Der Sarkophag - Elizabeth Peters - E-Book
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Der Sarkophag E-Book

Elizabeth Peters

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Beschreibung

Mumienfluch und Mordgeflüster: Die mutigste Archäologin ist zurück! Im viktorianischen England bereiten sich die Ägyptologin Amelia Peabody und ihr Ehemann auf einen ruhigen Sommer vor – lediglich von den frühreifen Eskapaden ihres Sohnes Ramses unterbrochen. Doch als im Britischen Museum ein Nachtwächter direkt vor einer der ausgestellten Mumien ermordet wird, ist die blitzgescheite Amelia sofort zur Stelle. Während Gerüchte vom Fluch der Mumie die Runde machen, vermutet Amelia, dass die Wahrheit weitaus komplizierter – und nicht weniger gruselig – ist: Ein Bösewicht hat es auf ausgewählte Mitglieder der Ägyptischen Gemeinschaft in London abgesehen! Ihr Liebster Emerson könnte das nächste Opfer sein … Doch wird Amelias Scharfsinn ausreichen, um den hinterhältigen Schurken zu entlarven, bevor es zu spät ist? »Ein großartiges Abenteuer« Toronto Sun Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Ägypten-Krimi »Der Sarkophag« ist der vierte Teil der mitreißenden Amelia-Peabody-Reihe von Elizabeth Peters. Die Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Seitenzahl: 594

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Über dieses Buch:

Im viktorianischen England bereiten sich die Ägyptologin Amelia Peabody und ihr Ehemann auf einen ruhigen Sommer vor – lediglich von den frühreifen Eskapaden ihres Sohnes Ramses unterbrochen. Doch als im Britischen Museum ein Nachtwächter direkt vor einer der ausgestellten Mumien ermordet wird, ist die blitzgescheite Amelia sofort zur Stelle. Während Gerüchte vom Fluch der Mumie die Runde machen, vermutet Amelia, dass die Wahrheit weitaus komplizierter – und nicht weniger gruselig – ist: Ein Bösewicht hat es auf ausgewählte Mitglieder der Ägyptischen Gemeinschaft in London abgesehen! Ihr Liebster Emerson könnte das nächste Opfer sein … Doch wird Amelias Scharfsinn ausreichen, um den hinterhältigen Schurken zu entlarven, bevor es zu spät ist?

Über die Autorin:

Elizabeth Peters (1927 – 2013) ist das Pseudonym von Barbara G. Mertz, einer amerikanischen Autorin und Ägyptologin. Sie promovierte am berühmten Orient-Institut in Chicago und wurde für ihre Romane und Sachbücher mit vielen Preisen ausgezeichnet. Einer dieser Preise, der »Amelia Award«, wurde sogar nach ihrer beliebten Romanfigur benannt, der bahnbrechenden Amelia Peabody. Besonders ehrte sie jedoch, dass viele ÄgyptologInnen ihre Bücher als Inspirationsquelle anführen.

Elizabeth Peters veröffentlichte bei dotbooks die folgenden eBooks:

Die »Amelia Peabody«-Reihe:

»Das Rätsel der Mumie«

»Der Fluch des Pharaonengrabes«

»Im Tal der Sphinx«

»Der Sarkophag«

»Verloren in der Wüstenstadt«

»Schatten über dem Nil«

»Der Ring der Pharaonin«

Die »Vicky Bliss«-Reihe:

»Vicky Bliss und der geheimnisvolle Schrein«

»Vicky Bliss und die Straße der fünf Monde«

»Vicky Bliss und der blutrote Schatten«

»Vicky Bliss und der versunkene Schatz«

»Vicky Bliss und die Hand des Pharaos«

Ihre Krimireihe um Jacqueline Kirby:

»Der siebte Sünder – Der erste Fall für Jacqueline Kirby«

»Der letzte Maskenball – Der zweite Fall für Jacqueline Kirby«

»Ein preisgekrönter Mord – Der dritte Fall für Jacqueline Kirby«

»Ein todsicherer Bestseller – Der vierte Fall für Jacqueline Kirby«

Unter Barbara Michaels veröffentlichte bei dotbooks ihre Romantic-Suspense-Romane:

»Der Mond über Georgetown«

»Das Geheimnis von Marshall Manor«

»Die Villa der Schatten«

»Das Geheimnis der Juwelenvilla«

»Die Frauen von Maidenwood«

»Das dunkle Herz der Villa«

»Das Haus des Schweigens«

»Das Geheimnis von Tregella Castle«

»Die Töchter von King’s Island«

Sowie ihre historischen Liebesromane:

»Abbey Manor – Gefangene der Liebe«

»Wilde Manor – Im Sturm der Zeit«

»Villa Tarconti – Lied der Leidenschaft«

»Grayhaven Manor – Das Leuchten der Sehnsucht«

***

eBook-Neuausgabe September 2024

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1989 unter dem Originaltitel »The Deeds of the Disturber« bei Warner Books, New York.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1988 by Elizabeth Peters

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2000 by Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München (Eine gekürzte Ausgabe erschien 1993 bei Wilhelm Heyne Verlag GmbH, München)

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Covergestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)

ISBN 978-3- 98952-291-6

***

dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Elizabeth Peters

Der Sarkophag

Ein Ägypten-Krimi. Amelia Peabody 4

Aus dem Amerikanischen von Beate Darius

dotbooks.

Für Charlotte MacLeod,

die von mir überaus geschätzte Grande Dame

des Kriminalromans

Mächtige Isis.

Sie schützte den Bruder,

vertrieb den Feind,

lähmte den Finger des Bösen

durch ihre Kraft.

Die Kluge, deren Zunge nie versagt,

bewundernswert ihre Worte des Befehls

Mächtige Isis!

Hymne an Osiris, 18. Dynastie

Kapitel 1

In vieler Hinsicht halte ich mich für eine der glücklichsten Frauen. Gewiß, ein Zyniker könnte behaupten, daß das im 19. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung lediglich eine graduelle Unterscheidung darstellte, da Frauen ohnehin nur wenige der von Männern beanspruchten »unveräußerlichen Rechte« zugestanden wurden. Diese historische Ära wird vielfach mit dem Namen ihrer Monarchin in Verbindung gebracht; und obgleich niemand der Krone treuer ergeben ist als Amelia Peabody Emerson, zwingt mich meine Aufrichtigkeit doch zu der Anmerkung, daß die unwissentlichen Äußerungen Ihrer geschätzten Majestät hinsichtlich ihrer Geschlechtsgenossinnen in keiner Weise dazu beitrugen, diese aus ihrer schwachen Position zu befreien.

Ich schweife ab. Ich kann nicht anders, denn das Joch meiner unterdrückten Schwestern erfüllt mich stets mit unbändigem Zorn. Wie weit sind wir, selbst heute noch, von unserer wohlverdienten Emanzipation entfernt? Wann, ja wann werden Gerechtigkeit und Logik siegen und die Frauen von dem Podest hinabsteigen, auf das sie der Mann erhoben hat (natürlich nur, damit sie nichts anderes tun, als dort passiv zu verharren), um ihren rechtmäßigen Platz an seiner Seite einzunehmen?

Weiß der Himmel. Doch wie bereits von mir angedeutet, hatte ich das Glück, die aufgrund der Mißgunst des starken Geschlechts errichteten gesellschaftlichen und bildungsbedingten Barrieren zu überwinden (oder, besser gesagt, zu durchbrechen). Durch meinen Vater sowohl mit finanzieller Unabhängigkeit als auch einer fundierten klassischen Bildung gesegnet, zog ich aus, um die Welt kennenzulernen.

Das ist mir nicht gelungen; in Ägypten fand meine Reise ihr Ende, da ich in dem klassischen Land der Pharaonen meine Bestimmung sah. Seitdem habe ich mich dem Studium der Archäologie gewidmet, und obwohl mich meine Bescheidenheit von Eigenlob abhält, darf ich doch behaupten, daß das von mir in diesem Beruf Geleistete nicht unerheblich gewesen ist.

Bei meinen Bestrebungen wurde ich von dem berühmtesten Ägyptologen aller Zeiten unterstützt, Radcliffe Emerson, meinem geliebten und geschätzten Gatten. Wenn ich dem gnädigen Schöpfer danke (was ich häufig tue), steht der Name Emerson stets an erster Stelle. Obwohl Fleiß und Intelligenz nicht unerheblich zu weltlichen Erfolgen beitragen, konnte ich es zum Zeitpunkt unserer ersten Begegnung nicht mir anrechnen, was Emerson ist und wo er war. Sicherlich war es weder Zufall noch eine Laune des Glücks, die das weltbewegende Ereignis herbeiführten. Nein! Schicksal, göttliche Fügung, nennen Sie es, wie Sie wollen – es war uns vorbestimmt. Vielleicht (so sinniere ich häufig, wenn ich geistesabwesend oder in nachdenklicher Stimmung bin) lagen die alten heidnischen Philosophen richtig in ihrem Glauben an die Wiedergeburt. Vielleicht war jenes Zusammentreffen in den düsteren Räumen des alten Boulaq Museums nicht unsere erste Begegnung; schließlich zogen mich jene funkelnden saphirblauen Augen, die wohlgeformten Lippen und das Grübchen in seinem Kinn nicht von ungefähr magisch an (obwohl ich zugeben muß, daß es zu jenem Zeitpunkt von einem dichten Bart verhüllt wurde, den Emerson dank meiner Überzeugungskraft später entfernte).

Immer noch geistesabwesend und nachdenklich ließ ich meiner Phantasie freien Lauf – wie wir vielleicht unter den mächtigen Säulen des alten Karnak umherstreiften, seine kräftige, sonnengebräunte Hand die meine umklammernd, sein durchtrainierter Körper in kurzen Hosen und aufgeknöpftem Hemd, was seine großartige Figur hervorragend zur Geltung gebracht hätte ...

Ich gebe zu, daß ich mich, wie so oft im Hinblick auf Emersons Vorzüge, von meinen Gefühlen überwältigen lasse. Werter Leser, wenn Sie erlauben, nehme ich den Faden meiner Erzählung wieder auf.

