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Das Kursbuch 214 widmet sich sowohl den widersprüchlichen Romantiken von Freundschaft als auch den differenzierten Abgründen von Feindschaft. Aktueller könnte ein Thema fast nicht sein. Das Denken in Freund-/Feind-Schemata ist auf der Tagesordnung zurück, mit all seinen Untiefen, seinen Risiken, seinen normativen Implikationen und seinen Konsequenzen. Herausgeber Armin Nassehi geht in seinem Beitrag von einer Dreierkonstellation aus: vom vertrauten Antagonismus von Freund und Feind auf der einen Seite und dem Fremden auf der anderen.
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Seitenzahl: 21
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Inhalt
Armin NassehiDer zivilisierende StaubsaugerWie man mit Freunden und Feinden leben kann
Der Autor
Impressum
Armin NassehiDer zivilisierende StaubsaugerWie man mit Freunden und Feinden leben kann
Zygmunt Bauman hat 1992 in einem Text über den Fremden eine Bestimmung von Freund und Feind vorgenommen. Er schreibt: »Es gibt Freunde und Feinde. Und es gibt Fremde.« 1 Bauman ging es darum, die besondere Stellung des Fremden zu beschreiben, dessen Herausforderung gerade darin besteht, dass er unbestimmt ist, dass er sich den üblichen Kategorisierungen und Eindeutigkeiten entzieht, dass er das Unvertraute selbst darstellt, dass wir zu wenig über den Fremden und das Fremde wissen, um eine gewisse Vertrautheit zu erreichen.
Es soll hier nicht um den Fremden gehen. Aber Baumans Einstieg in das Thema ist sehr wertvoll für die Bestimmung von Freund und Feind, den er als »vertrauten Antagonismus« einführt. Denn: »Gegen diesen vertrauten Antagonismus, dieses konflikthafte Einverständnis von Freunden und Feinden rebelliert der Fremde.« 2 Der Fremde firmiert hier nicht einfach als fremd, sondern als Störung der sozialen Ordnung, weil er sich den »vertrauten« Antagonismen der Gesellschaft entzieht – hier chiffriert als »Freund und Feind«.
Übrigens spricht Bauman hier nicht über den empirischen Fremden, sondern über die Kategorie des Fremden, also über die Bedingung dafür, das Fremde als das Fremde anzusehen. Vertraut, so könnte man dann schließen, wird der Fremde nur sein oder werden können, wenn er Freund oder Feind ist, also in den vertrauten Kategorien der Gesellschaft vorkommt. Empirisch gesehen sind diejenigen, die wir fremd nennen, nicht fremd in Baumans kategorialem Sinn, sondern vertraut als Leute, über die man mehr weiß, als es zunächst den Anschein hat. »Mehr wissen« heißt: das Fremde in vertraute Kategorien, Unterscheidungen und Wissen einzuordnen.
In Baumans Sprachgebrauch würde das bedeuten: Der Fremde kann seine Fremdheit nur überwinden, wenn er entweder Freund ist oder Feind – und beides kommt empirisch durchaus vor: als positiv besetzte Exotisierung des Fremden, als Interesse an Anderem, als Objekt des Lernens und Gelegenheit zur Reflexion, als Projektionsfläche für eigene Sehnsüchte oder auch nur als Bestätigung von Stereotypen; aber eben auch als negativ besetzte Form der Bedrohung, des abzuwertenden Falschen, des beängstigenden Unvertrauten, des zu vernichtenden Gegners. Solche Fremde sind in Baumans Sinne geheilte Fremde, weil sie im vertrauten Kategoriensystem einen Ort haben und entsprechend verarbeitet werden können.3