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Joao Lourenço, ein Templer, der als Johann Laurenz in der Nähe von Aachen groß wurde, hatte im Auftrag des Großmeisters Jaques de Molay einen Teil des Templervermögens nach Portugal gebracht. Mit Vertrauten des König Dionysius gelingt es, den in vielen christlichen Ländern verfolgten Templern eine neue Heimat in Portugal zu sichern und sie als Orden der Christusritter zu etablieren. Von dem Bischof von Lamego hört Joao, dass in Córdoba muslimische und jüdische Gelehrte Astronomie, Geografie und Kartenzeichnen unterrichten. Das interessiert ihn und er studiert die für Christen neuen Wissenschaften. Er kommt zu der Überzeugung, dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel und auch Jerusalem nicht der Nabel der Welt ist, wie es die christlichen Mönche vermittelten. Er ist sicher, dass hinter dem Horizont des Atlantischen Meeres im Westen noch anderes Land liegen muss. Joao träumt davon, dorthin zu fahren. Er erwirbt ein schnelles Templerschiff, lässt es durch Handwerker des Ordens umbauen und wirbt Templerbrüder an, die mit ihm ins Unbekannte fahren wollen. Joao Lourenço findet das von Jan van Koninck (siehe „Das Gold der Templer“) versteckte Gold und finanziert damit die Umsetzung seines Traums. Mit den herbstlichen Passatwinden fahren sie übers Meer nach Westen. Ein Roman aus der Zeit des tiefsten Mittelalters mit ehrenhaften Rittern, dogmatischen Klerikern, gelehrten Muslimen und erfinderischen Juden. Und natürlich mit fiesen Schurken. LESEPROBE: Die Templer saßen auf der Flussinsel fest. Suchend stromerten sie am Ufer entlang und fanden drei Bäume, die offenbar von den Eingeborenen zu einem Floß zusammengebaut werden sollten. Die drei nahmen die Lianen, die bereits vorbereitet am Ufer lagen und banden die Stämme, so gut es ging, zusammen. Dann schoben sie das kleine Floß mit aller Kraft in den Strom und sprangen auf. Langsam setzte sich das primitive Gefährt in Bewegung. Es trieb auf das gegenüberliegende Ufer zu. Mit einem Ruck blieb das Floß stecken und war nicht mehr zu bewegen. Joao sprang ins Wasser, wo er sich vorsichtig zu der Stelle vortastete, an der das Gefährt festsaß. Der schlammverschmierte Wurzelballen war glitschig und immer wieder umspülte schmutziges, überaus lehmiges Wasser seine aufgeweichten Hände. Jetzt sah er die Stelle, wo das Floß festhing. Er nahm sein großes Messer, das Schwert lag noch immer im Schiff, und hieb mit gewaltigen Schlägen auf die Wurzeln ein.
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Seitenzahl: 346
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Ulrich Hinse
Der Traum des Templers und seine Reise über das Atlantische Meer
Ein historischer Roman über die Südamerikareise der Templer (Das Gold der Templer, Teil 2)
ISBN 978-3-95655-610-4 (E-Book)
ISBN 978-3-95655-609-8 (Buch)
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
© 2015 EDITION digital ® Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de
Joao Lourenço war Tempelritter. Und er stellte etwas dar. Und das wusste er auch. Sein Selbstbewusstsein war groß, aber nicht so überzogen, dass er arrogant gewirkt hätte. Eigentlich hieß der große, kräftige, junge Mann gar nicht Joao Lourenço, sondern mit richtigem Namen Johann Laurenz, war Sohn eines angesehenen Kaufmanns und stammte aus der Nähe von Aachen. Er hatte sich im Zorn von seinem Elternhaus getrennt, war nach Paris gelangt und hatte dort zu den Templern gefunden, wo er zunächst bei dem Präzeptor Gerard de Villars als Knappe gedient hatte. Der Ritter hatte seine Gewandtheit und seine Intelligenz erkannt und so war er zum Ritter aufgestiegen und zusammen mit dem Flamen Jan van Koninck in den Orden aufgenommen worden. Mit Jan hatte er sich verbunden gefühlt, weil der ein ähnliches Schicksal erlitten hatte. Joao war bei den anderen Rittern beliebt, wegen seiner Umsichtigkeit geachtet und wegen seiner Körperkraft und Geschicklichkeit im Umgang mit den verschiedensten Waffen gefürchtet. Nicht zuletzt deshalb hatte Jaques de Molay, der Großmeister des Templerordens, den dunkelblonden Mann mit den ebenmäßigen Gesichtszügen aus dem kleinen Ort Heristal nahe Aix la Chapelle zu einem der Männer bestellt, die den Schatz der Templer in Sicherheit bringen sollten. Joao war knapp dreißig Jahre alt und deutlich größer als die meisten Männer seiner Zeit. Er überragte sie um mehr als eine Haupteslänge. Stolz trug er den weißen Mantel mit dem leuchtendroten Kreuz auf der Brust, den er erst vor gut einem Jahr von Jaques de Molay verliehen bekommen hatte, als er in den Orden aufgenommen worden war.
Unter dem Mantel war das Kettenhemd zu erkennen und sein kräftiges, dunkelblondes, langes Haar wurde durch die Kapuze des Kettenhemdes verdeckt. Das Schwert an seiner linken Seite wurde nur unzureichend von dem Mantel verhüllt. Sein Gesicht war offen und wurde, anders als bei den meisten Tempelrittern, von einem gekräuselten Vollbart umrahmt. Er erschien allen, die mit ihm zu tun hatten, als ein freundlicher Mensch. Keiner hatte das Gefühl, sich vor ihm fürchten zu müssen. Wenn es aber sein musste, war er ein unerbittlicher, ja gelegentlich gnadenloser Streiter für den Glauben und seinen Orden.
Es hatte ihm wehgetan, als er von Jaques de Molay von der bevorstehenden Verhaftung aller Templer in Frankreich in Kenntnis gesetzt wurde. Geehrt hatte ihn das Vertrauen seines Großmeisters, der ihn als Vertreter des Ritters Gerard de Villars einsetzte. De Villars wurde beauftragt, einen Teil des riesigen Ordensvermögens vor dem Zugriff des französischen Königs zu retten. Mit Schiffen des Ordens, die im Hafen der Stadt La Rochelle lagen, sollten sie nach Süden fahren. Das genaue Ziel kannte nur de Villars. Sein Freund Jan van Koninck, ein Ritter aus Flandern, der mit ihm zusammen im Temple de Paris ausgebildet und in die Reihen der Tempelritter aufgenommen worden war, sollte mit einem Wagenzug nach Kastilien und weiter zur Templerfestung Ponferrada. Ein weiterer Wagenzug der Templer sollte von der Kanalküste nach England übersetzen, um sich dort in Sicherheit vor ihren Verfolgern zu bringen.
