Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
1 Staat und Gesellschaft - Ein historischer Abriss
Ägypten
Römisches Reich
Europäisches Mittelalter
Der Sprung in die Moderne
Reformation, Aufklärung und Absolutismus
2 Ein Blick in die Zukunft - Realitäten und Wunschvorstellungen
Wohlstandsentwicklung
Wirtschaftskraft im internationalen Vergleich
Copyright
Vorwort zur neuen Auflage
Die Veröffentlichung dieses Buches hat ungeahnt heftige Reaktionen ausgelöst. Als empörend wurde von manchem kritisiert, dass und wie ich in diesem Buch soziobiologische Argumente benutze. Bei der Wiedergabe meiner Thesen in den Medien ist es teilweise jedoch zu Verkürzungen gekommen, durch die meine Ansichten geradezu in ihr Gegenteil verkehrt wurden. Dies betrifft vor allem das Zusammenwirken von Demografie und Evolutionsbiologie.
Dieses Buch versucht, Gedanken über die Zukunft der deutschen Gesellschaft zu systematisieren, die mich schon länger beschäftigen. Dabei wird auch über Entwicklungen nachgedacht, deren Zeiträume viel weiter in die Zukunft gehen, als das im politischen Diskurs meist üblich ist. Ich weise im Buch darauf hin, wie problematisch demografische Projektionen über mehrere Generationen hinweg sind. Insofern haben meine Überlegungen zur deutschen Gesellschaft in 100 Jahren, die ich am Ende des Buches darlege, etwas Spekulatives. Wenn ich an einigen Stellen auch Fragen der genetischen Vererbung von Eigenschaften anschneide, dann ist mir bewusst, dass es nach dem aktuellen Stand der Forschung sinnlos ist, genetische Anlagen und Umweltfaktoren gegeneinander auszuspielen. In den Genen angelegte Potentiale und Umwelteinflüsse stehen in einem komplexen Wechselwirkungsverhältnis. Gene können wir nicht verändern, aber die gesellschaftliche Umwelt sollten wir politisch so gut wie möglich gestalten. Daher enthält das Buch lange Kapitel über Armut und Bildung. An keiner Stelle des Buchs behaupte ich, bestimmte ethnische Gruppen seien genetisch bedingt »dümmer« als andere. Überdies argumentiere ich häufig auf der Basis von Statistiken; statistische Verteilungen lassen methodisch keine Aussagen über einzelne Menschen zu.
Thilo Sarrazin
Berlin, im September 2010
Einleitung
Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.
FERDINAND LASSALLE
In den wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch sehr erfolgreichen Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg wuchs in Deutschland der Stolz auf den Fleiß und die Tüchtigkeit seiner Bürger, auf den stetig steigenden Lebensstandard und den immer weiter ausgebauten Sozialstaat. Die vier größeren Wirtschaftskrisen - 1966/67, 1974/75, 1981/82 und zuletzt 2008/09 - haben diesem Stolz und dem Vertrauen in die Solidität des eigenen Wirtschafts- und Sozialmodells wenig anhaben können. Selbst die Auswirkungen der Globalisierung, die Verschiebung der Gewichte in der Welt, die Umweltbelastungen und die zu befürchtenden Folgen des Klimawandels haben den Grundoptimismus der Deutschen - auch wenn sie gerne jammern - bisher nicht nachhaltig beeinträchtigt. Dieser Grundoptimismus und die Jahrzehnte des fast ungetrübten Erfolgs haben aber die Sehschärfe der Deutschen getrübt für die Gefährdungen und Fäulnisprozesse im Innern der Gesellschaft.
