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"Wenn du die Hölle verdienen willst, brauchst du nur im Bett zu bleiben. Die Welt ist Ungerechtigkeit; wenn du sie hinnimmst, bist du ein Mitschuldiger, wenn du sie veränderst, bist du ein Henker." (Heinrich in "Der Teufel und der liebe Gott")
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Seitenzahl: 249
Jean-Paul Sartre
Drei Akte und elf Bilder
«Wenn du die Hölle verdienen willst, brauchst du nur im Bett zu bleiben. Die Welt ist Ungerechtigkeit; wenn du sie hinnimmst, bist du ein Mitschuldiger, wenn du sie veränderst, bist du ein Henker.» (Heinrich in «Der Teufel und der liebe Gott»)
Geboren am 21.6.1905, wuchs er nach dem frühen Tod seines Vaters im Jahre 1906 bis zur Wiederheirat seiner Mutter im Jahre 1917 bei seinen Großeltern Schweitzer in Paris auf. 1929, vor seiner Agrégation in Philosophie, lernte er seine Lebensgefährtin Simone de Beauvoir kennen, mit der er eine unkonventionelle Bindung einging, die für viele zu einem emanzipatorischen Vorbild wurde. 1931–1937 war er Gymnasiallehrer in Philosophie in Le Havre und Laon und 1937–1944 in Paris. 1933 Stipendiat des Institut Français in Berlin, wo er sich mit der Philosophie Husserls auseinandersetzte.
Am 2.9.1939 wurde er eingezogen und geriet 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft, aus der er 1941 mit gefälschten Entlassungspapieren entkam. Noch 1943 wurde unter deutscher Besatzung sein erstes Theaterstück «Die Fliegen» aufgeführt; im selben Jahr erschien sein philosophisches Hauptwerk «Das Sein und das Nichts». Unmittelbar nach dem Krieg wurde Sartres Philosophie unter dem journalistischen Schlagwort «Existenzialismus»zu einem modischen Bezugspunkt der Revolte gegen bürgerliche Lebensformen. 1964 lehnte er die Annahme des Nobelpreises ab. Zahlreiche Reisen führten ihn in die USA, die UdSSR, nach China, Haiti, Kuba, Brasilien, Nordafrika, Schwarzafrika, Israel, Japan und in fast alle Länder Europas. Er traf sich mit Roosevelt, Chruschtschow, Mao Tse-tung, Castro, Che Guevara, Tito, Kubitschek, Nasser, Eschkol. Sartre starb am 15.4.1980 in Paris.
Auszeichnungen: Prix du Roman populiste für «Le mur» (1940); Nobelpreis für Literatur (1964, abgelehnt); Ehrendoktor der Universität Jerusalem (1976).
Die Neuübersetzung folgt der 1951 bei Librairie Gallimard, Paris, unter dem Titel «Le diable et le bon Dieu» erschienenen Originalausgabe
Die deutsche Originalausgabe erschien 1951 im Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
Quellennachweis Seite 177 am Ende des Buches
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Januar 2024
Copyright © der Neuübersetzung 1991 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
«Le diable et le bon Dieu» Copyright © 1951 by Librairie Gallimard, Paris
«Jean-Paul Sartre über Der Teufel und der liebe Gott» aus: «Un théâtre de situations» Copyright © 1973 by Jean-Paul Sartre et Éditions Gallimard, Paris
Die Rechte der Bühnenaufführung, der Verfilmung und der Sendung in Rundfunk und Fernsehen liegen beim Rowohlt Theater Verlag, Hamburg
Covergestaltung any.way, Barbara Hanke
Coverabbildung Fred Dott
ISBN 978-3-644-01896-9
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Götz
Nasty
Heinrich
Der Erzbischof
Der Bischof
Karl
Franz
Katharina
Hilda
Heinz
Schmidt
Gerlach
Hermann
Schulheim
Nossak
Rietschel
Die Frau
Der Prophet
Der Pfarrer
Tetzel
Der Aussätzige
Der Oberst
Der Bankier
Der Hauptmann
Die Hexe
Ritter, Offiziere, Soldaten, Bauernführer, Bürger, Bauern und Bäuerinnen, zwei Mönchlein, Volk
Links, zwischen Himmel und Erde, ein Saal im Palast des Erzbischofs. Rechts das Haus des Bischofs und die Stadtmauer. Vorläufig ist nur der Saal im Palast beleuchtet. Der Rest der Bühne liegt im Dunkeln.
DER ERZBISCHOFam Fenster: Wird er kommen? Herr, der Daumen meiner Untertanen hat mein Bildnis auf meinen Goldstücken abgenutzt: Ich bin nur noch der Schatten eines Erzbischofs. Sollte das Ende dieses Tages mir die Nachricht von meiner Niederlage bringen, dann werde ich so abgenutzt sein, daß man durch mich hindurchsehen kann: Und was, Herr, kannst Du mit einem durchsichtigen Hirten anfangen? Der Diener kommt herein. Oberst Linehart?