Knapp ein Jahr war vergangen, als sie sich von Paris aus in Bewegung gesetzt hatten. Nahe Orleans hatten sich die Wagenzüge getrennt. Villars und er waren Richtung La Rochelle weitergezogen, während Guido de Voisius und Jan van Koninck in Richtung der alten Westgotenresidenz Rennes le Chateau weitergefahren waren. Überraschend hatten sie sich im Sommer, der auf die Verhaftungen folgte, in der Templerfestung Ponferrada im iberischen Königreich Kastilien y Leon wiedergetroffen. De Villars hatte die Templerschiffe in einem kleinen Hafen in Asturien entladen lassen, um sie dann mit ihren Mannschaften nach, wer weiß wohin, zu entlassen. De Villars hatte Joao die Fracht und das Kommando übergeben und wollte allein auf dem Landweg nach Barcelona und von dort weiter zu den Ordensbrüdern nach Mallorca. Joao hatte sich für Portugal entschieden. Warum, wusste er nicht. Es war nur so ein Gefühl gewesen.
Jetzt stand Joao Lourenço in einer kleinen Kirche in Galiziens Bergen gut eine Tagesreise südlich von Ponferrada und ebenso weit von der portugiesischen Grenze nördlich Bragança entfernt. Tränen rannen seine Wangen hinunter. Am Altar stand ein Mönch, der vor den Tempelrittern eine Totenmesse zelebrierte. Vor einer halben Stunde hatten sie vor dem Portal der kleinen Kirche seinen Freund Jan van Koninck beerdigt. Er war im Kampf gegen Söldner des französischen Königs, die ihn verfolgt hatten, um ihm das Gold der Templer abzunehmen, schwer verwundet worden. Die Hilfe durch Joao und seine Männer war eine halbe Stunde zu spät eingetroffen. Joao hatte zwar die Söldner niedergemacht, aber seine Ordensbrüder konnten nicht mehr gerettet werden.
Jan hatten sie schwer verletzt vom Schlachtfeld geborgen und zu einem nicht weit entfernten Kloster gebracht. Aber die Mönche konnten auch nichts mehr für ihn tun. Auf seinen Wunsch hin hatten sie Jan von Koninck nach Santiago de la Requejada getragen, wo er vor dem Portal der kleinen Kirche bestattet werden wollte. Joao hatte sich zwar gewundert, aber der Wunsch seines Freundes war ihm Befehl gewesen. Der Abt hatte ihnen einen seiner Mönche als Wegkundigen mitgegeben, der auch die Totenmesse zelebrieren sollte. Und so waren Joao und seine Mannen den mühsamen Weg hinauf in die Berge geritten und an der kleinen, verlassenen Kirche angekommen. Verwundert hatte sich Joao umgesehen. Der Ort war ganz offensichtlich unbewohnt, die Häuser von allen Menschen verlassen. Einige wenige Ziegen grasten in der Nähe und ließen vermuten, dass Hirten anwesend waren. Zu sehen waren sie nicht. Seltsam war, dass genau hier in dieser Einöde Jan van Koninck hatte begraben werden wollen.
Die heilige Messe war wie im Nebel an Joao vorbeigegangen. Zu sehr beschäftigten ihn seine Gedanken. Aus diesen wurde er gerissen, weil der Mönch zur heiligen Kommunion bat. Joao ging wie in Trance nach vorn und stieg die wenigen Stufen zum Altar hinauf. Dort kniete er sich nieder und wartete auf die Hostie. Nachdem er sie erhalten hatte, verneigte er sich vor dem Kreuz auf dem Altar. Sein Blick fiel dabei auf eine Ecke des Altarsockels. In dieser Kirche, die schon seit Jahren nicht mehr genutzt worden war und die jetzt erst wieder eine heilige Messe erleben durfte, starrte alles vor Staub. Nur die Ecke am Altar war sauber. Bevor Joao aufstand, sah er sich noch einmal um. Staub und Dreck, wohin er auch sah. Dann blickte er wieder auf die Sockelecke. Hier lag nicht ein Körnchen Dreck. Mit einem Schlag wurde ihm klar, dass der Altar und auch der Sockel darunter vor nicht langer Zeit bewegt worden sein mussten.
Der Mönch räusperte sich. Joao wurde mit einem Schlag bewusst, dass er den Fortgang der heiligen Kommunion blockierte. Langsam stand er auf, um seinen Mitstreitern den Empfang des Leibes Christi zu ermöglichen. Er stellte sich wieder in seine Reihe vor dem Altar und dachte nach. In Ponferrada hatte Jan das Gold noch gehabt. Am Ort der Schlacht waren seine Wagen leer gewesen. Beim Tross der gefallenen Franzosen hatte sich kein Gold befunden. Jan musste es demnach unterwegs gebunkert haben. Warum hatte er unbedingt wieder in diese verdammte Einöde gewollt?
Langsam dämmerte es dem Tempelritter aus Aachen. Er zählte eins und eins zusammen. Natürlich. Jan hatte das Gold hier versteckt. Unter dem Altar musste es liegen. Dort musste sich ein Hohlraum befinden. Kein Mensch weiß das mehr. Alle Templer, die es mit Jan versteckt hatten, waren im Kampf gefallen. Und auch Jan war gestorben und hatte hier bei seinem Gold beerdigt werden wollen. Nicht am Altar, was noch einsichtig gewesen wäre. Nein, er hatte vor dem Portal in die Erde gelegt werden wollen. Dort und nirgendwo anders. Im Kloster hatte Jan ihm sagen wollen, wo das Gold war, aber er hatte den Sterbenden nicht verstanden. Nur Santiago de la Requejada hatte er verstanden, Kirche und Grab am Portal. Jetzt dämmerte es dem Ritter, warum das so war. Hätten sie ihn am Altar beerdigt, wäre die Krypta mit dem Templerschatz sofort gefunden worden. Das hatte Jan nicht gewollt. Ja, das sah dem Schlitzohr ähnlich. Joao Lourenço grinste in sich hinein und zog verwunderte Blicke seiner Mitstreiter auf sich. Sofort wurde sein Gesicht wieder ernst. Seinen Gedankengang wollte er noch mit niemandem teilen. Er wollte erst mit Joao Soares darüber reden, der in Bragança auf sie wartete. Vor der Kirche blieb er noch einen Moment am Grab von Jan stehen und nickte leicht mit dem Kopf. So, als wollte er sagen, ich habe dich verstanden, mein Freund. Laut sagte er, dass es alle hören mussten:
„Verehrte Herren, edle Ritter und Gefährten. Ihr alle habt einem tapferen Ritter unseres Ordens und meinem Freund das letzte Geleit gegeben. Dafür danke ich euch. Wir haben einen der Unsrigen auf seinen Wunsch hin hier in dieser Einöde begraben müssen und haben seine Seele in die Hände unseres Gottes empfohlen. Er wird im Himmelreich auf uns herabsehen und in der Zukunft bei uns sein. Wir haben alle tapfer gekämpft und den Vasallen des französischen Königs ihre Freude verdorben. Sie sind bestraft und werden in der Hölle schmoren. Jetzt reiten wir zurück nach Bragança und werden dort beraten, was die Zukunft für uns bringen wird. In Portugal sind wir erst einmal vor der Verfolgung sicher. Ich will dort versuchen, mit König Dionysius zu reden und ihm einen Plan vorlegen, wie es mit den Templern weitergehen kann. Folgt mir.“
Joao wendete sein Pferd und ritt, ohne sich noch einmal umzusehen, den Hang hinunter. Seine Schar folgte ihm. Sie ritten von Santiago de la Requejada das Tal zwischen den Bergen hinunter. Gelegentlich sahen sie Hirten, die ihnen allesamt misstrauisch hinterherblickten. Je tiefer sie ins Tal kamen, umso dichter wurde der Wald. Sie überquerten den Rio Tera. Den kleinen Ort Puebla de Sanabria ließen sie rechter Hand liegen, umritten ihn, um am Ort der Schlacht oberhalb des kleinen Städtchens noch einmal Halt zu machen. Sie suchten in den verbrannten Wagen nach Verwertbarem, aber die Bauern aus der Umgebung hatten sich schon umgesehen. Die Leichen der toten Franzosen waren gefleddert und in der näheren Umgebung verscharrt worden. Alles irgendwie Verwertbare hatten die Bauern mitgenommen. Als sie wieder aufsaßen, war es spät geworden. Die Dunkelheit brach in dem Moment herein, als sie die Grenze nach Portugal überschritten. Sie wollten aber nicht mehr campieren und so ritten sie weiter auf die portugiesische Stadt zu.