Kein Normalsterblicher sollte in dieser unvollkommenen Welt mit vollkommener Harmonie rechnen. Als rational denkender Mensch hatte auch ich nicht damit gerechnet. Allerdings gibt es auch für Frauen Schmerzgrenzen, und im Frühling des Jahres 18 –, als wir im Begriff waren, Ägypten nach einer weiteren Ausgrabungssaison zu verlassen, war diese Grenze für mich erreicht.

Menschen bezichtigen mich manchmal eines ungerechtfertigten Vorurteils gegenüber dem männlichen Geschlecht. Sogar Emerson macht daraus gelegentlich keinen Hehl – und gerade der sollte es besser wissen. Wenn ich darauf verweise, daß ein Großteil meiner Verärgerung von Angehörigen dieses Geschlechts verursacht wurde, ist das kein Vorurteil, sondern eine schlichte Tatsache. Angefangen mit meinem geschätzten, aber entsetzlich geistesabwesenden Vater und fünf abscheulichen Brüdern über diverse Mörder, Einbrecher und Halunken nehme ich selbst meinen eigenen Sohn nicht aus. Wenn ich Buch führte, würde Walter Peabody Emerson, Freund und Feind gleichermaßen als Ramses bekannt, als eindeutiger Hauptverursacher für das gleichbleibend hohe Maß meiner Empörung hervorgehen.

Man muß Ramses kennen, um ihn zu schätzen. (Ich verwende dieses Verb, weil ich damit nicht unbedingt warmherzige oder enge Zuneigung zum Ausdruck bringen will). Über sein äußeres Erscheinungsbild kann ich mich nicht beklagen, denn ich bin keineswegs so engstirnig zu glauben, daß die Hautfarbe der Angelsachsen dem olivfarbenen Teint und den schwarzen Locken der Bewohner des östlichen Mittelmeerraums, denen Ramses (seltsamerweise) stark ähnelt, überlegen ist. Seine Intelligenz läßt im Großen und Ganzen ebenfalls nichts zu wünschen übrig. Ich war davon ausgegangen, daß ein Kind von Emerson und mir über herausragende Intelligenz verfügen würde; dennoch gebe ich zu, nicht damit gerechnet zu haben, daß diese solch außergewöhnliche Formen annehmen könnte. Ramses war ein jugendliches Sprachgenie. Noch vor seinem achten Geburtstag war ihm die Hieroglyphenschrift der alten Ägypter geläufig; Arabisch sprach er mit einer erschreckenden Gewandtheit (das Adjektiv bezieht sich auf gewisse Elemente seines Wortschatzes), und selbst der Umgang mit seiner Muttersprache war schon in jungen Jahren von einem Bombast gekennzeichnet, der eher zu einem betagten Wissenschaftler als einem kleinen Jungen gepaßt hätte.

Dieses Talent führte häufig dazu, Ramses fälschlicherweise auch auf anderen Gebieten für einen Überflieger zu halten. (»Entsetzlich altklug« lautete die Umschreibung vieler, die Ramses nichtsahnend über den Weg liefen.) Nun ja, genau wie der junge Mozart besaß er eine außergewöhnliche Begabung – ein so bemerkenswertes Gehör für Sprachen wie das des Komponisten für Musik – und lag auf anderen Gebieten, wenn überhaupt, sogar noch unter dem Mittelmaß. (Ich muß den informierten Leser nicht auf Mozarts unglückliche Ehe und seinen erbarmungswürdigen Tod hinweisen.)

Ramses hatte seine liebenswerten Seiten. Er mochte Tiere – oftmals sogar so sehr, daß er in Käfigen gehaltene Vögel und angekettete Hunde freiließ, weil er das für eine grausame und unangemessene Form der Bestrafung hielt. Er wurde ständig gebissen und gekratzt (einmal von einem jungen Löwen), und die Besitzer der besagten Geschöpfe setzten sich häufig dagegen zur Wehr, was ihrer Meinung nach an eine Form des Einbruchdiebstahls grenzte.

Wie schon erwähnt, besaß Ramses einige positive Eigenschaften. Ihm fehlte jedes Vorurteil für Klassenunterschiede. Um genau zu sein, zog der kleine Gauner es vor, mit den ungebildetsten Ägyptern im Souk obszöne Geschichten auszutauschen, statt mit gleichaltrigen englischen Mädchen und Jungen zu spielen. Barfuß und mit zerlumpter Galabiya war er wesentlich glücklicher als in seinem hübschen schwarzen Samtanzug mit Rüschenhemd.

Ramses’ positive Eigenschaften ... Er widersetzte sich nur selten einem direkten Befehl, immer vorausgesetzt natürlich, daß nicht höhere moralische Überlegungen Vorrang hatten (deren Definition Ramses selbst oblag) und daß die Anweisung exakt so formuliert war, daß sie Ramses kein Schlupfloch bot. Es hätte schon der Fähigkeiten eines Staatsanwaltes oder des Ordensvorstehers der Jesuiten bedurft, um ihn festzunageln.

Ramses’ positive Eigenschaften? Ich glaube, da war noch etwas, was mir momentan jedoch entfallen ist.

Allerdings war es ausnahmsweise nicht Ramses, der meinen Zorn in jenem Frühjahr heraufbeschworen hatte. Nein, meinen geschätzten, von mir bewunderten und geliebten Gatten traf die Schuld.

Emerson hatte einige stichhaltige Gründe für seinen boshaften Humor. Wir hatten in Dahschur, einem Ausgrabungsgebiet in der Nähe Kairos, gearbeitet, das die berühmtesten Pyramiden von ganz Ägypten umfaßt. Es war keineswegs einfach gewesen, den Firman (eine Exkavationsgenehmigung der Antikenverwaltung) zu bekommen, da Monsieur de Morgan, der zuständige Direktor, das Gebiet ursprünglich für sich hatte beanspruchen wollen. Warum er seine Meinung änderte, brachte ich nie in Erfahrung. In irgendeiner Weise war Ramses daran beteiligt gewesen; und sobald Ramses an irgendetwas beteiligt war, zog ich es vor, von den Einzelheiten verschont zu bleiben.

Da Emerson meine besondere Leidenschaft für Pyramiden kennt, war er kindlich erfreut über die Zusage gewesen. Er hatte mir sogar eine eigene Pyramide zu Forschungszwecken überlassen – eine jener kleinen, untergeordneten Grabstätten, die, wie von einigen vermutet wird, den Begräbnissen der Pharaonengattinnen dienten.

Obwohl ich die modrigen, nach Fledermauskot stinkenden Gänge dieses winzigen Monumentes mit dem größten Vergnügen durchkämmt hatte, hatte ich außer einer leeren Grabkammer und einigen Tonscherben absolut nichts entdeckt. Unsere Bemühungen, die Ursache für die plötzlich aufziehenden, unerklärlichen Winde herauszufinden, die gelegentlich durch die Gänge der Winkelpyramide stoben, hatten sich als erfolglos erwiesen. Falls es verborgene Öffnungen und unentdeckte Gänge gab, so hatten wir sie jedenfalls nicht gefunden. Selbst die Schwarze Pyramide, in deren abgesunkener Grabkammer wir einst gefangengehalten worden waren, entpuppte sich als Enttäuschung. Aufgrund des ungewöhnlich hohen Wasserspiegels des Nils waren die unteren Durchgänge überflutet, und Emerson war nicht in der Lage, die hydraulische Pumpe einzusetzen, auf die er seine ganze Hoffnung gesetzt hatte.

Werter Leser, ich will Ihnen ein kleines Geheimnis über Archäologen anvertrauen. Sie alle geben ihre hohe Gesinnung vor. Sie behaupten, daß ihr einziges Ausgrabungsziel darin besteht, die Geheimnisse der Vergangenheit aufzudecken und sie menschlichem Wissen zugänglich zu machen. Sie lügen. In Wirklichkeit streben sie nach einer spektakulären Entdeckung, um ihren Namen in den Zeitungen zu sehen und damit den Haß und die Mißgunst ihrer Rivalen zu schüren. In Dahschur hatte sich M. de Morgan den Traum erfüllt, die Juwelen einer Prinzessin des Mittleren Reiches zu entdecken (wie ihm das gelang, weigerte ich mich zu fragen). Der Glanz des Goldes und der kostbaren Steine üben einen magischen Zauber aus; de Morgans Fund (ich werde mich weiterhin weigern, ihn jemals zu fragen, wie ihm dieser gelungen ist!) bescherte ihm den angestrebten Ruhm sowie einen erschöpfenden Artikel und ein reizendes Foto in der Illustrated London News.

Einer dieser sogenannten Wissenschaftler, der unbedingt seinen Namen abgedruckt sehen wollte, war Mr. Wallis Budge, der Verwalter des Britischen Museums, dem besagte Einrichtung einige ihrer schönsten Ausstellungsstücke zu verdanken hatte. Jeder wußte, daß sich Budge einen Namen gemacht hatte, nicht wegen seiner Exkavationen, sondern aufgrund seiner illegalen Transaktion von Antiquitäten, die er, jeglichem Exportverbot zum Trotz, ausgeführt hatte. Emerson hätte einen Teufel getan, Budges Beispiel nachzueifern, doch eine Stele, wie die von seinem Erzrivalen Petrie im Jahr zuvor gefundene, hätte auch ihm gut zu Gesicht gestanden. Die Welt der biblischen Wissenschaften war aus den Fugen geraten, denn diese antike Grabsäule verzeichnete hinsichtlich der ägyptischen Geschichtsschreibung den ersten und bis dahin einzigen Hinweis auf den Terminus »Israel«. Eine wahre Errungenschaft für die Fachwelt, und für eine vergleichbare Trophäe hätte mein geliebter Emerson seine Seele dem Teufel verkauft (an den er ohnehin nicht glaubte). Der umtriebige Petrie gehörte zu den wenigen Ägyptologen, die Emerson, wenn auch zähneknirschend, respektierte, und ich bin sicher, daß Petrie ähnlich empfand. Diese beiderseitige Hochachtung war vermutlich der Grund für ihre erbarmungslose Rivalität – auch wenn beide eher gestorben wären, als ihren gegenseitigen Neid einzugestehen.