DER DIENER: Nein, der Bankier Fugger. Er fragt …
DER ERZBISCHOF: Später. Pause. Was macht Linehart? Er müßte mit den neuesten Nachrichten hier sein. Pause. Spricht man in der Küche von der Schlacht?
DER DIENER: Man spricht von nichts anderem, Hochwürden.
DER ERZBISCHOF: Was sagt man?
DER DIENER: Daß das Gefecht vortrefflich eröffnet wurde, daß Conrad zwischen Fluß und Gebirge in die Enge getrieben ist, daß …
DER ERZBISCHOF: Ich weiß, ich weiß. Aber wenn man kämpft, kann man besiegt werden.
DER DIENER: Hochwürden …
DER ERZBISCHOF: Geh. Der Diener geht. Mein Gott, warum hast Du das zugelassen? Der Feind ist in meine Lande eingefallen und meine liebe Stadt Worms hat sich gegen mich erhoben. Während ich gegen Conrad kämpfte, hat sie mir einen Dolchstoß in den Rücken versetzt. Ich wußte nicht, Herr, daß Du so Großes mit mir vorhast: Werde ich, von einem Kind geführt, blind von Tür zu Tür betteln gehen müssen? Natürlich stehe ich ganz zu Deiner Verfügung, wenn Dir wirklich daran liegt, daß Dein Wille geschehe. Doch berücksichtige bitte, daß ich keine zwanzig mehr bin und nie eine Berufung zum Märtyrertum hatte.
In der Ferne hört man Rufe: «Sieg! Sieg!» Die Rufe kommen näher. Der Erzbischof lauscht und legt die Hand aufs Herz.
DER DIENERkommt herein: Sieg! Sieg! Hochwürden, wir haben gesiegt. Hier kommt Oberst Linehart.
DER OBERSTkommt herein: Sieg, Hochwürden. Vollständiger, regelrechter Sieg. Eine Schlacht, wie sie im Buche steht. Ein historischer Tag: Beim Feind sechstausend niedergemachte oder ertrunkene Männer, der Rest ist in die Flucht geschlagen.
DER ERZBISCHOF: Danke. Mein Gott. Und Conrad?
DER OBERST: Er ist unter den Toten.
DER ERZBISCHOF: Danke, mein Gott. Pause. Da er tot ist, verzeihe ich ihm. Zu Linehart: Dich segne ich. Geh und verbreite die Nachricht.
DER OBERSTnimmt Haltung an: Kurz nach Sonnenaufgang erblickten wir eine Staubwolke …
DER ERZBISCHOFunterbricht ihn: Nein, nein! Keine Einzelheiten! Ja keine Einzelheiten. Bei einem Sieg, der in Einzelheiten dargestellt wird, weiß man nicht mehr, was ihn von einer Niederlage unterscheidet. Es ist doch ein Sieg?
DER OBERST: Ein großartiger Sieg: Elegant.
DER ERZBISCHOF: Geh. Ich will beten. Der Oberst geht. Der Erzbischof fängt an zu tanzen. Ich habe gewonnen! Ich habe gewonnen! Legt die Hand aufs Herz. Au! Er kniet auf seinem Betstuhl nieder. Beten wir.
Rechts wird ein Teil der Bühne hell: die Stadtmauer, ein Wehrgang. Heinz und Schmidt beugen sich über die Zinnen.
HEINZ: Das ist nicht möglich … das ist nicht möglich; Gott hat es nicht zugelassen.
SCHMIDT: Warte, sie fangen gleich wieder an. Sieh! eins – zwei – drei … Drei … und eins – zwei – drei – vier – fünf …
NASTYerscheint auf dem Wehrgang: Nun! Was habt ihr?
SCHMIDT: Nasty! Sehr schlechte Nachrichten.
NASTY: Für den Erwählten Gottes gibt es keine schlechten Nachrichten.
HEINZ: Seit mehr als einer Stunde beobachten wir die Feuersignale. Jede Minute melden sie dasselbe. Da! Eins – zwei – drei und fünf! Er zeigt auf das Gebirge. Der Erzbischof hat die Schlacht gewonnen.
NASTY: Ich weiß.
SCHMIDT: Die Situation ist hoffnungslos: Wir sind ohne Verbündete und ohne Lebensmittel in Worms eingeschlossen. Du hast uns gesagt, Götz würde es satt haben und die Belagerung aufheben. Conrad würde den Erzbischof vernichtend schlagen. Und nun, siehst du, ist Conrad tot, und das Heer des Erzbischofs wird vor unseren Mauern zu Götzens Heer stoßen, und uns bleibt nur, zu sterben.
GERLACHkommt angelaufen: Conrad ist geschlagen. Der Bürgermeister und die Ratsherrn haben sich im Rathaus versammelt und beraten.
SCHMIDT: Da haben wir es! Sie suchen einen Weg, sich zu unterwerfen.