»Deutschland schafft sich ab?« - welch eine absurde Befürchtung, mögen viele denken, wenn sie dieses solide Land mit seinen 80 Millionen Einwohnern in der Mitte Europas betrachten: die Städte, die Industrie, die Autos, Handel und Wandel, Leben und Treiben … Ein Land aber ist das, was es ist, durch seine Bewohner und deren lebendige geistige sowie kulturelle Traditionen. Ohne die Menschen wäre es lediglich eine geografische Bezeichnung. Die Deutschen aber schaffen sich allmählich ab. Eine Nettoreproduktionsrate von 0,7 oder weniger, wie wir sie seit 40 Jahren haben, bedeutet ja nichts anderes, als dass die Generation der Enkel jeweils halb so groß ist wie die der Großväter. Die Geburtenzahl sank in Deutschland von über 1,3 Millionen jährlich in der ersten Hälfte der sechziger Jahre auf 650 000 im Jahr 2009 ab. Geht das so weiter - und warum sollte sich etwas ändern an diesem Trend, der schon über vier Jahrzehnte anhält -, dann wird nach drei Generationen, also in 90 Jahren, die Zahl der Geburten in Deutschland bei rund 200 000 bis 250 000 liegen. Höchstens die Hälfte davon werden Nachfahren der 1965 in Deutschland lebenden Bevölkerung sein.
Die Deutschen hätten sich damit quasi abgeschafft. Manche mögen dieses Schicksal als gerechte Strafe empfinden für ein Volk, in dem einst SS-Männer gezeugt wurden - nur so lässt sich die zuweilen durchscheinende klammheimliche Freude über die deutsche Bevölkerungsentwicklung erklären. Andere trösten sich damit, dass auch ein kleines Volk leben und überleben kann, und verweisen auf Dänemark mit seinen rund 5 Millionen Einwohnern. Deutschland wäre dann eben künftig ein Dänemark auf etwas größerer Fläche. Ginge das nicht auch? Was wäre daran so schlimm? Es würde vielleicht gehen, wären da nicht die qualitativen demografischen Verschiebungen jenseits der schieren Nettoreproduktionsrate sowie die Armutsmigration und der Bevölkerungsdruck über die Grenzen hinweg.
Vernünftig diskutiert haben wir über die demografische Entwicklung in Deutschland in den letzten 45 Jahren nicht. Wer nicht mit im Strom der Beschwichtiger und Verharmloser schwamm, wer sich gar besorgt zeigte, der musste bald frustriert erkennen, dass er alleine stand, und nicht selten fand er sich in die völkische Ecke gestellt. Abgesehen davon befindet sich der gesellschaftliche Diskurs in Deutschland in einem merkwürdigen Widerspruch: Einerseits ist die öffentliche Diskussion geprägt von Unterhaltungslust und dem Vergnügen an Skandalisierungen, andererseits ist sie zunehmend von den Euphemismen der politischen Begrifflichkeit beherrscht:
• Über die Folgen des Geburtenrückgangs durfte man Jahrzehnte überhaupt nichts sagen, wenn man nicht unter völkischen Ideologieverdacht geraten wollte. Das hat sich inzwischen geändert, da die Generation der Achtundsechziger Angst um ihre Rente bekommen hat. Aber jetzt ist es 40 Jahre zu spät.
• Die sozialen Belastungen einer ungesteuerten Migration waren stets tabu, und schon gar nicht durfte man darüber reden, dass Menschen unterschiedlich sind - nämlich intellektuell mehr oder weniger begabt, fauler oder fleißiger, mehr oder weniger moralisch gefestigt - und dass noch so viel Bildung und Chancengleichheit daran nichts ändert. Da dieser Grundsachverhalt geleugnet wurde, war jeder Diskussion über die zahlreichen Fehlsteuerungen des Sozialstaats der Boden entzogen. Es war tabu, darüber zu reden,
• dass man zwar 90 Prozent der Schüler einer Jahrgangsstufe zur Hochschulreife führen kann, aber dennoch nicht einmal 10 Prozent von diesen den Anforderungen eines Mathematikstudiums gewachsen sind
• dass wir als Volk an durchschnittlicher Intelligenz verlieren, wenn die intelligenteren Frauen weniger oder gar keine Kinder zur Welt bringen
• dass der Einzelne selbst für sein Verhalten verantwortlich ist und nicht die Gesellschaft.
»Wer nicht lernt, bleibt unwissend. Wer zuviel isst, wird dick.« Solche Wahrheiten auszusprechen, gilt als politisch inkorrekt, ja als lieblos und eigentlich unmoralisch - zumindest aber ist es unklug, wenn man in politische Ämter gewählt werden möchte. Die Tendenz des politisch korrekten Diskurses geht dahin, die Menschen von der Verantwortung für ihr Verhalten weitgehend zu entlasten, indem man auf die Umstände verweist, durch die sie zu Benachteiligten oder gar zu Versagern werden:
• Kann ein Schüler dem Unterricht nicht folgen, so liegt das an der Bildungsferne des Elternhauses.
