Der Zauberlöwe - Hildegard Schumacher - E-Book

Der Zauberlöwe E-Book

Hildegard Schumacher

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Beschreibung

Tine wünscht sich einen richtigen Löwen zum Geburtstag. Ihre Enttäuschung ist groß, als sie statt des Löwen den Kater Bimbo bekommt. Tines Zauberer Simsalabim ist machtlos, er kann gar nicht zaubern. Tine denkt sich einen Zauberspruch aus, aber mit dem kleinen Zauberstab der Puppe Simsalabim klappt es nicht. Aber der Vater ist Verkehrspolizist und besitzt einen richtigen großen Zauberstab, mit dem er sogar ganz große LKWs zum Halten bringt. Heimlich holt sich Tine in der Nacht den Stab und ein riesengroßer Löwe liegt plötzlich statt der Katze in ihrem Bett. Tine erlebt nun mit Bimbo und ihrem Freund Emil spannende Abenteuer. LESEPROBE: Aus dem Konsum-Bäckerladen duftet es nach frischen Semmeln. Warmer Kuchenhauch weht auf die Straße. Tine schnuppert. Hm, Kringelschnecken und zuckerglasierte Mandelschnitten! Bimbo streckt witternd die Nase in die Höhe. Er zieht einen tiefen Schnaufer ein. Die Katzenmahlzeit vom Geburtstagsabend füllt einen Löwenmagen wie ein Regentropfen den Ozean. Fast von ganz allein lenkt Bimbo nach links und tappt die drei Stufen zum Laden hinauf. Eine Oma möchte mit zwei weichen Mummelsemmeln im Plastebeutel nach Hause, wo der Kaffee in der Kanne dampft. Da versperrt ihr der Löwe den Weg. Einen Schrei will die Oma aus ihrer Kehle reißen, sie seufzt nur bang, tapert rückwärts und drückt die Türflügel breit auf. Bimbo braucht bloß hindurchzumarschieren, doch er ist ein höfliches Tier. Einen Schritt tritt er zurück und gibt der Oma den Weg frei. Im Laden sind alle wie gelähmt vor Schreck. Selbst die Kuchenbienen setzen mit dem Summen aus. Die Leute starren Bimbo an, der bescheiden vor der weit geöffneten Tür wartet. Er weiß, was sich gehört, die Oma soll den Vortritt haben. Aber sie klebt in ihrer grauen Kittelschürze gleich einer Fledermaus an der Tür. Aus purer Verlegenheit klopft Bimbo mit seiner Schwanzquaste auf die Stufen. Er hechelt kurz, weil er das Wasser im Maul nicht mehr zu bändigen weiß. Es tropft ihm vor lauter Appetit heraus. Nein, nicht vor Appetit auf die Oma, der Kuchenduft sticht ihm in die Nase. So stehen sie sich gegenüber, Löwe und Brötchenkäufer. Lange stehen sie so. Da löst die Oma den Bann. Sie stürzt davon, den Beutel mit den Semmeln schleudert sie fort. Er trifft Bimbos Hinterteil, und mit einem Satz ist er im Laden. „Rette sich, wer kann!“, kräht ein Maurerlehrling und hechtet ins oberste Brotfach.

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Seitenzahl: 61

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Impressum

Hildegard und Siegfried Schumacher

Der Zauberlöwe

ISBN 978-3-95655-221-2 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien erstmals 1969 im Kinderbuchverlag, Berlin.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2014 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Der Zauberlöwe

Es war einmal, so beginnen die Märchen. Die klarste Wahrheit steckt darin, klar wie Blütenhonig, der süß und nach Sonne schmeckt. Koste nur davon, und schwupp! sitzt du auf einer Linde, hoch oben in ihrem Honigtopf. Du sperrst die Augen weit auf und siehst Tine.

Sie feiert ihren achten Geburtstag. Die Mutter hat einen Lichterkranz aufgebaut. Neun Flackerzungen, acht kleine und eine große, lecken die Luft und werfen ihren Schein über alle Geschenke: das neue rote Kleid, das Märchenbuch, die Schokoladentafel, über einen geflochtenen runden Weidenkorb. Was sucht der Weidenkorb zwischen den Geschenken? Tine reckt sich auf Zehenspitzen und guckt hinein. Ein sandgelbes Kätzchen! Zusammengekringelt schläft es. Eine Karte steht daneben:

Liebe Tine!