Dabei mussten sie wieder einmal durch einen dunkeln Wald. Die Gegend war für ihren Waldreichtum bekannt, aber auch wegen der darin hausenden Räuber gefürchtet. Deshalb war der Ritt durch den nächtlichen Forst nicht sehr angenehm. Selbst Joao hatte ein unangenehmes Ziehen im Nacken. Dieses Ziehen mahnte ihn zur Vorsicht. Sein Pferd ging im Schritt. Plötzlich war das Knirschen und Knacken eines direkt vor ihnen fallenden Baumes zu hören. Instinktiv zog Joao die Zügel an. Sein Pferd stieg hoch. Es hatte sich erschrocken und Joao brauchte seine ganze Kraft, um es zu bändigen. Seine Kameraden reagierten ähnlich. Aber ihre Bewegungsfreiheit war begrenzt. Die Pferde scheuten wiehernd und prallten in der Enge des Waldweges gegeneinander. Joao hatte das Gefühl, alle Knochen im Leib würden ihm zerquetscht, als ein anderes Pferd sich gegen seine Seite drückte. Er riss den Dolch aus dem Gürtel. Das Schwert würde ihm in dieser Situation nichts nutzen. Ein schmerzhafter Schlag traf seine Schulter. Er schnappte nach Luft und sah sich um. Viel sehen konnte er nicht. Alles war nur schemenhaft zu erkennen. Faustgroße Steine schlugen links und rechts neben den Pferden ein. Gelegentlich wurde einer der Reiter getroffen, was an den unflätigen Ausrufen zu hören war. Mit Mühe hatte er sein Schild hinter sich aus dem Sattel gelöst und hielt es mit der linken Hand. Als ein mittelgroßer Stein das Schild traf, zuckte er zusammen. Das Felsstück hätte ihm leicht den Schädel zerschmettern können. Nur einen winzigen Moment brauchte der Ritter, um wieder klar denken zu können und die Situation zu analysieren.
„Vorwärts, Templer, zu den Waffen. Auf sie. Macht sie nieder, ohne Rücksicht“, brüllte Joao und feuerte seine Gefährten an. Etliche Ritter sprangen von den Pferden, die ihnen in der Dunkelheit und zwischen den Bäumen nicht halfen. Das Kampfgeschrei wurde lauter. Inzwischen hatten die Angreifer registriert, wen sie vor sich hatten. Eine Gruppe Tempelritter anzugreifen war dann doch wohl eine Nummer zu groß. Einige grelle Pfiffe waren zu hören und so schnell, wie sie gekommen waren, war die Angreifermeute wieder zwischen den Bäumen verschwunden. Von einem Augenblick zum anderen war es still.
„Haben wir Verletzte?“, fragte Joao laut in den Wald.
„Ein paar Beulen, sonst nichts“, antwortete irgendjemand hinter ihm, „aber zwei tote Angreifer liegen hier. Lassen wir sie liegen oder nehmen wir sie mit?“
„Wir nehmen sie mit in die Stadt. Vielleicht kennt sie dort jemand. Legt sie quer über die Sättel.“ Die Weisung des Anführers wurde ohne Murren und Knurren befolgt. Bei zwei der begleitenden Knechte wurden die Toten quer vor die Sättel gelegt, die anderen räumten den gefällten Baum so aus dem Weg, dass sie vorsichtig um ihn herumreiten konnten. Es ging nur langsam weiter, wobei die Reiter sehr intensiv nach allen Seiten Ausschau hielten, um nicht noch einmal in einen Hinterhalt zu geraten. Im Schritt musste geritten werden, damit die beiden Knechte mit den Toten nicht den Anschluss verloren. Deshalb graute schon der Morgen, als sich der Zug der Ordensritter der Stadt Bragança näherte. Die Wache am Tor schaute ihnen neugierig entgegen. Dann erkannte sie, wer angeritten kam. Der Soldat rief etwas über die Schulter in die Stadt hinein. Inzwischen hatten die Ritter das Tor erreicht. Joao ließ seinen Reiterzug anhalten und befahl den Knechten, die beiden toten Räuber abzuwerfen. Als sie auf dem Boden lagen, wandte sich Joao an die Torwächter.
„Kennt ihr die beiden?“ Einer der Wächter trat einen Schritt nach vorn, nahm den Schaft seiner Lanze und drehte erst einen, dann den zweiten Toten auf die Seite. Dann blickte er zu Joao hoch und schüttelte den Kopf.
„Wo habt ihr die beiden denn gefunden?“ Joao sah die Wache erstaunt an.
„Gefunden? Wir haben sie erschlagen, als sie uns im Wald angegriffen haben. Die Räuber kannten sich aus. Sie müssen hier aus der Gegend stammen.“
Der Wachsoldat ließ sich nicht verunsichern. „Ich bin auch von hier, kenne die beiden aber trotzdem nicht.“ Irgendwie hatte Joao das Gefühl, dass ihn der Wächter anlog. Aber es schien ihm müßig, mit ihm darüber zu streiten.
„Dann holt den Alkalden und zeigt ihm die Toten. Ihr findet uns bei Ritter Joao Soares“, ordnete der Ordensritter an. Die Torwache nickte und gab den Weg frei, damit die Reiter in die Stadt einreiten konnten. Dann rief der Wächter einen Halbwüchsigen herbei, der halb versteckt hinter der Mauer zugesehen hatte, wie die Ritter kamen. Der Junge reagierte erschreckt und kam nur vorsichtig zum Tor.
„He, Junge, lauf zum Alkalden und hole ihn her. Sage ihm, es sei wichtig.“ Der Junge nickte und rannte sofort los. Nach wenigen Augenblicken war er zwischen den eng stehenden Häusern verschwunden.
Die Ritter mit ihren Gefolgsleuten mussten nicht lange reiten, um die Burg von Joao Soares zu erreichen. Im Hof kümmerten sich sofort die Bediensteten um die Pferde der Ritter, während den nichtadeligen Ordensleuten ein Platz angewiesen wurde, an dem sie sich aufhalten konnten. Der Kastellan führte die Ritter hinauf in den ersten Stock der Burg, wo Joao Soares auf sie wartete. Er bat die Ankömmlinge an die Tafel und ließ jedem von ihnen einen Becher mit Wasser, gemischt mit Wein, vorsetzen. Als alle Platz genommen hatten, stellte Soares sich denen vor, die ihn noch nicht kannten.