Als Mann durfte Emerson dieses vollkommen natürliche und nachvollziehbare Bestreben nicht zugeben. Deshalb versuchte er, mich für seine Frustration verantwortlich zu machen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß ein kleines kriminalistisches Zwischenspiel unsere Exkavationen zeitweilig unterbrach, aber diese Dinge waren Emerson keineswegs fremd; derartiges passierte in fast jeder Ausgrabungssaison, und trotz seiner heftigen Beschwerden genoß er unsere kriminalistischen Aktivitäten ebenso sehr wie ich.

Sein letztes Manöver hatte allerdings unter ungewöhnlichen Vorzeichen gestanden. Wie bereits zuvor war unser Widersacher erneut der geheimnisvolle Meisterverbrecher gewesen, der uns lediglich unter dem Decknamen Sethos bekannt war. Obwohl wir dessen gräßliche Pläne durchkreuzt hatten, war es ihm wieder einmal gelungen, unserem Vergeltungsschlag zu entkommen – jedoch erst, nachdem er eine unerwartete und (für manche) unerklärliche Zuneigung zu mir eingestanden hatte. Mehrere denkwürdige Stunden war ich Sethos’ Gefangene gewesen. Glücklicherweise hatte mich Emerson befreit, bevor irgendetwas Außergewöhnliches passierte. Immer wieder hatte ich ihm versichert, daß ich niemals schwach geworden wäre; daß seine mit zwei Krummsäbeln bewaffnete, durch die Tür preschende, kampfbereite Gestalt ein unauslöschlich in meinem Herzen verankerter Anblick gewesen sei. Er glaubte mir. Er zweifelte nicht an mir ... rational betrachtet. Doch der Schatten des Mißtrauens überdauerte – ein Wurmfraß in der Knospe ehelicher Zuneigung, der unausrottbar schien.

Ich bemühte mich nach Kräften, den Schädling auszumerzen. Mit Worten und – nicht zu vergessen – mit Taten ließ ich keine Gelegenheit aus, Emerson meiner ungeteilten Zuneigung zu versichern. Er schätzte meine Worte (und – nicht zu vergessen – meine Taten), doch der entsetzliche Zweifel blieb. Wie lange, fragte ich mich bestürzt, würde diese Situation andauern? Wie oft mußte ich mich von neuem bemühen, ihn umzustimmen? Das alles schien in einem solchen Maße an uns beiden zu zehren, daß Ramses bereits die dunklen Augenringe seines Vaters bemerkte und wissen wollte, was ihn von seiner wohlverdienten Nachtruhe abhielt.

Da ich vor meinen Pflichten (und meiner Zuneigung) noch nie kapituliert hatte, verfolgte ich meine Bestrebungen mit einer solchen Entschlossenheit, bis Emerson vor lauter Erschöpfung schließlich zugab, daß ich ihn überzeugt habe. Die Entdeckung eines Inschriftenblocks versetzte uns in die Lage, den bis dahin unbekannten Initiator der Pyramide zu bestimmen, und erlaubte Emerson, die Saison mit einem gewissen Triumph zu beenden. Dennoch war mir klar, daß er im Stillen vor sich hinbrütete; ich wußte, daß sein Ehrgeiz keineswegs befriedigt war. Zugegebenermaßen erleichtert, packte ich unsere Koffer und sagte den staubigen Weiten von Dahschur herzlich und (hoffentlich nur) vorübergehend Lebwohl.

Jede Frau kann sich die Freude vorstellen, die mich beim Einzug in unsere Räume im Shepheard’s, dem elegantesten Kairoer Hotel, durchflutete. Ich freute mich auf ein richtiges Bad in einer richtigen Badewanne; auf heißes Wasser, duftende Seife und weiche Handtücher; auf die Annehmlichkeiten eines Friseurs und einer Wäscherei; auf Geschäfte, Zeitungen und die Gesellschaft kultivierter Menschen. Wir hatten Kabinen auf dem Postdampfer gebucht, der auf seiner elftägigen Passage von Port Said direkt nach London fuhr. Ein Schiff nach Marseille hätte die Reise erheblich verkürzt, doch die Zugfahrt nach London über Paris und Boulogne war unbequem und unangenehm, insbesondere für Reisende mit viel Gepäck. Wir hatten keine Eile und freuten uns auf eine entspannte Schiffspassage; doch zuvor hatte ich das Gefühl, daß mir einige Tage Luxus gut zu Gesicht stünden. Zweifellos gibt es keine Frau, die die Schwierigkeiten der Haushaltsführung in einem Zelt oder einer leeren Grabstätte oder einem verlassenen, geheimnisumwitterten Kloster mit mehr Gleichmut ertragen hätte als ich – und all das hatte ich bereits kennengelernt – oder die Schönheit des Wüstenlebens mehr geschätzt hätte. Doch wenn die Bequemlichkeit zum Greifen nah ist, glaube ich an deren Verdienst. Diese Einschätzung teilt Emerson nicht. Er ist glücklicher im Zelt als in einem feinen Hotel, und er verabscheut die Gesellschaft kultivierter Zeitgenossen. Da wir jedoch nur zwei Tage in Kairo verweilen sollten, trug er sein Schicksal mit Fassung.

Den Nachmittag unserer Kairoer Ankunft verbrachte ich fröhlich planschend in meiner Badewanne und genoß einen der seltenen, unbeschwerten Momente der Sorglosigkeit. Ramses war mit Abdullah, unserem hervorragenden Rais, zu irgendeinem Ausflug aufgebrochen. Die Katze Bastet, die kaum je von der Seite des Jungen wich, hatte sich geweigert, ihn zu begleiten, was meinen Verdacht erhärtete, daß das von Abdullah und Ramses nicht genauer dargelegte Vorhaben von mir bestimmt nicht gutgeheißen worden wäre. Wie auch immer; in Abdullahs Begleitung war Ramses so sicher wie in der jedes anderen Menschen. (Soll heißen: relativ sicher.) Er würde irgendwann zurückkehren, müde und schmutzig und vollgestopft mit irgendwelchen Speisen, die jedem anderen Kind eine Magenverstimmung eingebracht hätten, den über die Maßen strapazierfähigen inneren Organen meines Sohnes jedoch nichts anhaben konnten. Ich würde mich noch früh genug mit Ramses auseinandersetzen. In der Zwischenzeit trug seine Abwesenheit lediglich zu meinem Hochgefühl bei.

Die auf dem Wannenrand sitzende Katze Bastet beobachtete mich aus bernsteinfarbenen Augenschlitzen. Bäder faszinierten sie. Vermutlich erschien ihr das völlige Eintauchen in Wasser eine seltsame Reinigungsmethode.

Obwohl Dahschur nicht weit von Kairo entfernt liegt, hatten wir der Metropole während der vergangenen Wochen keinen Besuch abgestattet. Ein umfangreicher Stapel Briefe und Zeitschriften erwartete uns; auf meine Bitte hin ließ Emerson die Badezimmertür einen Spaltbreit geöffnet und las mir die Post vor. Es gab einige Briefe von Emersons Bruder Walter und seiner Gattin, meiner lieben Freundin Evelyn. Sie beglückwünschten uns zu unserer baldigen Heimkehr und teilten uns die Neuigkeiten von unseren Nichten und Neffen mit.

Die übrige Post war unerheblich. Emerson schob sie beiseite und wandte sich dem Zeitungsstapel der letzten Wochen zu. Mit unterschwelliger Erheiterung lauschte ich den von ihm ausgewählten Artikeln, da seine Vorstellung, was mich interessieren könnte, recht seltsam war. Das Vordringen unserer Streitkräfte in den Sudan – ja, das interessierte mich, denn das war nahe unserer Heimat (unserer geistigen Heimat Ägypten). Doch den Werbeanzeigen für das Daimler-Gefährt (einem neu entwickelten Fahrzeug, das von einem Zweizylindermotor angetrieben wurde) und dem von Lambeth patentierten Wasserklosett konnte ich nichts abgewinnen. Ich entgegnete nichts; Emersons wohlklingender Bariton drang angenehm an meine Ohren, und seine ironischen Kommentare über die »Unannehmlichkeiten des modernen Lebens« verliehen den Informationen einen gewissen Mutterwitz. Während ich verträumt meine aus dem duftenden Wasser hervorlugenden Fußspitzen betrachtete, fiel ich in eine Art Dämmerzustand, aus dem ich aufgrund von Emersons Wutanfall brutal aufschreckte.

»Welch ein hirnrissiger Blödsinn!« brüllte er.

Ich nahm an, daß Emerson die Times gegen eine andere Zeitung ausgetauscht hatte – vermutlich die Daily Yell, deren Artikel häufig eine solche Reaktion hervorriefen.

»Was ist hirnrissiger Blödsinn, mein Lieber?« wollte ich wissen.

Ein geräuschvolles Umblättern der Seiten folgte. Dann entfuhr es Emerson: »Genau wie ich vermutete. Ich hätte es wissen müssen. Dein geschätzter Freund O’Connell ist der Verfasser dieses Unsinns!«

Ich wollte gerade entgegnen, daß Mr. Kevin O’Connell kein besonders geschätzter Freund von mir war; aber das wäre nicht ganz korrekt gewesen. In den vergangenen Jahren hatte ich ihn kaum zu Gesicht bekommen, doch im Zuge unserer Ermittlungen in dem grotesken Baskerville-Mordfall hatte ich den jungen Journalisten schätzen gelernt. Bei seiner Berufsausübung war er sicherlich rüde und aufdringlich; doch als wir ihn in einer Notsituation dringend brauchten, hatte er sich als zuverlässiger Verbündeter erwiesen, und er war sogar relativ gelassen über Emersons Fußtritt hinweggegangen, der ihn die Haupttreppe des Shepheard’s hinunterbefördert hatte.

»Was hat Mr. O’Connell denn jetzt wieder angestellt?« fragte ich.