Du hast Dir einen kleinen Löwen gewünscht. Der Löwe bin ich.

Dein Bimbo

Ein Katzenlöwe? Tine zieht die Nase kraus. Einen richtigen Löwen wollte sie haben, so einen stolzen, schönen, mit wallender Lockenmähne, wie er in den Afrikabüchern von Heinrich, dem Pionierleiter, abfotografiert ist. Aber immer hat ihr Vati über diesen Wunsch gelacht, und er hat gefragt: „Wozu brauchst du ihn? Der frisst unsere Speisekammer ratzekahl. Und an die Tür müssen wir ein Schild nageln: Vorsicht, bissiger Löwe! Nein, nein, der bekommt am Ende Appetit auf uns selbst und auf ganz Mückenburg. Das ist viel zu gefährlich!“

„Ich wünsch mir ja nur einen ganz kleinen“, hat Tine dann gebettelt, und der Vater hat den Kopf geschüttelt. „Der wächst sich groß. Ich bin Polizist. Da muss ich aufpassen, dass keinem etwas Böses geschieht.“

Und die Mutter hat gefragt: „Was soll aus unserer Wohnung werden? Hast du daran gedacht? Wir müssen sie eingittern lassen mit festen Eisenstangen. Willst du in einem Käfig hausen? Soll ich Staub wischen mit solch einem Untier im Rücken?“

Heimlich hat Tine auch ihren Simsalabim mit dem langen weißen Wattebart, dem Tütenhut und dem schwarzen Zauberstöckchen gebeten. Ja, morgens, mittags und abends hat sie ihm ihren Löwenwunsch vorgesagt. Simsalabim aber blieb stumm und steif und war sicher wirklich nichts weiter als eine Puppe fürs Kaspertheater. Und jetzt schläft ein Ersatzlöwe auf dem Geburtstagstisch. Tine streicht ganz leise über das weiche Fell. Da reißt der Katzenlöwe den Rachen auf, gähnt und zeigt die spitzen Zähne. Er streckt sich, spreizt die Dornenkrallen. Wirklich, fast könnte es ein kleiner Löwe sein. Warum wünscht sich Tine gerade einen kleinen Löwen?

Das ist ihr Geheimnis. Sie will ihn großfüttern. Beim Sattler wird sie ein Halsband schneidern lassen, blitzblau mit silbernen Schnallen. Eine Leine kauft Tine und spaziert jeden Tag mit ihrem großen Löwen in Mückenburg herum, überall. Gehorsam wie ein Schoßhund lässt er sich leiten. Und alle großen Leute werden ganz große Augen machen. Ja, staunen sollen sie!

Nie wieder wird Fräulein Mehlstaub vom Konsumbäckerladen sagen: „Du kannst noch warten, Tine, du hast Zeit. Erst kommen die Erwachsenen an die Reihe. Sie haben es eiliger.“ Drücken Tine die Minuten nicht genauso sehr? Hat sie nicht auch Pflichten? Muttis langen Einkaufszettel, Pioniernachmittag, Hausaufgaben für Fräulein Zierlich, denn die Lehrerin liebt Bummeltanten nicht. Tine auch nicht. Auf ihrem Zeugnis sollen wie in jedem Jahr Einsen und Zweien glänzen, und es soll wieder draufstehen, dass Tine schon allein auf sich aufpasst und auch anderen hilft.

Das wird sie Fleischermeister Sülzbacke diesmal unter die Nase halten, damit er nicht mehr Mäuschen zu ihr sagt. Und wenn der große Bimbo sie begleitet, sieht Meister Sülzbacke erst recht, wie sehr er sich geirrt hat. Kein Mäuschen führt einen Spazierlöwen durch die Straßen. Wer ihn lenkt, der ist selbst groß. Ja, so ein Bimbo müsste Tines Freund sein, ein starker Freund, noch stärker als der starke Emil Schnakelschmidt, der neben Tine auf der Schulbank sitzt.

Aber Bimbo ist kein Löwe, leider, sondern nur ein Katzenkind, das man nicht an der Spazierleine führt, und deshalb geht Tine allein zur Schule.

Wer Geburtstag hat, ist etwas Besonderes. Alle gratulieren. Sie wünschen so viel Gutes, dass Tine gar nicht weiß, wo sie das ganze Gute mit einem Male hinstapeln soll, und sie lädt ihre zehn Freundinnen und den starken Emil zur Geburtstagsfeier ein.