„Verehrte Brüder, ich bin Ritter Joao Soares und der Herr dieser Burg im Norden des Königreiches Portugal. Und ich bin stolz, euch mitteilen zu können, dass hier Templer nicht verfolgt werden. Alle stehen unter dem Schutz unseres Königs Dionysius. Ich selbst bin auch Templer, der aber nicht in Frankreich war, sondern in Ponferrada auf der Burg den heiligen Weg zum Grab des Apostels Jakob in Santiago gesichert hat. Als dann König Dionysius die Templer gegen die Mauren zu Hilfe rief, bin ich dem Ruf gefolgt und habe als Dank die Burg hier in Bragança zum Lehen erhalten. Hier seid ihr willkommen, obwohl ich sagen muss, dass nicht alle Templer aufgenommen werden können. Mir erscheint es sinnvoll, mit König Dionysius darüber zu reden, wie er die nach Portugal flüchtenden Ritter im Land beschäftigen kann.“
In diesem Moment wurde Soares durch einen Knecht unterbrochen, der aufrecht, ohne unterwürfig zu wirken, in den Saal kam und leise auf Soares einredete. Die anwesenden Ritter sahen gespannt auf Soares, denn es war sehr außergewöhnlich, wenn die Rede eines Ritters durch einen Knecht unterbrochen wurde. Der Ritter nickte nur und entließ den Knecht mit einer Handbewegung. Joao Soares schaute in die Runde. Er spannte die Anwesenden offenbar bewusst auf die Folter. Joao Lourenço räusperte sich und ergriff das Wort.
„Verehrter Bruder, lasst uns nicht so lange warten. Was gibt es Neues?“
Soares nickte. „Ja, Brüder, der Alkalde hat mitgeteilt, dass ihm die beiden Toten bekannt sind. Es sind Tagediebe, die vor Wochen aus der Stadt gejagt wurden. Sie dürften sich der Räuberbande angeschlossen haben, die zur Zeit die Wälder nördlich von Bragança unsicher macht. Sie haben in der undurchdringlichen Macchia viele Möglichkeiten, sich zu verstecken. Reisende, die nachts durch die Wälder müssen, sind für sie eine dankbare Möglichkeit, sich zu bereichern. Nur mit euch hatten sie sich eine zu harte Nuss ausgesucht. Wenn die Stadtsoldaten welche fassen, werden sie ohne viel Federlesen hingerichtet. Jeder weiß es. Jeder geht zur Hinrichtung und trotzdem finden sich immer wieder Leute, die sich der Räuberbande anschließen. Ihr Anführer nennt sich Adelito Alves. Er stottert immer, wenn er aufgeregt ist. Seine Räuberbande besteht aus Gefolgsleuten, die sich durch einen Schwur auf den Tod miteinander verbunden haben. Die Mitglieder der Räuberbande waren zuvor meist Aussätzige, Ausgestoßene, Deserteure oder Vogelfreie. Oft sind diese Räuber Verzweifelte, die keinen anderen Ausweg sehen, um zu überleben. Wenn ihr Alves fasst, würde sich der König freuen. Aber jetzt weiter mit unserem Plan. Bruder Joao Lourenço, bitte tritt vor.“
Joao Lourenço erhob sich und schritt an die Kopfseite der Tafel, um sich neben Soares zu stellen. Er schaute ruhig in die Runde und sah jeden der Ritter an.
„Brüder, wie ich in Santiago schon gesagt habe, sind wir hier in Portugal in Sicherheit. Wir können jedoch nicht ewig auf der Burg unseres Bruders hier in Bragança bleiben. Ich möchte zum Bischof von Lamego, der ein Berater des Königs ist und auf den Dionysius hört. Mit dem Bischof möchte ich mich beraten, wie wir den Orden retten und eine neue Heimat finden können. Ich weiß zwar noch nicht konkret wie, aber unser Wissen, unsere Kampfkraft und natürlich unser Vermögen kann der König gewiss gut gebrauchen. Da bin ich sicher. Und ich meine, unser Vermögen ist in diesem Land gut investiert, wenn uns der König hier eine neue Heimat gibt. Habt ihr Einwände, wenn ich mit dem Bischof reden will?“ Schweigend hörten ihm die Ritterbrüder zu. Widerspruch regte sich nicht. Schließlich räusperte sich Soares.
„Bruder Joao, Ihr habt Recht. Die Heimat unseres Ordens ist auf dieses Land begrenzt. In allen anderen Königreichen werden wir verfolgt oder zumindest nicht geduldet. Es ist eine gute Idee, den Bischof von Lamego einzubinden, um bei König Dionysius ein gutes Wort für uns einzulegen. Brüder, wir sollten Joao Lourenço den Auftrag erteilen. Wer mir zustimmt, der hebe jetzt den rechten Arm.“ Soares reckte seine Rechte nach oben und blickte in die Runde. Bis auf einen Ritter hatten sich alle angeschlossen.
„Bruder Pablo de Alvares, Ihr stimmt nicht zu?“, fragte Joao Soares etwas verwundert.
„Nein, verehrte Brüder, ich stimme nicht zu. Wir haben unser Vermögen nicht vor einem geldgierigen König gerettet, um es einem anderen König in den Rachen zu werfen. Nur um unseres Seelenheils Willen. Wir müssen eine andere Lösung für unser Problem finden.“
„Und was stellt Ihr Euch vor?“
„Das kann ich so aus dem Stegreif nicht sagen. Ich habe darüber noch nicht nachgedacht. Ich erbitte von Euch einen Tag Bedenkzeit.“ Joao Soares blickte in die Runde.
„Gewähren wir dem Bruder Pablo die erbetene Bedenkzeit? Eigentlich ist es nicht üblich, sondern die Weisung unseres Großmeisters ist uns Befehl.“
„Das ist richtig, Bruder Joao“, meldete sich einer der anderen Ritter, „aber wir haben keinen Großmeister und so ist die Abstimmung, wie Ihr sie gewählt habt, der richtige Weg. Wir sollten Bruder Pablo seine Bedenkzeit gewähren und uns morgen nach der Frühmesse hier wieder zusammenfinden, um seinen Vorschlag anzuhören und über ihn abzustimmen.“ Joao Lourenço nickte und sah seinen Nachbarn an.
„Wir sollten es so machen, wie vorgeschlagen. Lasst uns morgen nach der Frühmesse darüber neu entscheiden.“
„So sei es“, erklärte Soares, „ich werde jetzt die Knechte bitten, Euch Kammern zuzuweisen. Wir treffen uns zur Dämmerung in der Kapelle wieder, um gemeinsam das heilige Abendmahl zu empfangen.“
Am kommenden Morgen trafen die Ritter wieder im Saal zusammen und gruppierten sich um den Tisch. Als alle anwesend waren, ergriff Joao Soares wieder das Wort.
„Verehrte Brüder. Die Worte unseres Bruders Pablo haben mir heute Nacht zu denken gegeben. Deshalb schlage ich zwei Dinge vor. Erstens sollten wir Pablo de Alvares anhören, welche Vorschläge er zur Zukunft unseres Ordens zu machen hat, und zweitens sollten wir uns auf einen neuen Großmeister einigen. Bitte, Bruder Pablo, ich erteile Euch das Wort.“ Pablo de Alvares verneigte sich leicht und ging zur Kopfseite des Tisches.