Die Zeitung raschelte geräuschvoll. »Er bedient sich wieder seiner alten Tricks, Peabody. Noch mehr von diesen verdammten Mumien, noch mehr verdammte – äh – Flüche.«

»Tatsächlich?« Ich richtete mich auf und bespritzte Bastets Pfoten mit Wasser, woraufhin diese leise fauchte und mich aus ihren bernsteinfarbenen Augen anfunkelte. »Entschuldigung«, murmelte ich.

»Wofür?« brummte Emerson.

»Ich sprach mit der Katze Bastet. Bitte, fahre fort, Emerson. Lies mir vor, was er schreibt.«

»Ich denke nicht daran«, erwiderte Emerson.

»Wie bitte, Emerson?«

»Bitte, Amelia«, entgegnete Emerson mit unterkühlter Nonchalance. »Ich werde dir diesen Artikel nicht vorlesen. Um ehrlich zu sein, werde ich diese Zeitung und alle anderen vernichten, die auch nur den kleinsten Hinweis auf ein Thema liefern, das aus mir unerfindlichen Gründen deinen normalerweise brauchbaren Verstand außer Kraft setzt.«

»Brauchbar, Emerson? Hast du brauchbar gesagt?«

Emerson antwortete nicht, während er Papier zerriß, zerknüllte und zertrampelte. Ich wartete, bis sich der Sturm gelegt hatte, und rief dann: »Also wirklich, Emerson! Du kannst doch nicht sämtliche Zeitungen aus Kairo zerstören! Außerdem führt dies unweigerlich zur Intensivierung meiner Neugier.«

Emerson verfiel in ein leises Selbstgespräch. Das kommt gelegentlich vor. Ich schnappte einige Wortfetzen auf – »vergebliche Hoffnung ... verfluchte Hartnäckigkeit ... hätte es besser wissen sollen ... nach all den Jahren ...« Kommentarlos fuhr ich fort, meine Füße einzuseifen; die Ehe hat mich die nützliche Tatsache gelehrt, daß Schweigen manchmal sinnvoller ist als eine langatmige Diskussion. Schließlich – er hatte die Stichhaltigkeit meines Arguments stillschweigend akzeptiert – las er weiter. Seine Stimme war von einem solchen Sarkasmus geprägt, daß sie sich fast überschlug.

»Letztes Opfer des Fluches. Die königliche Mumie schlägt erneut zu. Wo wird das enden? Am letzten Dienstag um drei Uhr nachmittags zerrte sich eine vornehme weibliche Besucherin ihren Knöchel, nachdem sie auf einem Apfelgehäuse ausgerutscht ...«

Ich lachte laut auf. »Sehr gut, Emerson. Überaus amüsant, wenn du mich fragst. Und jetzt lies mir die Geschichte vor.«

»Ich bin gerade dabei«, erwiderte Emerson. »Amelia, es ist mir nicht möglich, die literarischen Ergüsse deines Freundes O’Connell satirisch zu kommentieren. Das sind seine exakten Worte.«

Seine Stimme klang nicht mehr ganz so schrill, doch aufgrund der Tatsache, daß er mich mit meinem Vornamen angesprochen hatte, war mir klar, daß er immer noch wütend auf mich war. Seit den glückseligen Tagen unserer Flitterwochen in einem verlassenen Grab in Mittelägypten nennt mich Emerson bei meinem Mädchennamen Peabody, um seine Zuneigung auszudrücken. Ich selbst bin nie auf die kindische Idee verfallen, ihn mit seinem Vornamen Radcliffe anzureden, was er verabscheut. Für mich heißt er Emerson, und das wird immer so bleiben – dieser Name ist für mich untrennbar mit zärtlichen, aber auch entsetzlichen Erinnerungen verbunden.

Allerdings ließ er sich schließlich überreden, mir den von ihm überflogenen Artikel darzulegen. Die unselige Mumie befand sich nicht, wie von mir vermutet, in Ägypten, sondern in den verstaubten Räumen jener ehrwürdigen Einrichtung, dem Britischen Museum. Bei dem gezerrten Knöchel handelte es sich um eine geschickte Taktik von Mr. O’Connell, doch der vorausgegangene Vorfall war um einiges gravierender gewesen – mit tödlichem Ausgang, um genau zu sein.

Als einer der Aufseher eines Morgens seine Arbeit in der ägyptischen Abteilung aufnehmen wollte, entdeckte er den Leichnam eines gewissen Albert Gore, eines Nachtwächters, am Boden vor einem der Ausstellungsstücke. Offensichtlich hatte der arme Kerl einen tödlichen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten, und wäre er vor einer unscheinbaren Vase oder einem mittelalterlichen Manuskript zusammengebrochen, hätte sein Ableben sicherlich niemanden – außer vermutlich seine Familie und seine Freunde – interessiert. Allerdings handelte es sich bei dem Exponat um einen Mumienschrein mit Mumie, und das hatte O’Connells journalistischen Spürsinn beflügelt. Vermutlich konnte man ihn sogar als eine gewisse Autorität auf dem Gebiet altägyptischer Flüche bezeichnen.

»Gehirnschlag – aber warum?« lautete die Headline. Emersons Antwort: »Verflucht, der Bursche war 64 Jahre alt!«

»Was war der Auslöser für den Ausdruck eiskalten Entsetzens auf den Gesichtszügen des Toten?« wollte O’Connell wissen. Emerson: »Die Hirngespinste eines gewissen Mr. Kevin O’Connell.«

»Führt Angst zum plötzlichen Tod?« forschte Kevin weiter, und Emerson erwiderte, an mich gewandt: »Papperlapapp.«

Die Mumie war dem Museum im Jahr zuvor von einem anonymen Stifter vermacht worden. Kevin hatte sich der Geschichte mit der von mir erwarteten Hartnäckigkeit gewidmet und den Namen dieses Individuums zu Papier gebracht. Doch diese Enthüllung trug lediglich dazu bei, das Interesse an einer Sache zu schüren, die im Grunde genommen seiner journalistischen Phantasie entsprang. Nichts fasziniert die englische Öffentlichkeit mehr als der Adel, und ein Hinweis auf einen königlichen Skandal ist noch zugkräftiger.

Ich halte es für angebracht, die tatsächlichen Namen und Titel der betreffenden Personen selbst in diesem persönlichen Tagebuch zu verschweigen, denn sollten die darin enthaltenen archäologischen Anmerkungen in Zukunft irgendwann zur Veröffentlichung anstehen (was unweigerlich der Fall sein wird), wäre ich die Letzte, die die Monarchie in Mißkredit bringen wollte, die sich trotz ihrer Fehltritte doch der Loyalität jeder echten Engländerin gewiß sein sollte. Überflüssig zu erwähnen, daß der Stifter – den ich im Folgenden als den Grafen von Liverpool bezeichnen werde – mit jener besagten, vornehmen Dame blutsverwandt war. Wie Emerson es ausdrücken würde, und das tat er zur Genüge: Sie hatte zu viele Nachfahren, direkte und indirekte, die durch die Welt geisterten und in Schwierigkeiten gerieten.

Falls der Graf gehofft hatte, sich dem üblen Einfluß seines ägyptischen Souvenirs zu entziehen, so hatte er zu lange gezögert. Kurz nach seiner Schenkung erlitt er einen tödlichen Jagdunfall.

»Geschah dem Halunken ganz recht!« knurrte Emerson, der meine Abneigung gegen blutrünstige Sportarten teilt. »Vernünftige Mumie; intelligenter Kadaver. Sein Sohn ist ebenfalls nicht ungeschoren davongekommen. Er scheint ein scheußlicher junger Flegel zu sein, der an einer dieser scheußlichen, abartigen Krankheiten leidet. Ein klarer Fall von ausgleichender Gerechtigkeit. Hervorragende Mumie!«

»Um welche Krankheit handelt es sich dabei, Emerson?«

Emerson hatte sich einem weiteren Zeitungsartikel zugewandt. Er ratterte ihn laut herunter. »Eine anständige Frau stellt solche Fragen nicht, Peabody.«

»Oh«, meinte ich. »Diese scheußliche, abartige Krankheit. Die würde sicherlich selbst die Yell nicht öffentlich bekanntgeben.«

»Es gibt unterschwellige Hinweise, Peabody, Euphemismen«, erwiderte Emerson gönnerhaft. »Und jeder, der den jungen Mann und seine Herkunft kennt, kann die richtigen Schlüsse ziehen.«

»Das ist also das Ausmaß des gräßlichen Einflusses der Mumie? Ein Jagdunfall, ein Fall von einer – äh – Krankheit und ein natürlicher Tod aufgrund von Herzversagen?«

»Die übliche Anzahl zartbesaiteter Damen ist dabei in Ohnmacht gefallen«, erwiderte Emerson zynisch. »Und die parapsychologischen Ermittler haben Botschaften aus dem Jenseits empfangen. Hmhm. Vermutlich kann man es der leichtgläubigen Öffentlichkeit kaum zum Vorwurf machen, wenn unser ehrenwerter Verwalter ägyptischer und assyrischer Kunstschätze sie zum Narren hält.«

»Wallis Budge? Ach komm, Emerson, nicht einmal Budge würde –«

»Er würde. Er hat es bereits getan. Dieser Bursche würde vor nichts zurückschrecken, um seinen Namen abgedruckt zu sehen. Wie ein solch hirnrissiger Idiot diese Position bekleiden ... HÖLLE UND VERDAMMNIS!«

Kein Kunstgriff des Buchdruckers, nicht einmal Versalien, können die Inbrunst dieses Wutschreis verdeutlichen. Emerson ist bei seinen ägyptischen Arbeitern unter dem bewundernden Spitznamen Vater der Flüche bekannt. Lautstärke und Wortwahl haben ihm diesen Titel eingebracht; doch dieser Schrei war selbst für Emersons Maßstäbe so außerordentlich, daß die Katze Bastet, die sich leidlich an seine Ausbrüche gewöhnt hatte, vor Schreck hochsprang und in die Wanne plumpste.