NASTY: Seid ihr stark im Glauben, meine Brüder?
ALLE: Ja, Nasty, ja!
NASTY: Dann fürchtet nichts. Conrads Niederlage ist ein Zeichen.
SCHMIDT: Ein Zeichen?
NASTY: Ein Zeichen, das Gott mir gibt. Geh, Gerlach, lauf zum Rathaus und versuch zu erfahren, was der Rat beschlossen hat.
Die Stadtmauer verschwindet im Dunkeln.
DER ERZBISCHOFerhebt sich wieder: Heda! Der Diener kommt herein. Führ den Bankier herein. Der Bankier kommt herein. Setz dich, Bankier. Du bist ganz verdreckt. Woher kommst du?
DER BANKIER: Ich war sechsunddreißig Stunden unterwegs, um Euch von einer Dummheit abzuhalten.
DER ERZBISCHOF: Einer Dummheit?
DER BANKIER: Ihr wollt einem Huhn den Hals umdrehen, das Euch alljährlich ein goldenes Ei legt.
DER ERZBISCHOF: Wovon sprichst du?
DER BANKIER: Von Eurer Stadt Worms: Ich habe erfahren, daß Ihr sie belagert. Wenn Eure Truppen sie verwüsten, ruiniert Ihr Euch und mich mit. Muß man in Eurem Alter Soldat spielen?
DER ERZBISCHOF: Nicht ich habe Conrad provoziert.
DER BANKIER: Vielleicht nicht provoziert. Aber wer sagt mir, daß Ihr ihn nicht provoziert habt, Euch zu provozieren?
DER ERZBISCHOF: Er war mein Vasall und schuldete mir Gehorsam. Aber der Teufel hat ihm eingeflüstert, die Ritter aufzuwiegeln und sich an ihre Spitze zu stellen.
DER BANKIER: Warum habt Ihr ihm nicht gegeben, was er wollte, ehe er wütend wurde?
DER ERZBISCHOF: Er wollte alles.
DER BANKIER: Nun gut, lassen wir Conrad. Er ist mit Sicherheit der Angreifer, weil er geschlagen wurde. Aber Eure Stadt Worms …
DER ERZBISCHOF: Worms, mein Juwel, mein geliebtes Worms, das undankbare Worms hat sich am selben Tag gegen mich erhoben, an dem Conrad die Grenze überschritt.
DER BANKIER: Das ist ein großes Unrecht. Aber drei Viertel Eurer Einkünfte kommen daher. Wer wird Eure Steuern bezahlen, wer wird mir meine Vorschüsse zurückgeben, wenn Ihr Eure Bürger ermordet wie ein alter Tiberius?
DER ERZBISCHOF: Sie haben die Priester belästigt und sie gezwungen, sich in den Klöstern einzusperren, sie haben meinen Bischof beleidigt und ihm verboten, den bischöflichen Palast zu verlassen.
DER BANKIER: Kindereien! Sie hätten niemals gekämpft, wenn Ihr sie nicht dazu gezwungen hättet. Gewalt ist gut für den, der nichts zu verlieren hat.
DER ERZBISCHOF: Was willst du?
DER BANKIER: Ihre Begnadigung. Sie sollen ein ordentliches Bußgeld bezahlen und damit basta.
DER ERZBISCHOF: Ach!
DER BANKIER: Was, ach …?
DER ERZBISCHOF: Bankier, ich liebe Worms; sogar ohne Bußgeld würde ich ihm von ganzem Herzen verzeihen.
DER BANKIER: Ja und?
DER ERZBISCHOF: Nicht ich belagere es.
DER BANKIER: Wer denn?
DER ERZBISCHOF: Götz.
DER BANKIER: Wer ist dieser Götz? Conrads Bruder?
DER ERZBISCHOF: Ja. Der beste Feldherr ganz Deutschlands.
DER BANKIER: Was tut er vor den Mauern Eurer Stadt? Ist er nicht Euer Feind?
DER ERZBISCHOF: Ehrlich gesagt weiß ich nicht so recht, was er ist. Zuerst Conrads Verbündeter und mein Feind, dann mein Verbündeter und Conrads Feind; und jetzt … Er ist launisch, gelinde gesagt.
DER BANKIER: Warum nehmt Ihr Euch auch so zweifelhafte Verbündete?
DER ERZBISCHOF: Hatte ich denn die Wahl? Conrad und er sind gemeinsam in meine Lande eingefallen. Zum Glück habe ich erfahren, daß Zwietracht zwischen ihnen aufgekommen sei, und habe Götz heimlich die Lande seines Bruders versprochen, wenn er sich uns anschlösse. Hätte ich ihn nicht mit Conrad entzweit, wäre der Krieg längst für mich verloren.
DER BANKIER: Er ist also mit seinen Truppen zu Euch übergelaufen. Und dann?