„Verehrte Brüder im Herrn. Ich habe heute Nacht lange gebetet. Mir erscheint es sinnvoll, wenn wir unseren Orden umbenennen, aber in seiner Struktur so lassen wie bisher. Einen neuen Großmeister können wir nicht bestimmen, weil unser Großmeister Jaques de Molay in der Gefangenschaft lebt und es ja immerhin möglich ist, dass er irgendwann freigelassen wird. Wir dürfen ihn nicht verraten. Wir können aber einen neuen Komtur wählen und als Komturei Portugal fortbestehen. Und da schlage ich als neuen Komtur den Ritter Joao Soares vor. Das ist mein Vorschlag.“ Joao Soares zuckte leicht zusammen, als sein Name genannt wurde.
„Bruder Pablo, ich danke Euch für den Vorschlag. Wir sollten darüber diskutieren und danach zu einer Abstimmung gelangen.“ Zustimmendes Gemurmel zeigte, dass so verfahren werden sollte. Die Ritter fanden sich in Gruppen zusammen und diskutierten über den Vorschlag Pablos. Nach geraumer Weile fanden sich alle wieder an der Tafel zusammen und blickten zum Hausherrn am Kopf des Tisches.
„Ich sehe, meine Brüder, Ihr habt ein Ergebnis erzielt. Zu welchem Vorschlag seid ihr gelangt?“ Hugues de Charnay, der Neffe des Templers, der zusammen mit Jaques des Molay in Paris in Haft saß, meldete sich.
„Wenn ich die Meinungen der Brüder zusammenfassen darf, sind wir zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Wir beauftragen den Ritter Joao Lourenço, nach eigenem Gutdünken mit König Dionysius zu verhandeln, wie unsere Zukunft fürderhin aussehen soll. Auf die Wahl eines neuen Großmeisters verzichten wir aus den von Bruder Pablo genannten Gründen. Jaques de Molay ist unser Großmeister und bleibt es bis zu seinem Tod. So ist es Brauch im Templerorden. Wir würden Euch, Bruder Joao Soares, als unseren Komtur und somit unseren Oberen in der Komturei Portugal wählen, wenn Ihr zustimmt. Und Eurem Wort würden wir uns unterwerfen. Nehmt Ihr unseren Vorschlag an?“ Joao Soares reagierte überrascht. Er zögerte sichtlich und sah zu Joao Lourenço an seiner Seite. Der nickte fast unmerklich. Dann straffte sich der Burgherr von Bragança.
„Verehrte Brüder, ich stimme dem Vorschlag zu, bitte Euch aber, noch einmal mit Handzeichen zu bekunden, ob Ihr dem Vorschlag von Bruder Hugues zustimmt. Ich werde mich dabei der Stimme enthalten.“ Die Hände der Ritter gingen in die Höhe. Es gab keine Ausnahme. Alle waren mit dem Vorschlag einverstanden.
„Gut, so sei es. Ich nehme die Wahl an, danke Euch und beauftrage als Erstes Bruder Joao Lourenço, mit dem Bischof von Lamego Kontakt aufzunehmen, um mit ihm zu beraten, wie dem König eine Übernahme der Templer nach Portugal vorgetragen werden kann. Wir werden uns in kleinem Kreis noch in der Nacht beraten und schon morgen wird Joao nach Lamego reiten.“ Damit war die Versammlung der Templer in Bragança beendet. Joao Soares winkte seinen Ritterbruder Joao Lourenço zu sich. Sie gingen in eine separate Kammer. Ritter Pablo de Alvares schaute nachdenklich hinter ihnen her, als sie in dem Zimmer verschwanden und die Tür hinter sich schlossen. Nur zu gerne hätte er gehört, was die beiden da miteinander zu bereden hatten.
„Bruder, ich habe Euch hierher gebeten, weil ich mit Euch einige Worte ganz allein sprechen möchte“, begann Soares.
„Nur zu, Bruder.“
„Bruder Joao, Ihr seid einer der jüngsten Ritter in unserer Runde. Trotzdem hattet Ihr von unserem Großmeister die schwere Aufgabe zugeteilt bekommen, das Vermögen unseres Ordens vor dem französischen König in Sicherheit zu bringen. Ihr habt diese Aufgabe mit Bravour gemeistert. Vor dieser Leistung kann man sich nur verneigen.“
„Bruder Joao Soares, das konnte nur gelingen, weil ich gute Lehrmeister hatte und weil alle anderen Ritter sich hinter mich gestellt haben. Ausnahmslos. Ohne Murren und ohne Zagen. Aber um mir das zu sagen, habt Ihr mich doch nicht mit in diese Kammer genommen.“
„Ja, ja. Das ist richtig. Aber das ist ja auch das, was unseren Orden so schlagkräftig gemacht hat. In der Vergangenheit.“
„Wieso in der Vergangenheit? Das soll doch auch in Zukunft so weitergehen.“
„Da habt Ihr sicherlich Recht. Aber es gibt noch einiges zu beachten, an das Ihr offenbar noch nicht gedacht habt. Das ist Euch nicht vorzuwerfen. Aber es sind Besonderheiten hier in Portugal, auf die ich Euch gerne hinweisen möchte. Das wird für Euer Gespräch mit dem Bischof von Lamego sehr wichtig sein.“
„Ich weiß nicht, wo es da Besonderheiten geben soll. Wir sind ein Orden der Kirche und der Bischof ist ebenfalls ein Gottesmann.“
„Das ist grundsätzlich richtig. Aber nur grundsätzlich. Der Bischof ist ein Gottesmann, aber kein Ordensmann. Ihm ist das Denken eines Ordensmannes zwar nicht fremd, aber auch nicht geläufig. Und wir als Templerorden werden in der ganzen christlichen Welt angefeindet, seit König Philipp unseren Orden angegriffen hat, und der Papst unterstützt ihn darin. Papst Clemens ist ein Jugendfreund des französischen Königs und ihm verpflichtet, weil er seine Wahl zum Kirchenoberhaupt mit Geld unterstützt hat. Dieses Geld will der König sich jetzt von uns zurückholen. Und eines sollt Ihr wissen, wenn Ihr mit dem Bischof von Lamego sprecht, die Kirche mit ihren Bischöfen an der Spitze wird selbstverständlich den Papst unterstützen. Nicht unseren Templerorden. Mögen die Vorwürfe auch so absurd sein, dass sie nur ein sehr einfältiger Mensch glauben kann. Aber die meisten der Christenmenschen können nicht schreiben und nicht lesen. Sie sind einfältig. Das kann man ihnen nicht vorwerfen. Es gibt für sie keine Schulen und die meisten Grafen, Ritter und anderen Adeligen tun nichts, um das zu ändern. Nur so, denken sie, können sie das gemeine Volk in ihrem Sinne lenken und leiten. Und die, die lesen und schreiben können, gieren nach dem Geld des Ordens. Ich selber traue hier in Portugal von allen Bischöfen nur Bischof Alfonso von Lamego. Der ist integer. Ganz sicher. Deshalb sende ich Euch zu ihm. Er ist Beichtvater des Königs Dionysius und wird ihm sicher das eine oder andere vernünftig beibringen können. Aber das erfordert auch Geschick von unserer Seite.“
„Wenn Ihr mich für ungeschickt halten würdet, hättet Ihr mir nicht den Auftrag gegeben, mit dem Bischof zu reden.“
„Das ist richtig. Trotz Eures jungen Alters halte ich Euch für den Einzigen der hier anwesenden Ritter, dem ich es zutrauen würde, den Bestand unseres Ordens so zu verhandeln, dass wir nicht untergehen oder den Johannitern zugeteilt werden. Als Templerorden werden wir nicht weiter bestehen können. Ich denke aber, das ist kein Problem. Nur, wenn wir dem Johanniterorden zugeordnet werden, wird das unwiderruflich unsere Einheit zerstören. Viele Ritter und Knechte werden den Orden verlassen. Was haltet Ihr davon, wenn Ihr dem König vorschlagt, nach den Regeln des Calatravaordens, der in Kastilien beheimatet ist, zu leben?"