Die Einzelheiten der nun folgenden Szene lasse ich besser unerwähnt. Meinen Bemühungen, die sich zur Wehr setzende Katze zu retten, wurde mit hysterischem Widerstand begegnet; Wasser platschte über den Wannenrand auf den Boden; Emerson eilte zur Rettung; wie ein auftauchender Wal sprang Bastet mit einem Riesensatz aus dem Wasser und floh – fauchend, spritzend und klatschnaß. Sie und Emerson trafen im Badezimmereingang aufeinander.

Die sich daran anschließende Stille wurde von der servilen Stimme des Safragi, unseres Zimmerkellners, unterbrochen, der uns vom Hotelflur aus seine Hilfe anbot. Emerson, der in einer Pfütze Seifenwasser am Boden saß, atmete tief ein. Zwei seiner Hemdknöpfe sprangen ab und fielen ins Wasser. Mit überaus beherrschter Stimme beruhigte er den Bediensteten, dann starrte er mich an.

»Ich hoffe doch, daß du nicht verletzt bist, Peabody. Diese Kratzspuren ...«

»Es hat schon aufgehört zu bluten. Bastet trifft keine Schuld.«

»Aber vermutlich mich«, meinte Emerson sanft.

»Also, mein Lieber, das habe ich nicht gesagt. Willst du nicht aufstehen?«

»Nein«, erwiderte Emerson.

Er hielt immer noch die Zeitung in der Hand. Langsam und entschlossen trennte er die durchnäßten Seiten auf der Suche nach dem Artikel, der für seinen Wutanfall verantwortlich zeichnete. Durch die Stille hörte ich Bastet, die sich unter dem Bett verkrochen hatte und leise fluchend fauchte. (Wenn Sie mich fragen, warum ich wußte, daß sie fluchte, haben Sie vermutlich noch nie eine Katze besessen.)

Während ich meinen in einer Pfütze auf dem Badezimmerboden sitzenden Gatten betrachtete, der sorgfältig die triefnassen Seiten einer Zeitung voneinander löste, wurde ich erneut von Bewunderung und Zuneigung übermannt. Wie grausam wurde dieser Mann doch von denjenigen angefeindet, die ihn nicht näher kannten! Seine Wutausbrüche waren kurz und geräuschvoll; anschließend war er sogleich wieder der liebenswürdigste Mensch, und ich glaube, daß in einer solchen Situation nur wenige Männer so gelassen und beherrscht geblieben wären. Bastet hatte ihn mit ihrem Riesensatz voll in den Brustkorb gerammt. Sein nasses Oberhemd betonte seine durchtrainierte Brustmuskulatur; und obgleich das langsam in seine Hose eindringende Badewasser sicherlich unangenehm war, verzog er keine Miene.

Schließlich räusperte er sich. »Hier ist es. Ich bitte dich, Amelia, von irgendwelchen Kommentaren abzusehen, bis ich geendet habe.

Äh-hm. Eilige Pressenachricht. Neue aufsehenerregende Entwicklungen im mysteriösen Fall um das Britische Museum. Ihr Korrespondent hat erfahren, daß ein Team von Fachleuten in wenigen Wochen versuchen wird, das Geheimnis der gräßlichen Mumie zu lösen. Professor Radcliffe Emerson und seine Gattin, Amelia Peabody Emerson, deren gewagte Enthüllungen den Lesern der Daily Yell bestens bekannt sein dürften –«

Es war mir unmöglich, reg- und wortlos zu verharren. Ich sprang auf und kreischte: »Gütiger Himmel!«

Emerson spähte über den Rand der triefenden Zeitungsseite zu mir. Seine Augen funkelten in einem strahlenden Blau – ein Anzeichen für seinen Zorn, das ich nur zu gut kannte. Während ich meinen Badeschwamm zur Bekräftigung meiner Worte schwenkte, fuhr ich fort: »Also wirklich, Emerson, du nimmst doch nicht etwa an, daß ich für diese unsägliche Geschichte verantwortlich bin? Selbst wenn es mich interessierte, diesen Fall aufzudecken – und ich bin mit dir einer Meinung, daß es sich um hirnrissigen Unsinn handelt –, hätte ich gar nicht die Zeit gefunden, mit Mr. O’Connell zu kommunizieren. Diese Zeitung muß mehrere Wochen alt sein –«

»Exakt zwei Wochen«, bemerkte Emerson.

Er warf sie beiseite und erhob sich. Sein Blick war weiterhin auf mich fixiert, und das Funkeln in seinen Augen hatte sich eher noch verstärkt.

»Du glaubst mir nicht, Emerson?«

»Doch, Peabody. Selbstverständlich.« Nachdem er seine nasse Hose aufgeknöpft hatte, streifte er diese ab und kämpfte mit seinen Hemdknöpfen.

»Häng deine Hose bitte über den Stuhl«, entfuhr es mir. »Ich habe fast alle deine Sachen in die Wäscherei gegeben, und ich weiß nicht, wann ... Emerson! Was machst du da?«

Der feuchte Stoff widersetzte sich seinen Bemühungen, die Hemdknöpfe zu öffnen. Emerson spannte seinen Bizeps an, bis die restlichen Knöpfe wie eine Schrotsalve durch den Raum schossen. »Aphrodite«, bemerkte Emerson mit rauher Stimme. »Die Schaumgeborene.«

Ich bemerkte, daß ich immer noch tropfnaß in der Wanne stand, einen riesigen Badeschwamm in der Hand. Ich brach in schallendes Gelächter aus. »Emerson, du verhältst dich einfach absurd. Reich mir doch bitte ein Handtuch –«

Mit einem Satz durchquerte Emerson das Bad und drückte mich an seine Brust.

Ich suchte nach Ausflüchten, wies auf das geöffnete Fenster hin, die Tageszeit, meinen (und auch seinen) durchnäßten Zustand, die Möglichkeit des Gestörtwerdens durch den Safragi, Ramses und/oder die Katze. Emersons einzig stichhaltige Antwort war der Verweis auf einen gewissen Band fernöstlicher Prosa, der eine Reihe von Stellungen empfiehlt, die selbst dem verliebtesten Ehepaar nicht im Traum einfallen würden. Ich erkannte schon bald, daß seine Ratio außer Kraft gesetzt war, und gab jede Diskussion auf; und in der Tat stimmte ich einige Zeit später bereitwillig seiner Argumentation zu, daß besagter Titel eine ganze Reihe interessanter Möglichkeiten eröffnete.

Am Kairoer Bahnhof verabschiedeten wir uns schweren Herzens von unserem treuen Freund Abdullah und dessen ständig wachsender Familie. Abdullah hatte uns nach Port Said begleiten wollen (auf unsere Kosten), aber ich hatte ihn eines Besseren belehrt. Obgleich sein Bart, der bei unserer ersten Begegnung von grauen Fäden durchzogen gewesen war, mittlerweile schlohweiß war, war Abdullah so gut in Form wie ein weitaus jüngerer Mann. In traurigen oder dramatischen Situationen neigte er jedoch dazu, betrübt auf sein zunehmendes Alter und die Möglichkeit hinzuweisen, daß wir uns vielleicht nie wiedersähen. Je länger sich das Abschiednehmen hinzog, um so schmerzvoller wurde es – für mich, nicht für Abdullah, der Dramen über alles liebte.

Schließlich war unser Abschied doch weniger dramatisch als angenommen. Die Männer, einschließlich Emerson und Ramses, hockten auf dem Bahnsteig, lachten und scherzten und plauderten über die Ereignisse der letzten Ausgrabungssaison. Als die Abfahrt des Zuges unweigerlich bevorstand, bahnten sich unsere treuen Burschen einen Weg durch die Menge und trugen uns auf ihren Schultern zu unserer Abteiltür. Der tief empfundene Respekt gegenüber meinem berühmten Gatten war bei allen Ägyptern so stark, daß sich nur wenige beschwerten, die zufällig über den Haufen gerannt wurden; und als der Zug abfuhr, erhoben sich Hunderte von Stimmen zum Abschiedsgruß. »Allah beschütze dich, Vater der Flüche! Der Segen Gottes ruhe auf dir und deiner verehrten Hauptfrau, der Sitt Hakim! Ma’es-salameh – Friede sei mit dir!« Es war ein ergreifender Moment; mit tränenfeuchtem Blick beobachtete ich den jungen Selim, Ramses’ besten Freund, der über den Bahnsteig rannte, um uns so lange wie möglich im Auge zu behalten.

Da es uns nicht gelungen war, einen Aufpasser für Ramses zu finden, hatte ich der Reise mit gemischten Gefühlen entgegengesehen. Der junge Mann, der diese Funktion ausgeübt hatte, hatte diese Stellung ohne eigenes Verschulden aufgeben müssen; in erster Linie, weil er wegen Mordes inhaftiert worden war, doch uns war es glücklicherweise gelungen, ihn dieses Verdachts zu entheben. Er war mit seiner Braut nach England zurückgekehrt – ein weiterer jener romantischen Erfolge, für die ich verständlicherweise berühmt bin. Doch obgleich ich stets erfreut bin, jungen Menschen in Herzensangelegenheiten behilflich zu sein, hatte uns Mr. Frasers Abreise in eine schwierige Lage versetzt, da die Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt hatten, daß Ramses, unbewacht und auf einem Schiff, eine ernsthafte Bedrohung für die Besatzung und die Navigation darstellte, ganz zu schweigen vom Nervenkostüm seiner Eltern. Emerson verbot ihm schlicht, unsere Kabine zu teilen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, er hing sehr an dem Jungen; aber, wie er sich ausdrückte, »nicht zwischen Mitternacht und acht Uhr morgens«.

Zum ersten Mal bereitete uns Ramses keinerlei Schwierigkeiten. Er ging völlig auf in irgendwelchen scheußlichen Experimenten, die mit seinen Studien zur Mumifizierung zu tun hatten, und – so leid es mir tut, das sagen zu müssen – in dem Band fernöstlicher Prosa, den Emerson nach Anwendung einer der geschilderten Praktiken im Zustand der Erschöpfung vergessen hatte, unter der Matratze zu verstecken, wie das normalerweise seine Art war. Leider oder Gott sei Dank, das hängt vom Standpunkt des Betrachters ab, bemerkten wir dieses besagte Interesse erst, als wir London fast erreicht hatten, denn Ramses legte das Buch immer genau dorthin zurück, wo er es zuletzt gefunden hatte.