DER ERZBISCHOF: Ich habe ihm die Bewachung des Hinterlands anvertraut. Er hat sich wohl gelangweilt: Vermutlich mag er das Leben in der Etappe nicht. Eines schönen Tages hat er sein Heer vor die Wälle von Worms geführt und mit der Belagerung angefangen, ohne daß ich ihn darum gebeten hatte.
DER BANKIER: Befehlt ihm … Der Erzbischof lächelt traurig und zuckt die Achseln. Er gehorcht Euch nicht?
DER ERZBISCHOF: Wie kommst du darauf, daß ein General im Felde einem Staatsoberhaupt gehorcht?
DER BANKIER: Kurz, er hat Euch in der Hand.
DER ERZBISCHOF: Ja.
Die Stadtmauer wird hell.
GERLACHtritt auf: Der Rat hat beschlossen, Unterhändler zu Götz zu schicken.
HEINZ: Da haben wir’s. Pause. Diese Feiglinge!
GERLACH: Unsere einzige Chance ist, daß Götz ihnen unannehmbare Bedingungen stellt. Wenn er so ist, wie man ihn beschreibt, wird er uns nicht einmal friedlich einnehmen wollen.
DER BANKIER: Vielleicht verschont er die Güter.
DER ERZBISCHOF: Nicht einmal die Menschenleben, fürchte ich.
SCHMIDTzu Gerlach: Warum nur? Warum?
DER ERZBISCHOF: Er ist ein Bastard der schlimmsten Sorte: von Mutterseite. Er ist nur froh, wenn er Böses tun kann.
GERLACH: Ein Schweinehund, ein Bastard: Es macht ihm Spaß, Böses zu tun. Falls er Worms verwüsten will, werden die Bürger mit dem Rücken zur Wand kämpfen müssen.
SCHMIDT: Falls er die Stadt schleifen will, wird er nicht so naiv sein, es zu sagen. Er wird verlangen, daß man ihn reinläßt, und versprechen, nichts anzurühren.
DER BANKIERentrüstet: Worms schuldet mir dreißigtausend Dukaten: Dem muß sofort ein Ende gemacht werden. Schickt Eure Truppen gegen Götz.
DER ERZBISCHOFniedergeschlagen: Ich habe Angst, daß er sie besiegt.
Der Saal des erzbischöflichen Palastes verschwindet im Dunkeln.
HEINZzu Nasty: Was nun? Sind wir wirklich verloren?
NASTY: Gott ist mit uns, meine Brüder: Wir können nicht verlieren. Heute nacht verlasse ich Worms und versuche mich durch das Lager nach Waldorf durchzuschlagen; acht Tage werden genügen, um zehntausend bewaffnete Bauern zusammenzuziehen.
SCHMIDT: Wie sollen wir uns acht Tage halten? Sie sind imstande, ihm schon heute abend die Tore zu öffnen.
NASTY: Sie dürfen sie nicht öffnen können.
HEINZ: Willst du die Macht ergreifen?
NASTY: Nein. Die Situation ist zu ungewiß.
HEINZ: Was dann?
NASTY: Die Bürger müssen so kompromittiert werden, daß sie um ihren Kopf fürchten.
ALLE: Wie denn?
NASTY: Durch ein Massaker …
Unterhalb der Stadtmauer wird es hell. Eine Frau sitzt mit starrem Blick an der Treppe zum Wehrgang. Sie ist 35 Jahre alt und in Lumpen gehüllt. Ein Priester, der sein Brevier liest, geht vorbei. Wer ist dieser Priester? Wieso ist er nicht mit den anderen eingesperrt?
HEINZ: Erkennst du ihn nicht?
NASTY: Ach, das ist Heinrich. Hat der sich verändert. Trotzdem hätte man ihn einsperren sollen.
HEINZ: Die Armen lieben ihn, weil er wie sie lebt: Man hatte Angst, sie zu verärgern.
NASTY: Er ist der Gefährlichste.
DIE FRAUbemerkt den Priester: Priester! Priester! Der Priester läuft weg. Sie ruft: Wohin läufst du denn so schnell?
HEINRICHbleibt stehen: Ich habe nichts mehr! Nichts mehr! Nichts mehr! Ich habe alles weggegeben.
DIE FRAU: Das ist doch kein Grund wegzulaufen, wenn man dich ruft.
HEINRICHkommt müde zu ihr zurück: Hast du Hunger?
DIE FRAU: Nein.
HEINRICH: Was willst du dann?
DIE FRAU: Ich will, daß du mir etwas erklärst.
HEINRICHnervös: Ich kann nichts erklären.
DIE FRAU: Du weißt ja nicht einmal, was ich meine.
HEINRICH: Also gut, sag es. Schnell. Was soll ich dir erklären?
DIE FRAU: Warum das Kind gestorben ist.
HEINRICH: Welches Kind?
DIE FRAUlacht auf: Meins. Hör mal, Priester, du hast es doch gestern beerdigt: Es war drei Jahre alt und ist verhungert.
HEINRICH: Ich bin müde, meine Schwester, und ich erkenne Euch nicht mehr. Ihr habt für mich alle das gleiche Gesicht und die gleichen Augen.