„Calatravaorden? Das ist ja doch ein anderer Orden ähnlich dem der Johanniter. Das macht doch keinen Sinn.“
„Versteht mich nicht falsch. Ich meine nicht, dass wir uns dem Calatravaorden anschließen oder gar unterordnen sollen. Wir sollten nur nach seinen Regeln leben und uns einen neuen Namen geben. Der Orden ist klein, kann niemandem gefährlich werden und hat in Portugal keine Klöster. Als neuen Großmeister schlagen wir Ritter Gil Martins vor. Der hat das richtige Alter, stellt etwas dar und hat genug Würde, um das Amt zu vertreten. Unser Großmeister Jaques de Molay sitzt noch immer im Gefängnis des Franzosenkönigs. Es muss befürchtet werden, dass er es nur zum Sterben verlassen wird. Deshalb wird er uns verzeihen, wenn wir uns als neuer Orden einen neuen Großmeister suchen.“
„Ja, das mag sein. Wir werden nicht mehr Tempelritter heißen können. Das sehe ich auch so. Vielleicht gönnen wir es dem König, uns einen anderen Namen zuzuweisen. Das stärkt den Zusammenhalt zwischen uns Rittern und dem König. Gil Martins als Großmeister vorzuschlagen, ist eine glänzende Idee. Ich fürchte nur, Bruder Martin weiß noch nichts von seinem Glück. Was ist, wenn er ablehnt?“
„Nun ja, wir dürfen es ihm vorher nicht sagen. Dann würde er sicherlich ablehnen. Aber wenn ihn der König benennt, wird er genauso sicher nicht ablehnen.“
Lourenço grinste. „Ja, das ist ein guter Gedanke. Aber ich habe noch eine andere Sache, die ich mit Euch besprechen möchte.“ Joao senkte dabei die Stimme.
„Nur zu, warum denn so geheimnisvoll?“ Joao legte den Finger auf die Lippen, erhob sich und ging leise zur Kammertür. Dann machte er sie mit einem Ruck auf und sah nach draußen. Es war niemand auf dem Gang. Deshalb schloss er die Tür wieder und kehrte zu Joao Soares zurück, der ihn ziemlich überrascht ansah.
„Ihr macht es aber wirklich sehr spannend. Ihr habt doch nichts verbrochen? Ich kann nicht Euer Beichtvater sein. Ich bin kein Priester.“
Joao Lourenço winkte ab. „Oh, nein. Es ist kein Verbrechen, über das ich mit Euch sprechen will. Gott bewahre. Ich hatte Euch doch von meinem Freund Jan van Koninck erzählt. Ich traf ihn in Ponferrada, von wo aus er versuchte, nach Bragança zu kommen. Kurz vor der portugiesischen Grenze wurde er aber von französischen Söldnern abgefangen. Er konnte das Vermögen vorher verstecken, wurde aber dann in dem anschließenden Kampf so schwer verletzt, dass ich ihn in Galizien bestatten musste. Dort liegt vermutlich auch das Vermögen an einer Stelle, die keiner kennt. Alle, die es versteckt hatten, kamen zu Tode. Ich glaube aber zu wissen, wo sich das Vermögen befindet. Ich würde es Euch sagen, wenn Ihr es von mir verlangt. Ich sage es deshalb, damit Ihr Euch nicht wundert, wenn ich einige Dinge begleichen kann, ohne von Euch aus dem Vermögen des Ordens Geld erbitten zu müssen. Ihr sollt aber auch wissen, dass das, was ich bezahle, vom Orden für den Orden ist. Ich habe kein eigenes Vermögen. Ist das in Ordnung?“ Joao Soares blieb stumm. Er dachte nach. Lourenço unterbrach ihn nicht.
Schließlich räusperte sich der portugiesische Ritter. „Es ist ein ungeheurer Vertrauensbeweis, wenn Ihr mir davon berichtet. Ich werde das Gesagte ganz sicher für mich behalten. Es reicht, wenn ich es weiß. Und wer kann schon jetzt sagen, wie mit uns als Orden in Zukunft verfahren wird. Es wäre gut, noch Vermögen in der Hinterhand zu haben, mit dem man agieren kann. Ich danke Euch, Ritter Joao Lourenço, für Euer Vertrauen. Es ehrt mich.“
„Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen und ich gehe jetzt mit Freude zum Bischof nach Lamego.“
Soares nickte und schlug dem jungen Ritter mit der Hand auf die Schulter. „Geht mit Gott.“
Der erste König von Portugal, Alfons, war feierlich durch die Versammlung der Cordes zu Lamego als König bestätigt worden. Alfons gab dem neuen Reich die Grundgesetze von Lamego und nannte es Portugal nach dem Namen der Grafschaft Portocale. In den folgenden Jahren erhielt Lamego weitere Rechte, darunter Marktrechte, die den Ort weiter aufwerteten und insbesondere Händler mit orientalischen Stoffen und Gewürzen aus weiten Teilen der Iberischen Halbinsel anlockten, so aus Kastilien und dem Emirat von Granada. Die nahe dem Douro in einem Seitental liegende Stadt Lamego erlebte eine Blütezeit, da unter anderem hier ein feiner Wein angebaut wurde. Seit der Zeit der Westgoten war Lamego Bischofssitz und der amtierende Bischof hatte einen besonderen Einfluss auf den König, denn er war traditionell sein Beichtvater. Und genau mit diesem Bischof wollte Joao Lourenço jetzt verhandeln.
Es war nicht sonderlich weit von Bragança nach Lamego. Aber es ging durch eine stark bewaldete Landschaft mit tiefen Flusstälern und nur wenigen Ortschaften. Joao hatte ganz bewusst auf die Begleitung durch einen Knappen verzichtet. Er wollte allein und demütig vor dem Bischof erscheinen. Aber den Habit seines Ordens legte er ganz bewusst an. Der weiße Ordensmantel mit dem roten Kreuz auf der linken Seite war ihm Verpflichtung. Zur Sicherheit hatte er sein Kettenhemd untergezogen und natürlich sein Schwert umgegürtet. So ritt er durch die ihm immer noch fremde Landschaft.