Sobald wir uns an Bord befanden, eilte ich auf der Suche nach aktuelleren Zeitungen als den vor unserer Abreise in Kairo gelesenen in den Salon. Ich nahm mir die Freiheit, interessante Artikel auszuschneiden – glücklicherweise; denn nachdem Emerson das entdeckte, warf er, sehr zur Verärgerung der anderen Passagiere, sämtliche Zeitungen über Bord. Mit meinen Zeitungsausschnitten bewaffnet, suchte ich mir ein gemütliches Plätzchen an Deck und brachte mich hinsichtlich des mysteriösen Mumienfalls auf den neuesten Stand.

Emersons Bemerkungen im Bad waren sowohl uninformativ als auch irreführend gewesen. Das war nicht ausschließlich sein Fehler; man mußte schon sorgfältig zwischen den Zeilen lesen, um die Fakten zu eruieren, die im Verlauf der Reportage verzerrt, entstellt und falsch zitiert worden waren.

Auch wenn es gemeinhin als Mumienschrein bezeichnet wurde, handelte es sich bei dem Exponat, das für ein solches Aufsehen gesorgt hatte, genaugenommen um einen hölzernen Innensarg. Falls Sie mich fragen, wo da der Unterschied liegt, darf ich den eifrigen Studenten auf Emersons Monumentalwerk hinweisen: Die Entwicklung des ägyptischen Sarkophags vom prädynastischen Zeitalter bis zur 26. Dynastie, unter besonderer Berücksichtigung der Einflüsse hinsichtlich religiöser, gesellschaftlicher und künstlerischer Gegebenheiten, Oxford University Press. Da ich jedoch weiß, daß es sich bei der Mehrheit der Leser nicht um eifrige Studenten handelt, erlaube ich mir, eine kurze Zusammenfassung darzulegen.

Die frühesten Särge waren einfache Holzbehältnisse, eher quadratisch als rechteckig, da die enthaltenen Leichname in eine gekrümmte oder embryonale Stellung gebracht worden waren. Im Laufe der Zeit wurden die Holzoberflächen innen und außen bemalt und/oder magische Zeichen und religiöse Symbole eingeschnitzt. Im Mittleren Reich (etwa 2000-1580 vor Christus) waren die Särge verlängert worden, und es gab normalerweise zwei von ihnen. Der sogenannte anthropoide Sarg, der die Form der darin bestatteten Mumie aufwies, tauchte erst im Neuen Reich (schätzungsweise 1580-1090 vor Christus) auf. Die Wohlhabenden waren in bis zu drei dieser Sarkophage eingebettet, von denen jeder kleiner war als sein Vorgänger und die, wie die russischen Babuschka-Puppen, exakt ineinanderpaßten; und dieses Gebilde war manchmal noch zusätzlich von einem Steinsarkophag umgeben. Das zum Thema Wiedergeburt, mit dem sich diese liebenswerten, aber auch naiven Heiden ausschließlich beschäftigten! (Dessen Sinn sie jedoch darin sahen, würde ein Moralist jetzt behaupten, daß ein in dieser Form konservierter Körper vermutlich länger überdauerte als ein der heißen, trockenen Luft und dem Wüstensand ausgesetzter.)

Aufgrund der Abbildungen in den Zeitungen und der mir von meinem geschätzten Gatten geläufigen Forschungsarbeit war ich in der Lage, besagten Sarkophag der 19. Dynastie zuzuordnen. Der Künstler hatte das Haupt mit einem affektiert lächelnden Ausdruck gestaltet, dennoch waren die Details charakteristisch für jene Ära – der schwere Kopfschmuck, die über der Brust gekreuzten Arme, die üblichen religiösen Symbole und Hieroglypheninschriften. Die Abbildungen gaben diese nicht deutlich genug wieder, doch ein Reporter – ein Berufsrivale von Mr. O’Connell – hatte eine Kopie von ihnen angefertigt. Ich erkannte die Standardfloskel, die sich an den Gott des Totenreiches wandte: »Anrufung Osiris, Herr von Busiris, etcetera, etcetera, durch die Sängerin der Isis, Henutmehit ...«

Also war die Dame (sie war jedenfalls weiblichen Geschlechts) keine Prinzessin oder Priesterin eines dunklen und geheimnisvollen Kultes. Das hatte ich aufgrund der Form des Sarges bereits vermutet; ihre Titel bestätigten das, doch obgleich sie sicherlich eine Anstellung in einem kleinen Tempel innegehabt hatte, unterschied sie sich von anderen Sterblichen nicht mehr als die Gattin oder Schwester eines heutigen Angestellten. Warum sollte ausgerechnet dieser unbedeutende, wenn auch hübsche Sarkophag der Auslöser für Tod und Gefahr darstellen?

Wie von Emerson bereits angedeutet, lag die Antwort in den umtriebigen Gehirnen der Reporter. O’Connell war nicht der Einzige, der sich wie ein Aasgeier auf die Geschichte gestürzt hatte; seine Phantasie und sein schauerlicher Sprachduktus wurden lediglich von einem Konkurrenten erreicht, wenn nicht sogar übertroffen. Es handelte sich um einen gewissen M. M. Minton, der für den Morning Mirror schrieb. Dieser hatte den Erfindungsreichtum besessen, eine junge Person zu interviewen, die (so behauptete sie jedenfalls) für den verblichenen Grafen tätig gewesen war. Auf Befragen von Mr. Minton hatte sie sich daran erinnern können, daß sie »das immer so rasch wie möglich hinter sich brachte«, wenn sie den Raum mit dem Mumienschrein hatte staubwischen müssen. In besagtem Zimmer hatte sie zerbrochene Vasen und sonstigen Nippes vorgefunden; bei Vollmond waren schauerliches Schreien und Stöhnen daraus hervorgedrungen.

Das war natürlich ebensolcher Unfug wie die Geschichten über Unfälle, die den Museumsbesuchern zugestoßen waren. Sehr viel interessanter für einen Beobachter der menschlichen Psyche wie mich war die Wirkung, die die Reportage bei schwachbesaiteten Gemütern hinterließ. Einige hatten Blumen vor das Exponat gestellt oder dem Museum aus selbigem Anlaß Geld gespendet. Andere hatten geschrieben, daß sie ähnlich mysteriöse Erfahrungen gemacht hätten. Ein zwielichtiges Medium hatte behauptet, mit dem Geist der Prinzessin (soso) Henemut (haha) zu kommunizieren, die erklärt habe, die Verantwortlichen und Treuhänder des Museums hätten ihr Schamgefühl verletzt, indem sie sie der Öffentlichkeit zur Schau stellten. (Ein ungerechtfertigter Vorwurf, gelinde gesagt, da sie in ihrem Sarkophag und eingewickelt in Bandagen weitaus züchtiger verhüllt war als manch eine ihrer Besucherinnen.) Sie verlangte, in ihr Grab überführt zu werden. Da dessen Ursprungsort unbekannt war, hätte man ihrer Bitte selbst dann nicht nachkommen können, wenn die Museumsverantwortlichen so verrückt gewesen wären, das in Erwägung zu ziehen.

Der unterhaltsamste unter den Mumienverehrern war ein Irrer (anders konnte man ihn nicht bezeichnen), der sie von Zeit zu Zeit in der Robe eines Seth-Priesters besuchte. Das Außergewöhnliche an diesem Gewand war das Leopardenfell, das der Priester über den Schultern trug. Aufgrund dieses Fells und der Nachahmung eines Priesters, der als Geistlicher auf Begräbnissen sprach, bewies der Irre seine Kenntnis ägyptischer Rituale, doch als man Mr. Budge interviewte, sträubte dieser sich gegen die Vorstellung, daß es sich bei dem Verrückten um einen Wissenschaftler handeln könnte. »Der Bursche trägt eine Perücke. Nach Herodots Überlieferungen rasierten sich die Priester sowohl ihre Köpfe als auch ihre sämtlichen anderen Körperteile.« (Das durch Kursivschrift Hervorgehobene stammt nicht von mir. Ich kann nur hoffen, daß es auch nicht Mr. Budges Worte waren.)

Budge hatte eigentlich nie zu verstehen gegeben, daß er die unseligen Theorien der Reporter unterstützte; genaugenommen hatte er sie sogar widerlegt. Vielleicht war es nicht gänzlich sein Fehler, daß seine Antworten auf einige der ihm gestellten Fragen nicht stichhaltig genug waren, um dem Aberglauben ein Ende zu setzen. »Glaubten denn die alten Ägypter nicht an die Macht der Flüche, Mr. Budge? « – »Nun, ja, gewiß; wir verfügen über eine Reihe diesbezüglicher Beispiele.« – »Und die Priester besaßen magische Kräfte, nicht wahr?« – »Man sollte den Wahrheitsgehalt der schriftlichen Überlieferungen keineswegs abstreiten; der Exodus berichtet uns, wie die Priester den Reis in Schlangen verwandelten ...«

»Idiot«, entfuhr es mir laut. Der ältere Herr im Liegestuhl neben mir warf mir einen betretenen Blick zu.

Aufgrund seines eiligen Durchlesens oder (eher wahrscheinlich) einer absichtlichen Unterlassung hatte mir Emerson einen interessanten Aspekt verschwiegen, der den Tod des Nachtwächters betraf. Wie bei vielen anderen Berufskollegen hatte es sich auch bei Albert Gore um einen älteren, ungebildeten Mann gehandelt, der dem übermäßigen Genuß von Alkohol zusprach. Keine dieser Eigenschaften hinderte ihn an der Ausübung seiner Pflichten, so nahm man jedenfalls an; er mußte lediglich mehrmals im Laufe der Nacht seinen Rundgang durch die verschiedenen Museumsabteilungen vornehmen und döste die restliche Zeit in einem dafür vorgesehenen Kämmerchen. Es war so gut wie unwahrscheinlich, daß ein Dieb die Dreistigkeit besaß, in das Museum einzudringen; abgesehen von anderen Schwierigkeiten, wie der Aussichtslosigkeit eines Verkaufs der einzigartigen Kunstschätze auf dem freien Markt, war das Gebäude stets sicher verschlossen, und auf den umliegenden Straßen patrouillierten ständig Polizisten.