DIE FRAU: Warum ist es gestorben?
HEINRICH: Weiß ich nicht.
DIE FRAU: Aber du bist doch Priester.
HEINRICH: Ja, das bin ich.
DIE FRAU: Wer erklärt es mir dann, wenn du es nicht kannst? Pause. Wenn ich jetzt einfach sterben würde, wäre das schlimm?
HEINRICHmit Nachdruck: Ja. Sehr schlimm.
DIE FRAU: Das habe ich mir auch gedacht. Und doch habe ich große Lust dazu. Du siehst, du mußt es mir schon erklären.
Schweigen. Heinrich fährt sich mit der Hand über die Stirn und gibt sich einen heftigen Ruck.
HEINRICH: Nichts geschieht ohne Gottes Wille, und Gott ist die Güte; was geschieht, ist also das Beste.
DIE FRAU: Versteh ich nicht.
HEINRICH: Gott weiß mehr als du: Was dir als ein Übel erscheint, ist in seinen Augen gut, weil er alle Folgen abwägt.
DIE FRAU: Kannst du das verstehen?
HEINRICH: Nein! Nein! Ich verstehe es nicht! Ich verstehe nichts! Ich kann und will nicht verstehen! Man muß glauben! Glauben! Glauben!
DIE FRAUlacht auf: Du sagst, man muß glauben, und du siehst gar nicht so aus, als glaubtest du, was du sagst.
HEINRICH: Was ich sage, meine Schwester, habe ich seit drei Monaten so oft wiederholt, daß ich nicht mehr weiß, ob ich es aus Überzeugung oder aus Gewohnheit sage. Aber täusch dich nicht: ich glaube daran. Ich glaube daran von ganzem Herzen und von ganzer Seele. Mein Gott, Du bist mein Zeuge, daß keinen Augenblick Zweifel in meinem Herzen aufgekommen sind. Pause. Frau, dein Kind ist im Himmel, und du wirst es dort wiedersehen. Heinrich kniet nieder.
DIE FRAU: Ja, Priester, ganz gewiß. Aber der Himmel, das ist etwas anderes. Und außerdem bin ich so müde, daß ich nie mehr die Kraft haben werde, mich zu freuen. Nicht einmal da oben.
HEINRICH: Meine Schwester, vergib mir.
DIE FRAU: Warum sollte ich dir vergeben, guter Priester? Du hast mir nichts getan.
HEINRICH: Vergib mir. Vergib in mir allen Priestern, den reichen wie den armen.
DIE FRAUbelustigt: Ich vergebe dir von ganzem Herzen. Freut dich das?
HEINRICH: Ja. Und nun, meine Schwester, wollen wir zusammen beten; bitten wir Gott, er möge uns wieder Hoffnung geben.
Während der letzten Repliken steigt Nasty langsam die Treppe zum Wehrgang herunter.
DIE FRAUsieht Nasty und hört freudig auf zu beten: Nasty! Nasty!
NASTY: Was willst du von mir?
DIE FRAU: Bäcker, mein Kind ist gestorben. Du weißt sicher, warum, wo du doch alles weißt.
NASTY: Ja, ich weiß es.
HEINRICH: Nasty, ich flehe dich an, schweig still. Wehe denen, die das Ärgernis heraufbeschwören.
NASTY: ES ist gestorben, weil die reichen Bürger unserer Stadt sich gegen den Erzbischof erhoben haben, ihren steinreichen Herrn. Wenn die Reichen sich bekriegen, sterben die Armen.
DIE FRAU: Hatte Gott ihnen erlaubt, diesen Krieg zu führen?
NASTY: Gott hatte es ihnen streng verboten.
DIE FRAU: Der da sagt, nichts geschehe, ohne daß er es zuläßt.
NASTY: Nichts, außer dem Bösen, das aus der Bosheit der Menschen entsteht.
HEINRICH: Bäcker, du lügst, du vermischst Wahres und Falsches und täuschst so die Seelen.
NASTY: Willst du etwa behaupten, daß Gott diese Tode und dieses unnötige Leiden zuläßt? Ich sage, daß er an allem unschuldig ist.
Heinrich schweigt.
DIE FRAU: Dann wollte Gott nicht, daß mein Kind stirbt?
NASTY: Wenn er das gewollt hätte, hätte er dann zugelassen, daß es geboren wird?
DIE FRAUerleichtert: Das ist mir lieber. Zu Heinrich:Siehst du, so verstehe ich es. Er ist also traurig, der liebe Gott, wenn er sieht, daß ich Kummer habe?
NASTY: Todtraurig.
DIE FRAU: Und er kann nichts für mich tun?
NASTY: Doch, natürlich. Er wird dir dein Kind wiedergeben.
DIE FRAUenttäuscht: Ja. Ich weiß! Im Himmel.
NASTY: Nicht im Himmel. Auf Erden.