Er hatte sein Ziel fast erreicht, als er auf einen einsamen, am Wegrand gebückt vor einem Gebüsch stehenden Mann sah. Als der den Reiter hörte, richtete er sich auf und schaute ihm entgegen. Kurz bevor Joao bei ihm ankam, war zu erkennen, dass die Augen des Mannes, offenbar von Krankheit gezeichnet, tief in den Höhlen lagen. Seine Lippen waren leicht geöffnet, so als hätte er Schwierigkeiten beim Atmen. Als Joao bei ihm stehen blieb, schob der einsame Wanderer seinen Wollumhang zurück, zog seinen Dolch aus dem Gürtel und warf ihn auf den Boden. Sein Verhalten war verständlich. In diesen Zeiten gab es überall Räuberbanden, die einen einsamen Wanderer schon allein wegen seiner Lumpen, die er am Leib trug, erschlugen. Aber hier stand ein Tempelritter. Einen Dolch zu haben, konnte übel enden. Man konnte schnell für einen Räuber gehalten werden. Deshalb wurde ein Dolch lieber vorher ins Gras geworfen. Joao ließ sein Pferd etwas rückwärts gehen. Das nutzte der Mann, raffte den Dolch wieder vom Boden auf und sprang mit einem Bündel behände in das Gebüsch, in dem er verschwand.
Joao erinnerte sich, was Soares über die Räuber gesagt hatte. Es waren oft Ausgestoßene, Vogelfreie oder auch Aussätzige. Wie ein Aussätziger hatte der Mann tatsächlich ausgesehen, der sich ins Gebüsch geschlagen hatte, und der Ritter war froh, etwas zurückgeritten zu sein. Joao ritt wieder nach vorn und warf einen Blick auf das Gras, über das sich der Mann gebeugt hatte. Er erschrak. Dort lag die Leiche einer Frau. Sie trug das Haar offen wie eine Gauklerin. Sie war nackt. Um sie herum lagen die Fetzen ihrer Kleider. Früher musste sie recht hübsch gewesen sein, doch jetzt war ihr Gesicht zu einer Fratze verzerrt. Joao hatte schon viel erlebt und auch etliche im Kampf Gefallene mit schrecklichen Wunden gesehen, aber eine tote Frau bot einen Anblick, der auch ihm noch das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Frau waren mit einem Messer klaffende Wunden in die Brust geschlagen worden. Ihr Bauch war aufgeschlitzt, so dass ihr Gedärm herausgequollen war. Joao blickte sich um. Es war niemand mehr zu sehen. Deshalb saß er ab. So wie die Frau aussah und so, wie sie lag, war sie geschändet worden. Da konnte es für ihn keinerlei Zweifel geben. Ob sie dabei zu Tode gekommen oder erst hinterher getötet worden war, erschloss sich dem Ritter nicht. Er war auch kein Arzt, der das vielleicht hätte feststellen können. Ob der Mann, der bei seiner Ankunft ins Gebüsch geflüchtet war, die Frau geschändet und getötet hatte, oder nur derjenige gewesen war, der sie fand, wusste Joao auch nicht. Beides war möglich. Aber es war müßig, in der dichten Macchia nach dem Verschwundenen zu suchen. Ihn zu finden, war ein Ding der Unmöglichkeit. Also ließ Joao die Frau liegen und nahm sich vor, im nächsten Ort den Alkalden, den Bürgermeister, zu unterrichten, damit er die Tote abholen ließ, um ihr ein Begräbnis zukommen zu lassen.
Er beeilte sich, Lamego noch vor Toresschluss zu erreichen. In der Stadt residierte schließlich der zur Zeit für die Templer wichtigste Bischof des Landes. Mit ihm musste Joao unbedingt reden. Er brauchte den Mann als Fürsprecher. Zwar war der König kein Gegner der Templer, aber offiziell wollte er zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit den Ordensleuten reden. Nichts war da unverfänglicher als ein Bischof, der zu den Beratern des Herrschers zählte. Nebel legte sich klamm auf seine Haut, als er die Furt in der Talsenke durchritt. Direkt am Fluss unterhalb des Ortes stank es bestialisch. Offenbar war eine Gerberei in der Nähe, dachte der Templer und tatsächlich kam er an einem der von hellen Schottersteinen gesäumten Seitenarme des Rio Balsemao an einer Walkmühle vorbei. Die rhythmischen Geräusche der Hämmer, die das Leder schlugen, ließen keinen Zweifel zu, dass sie in Betrieb war. Joao ließ die Mühle hinter sich liegen. Der Gestank wurde wieder erträglicher. Dafür hing der Rauch von Feuern aus etlichen Häusern der vor ihm liegenden Stadt in der Luft. Er kannte das. Alle Städte rochen so. Doch heute fiel es ihm auf. Heute war es ihm unangenehm.
Endlich sah er das Stadttor. Es war bewacht. Ein Soldat kontrollierte gerade einen Bauern, der mit seinem Karren in den Ort hineinfahren wollte. Ein zweiter Soldat lehnte gelangweilt an der Mauer und schaute interessiert auf den Reiter, der sich näherte. Hinter dem Stadttor mitten in dem Ort auf einer kleinen Anhöhe lag die Kirche. Sie schien Joao für einen Bischofssitz recht klein. Daneben war an den trutzigen Mauern die Burg des Bischofs zu erkennen. Da hatte er keinerlei Zweifel. Dort wollte er hin. Der Wachsoldat hielt ihn an.
„Holla, Ritter, wohin des Wegs?“ Joao blieb auf seinem Pferd sitzen. Er hatte noch immer den weißen Mantel der Templer mit dem roten Kreuz an. Oben von seinem Pferd sah er auf den Wachsoldaten hinunter. Der zweite Soldat, der inzwischen den Bauern abgefertigt hatte, kam ohne Eile neugierig über die Straße zu seinem Kumpan.
„Ich bin Joao Lourenço und will mit dem Bischof sprechen.“
„So, so, Joao Lourenço seid Ihr? Und mit dem Bischof wollt Ihr sprechen? Weiß seine Exzellenz denn, dass Ihr kommt? Templer sind nicht mehr so gut gelitten. Wir sind nicht sicher, ob wir Euch in die Stadt einlassen dürfen.“ Joao schwoll der Kamm. Das, was der Wachsoldat hier mit ihm veranstaltete, war reine Provokation. Für einen Moment überlegte er, ob er die beiden nicht einfach über den Haufen reiten sollte. Aber das konnte ihm nur Ärger einbringen. Wenn die Wachsoldaten Alarm schlugen, hatte er die ganze Meute der bischöflichen oder königlichen Soldaten gegen sich. Das bedeutete wieder Ärger. Und genau den konnte er vor den Gesprächen mit dem Bischof nicht gebrauchen. Also verlegte er sich auf freundliche Worte. Den Hinweis auf die tote Frau behielt er erst einmal für sich.
„Ich kann Eure Bedenken verstehen, würde vielleicht genauso handeln“, säuselte Joao ganz gegen seine Überzeugung, „aber ich habe eine ganz wichtige Nachricht für den Bischof und deshalb muss ich mit ihm reden. Wenn sich die Nachricht verzögert, würde das dem Bischof vermutlich nicht sehr gefallen. Vor allem, weil ich ihm sagen müsste, dass Ihr mich aufgehalten habt und für die Verzögerung verantwortlich seid. Das könnt Ihr doch verstehen, oder?“ Beide Wachsoldaten runzelten die Stirn und wussten nicht so recht, ob der fremde Tempelritter es ernst meinte oder ob er sie an der Nase herumführen wollte. Einer von beiden spuckte ordinär vor sich auf die Steine. Schließlich räusperte sich der, der zuletzt gekommen war.
