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Im Jahre 1532 betritt die blinde Mila im Gefolge von Francisco Pizarro und der letzten Drachenreiter das heutige Peru. Alle empfinden die scheinbar hilflose junge Frau lediglich als Belastung. Da erwählt der mächtige Drache Al-Nabu sie trotz ihrer Blindheit als neue Reiterin. Plötzlich hängen die Geschicke von Menschen und Drachen von ihren Entscheidungen ab. Mila muss ihre unerwartete Verantwortung rasch akzeptieren, will sie nicht für den Tod aller verantwortlich sein. Denn im Reich der Inka lauert etwas weitaus Gefährlicheres als Drachen!
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Seitenzahl: 1159
Torsten Fink
Drachensturm
Roman
Originalausgabe
1. Auflage
Originalausgabe November 2011 bei Blanvalet,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Copyright © 2011 by Torsten Fink
Umschlaggestaltung: HildenDesign München
Lektorat: Simone Heller
Karte: © Jürgen Speh
HK · Herstellung: sam
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN: 978-3-641-06421-1
www.blanvalet.de
Die Neue Welt, 1532
Erstes Buch
CHAN CHAN
1. Tag
Das Ledergeschirr knarrte bei jedem Flügelschlag. Mila streckte ihre Rechte hinaus in die Finsternis, die sie seit ihrer Geburt umgab. Sofort zerrte der Wind an ihren Fingern. Sie flogen schnell und wohl auch nicht sehr hoch, denn seit einiger Zeit klang das Rauschen des Meeres sehr nah. Ein neuer Geruch stieg ihr in die Nase, würzig und fremd. Das Land konnte nicht mehr weit sein. Mila spürte, wie Marduk, der große Drache, der sie trug, seine Flügel im Wind ausbreitete und in den Gleitflug überging. Das Geschrei von Seevögeln wehte heran, und dann, schnell näher kommend, die Brandung der Ozeanwellen an fremden Ufern. Ein durchdringender Pfiff durchschnitt das gleichmäßige Rauschen der Wellen. Mila zuckte erschrocken zusammen, obwohl sie das Signal eigentlich schon erwartet hatte. Marduk stieß einen heiseren Ruf aus, und seine mächtigen Schwingen schlugen nun wieder auf und ab. Sie gewannen Höhe. Aus der Finsternis drangen die Rufe der anderen Drachen heran. Es waren dreizehn, die letzten ihrer Art, und sie waren hier, um dem Kaiser neues Land zu gewinnen. Der rollende Donner der Brandung kam rasch näher. Er klang beinahe wie ferne Kanonen. Mila klammerte sich fester an ihren Sattel. »Der Kriegsruf, Marduk«, rief der Hochmeister.
Marduk knurrte, holte tief Luft, und dann brüllte er, und die anderen Drachen fielen ein. Sie brüllten so laut, dass Mila sich die Ohren zuhielt, und verkündeten so ihren neuen Feinden, dass sie kamen.
Ein Heer von Zikaden hatte die Stadt eingeschlossen und schickte sich an, die Herrschaft über die vielfältigen Geräusche der Abenddämmerung anzutreten. Kemaq blickte auf seinen Teller mit abgenagten Maiskolben. Er war immer noch hungrig. Sein Bruder Jatunaq schob das Geschirr wortlos, aber mit deutlich sichtbarem Unwillen zur Seite. Auch er war offenbar nicht satt geworden. Eine Zeitlang lauschten sie den Zikaden. Es war ihr Bruder Qupay, der zuerst das Wort ergriff: »Wir sollten Inti noch einmal für diese Mahlzeit danken, und dafür, dass wir nach so langer Zeit wieder glücklich vereint sind.«
Jatunaq brummte etwas, was sowohl Zustimmung wie auch Widerspruch sein mochte, und Kemaq lauschte in die Dunkelheit. Im Stillen gab er Qupay im zweiten Punkt Recht– es war lange her, dass sie zu dritt zusammengesessen hatten. Jatunaq war zwei Jahre fort gewesen und erst am Vortag aus dem Krieg heimgekehrt. Den ganzen Tag schon hatte Kemaq ihn behutsam nach den Kämpfen ausgefragt, aber Jatunaq war nicht sehr gesprächig gewesen. Er hatte sich ausgezeichnet, so viel war sicher, denn er war zum Anführer seiner Schar ernannt worden, aber über Einzelheiten schwieg er sich aus. Kemaq brannte darauf, mehr zu erfahren, gleichzeitig scheute er davor zurück, durch weitere Fragen Erinnerungen zu wecken, die seinem Bruder unangenehm zu sein schienen. Zu seiner Erleichterung nahm ihm Jatunaq diesen Schritt ab. Vielleicht hatte er bemerkt, dass Kemaq wieder einmal wie gebannt die tiefe Narbe auf seinem Oberarm anstarrte.
»Ein Speer, bei der Schlacht um Ambato. Der Mann, dem diese Waffe gehörte, kämpfte tapfer, doch ich habe ihn getötet«, verkündete er schlicht.
»Wann erzählst du uns von Cuzco?«, platzte Kemaq heraus.
Jatunaqs Miene verdüsterte sich schlagartig. »Frag mich nicht nach Cuzco, kleiner Bruder.« Dann seufzte er. »Jedenfalls bin ich froh, dass dieser Krieg endlich beendet ist.«
»Und dass Inti unseren Waffen zum Sieg verholfen hat«, warf Qupay ein.
Kemaq zog die Knie ans Kinn und schwieg. Jatunaq hatte sich verändert. Er war immer schon ernst gewesen, weil er als ältester Bruder die meiste Verantwortung zu tragen hatte, seit ihre Eltern fort waren, doch nun war er beinahe schwermütig.