DIE FRAUerstaunt: Auf Erden?
NASTY: Wir müssen zuerst durch ein Nadelöhr hindurch und sieben Jahre Unglück ertragen, und dann bricht das Reich Gottes auf Erden an: Unsere Toten werden uns wiedergegeben, jeder wird jeden lieben und keiner wird Hunger leiden!
DIE FRAU: Warum müssen wir denn sieben Jahre warten?
NASTY: Weil wir sieben Jahre kämpfen müssen, um uns von dem Bösen zu befreien.
DIE FRAU: Das wird viel Mühe machen.
NASTY: Deshalb braucht der Herr deine Hilfe.
DIE FRAU: Der Allmächtige braucht meine Hilfe?
NASTY: Ja, meine Schwester. Noch sieben Jahre herrscht das Böse auf Erden, aber wenn jeder von uns tapfer kämpft, werden wir uns alle retten und Gott mit uns. Glaubst du mir?
DIE FRAUsteht auf: Ja, Nasty: Ich glaube dir.
NASTY: Dein Sohn ist nicht im Himmel, Frau, er ist in deinem Leib, und du wirst ihn sieben Jahre tragen, und wenn diese Zeit um ist, wird er an deiner Seite gehen, er wird seine Hand in deine legen und du wirst ihn zum zweitenmal geboren haben.
DIE FRAU: Ich glaube dir, Nasty, ich glaube dir. Ab.
HEINRICH: Du stürzt sie ins Verderben.
NASTY: Wenn du so sicher bist, warum hast du mich dann nicht unterbrochen?
HEINRICH: Ach, weil sie weniger unglücklich aussah. Nasty zuckt die Achseln und geht. Herr, ich habe nicht den Mut gehabt, ihn zum Schweigen zu bringen; ich habe gesündigt. Aber ich glaube, mein Gott, ich glaube an Deine Allmacht, ich glaube an Deine heilige Kirche, meine Mutter, den gesalbten Leib Christi, dessen Glied ich bin; ich glaube, daß alles durch Deine Ratschlüsse geschieht, selbst der Tod eines Kindes, und daß alles gut ist. Credo quia absurdum! Absurdum! Absurdum! Die ganze Bühne ist hell geworden. Bürger mit ihren Frauen stehen in Gruppen um den Bischofspalast und warten.
DIE MENGE: Gibt’s was Neues …?
Nichts Neues …
Was wollen wir hier?
Wir warten …
Worauf warten wir?
Auf nichts …
Habt ihr gesehen …?
Rechts.
Ja.
Das Lumpenpack.
Wenn Wasser aufgerührt wird, steigt der Schlamm nach oben.
Man ist auf der Straße nicht mehr sicher.
Man muß diesen Krieg beenden, man muß ihn schnell beenden. Sonst gibt es Stunk.
Ich möchte den Bischof sehen, ich möchte den Bischof sehen.
Er wird sich nicht zeigen. Er ist viel zu wütend …
Wer …? Wer …?
Der Bischof …
Seit er hier eingesperrt ist, sieht man ihn manchmal am Fenster, er hebt den Vorhang hoch und guckt raus.
Er sieht nicht gerade heiter aus.
Was soll er euch denn sagen, der Bischof?
Er weiß vielleicht was Neues.
Gemurmel.
STIMME DER MENGE: Bischof! Bischof!
Zeige dich!
Gib uns Rat.
Was wird geschehen?
EINE STIMME: Das ist das Ende der Welt!
Ein Mann löst sich aus der Menge, springt zur Fassade des Bischofspalasts und lehnt sich daran.
Heinrich rückt von ihm ab und schließt sich der Menge an.
DER PROPHET: Die Welt ist verkommen, verkommen!
Geißeln wir unser verderbtes Fleisch.
Geißelt euch, geißelt euch, geißelt euch: Gott ist hier.
Schreie und beginnende Panik.
EIN BÜRGER: Schon gut! Ruhe. Das ist nur ein Prophet.
DIE MENGE: Noch einer? Das reicht! Sei still. Die kommen aus allen Ecken. Wozu haben wir eigentlich unsere Priester eingesperrt?
DER PROPHET: Die Erde stinkt.
Die Sonne hat sich beim lieben Gott beschwert!
Herr, ich will erlöschen.
Ich habe die Nase voll von dieser Verwesung.
Je mehr ich sie erwärme, um so mehr stinkt sie.
Sie beschmutzt die Enden meiner Strahlen.
Wehe! sagt die Sonne. Mein schönes goldenes Haar ist in der Scheiße.
EIN BÜRGERschlägt ihn: Halt’s Maul!
Der Prophet fällt auf sein Hinterteil. Das Fenster des Bischofspalasts wird heftig aufgestoßen. Der Bischof erscheint in vollem Ornat auf seinem Balkon.
DIE MENGE: Der Bischof!
