunde genommen war die Festung nichts anderes: ein Turm, errichtet in den glücklicheren Tagen Bariris, um die Insel vor einem Angriff von See zu warnen und zu schützen. Er war später zu einer Burg ausgebaut, aber nicht verteidigt worden, als man um die Stadt gekämpft hatte. Er war wieder besetzt worden, nachdem die Kämpfe mit der langen Belagerung einer toten Stadt ein Ende gefunden hatten. Irgendwann waren die Besatzer abgezogen, und die Schatten hatten die Festung in Besitz genommen.

Jamade fröstelte bei der Erinnerung an die kalten, freudlosen Mauern, die kahlen Kammern, die leeren Höfe, in denen sie ausgebildet und gequält worden waren. Und doch verband sie ein seltsames Heimatgefühl mit diesem Ort, und sie dachte mit einem gewissen Ingrimm daran, dass die Festung erneut kampflos aufgegeben worden war, als der Schrecken der Insel verblasst war und die Westgarther und Scholaren sich in der Hafenstadt Aban breit gemacht hatten.

Sie stieß auf den alten Torweg und folgte ihm, bis sie schließlich die weißen Mauern erreichte, die unter dem lastenden Zwielicht schwach rötlich schimmerten. Das Tor stand offen, und die Zugbrücke, die einen tiefen Spalt im Fels überspannte, war heruntergelassen. Jamade blieb stehen. Dies war eine Heimstatt der Schatten gewesen. Sie mochten fort sein, aber es war einfach nicht ihre Art, diesen Ort ungesichert zurückzulassen. Sie nahm einen schweren Stein und ließ ihn auf die Zugbrücke rollen. Es knackte, die Balken offenbarten eine verborgene Falltür, und Jamade hörte den Stein in der Tiefe der Felsspalte zerbersten, während unsichtbare Scharniere die Falltür wieder schlossen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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