„Gut, Ritter Joao, ich bringe Euch zur Burg des Bischofs. Der Kastellan wird über Euch weiter entscheiden. Folgt mir.“ Der Wachsoldat drehte sich um und schritt durch das Tor in die Stadt. Er sah sich nicht um, ob Joao ihm folgte. Er hörte offenbar den Tritt der Pferdehufe auf den Pflastersteinen und schloss daraus, dass der Ritter hinter ihm her kam. Der Hufschlag klang dumpf in der schmalen Gasse. Es ging zwischen zweigeschossigen Häusern durch enge Gassen, die gerade die Bauernkarren durchließen, leicht bergan. Gelegentlich roch es faulig, weil die Bewohner ihre Abfälle einfach auf die Gasse geschüttet hatten. Hin und wieder musste Joao Wäsche ausweichen, die von einer Gassenseite zur anderen zum Trocknen aufgehängt worden war. Hinter den Fenstern bemerkte Joao neugierige Blicke, die ihm folgten. Seinem Pferd liefen einige Kinder nach, die von einer Straßenecke zur anderen immer mehr wurden. Es war ziemlicher Betrieb in den Gassen. Frauen mit Körben, Männer mit Säcken und anderen Dingen, die zur täglichen Arbeit notwendig waren, kreuzten seinen Weg. Plötzlich öffnete sich die enge Gasse zu einem weiten Platz vor der Kirche. Dort stand ein Brunnen und überall waren Händler. Einige Bauern verkauften von ihren Karren Gemüse, Obst, Federvieh und einige Ziegen. Zwischendurch verjagten sie aufdringliche Kinder, die versuchten, von den Ständen etwas zu stibitzen. Sogar mehrere muslimische Händler, vermutlich aus dem Emirat von Granada, boten mehr oder weniger kostbare Stoffe und fremdartige Gewürze an. Über qualmenden Holzfeuern wurde gebacken. Joao sog den aromatischen Geruch tief ein und er schloss dabei für einen Moment die Augen. Aus irgendeiner Ecke des Marktes klangen das durchdringende Gequäke eines Dudelsacks und die schrillen Töne einer Drehleier.
Genau gegenüber lag die Kirche. Beim Näherkommen schien sie doch größer zu sein, als er auf den ersten Blick vermutet hatte. Der Turm der Kirche war wuchtig, aber nicht sehr hoch. Dafür war das Steinportal gewaltig und mit schönen Steinfiguren eingerahmt. Rechts neben der Kirche erhoben sich die trutzigen Mauern des Bischofssitzes.
Zwei Mönche am Eingang schauten zu ihnen herüber. Der Wachsoldat tuschelte kurz mit ihnen, wies auf den Ritter und trat unschlüssig von einem Bein auf das andere. Einer der Mönche war in der Toreinfahrt verschwunden. Joao blieb noch immer auf seinem ruhig stehenden Pferd sitzen und schaute dem Treiben auf dem Platz zu. Die Bauern und die Bürger der Stadt hatten sich wieder ihren Tagesgeschäften zugewandt. Der fremde Ritter vor dem Bischofspalast interessierte sie nicht mehr. Nach scheinbarer Ewigkeit kam der Mönch zurück, schickte den Wachsoldaten wieder an sein Stadttor und winkte dem Ritter, ihm zu folgen. Vor dem überraschend niedrigen Tor der Burg blieb Joao keine andere Wahl. Er musste absitzen, nahm sein Tier an den Zügel und folgte dem Mönch. Direkt hinter dem Tor wurde dem Ritter von einem heraneilenden Knecht sein Pferd abgenommen. Joao achtete genau darauf, wo man es hinbrachte, dann folgte er dem Mönch in die Burg oder das, was man als Burg ansah. Es war nichts weiter als ein großzügiges Steinhaus ohne aufwendigen Schnickschnack oder die Insignien einer Burganlage. Das ganze sah von außen gewaltiger aus, als es von innen tatsächlich war.
In dem großen Zimmer, in das Joao geführt wurde, stand mitten im Raum ein Mönch mit einem großen, goldenen Kreuz auf der Brust, welches an einer kräftigen Goldkette hing. Es war ganz offensichtlich ein Dominikaner. Die große, kräftige Gestalt des Mönchs konnte sich mit der von Joao durchaus messen. Er war etliche Jahre älter als der Templer, hatte einen wachen Blick und musterte den Ankömmling unverhohlen von oben bis unten. Dann machte er eine ausholende Handbewegung und lud Joao ein, an dem großen Tisch Platz zu nehmen.
„Seid willkommen, Ritter Joao. Ihr seid allein, wie mir mein Mönch berichtete?“
„Ja, ich bin allein. Seid Ihr Bischof Alfonso? Mir wurde berichtet, dass der Bischof keinem Orden angehört. Jetzt sehe ich Euch in der Kutte der Dominikaner.“
Der Dominikaner lachte. „Man hat Euch richtig unterrichtet. Ich gehöre keinem Orden an, ich schlüpfe nur aus Bequemlichkeitsgründen gerne in die Kutte der Dominikaner. Ich hoffe, Ihr seid deswegen nicht verwirrt.“
„Nein, Exzellenz, ich bin nicht verwirrt. Es hatte mich lediglich irritiert. Aber um auf Eure Frage zurückzukommen. Meine Gefährten sind in Bragança geblieben. Aber lasst mich Euch noch vorstellen. Ich bin Ritter Joao Lourenço. Ich bin, wie Ihr unschwer erkennen könnt, Tempelritter. Aber bevor ich mein Anliegen vortrage, gestattet mir einen Hinweis. Auf dem Weg einige Meilen am Fluss abwärts, auf der anderen Seite im Bereich der undurchdringlichen Macchia, fand ich eine tote Frau. Sie war offenbar geschändet und danach umgebracht worden. Einen Mann mit einem schmutzigen Wollmantel sah ich auch. Ob er der Täter ist oder ob er die Frau auch nur gefunden hatte, weiß ich nicht. Als ich bei ihm eintraf, flüchtete er in die Macchia. Vielleicht ist es Euch möglich, dafür zu sorgen, dass die Frau ein christliches Begräbnis bekommt.“
Der Bischof hatte sich den Hinweis in aller Ruhe angehört und rief jetzt nach einem seiner Mönche. In devoter Haltung kam ein junger Dominikaner in den Raum und der Bischof flüsterte ihm einige Sätze zu. Der dunkelgekleidete junge Mann nickte und verschwand ebenso unhörbar, wie er gekommen war.
„Eure Exzellenz, ich danke Euch. Aber lasst mich jetzt mein Anliegen vortragen. Unser Orden wird, wie Ihr sicherlich wisst, vom französischen König verfolgt. Meine Ordensbrüder in Frankreich wurden verhaftet und französische Söldner verfolgten uns, um uns das Vermögen abzujagen, welches wir, durch unseren Ordensoberen beauftragt, in Sicherheit gebracht haben. Wir suchen Schutz und Hilfe bei Euch in Portugal. Und da Ihr ein Vertrauter von König Dionysius seid, wende ich mich mit der Bitte um Hilfe an Euch. Ich habe von meinem Orden die volle Verhandlungsmacht erhalten.“ Der portugiesische Bischof hatte während der Rede des Templers nur leicht mit dem Kopf genickt. Als Joao die Vertrautheit des Bischofs mit dem König ansprach, war ein leichter, spöttischer Zug über die ansonsten unbewegten Gesichtszüge gefahren. Jetzt beugte er sich etwas vor.