DER BISCHOF: Wo sind Conrads Heere? Wo sind die Ritter? Wo sind die himmlischen Heerscharen, die den Feind in die Flucht schlagen sollten? Ihr seid allein, ohne Freunde, ohne Hoffnung und verflucht. Auf, Bürger von Worms, antwortet mir; wenn es Gott gefällig ist, seine Diener einzusperren, warum hat der Herr euch dann verlassen? Stöhnen der Menge. Antwortet!
HEINRICH: Nehmt ihnen nicht den Mut.
DER BISCHOF: Wer spricht da?
HEINRICH: Ich, Heinrich, Pfarrer von Sankt Gilgen.
DER BISCHOF: Schweig, abtrünniger Priester. Du wagst es, deinem Bischof ins Gesicht zu sehen?
HEINRICH: Wenn sie Euch gekränkt haben, Hochwürden, vergebt ihnen ihre Kränkung, wie ich Euch diese Beleidigungen vergebe.
DER BISCHOF: Judas! Judas Ischariot! Geh und erhäng dich!
HEINRICH: Ich bin nicht Judas.
DER BISCHOF: Was hast du dann unter ihnen zu suchen? Warum stehst du ihnen bei? Warum bist du nicht mit uns eingesperrt?
HEINRICH: Sie haben mir die Freiheit gelassen, weil sie wissen, daß ich sie liebe. Und ich habe mich nur deshalb nicht den anderen Priestern angeschlossen, damit in dieser verlorenen Stadt Messen gelesen und Sakramente ausgeteilt werden. Ohne mich gäbe es keine Kirche, Worms wäre schutzlos der Ketzerei ausgeliefert, und die Menschen würden sterben wie Hunde … Hochwürden, nehmt ihnen nicht den Mut!
DER BISCHOF: Wer hat dich ernährt? Wer hat dich aufgezogen? Wer hat dich lesen gelehrt? Wem hast du dein Wissen zu verdanken? Wer hat dich zum Priester gemacht?
HEINRICH: Die Kirche, meine hochheilige Mutter.
DER BISCHOF: Ihr verdankst du alles. Du bist zuallererst Diener der Kirche.
HEINRICH: Ich bin zuallererst Diener der Kirche, aber ich bin der Bruder von denen.
DER BISCHOFlaut: Zuallererst Diener der Kirche.
HEINRICH: Ja. Zuallererst Diener der Kirche, aber …
DER BISCHOF: Ich werde mit diesen Menschen sprechen. Wenn sie an ihren Irrtümern festhalten und ihren Aufstand fortsetzen wollen, befehle ich dir, dich den Dienern der Kirche, deinen wahren Brüdern, anzuschließen und dich mit ihnen im Paulanerkloster oder im Seminar einzuschließen. Wirst du deinem Bischof gehorchen?
EIN MANN AUS DEM VOLK: Laß uns nicht im Stich, Heinrich, du bist der Priester der Armen, du gehörst uns.
HEINRICHniedergeschlagen, aber mit fester Stimme: Ich bin zuallererst Diener der Kirche: Hochwürden, ich werde Euch gehorchen.
DER BISCHOF: Bewohner von Worms, seht sie euch gut an, eure weiße und dichtbevölkerte Stadt, seht sie euch zum letztenmal an: Sie wird bald die faulige Heimstätte der Hungersnot und der Pest werden; und am Ende werden Reiche und Arme sich gegenseitig abschlachten. Wenn Götzens Soldaten einziehen, werden sie nur noch Aas und Trümmer vorfinden. Pause. Ich kann euch retten, aber ihr müßt mich erweichen.
STIMMEN: Rettet uns, Hochwürden. Rettet uns!
DER BISCHOF: Auf die Knie, hoffärtige Bürger, und bittet Gott um Vergebung. Die Bürger knien nacheinander nieder. Die Leute aus dem Volk bleiben stehen. Heinrich! Wirst du wohl niederknien? Heinrich kniet nieder. Herrgott, vergib uns unsere Sünden und beschwichtige den Zorn des Erzbischofs. Sprecht mir nach.
DIE MENGE: Herrgott, vergib uns unsere Sünden und beschwichtige den Zorn des Erzbischofs.
DER BISCHOF: Amen. Steht auf. Pause. Ihr laßt zuerst die Priester und die Mönche frei, dann öffnet ihr die Tore der Stadt; danach kniet ihr auf dem Platz vor der Kathedrale nieder und wartet reuig. Wir ziehen indessen Götz entgegen und flehen ihn an, euch zu verschonen.
EIN BÜRGER: Und wenn er nichts davon wissen will?
DER BISCHOF: Über Götz steht der Erzbischof. Er ist unser aller Vater, und seine Gerechtigkeit wird väterlich sein. Seit einer Weile ist Nasty auf dem Wehrgang zu sehen. Er hört schweigend zu. Bei der letzten Replik steigt er zwei Stufen der Stadtmauertreppe hinunter.