Es schien also einleuchtend, daß der bedauernswerte Albert Gore auf seinem Rundgang durch die ägyptische Abteilung einem Gehirnschlag erlegen war, da übermäßiges Essen und Trinken gelegentlich solche Auswirkungen zeitigen. Kevins Anmerkung hinsichtlich »des Ausdrucks eiskalten Entsetzens auf den Gesichtszügen des Toten« wertete ich als typisch journalistische Sensationsmache.

Dennoch war eine Sache merkwürdig. Unter seinem Körper und ringsherum im Raum verstreut hatte man eine Reihe ungewöhnlicher Dinge gefunden – zerbrochenes Glas, Papier- und Stoffstreifen, angetrocknete Spritzer einer dunklen Flüssigkeit sowie vertrocknete Blütenblätter.

Nachdem ich meine Lektüre beendet hatte, folgte ich Emersons Beispiel und warf die Zeitungsausschnitte über Bord. Er hatte recht; die ganze Angelegenheit war Humbug und der Aufmerksamkeit eines vernunftgeprägten Menschen nicht würdig. Allerdings war die Sache damit noch nicht zu Ende. Man hatte unsere Namen erwähnt, an unsere Sachkenntnis appelliert; wir waren es uns und unserer Reputation als Wissenschaftler schuldig, die Behauptungen so vehement wie möglich zu entkräften.

Zweifellos handelte es sich um Humbug. Und doch waren da diese vertrockneten Blumen gewesen ...

Kapitel 2

Schneller als in Spensers Epik floß die »süße Themse« wieder »sanft« entlang grüner Ufer, wo »die blauen Veilchen blühn; die kleinen Butterblümchen schlummern, die jungfräuliche Lilie und die ersten Rosen stehn«. Ich habe mit Londonern gesprochen, die ihre sommerlichen Ausflüge zu der friedvollen Schönheit Greenwichs als Lichtblicke ihrer Kindheit bezeichnen. Doch schon lange vor meinen Aufzeichnungen waren die Bäume auf der Isle of Dogs häßlichen Fabrikschloten gewichen, die schmutziggrauen Rauch in die diesige, sich wie ein Leichentuch über London breitende Wolkendecke pusteten. Der Fluß, der von schäbigen Häusern, Kohledocks und Lagergebäuden gesäumt wurde, nahm träge seinen Lauf und stank unsäglich nach Unrat. An Deck unseres Dampfers, der gerade Kurs auf das Royal Albert Dock nahm, stellte ich fest, daß es regnete. Am Tag unserer Rückkehr nach England schien es immer zu regnen.

Doch obwohl ich verträumt an den strahlendblauen Himmel über Ägypten dachte, konnte ich mich der pulsierenden Nähe der berühmtesten aller Hauptstädte nicht entziehen – dem Zentrum des Empires, der Heimat geistiger und kultureller Größe, dem Land der Freien und der Heimat des wahren britischen Forschergeistes.

Meine Überlegungen vertraute ich Emerson an. »Mein geliebter Emerson, da ist irgendetwas Atmosphärisches an der Heimkehr ins Zentrum des Empires, in die Heimat der Dichter und Künstler –«

»Hör auf mit diesem verflu... – äh – verrückten Unsinn, Amelia«, brummte Emerson, während er mir mit seinem Taschentuch Schmutz von der Wange wischte. »Die Luft ist rabenschwarz.«

Ramses, der zwischen uns stand – ich hielt ihn an einem Arm, Emerson an seinem anderen fest –, mußte natürlich seine Meinung beisteuern. »Anatomische Studien an Londoner Leichnamen belegen, daß das ständige Einatmen dieser Luft dunkle Schatten auf den Lungenflügeln verursacht. Allerdings glaube ich, daß Mama nicht die Atmosphäre meinte, sondern die intellektuelle –«

»Sei still, Ramses«, sagte ich automatisch.

»Ich bin mir dessen bewußt, was deine Mama gemeint hat«, erwiderte Emerson stirnrunzelnd. »Was hast du vor, Amelia? Vermutlich werde ich dazu gezwungen sein, länger als mir lieb ist, in dieser dreckigen Stadt zu verweilen, wenn ich mein Buch fertigstellen –«

»Du wirst zweifellos einen Großteil deiner Zeit in London verbringen müssen, wenn du es noch vor unserer Rückkehr nach Ägypten im kommenden Herbst fertigstellen willst. Vergiß nicht, daß die Oxford University Press bereits vor einem Jahr sein unmittelbares Erscheinen ankündigte.«

»Hör auf zu nörgeln, Amelia! «

Ich warf Emerson einen vorwurfsvollen und unserem Sohn einen vielsagenden Blick zu. Ramses lauschte uns interessiert mit zusammengekniffenen Augen. Emersons Lippen verzogen sich zu einem zuckersüßen Lächeln. »Haha. Deine Mama und ich scherzen nur, Ramses. Sie nörgelt nie; und selbst wenn sie es täte, wäre ich keinesfalls so unhöflich, es zu erwähnen.«

»Haha«, entfuhr es Ramses.

»Wie ich bereits andeutete«, erwiderte Emerson und wandte den Kopf, so daß Ramses seine Verärgerung nicht bemerkte, »ich kann mich nur wundern, Amelia, solltest du diesen gräßlichen Ameisenhaufen menschlichen Ungemachs plötzlich schätzen, nur weil du –«

»Wo denkst du hin«, fuhr ich ihm ins Wort. »Wir sind alle etwas angeschmuddelt. Ramses, deine Nase ... So ist es besser. Wo ist die Katze Bastet?«

»In der Kabine natürlich«, sagte Emerson. »Sie verfügt über mehr Verstand, als sich in dieser verpesteten Luft an Deck zu wagen.«

»Dann sollten wir uns zurückziehen und die letzten Vorbereitungen für die Ausschiffung treffen«, schlug ich vor. »Ramses, hast du Bastets Halsband? Vergiß nicht, die Leine an deinem Handgelenk zu befestigen, und erlaube ihr nur ja nicht ...« Doch mit der Gewandtheit eines Aals hatte Ramses sich bereits aus meinem Griff befreit und war verschwunden.

Die tiefhängende Wolkendecke war immer noch genauso schwarz, als wir erneut an Deck standen, doch für mich hellte sie sich beim Anblick der uns auf dem Dock Erwartenden auf: Emersons geliebter Bruder Walter, seine Gattin Evelyn, meine liebste Seelenverwandte und Schwägerin; unsere treue Hausangestellte Rose und unser ergebener Diener John. Sobald sie uns sahen, winkten sie lachend und begrüßten uns unter lautem Zurufen. Es berührte mich ganz besonders, daß Evelyn trotz des gräßlichen Wetters gekommen war. Sie verabscheute London, und auf dem schmutzigen Dock wirkte ihre zierliche blonde Schönheit ziemlich fehl am Platz.

Wie so oft hatte mein geliebter Emerson den gleichen Gedanken wie ich, auch wenn er ihn beileibe nicht so geschickt in Worte zu kleiden wußte. Intensiv seine Schwägerin musternd, wollte er wissen: »Sie ist doch nicht schon wieder schwanger, oder? Das ist unnatürlich, Peabody. Ich kann nicht begreifen, warum eine Frau –«

»Pst, Emerson«, erwiderte ich und stieß ihn sanft mit meinem Schirm an.

Skeptisch blickte Emerson zu Ramses. Er hatte sich nie völlig von einem Gespräch im vergangenen Winter erholt, in dessen Verlauf er von Ramses genötigt worden war, diesem gewisse Dinge zu erklären, die einen englischen Gentleman normalerweise erst dann zu interessieren haben, wenn er das 25. oder 30. Lebensjahr erreicht hat.

Ramses krümmte sich unter dem Gewicht der Katze, die auf seinen schmalen Schultern ruhte; dennoch war unser Sohn, selbst unter extremsten Bedingungen, bekannt für seine – langatmige – Gesprächsführung. »Ich muß Tante Evelyn unbedingt danach fragen«, bemerkte er. »Die von dir erhaltene Information, Papa, war unzureichend für die Erklärung, warum vernünftige Menschen – männlichen und weiblichen Geschlechts – Stellungen einnehmen, die bestenfalls unnatürlich und schlimmstenfalls –«

»Sei still, Ramses!« brüllte Emerson und lief dunkelrot an. »Ich habe dir doch gesagt, daß du nie darüber –«

»Etwas Derartiges darfst du Tante Evelyn nicht fragen«, entfuhr es mir.

Ramses erwiderte nichts. Sein Schweigen deutete daraufhin, daß er auf eine Möglichkeit sann, mein Verbot zu umgehen. Ich zweifelte keineswegs daran, daß ihm das gelingen würde.

Dank Emersons beeindruckender Statur und seiner lauten Stimme gehörten wir zu den ersten, die von Bord gingen, und ich rannte mit ausgestreckten Armen auf Evelyn zu. Man stelle sich jedoch mein Erstaunen vor, als ich Sekundenbruchteile vor unserer ersehnten Umarmung von einem großen, stattlichen Individuum in schwarzem Schwalbenschwanz und Zylinder gepackt, an dessen riesigen Bauch gedrückt und mit einem schnauzbärtigen Kuß auf meine Stirn beglückt wurde. Ich entwand mich sogleich aus der Umklammerung und wollte ihm gerade einen gehörigen Schlag mit meinem gezückten Schirm verpassen, als der Mann rief: »Meine geliebte Schwester!«

Ich war seine Schwester. Dann war er also mein Bruder – mein Bruder James, den ich seit mehreren Jahren nicht gesehen hatte (weil ich erhebliche Anstrengungen unternommen hatte, ihm aus dem Weg zu gehen).