Ein schöner Tag fliegt im schnellen Sputnikschiff. Die Stunden schwinden wie der Wind. Schon steckt die Sonne die Abendleuchte und Tines Vater zwölf bunte Lampions an. Sie schwingen an langen Stöcken. Der Vater führt den Lichtermarsch und zieht seinen Liederbalg. Kürzer und kürzer wird der Zug der Geburtstagsgäste. Zum Schluss singen Vater und Tine allein nach Haus zurück. Darf das sandgelbe Kätzchen in Tines Stube schlafen? Die Mutter will es in den Stall tragen. Doch Tine bittet so lange, bis das Katzenbett seinen Platz neben dem Ofen bekommt. „Dass du mir Bimbo nicht in dein Bett nimmst!“, sagt die Mutter und „Gute Nacht!“ und knipst das Licht aus.

Durch das Fenster guckt der Mond. Er leuchtet Simsalabim ins Gesicht. Wächst nicht sein Bart länger und länger, sein Tütenhut höher und höher? Ja, wenn Tine zaubern könnte! Zuallererst einen richtigen Löwen. Ihren Bimbo behält sie trotzdem lieb. Jeden Morgen wird sie ihm eine Schüssel mit frischer Milch hinstellen und ihn streicheln und mit ihm spielen. Nein, sie vergisst ihn nicht.

Ob Bimbo in seinem Körbchen friert? Rasch schwingt Tine das Federbett zurück, läuft auf blanken Sohlen zu ihm. Kalt ist er nicht. Doch gegen Morgen weht es kühl durch das angelehnte Fenster. Hatte nicht Rita Springleins Kater neulich Schnupfen und nieste zwei-, sogar dreimal hintereinander? Tine nimmt das Körbchen samt Bimbo in ihr Bett. So, nun bleibt der Katzenlöwe im Korb, wie es die Mutter will, und sie kann ihm trotzdem von der Zudecke abgeben. Tine krault sein weiches Fell. Bimbo schnurrt leise.

Und der Mond scheint immer noch in Simsalabims Gesicht. Ganz blass ist er. Bebt nicht der Zauberstock in seiner Hand?

Halt, Tine wird Simsalabim auf die Probe stellen! Soll er beweisen, ob er seinen Zauberstock zu Recht trägt.

Tine tappt zur Tür und drückt die Klinke herunter. Alles ist dunkel und der Fernseher still. Vater und Mutter schlafen. Sacht schließt sie die Tür wieder und dreht am Lichtknopf. Die Lampe schleudert das Zimmer blendend hell.

Flink packt Tine den Zauberer beim Kragen und stellt ihn dicht vor Bimbo. „Bitte“, sagt sie, „nun zeige, was du kannst!“

Nichts, gar nichts geschieht. Nur Bimbo blinzelt einen Herzschlag lang mit dem rechten Auge.

„Beeil dich, Simsalabim“, drängt Tine.

Das Katzenkind bleibt ein Katzenkind.

Vom langen Stehen werden Tine die Füße kalt. Sie wirft Simsalabim auf den Tisch. Wenn er nicht einmal aus einer Katze einen Löwen zaubern kann, soll er sich dort im Zugwind das Niesen holen! Und morgen wandert er auf den Boden zum Spielgerümpel.

Ob sie es allein versucht? Sie zieht Simsalabim, der platt auf der Nase liegt, den Zauberstock aus der Hand. Und nun los! Aber nein, ohne Zauberspruch ist da sicher überhaupt nichts zu machen. Simsalabim hat keinen gesagt, darum hat er es nicht geschafft. Woher soll Tine den Spruch nehmen? Sie hat noch nie gezaubert. Mit zwei Fingern zupft sie sich am Ohrläppchen. Wind ... Kind ... geschwind ...

Schon ist der Spruch fertig.

Tine hält Bimbo den Zauberstab vor die Nase, sieht das Katzenkind fest an und sagt, so schön sie kann:

„Liebes Katzenkind,

wachse wie der Wind

zu einem Löwenmann geschwind!“

Nichts.

Sie versucht es noch einmal und noch einmal. Bimbo wächst um keinen winzigen Zentimeter.

Der Stock ist schuld, natürlich! Einen richtigen Zauberstab braucht Tine, einen kräftigen. Der von Simsalabim taugt nichts. Sie wirft ihn an seinen Tütenhut.