NASTY: Götz gehört nicht dem Erzbischof. Götz gehört dem Teufel. Er hat Conrad, seinem eigenen Bruder, einen Eid geschworen, und doch hat er ihn verraten. Wenn er euch heute Sicherheit für Leib und Leben verspricht, werdet ihr dann dumm genug sein, seinem Wort zu glauben?
DER BISCHOF: Du da oben, wer du auch seist, ich befehle dir …
NASTY: Wer bist du, daß du mir befiehlst? Und ihr, was müßt ihr auf den hören? Ihr habt von niemandem Befehle entgegenzunehmen, außer von den Führern, die ihr selbst gewählt habt.
DER BISCHOF: Und wer hat dich gewählt, du Schwätzer?
NASTY: Die Armen. Zu den anderen: Die Soldaten sind auf unsrer Seite; ich habe Männer an den Stadttoren aufgestellt; wenn jemand davon spricht, sie zu öffnen, ist er ein toter Mann.
DER BISCHOF: Nur zu, Unseliger, führ sie ins Verderben. Sie hatten nur eine Aussicht auf Rettung, und du hast sie ihnen genommen.
NASTY: Wenn es keine Hoffnung mehr gäbe, wäre ich der erste, der euch zur Übergabe raten würde. Aber wer will behaupten, daß Gott uns verläßt? Wollte man euch an den Engeln zweifeln lassen? Meine Brüder, die Engel, sind da! Nein, hebt nicht die Augen auf, der Himmel ist leer. Die Engel sind auf Erden am Werk, sie wüten im feindlichen Lager.
EIN BÜRGER: Welche Engel?
NASTY: Der Engel der Cholera und der Engel der Pest, der Engel des Hungers und der Engel der Zwietracht. Haltet durch! Die Stadt ist uneinnehmbar, und Gott steht uns bei. Sie werden die Belagerung aufheben.
DER BISCHOF: Bewohner von Worms, wer auf diesen Ketzer hört, dem ist die Hölle sicher; dies bezeuge ich bei meinem Anteil am Paradies.
NASTY: Deinen Anteil am Paradies hat Gott schon längst den Hunden vorgeworfen.
DER BISCHOF: Und deinen hält er dir natürlich so lange warm, bis du ihn dir abholen kommst! In diesem Moment hört er mit Freuden, wie du seinen Priester beschimpfst.
NASTY: Wer hat dich zum Priester gemacht?
DER BISCHOF: Die heilige Kirche.
NASTY: Deine Kirche ist eine Dirne: Sie verkauft ihre Gunst den Reichen. Du solltest mir die Beichte abnehmen? Du solltest mir meine Sünden erlassen? Deine Seele hat Haarausfall, Gott knirscht mit den Zähnen, wenn er sie sieht. Meine Brüder, wir brauchen keine Priester: Alle Menschen können taufen, alle Menschen können Absolution erteilen, alle Menschen können predigen. Wahrlich, ich sage euch: Alle Menschen sind Propheten, oder Gott existiert nicht.
DER BISCHOF: Pfui! Pfui! Pfui! Den Bannfluch über dich!
Er wirft ihm seinen Almosenbeutel ins Gesicht.
NASTYweist auf die Palasttür: Diese Tür ist wurmstichig; man könnte sie mit einem Schulterstoß eindrücken. Schweigen. Wie geduldig ihr seid, meine Brüder! Pause. Zu den Leuten aus dem Volk: Sie stecken alle unter einer Decke: der Bischof, der Stadtrat, die Reichen; sie wollen die Stadt übergeben, weil ihr ihnen angst macht. Und wer wird für alle büßen, wenn sie sie übergeben? Ihr! Immer ihr! Auf, erhebt euch, meine Brüder, man muß töten, wenn man das Himmelreich verdienen will.
Die Leute aus dem Volk murren.
EIN BÜRGERzu seiner Frau: Komm! Wir gehen.
EIN ANDERERzu seinem Sohn: Schnell! Wir wollen den Laden dichtmachen und uns zu Hause verbarrikadieren.
DER BISCHOF: Mein Gott, Du bist mein Zeuge, daß ich getan habe, was ich konnte, um dieses Volk zu retten. Ich werde klaglos zu Deiner Ehre sterben, denn ich weiß nun, daß Dein Zorn auf Worms niedergehen und es zermalmen wird.
NASTY: Dieser Alte frißt euch bei lebendigem Leibe. Woher kommt es, daß seine Stimme so voll klingt? Weil er was zu fressen hat. Seht euch mal in seinen Speichern um: Da findet ihr Korn genug, ein ganzes Regiment sechs Monate lang zu ernähren.
DER BISCHOFlautstark: Du lügst. Meine Speicher sind leer, und du weißt es.
NASTY: Geht und seht nach, meine Brüder. Geht und seht nach. Wollt ihr ihm etwa aufs Wort glauben?
Die Bürger entfernen sich eilig. Nur die Leute aus dem Volk bleiben bei Nasty.
HEINRICHkommt zu Nasty: Nasty!
NASTY: Was willst du denn?
HEINRICH