Es war kein Wunder, daß ich ihn nicht sogleich erkannt hatte. Früher war er kräftig gewesen. Heute konnten seine Statur lediglich Attribute wie »korpulent«, »fettleibig« oder »schwerfällig« umschreiben. Ein dünner Backenbart umrahmte ein Gesicht, so rund und rot wie ein aufgehender Mond. Statt sich zu einem normalen Hals zu verjüngen, setzte sich sein Kinn fort; unzählige Speckrollen gingen in einen aufgeblähten Leib über, der keinerlei Hinweis auf eine Taille bot. Wenn er so grinste wie jetzt, plusterten sich seine Wangen auf, und seine Augen waren nur noch schmale Schlitze.

»Was zum Teufel machst du denn hier, James?« wollte ich wissen.

Meine geliebte Evelyn, die in seiner unmittelbaren Nähe stand, hüstelte leise. Ich nickte ihr entschuldigend zu, fühlte mich jedoch in keinster Weise verpflichtet, mich gegenüber James für meine offene, unmißverständliche Äußerung zu exkulpieren.

»Nun, ich bin natürlich gekommen, um dich willkommen zu heißen«, lautete James’ diplomatische Antwort. »Es hat wirklich lange genug gedauert, geliebte Schwester; es wird Zeit, daß unsere geschwisterliche Zuneigung die Mißverständnisse der Vergangenheit ausräumt.«

Emerson hatte keine Zeit darauf verschwendet, die Hand seines Bruders Walter mit der Engländern in der Öffentlichkeit eigenen Herzlichkeit zu schütteln. Stattdessen legte er freundschaftlich seinen Arm um Evelyns schmale Schultern und bemerkte: »Ist das James? Gütiger Himmel, Peabody, wie fett er geworden ist. Soviel zum guten alten englischen Roastbeef, was? Und zum Portwein und zum Madeira und zum Rotwein! Warum verschwindet er nicht endlich?«

»Er sagt, daß er zu unserer Begrüßung gekommen ist«, erklärte ich.

»Unsinn, Peabody. Er will irgendetwas von dir; er läßt sich immer nur dann blicken, wenn er irgendetwas will. Finde heraus, was es ist, sage >nein<, und dann gehen wir.«

James’ aufgesetztes Lächeln zitterte, doch es gelang ihm, weiterhin gute Miene zu machen. »Haha! Mein lieber Radcliffe, dein Sinn für Humor ... Bei meinem Wort, er ist der Beste ...« Er reichte ihm die Hand.

Mit geschürzten Lippen betrachtete Emerson diese für Sekundenbruchteile, dann drückte er so kräftig zu, daß mein Bruder vor Schmerz aufschrie. »Weich wie eine Babyhand«, meinte Emerson und schob mein Familienmitglied beiseite. »Komm weiter, Peabody.«

So leicht wurden wir James allerdings nicht los. Feixend und nickend verharrte er wie ein Fels in der Brandung, während wir anderen in zwangloser Unterhaltung den neuesten Familienklatsch austauschten.

Rose hielt Ramses (und die Katze) fest umschlungen. Sie empfand eine ziemlich unverständliche Zuneigung für den Jungen und gehörte zu den wenigen, die ihn immer in Schutz nahmen. Solche Fälle sind allerdings nichts Ungewöhnliches, glaube ich; Rose hatte keine eigenen Kinder. Obwohl sie offiziell als Zimmermädchen angestellt war, war sie doch die Stütze unseres Haushalts und erfüllte mit Freuden jede ihr auferlegte Pflicht. Nach London war sie ausschließlich zu dem Zweck gekommen, Ramses während der wenigen Tage unseres dortigen Aufenthalts zu beaufsichtigen. Nicht, daß sie tatsächlich in der Lage gewesen wäre, auf ihn aufzupassen; aber – wie Emerson sich auszudrücken pflegte – wer war das schon.

John, der Ramses ebenfalls nicht in Schach halten konnte, hatte irgendwann einmal eine Ausgrabungssaison mit uns in Ägypten verbracht und verging fast vor Neugier hinsichtlich seiner Freunde Abdullah und Selim und all der anderen. Der erstaunte und auch verächtliche Ausdruck auf James’ Gesicht, der uns so aufgeschlossen im Gespräch mit einem einfachen Diener bemerkte, war überaus erheiternd; schließlich jedoch erinnerte mich Evelyns leises Hüsteln an das feuchte Wetter, und wir verabschiedeten uns liebenswürdig von John, der sogleich mit unserem Gepäck nach Kent aufbrach.

Da die Kutsche nicht genügend Platz für uns alle bot, schlug Walter vor, daß die Damen sie benutzen sollten, während er und sein Bruder in einer Mietdroschke folgen würden. Meinen Bruder erwähnte er mit keinem Wort; was James allerdings nicht davon abhielt, sich ihnen anzuschließen. Emerson befand sich bereits in der Droschke, so daß mir seine Reaktion erspart blieb.

Ramses und Rose fuhren gemeinsam mit uns in der Kutsche. Er verfiel sogleich in einen seiner unsäglichen Monologe und beschrieb seine Aktivitäten des vergangenen Winters, denen Rose mit einem entseelten Lächeln lauschte. Ich wandte mich Evelyn zu, die neben mir saß.

»Wie lange wollt ihr denn in London bleiben, meine Liebe?«

»Nur so lange, um euch willkommen zu heißen, liebste Amelia, und euch davon zu überzeugen, den Sommer mit mir in Yorkshire auf Chalfont Castle zu verbringen. Ich habe dich und den lieben kleinen Ramses so sehr vermißt; seine Cousins und Cousinen fragen ständig nach ihm –«

»Ha«, entfuhr es mir skeptisch.

Ramses unterbrach seinen Monolog und warf mir einen langen, durchdringenden Blick zu; bevor er jedoch etwas äußern konnte, fuhr ich fort: »Ich bin mir nicht im Klaren über Emersons Pläne, Evelyn, aber ich vermute, daß er einen Großteil der Zeit in London verbringen muß. Ich versuche, ihn bei der Fertigstellung des ersten Bandes seiner Geschichte des alten Ägypten zu unterstützen; die Oxford University Press ist mittlerweile sehr ungehalten, weil er ihnen das Manuskript bereits vor einem Jahr versprach. Dann müssen wir auch noch unseren Ausgrabungsbericht für den Drucker vorbereiten –«

»Das hat Walter schon angedeutet«, bemerkte Evelyn. »Deshalb habe ich mir einen Plan überlegt, der euch hoffentlich zusagt. Wir beabsichtigen, euch das Stadthaus zur Verfügung zu stellen, so daß Radcliffe nicht im Hotel logieren muß. Trotzdem hatte ich gedacht, daß du –«

»Oh, ohne meine Unterstützung kommt Emerson nicht weiter«, erklärte ich. »Sosehr ich die Ruhe des Landlebens auch schätzen würde und natürlich auch deine Gesellschaft, meine Liebe, kann ich – und will ich – meinen geliebten Emerson in einer solchen Situation nicht im Stich lassen. Ohne meine Hilfe und meine sanfte Ermahnung wird er diese Publikation nie fertigstellen.«

»Selbstverständlich.« Evelyns wohlgeformte Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Das verstehe ich.«

»Tante Evelyn.« Ramses beugte sich vor. »Tante Evelyn, ich brauche eine bestimmte Information, deshalb bitte ich dich zu entschuldigen, wenn ich dich und Mama unterbreche –«

»Ramses, ich hatte dir verboten, dieses Thema anzusprechen«, sagte ich entschieden.

»Aber Mama –«

»Du hast mich verstanden, Ramses.«

»Ja, Mama. Aber –«

»Unter gar keinen Umständen, Ramses.«

»Aber Amelia, laß doch den lieben Kleinen erzählen«, meinte Evelyn lächelnd. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß er irgendetwas sagen würde, was mich verärgerte.«

Bevor ich diese absolut naive Bemerkung kommentieren konnte, nutzte Ramses seine Chance. Hastig schrie er: »Onkel James hat sich im Chalfont House einquartiert!«

»Ramses, ich habe es dir nicht einmal, nein, schon Hunderte Male – was sagtest du gerade?«

»Rose erzählte mir, daß er mit seinem Diener und seinem Gepäck angereist kam und bleiben will. Ich dachte, das interessierte dich, Mama, nachdem ich das offensichtliche Fehlen jeglicher Herzlichkeit bemerken mußte, mit der du und Papa ihn begrüßt –«

»Ah. Ich gestehe, daß ich dankbar für den Hinweis und die Gelegenheit bin, die Konsequenzen in Abwesenheit deines Vaters besprechen zu können. Ich befürchte nämlich, daß er nicht allzu erfreut sein wird.«

»Bitte, mach mir das nicht zum Vorwurf, Amelia«, setzte Evelyn an und rang ihre Hände in ihrem Schoß.

»Mein liebes Mädchen! Wie könnte ich dir deine Gutherzigkeit vorwerfen! Wie ich James kenne, ist er sicherlich einfach mit seinem Gepäck eingezogen und hat sich auf eine verwandtschaftliche Beziehung berufen, die so unerheblich ist wie seine mir gegenüber vermeintlich gehegten Gefühle.« Mir gegenüber nickte eine errötete Rose wie eine Marionette. Ich bedachte sie mit einem freundlichen Lächeln. »Die Frage ist nur, was hat James vor? Denn, wie es Emerson schon so weise bemerkt hat, er muß irgendetwas im Schilde führen.«

»Du bist überaus zynisch, Amelia«, erwiderte Evelyn zerknirscht. »Mr. Peabody war ganz offen zu mir; er bedauert die unliebsamen Zwistigkeiten zwischen seiner und deiner Familie und wünscht sich die Wiederaufnahme freundschaftlicher Beziehungen –«

»Eine Wiederaufnahme, pah«, entgegnete ich. »Zwischen mir und James hat es nie eine freundschaftliche Beziehung gegeben, geschweige denn zwischen James und Emerson. Allerdings bist du viel zu weltfremd, um einen Heuchler zu entlarven, und viel zu wohlerzogen, um ihm das entsprechend zu erkennen zu geben. Nichts für ungut, ich werde ihn schon loswerden, falls Emerson das nicht bereits gelungen ist.«