Die Zikaden waren lauter geworden. Die alte Mocto, die das Essen für sie gekocht hatte, tauchte aus der nahen Hütte auf und begann, das Geschirr abzuräumen.
»Es war gut«, murmelte Jatunaq ein halbherzig klingendes Lob.
»Das glaub ich wohl«, murrte die Alte und verschwand in der Hütte.
Jatunaq grinste breit. »Ich sehe, sie ist während meiner Abwesenheit nicht freundlicher geworden.«
»So lange warst du dann doch nicht fort«, meinte Kemaq.
Der Krieger lachte und schüttelte den Kopf. »Es ist schon eigenartig. Viele Monde sind wir durch das weite Land gezogen und haben Huáscar und seinen Männern Schlacht um Schlacht geliefert. Es war eine harte Zeit, jede Straße hätte uns leicht in das Reich der Toten führen können, aber so karg wie hier war das Essen nie.«
»Wir darben gerne, wenn es dem Sohn der Sonne hilft, sein Recht zu erlangen und diesen Krieg zu gewinnen«, versicherte Qupay eifrig.
»Aber es ist ja nicht nur wegen des Krieges«, ergänzte Kemaq.
Qupay warf ihm einen warnenden Blick zu, aber Jatunaq seufzte und sah zum wolkenlosen Himmel auf, der sich bereits in düsterem Rot zeigte: »Ich weiß, die Trockenheit.«
»Das dritte Jahr«, sagte Kemaq schnell. Er war froh, endlich Unterstützung zu finden, denn Qupay, der ein Priester des Sonnengottes Inti war, wollte davon nichts hören. Kemaq war sich allerdings sicher, dass er sich nicht gegen Jatunaq stellen würde, und tatsächlich rieb sich Qupay nur missmutig die stumpfe Nase und sagte: »Jetzt, wo der Krieg vorbei ist, wird der Regen bald kommen.«
»Habt ihr denn gute Zeichen gesehen?«, fragte Jatunaq neugierig.
Aber Qupay murmelte nur ausweichend und verwies auf die unendliche Gnade und Macht des großen Inti. Dann räusperte er sich, blickte Kemaq vorwurfsvoll an und sagte: »Du bist übrigens gesehen worden.«
»Was hast du denn jetzt wieder angestellt, kleiner Bruder?«, fragte Jatunaq mit mildem Spott.
Kemaq zuckte mit den Achseln.
»Er ist gesehen worden, als er mit den Steinen am alten Huaca sprach. Mit bestimmten Steinen«, setzte Qupay mit Nachdruck hinzu.
Kemaq fühlte sich unbehaglich. Er war es inzwischen gewohnt, dass er es Qupay nicht recht machen konnte, seit dieser in Intis Tempel diente, aber an der Meinung Jatunaqs lag ihm viel, und er war sich nicht sicher, wie dieser die Sache sehen würde.
Der Krieger lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich nehme an, du meinst die Bilder auf der Rückseite des alten Huaca?«
Qupay nickte. »Ich frage mich, ob ich dem Hohepriester nicht davon berichten sollte…«
Jetzt war Kemaq wirklich beunruhigt. »Es ist noch nicht so lange her, da war es uns erlaubt, zu Tamachoc zu beten«, erklärte er trotzig.
»Doch damit haben wir Inti verärgert. Es ist kein Wunder, dass es nicht mehr regnet«, erwiderte Qupay scharf. »Wirklich, ich sollte es dem Hohepriester sagen, wenigstens, damit er die alten Bilder ausmeißeln lässt.«
»Das darfst du nicht!«, rief Kemaq erschrocken.
»Seit wann sagt ein Läufer einem Priester, was er nicht darf, kleiner Bruder?«, fragte Qupay höhnisch.
»Seit er einen älteren Bruder hat, der ihm davon abrät«, erklärte Jatunaq bestimmt. »Ich würde es ungern sehen, wenn du unserem Kleinen Ärger bereitest«, fügte er begütigend hinzu.
»Dann rede du mit ihm und mach ihm begreiflich, dass die Zeiten der Regenschlange vorüber sind! Weißt du, wie es aussieht, wenn mein eigener Bruder dem verbotenen Kult huldigt? Ich bin ein Priester des Inti! Und ich bin kein Sohn des Sonnenvolkes und muss mich doppelt anstrengen, wenn ich das Gleiche erreichen will wie einer von ihnen!«
Ein warnender Blick von Jatunaq hinderte Kemaq daran, seinem aufwallenden Zorn Luft zu machen. Der Krieger kratzte sich dann ausgiebig an seiner Narbe und meinte schließlich: »Dann solltest du es ihnen besser nicht erzählen, oder?«
Qupay fuhr ihn wütend an: »Ich weiß schon, dass du ihn immer beschützen willst!«
Aber seine Wut schien an dem älteren Bruder einfach abzuperlen. Jatunaq lächelte sehr breit und sagte: »Ich hoffe doch sehr, dass ich hier nicht einen meiner kleinen Brüder vor dem anderen retten muss.«
Qupay öffnete den Mund, stand auf und verschwand mit schnellen Schritten im Inneren der Hütte. Bald hörten sie ihn mit der Alten schimpfen, die sich jedoch nichts gefallen ließ.
»Viel hat sich hier während meiner Abwesenheit wirklich nicht geändert«, meinte Jatunaq lächelnd. Dann wurde er wieder ernst. Er hat aber nicht Unrecht, kleiner Bruder. Es ist verboten.«
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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