• Leiden Kinder aus einfachen Verhältnissen auffallend häufig an Übergewicht infolge Bewegungsmangel, so liegt das nicht an der Vernachlässigung durch die Eltern, sondern an der sozialen Notlage der Familie.
• Machen die Kinder von Alleinerziehenden in pädagogischer Hinsicht Schwierigkeiten, so ist dafür die Gesellschaft verantwortlich, die den Alleinerziehenden nicht genügend Unterstützung gewährt. Dabei wäre doch zu fragen, welche gesellschaftlichen Umstände und individuellen Dispositionen dazu führen, dass es so viele Alleinerziehende gibt, und was man dagegen tun kann.
• Sprechen türkische Migranten auch in der dritten Generation noch nicht richtig deutsch, so wird eine Integrationsfeindlichkeit des Umfeldes ausgemacht. Aber warum, so fragt man sich, beobachtet man diese Schwierigkeiten bei fast allen anderen Migrantengruppen nicht?
Aus der soziologisch richtigen aber banalen Erkenntnis, dass in der Gesellschaft alles mit allem zusammenhängt, hat sich eine Tendenz entwickelt, alles auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zu schieben und so den Einzelnen moralisch und weitgehend tatsächlich von der Verantwortung für sich und sein Leben zu entlasten. Wie Mehltau hat sich politische Korrektheit über die Struktur- und Steuerungsfragen der Gesellschaft gelegt und erschwert sowohl die Analyse als auch die Therapie.
Welch einen Sturm der Empörung löste ich als Berliner Finanzsenator aus mit dem detaillierten Nachweis, dass man sich mit dem Betrag für Essen und Getränke in der staatlichen Grundsicherung sehr wohl gesund und abwechslungsreich ernähren kann. Übergewicht infolge falscher Ernährung ist dann aber nicht auf eine objektive Lebenslage zurückzuführen, für die der Einzelne nichts kann, sondern das Ergebnis individueller Verhaltensweisen, für die jeder selbst die Verantwortung trägt. Das aber wollten weder viele Betroffene noch die politisch Korrekten hören. Dass viele der Betroffenen sich in E-Mails und Leserbriefen empört äußerten, konnte ich verstehen, weniger, dass die sogenannten Gutmenschen über mich herfielen, als ich in einem Interview beiläufig erwähnte, dass das Tragen eines Pullovers helfen könne, Energiekosten zu sparen, da man dann weniger heizen müsse.
In die Steuerung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sollte einfließen, was man erreichen will, sowie die realistische Einschätzung tatsächlicher Wirkungszusammenhänge. Jeder, der über Gesellschaft nachdenkt oder diese mitgestalten will, agiert aber implizit oder explizit aus einem normativen Zusammenhang. Wenn er dabei die Natur des Menschen und die tatsächlichen soziologischen und psychologischen Wirkungszusammenhänge vernachlässigt oder falsch einschätzt, lebt und agiert er in einem Zerrbild. Sozialingenieure, die so verfahren, richten mehr Schaden als Nutzen an. Leider gibt es sie, und viele von ihnen schaden unserer Gesellschaft und trüben unsere Zukunftsaussichten. So wurde viel zu lange übersehen, dass die Alterung und Schrumpfung der deutschen Bevölkerung einhergeht mit qualitativen Veränderungen in deren Zusammensetzung. Über die schiere Abnahme der Bevölkerung hinaus gefährdet vor allem die kontinuierliche Zunahme der weniger Stabilen, weniger Intelligenten und weniger Tüchtigen die Zukunft Deutschlands. Dass das so ist, weshalb das so ist, und was man dagegen tun kann - davon handelt dieses Buch.
Ich stütze mich in meinen Ausführungen auf empirische Erhebungen, argumentiere aber direkt und schnörkellos. Es geht mir vor allem um Klarheit und Genauigkeit, die Zeichnung ist daher kräftig, nicht unentschlossen oder krakelig. Ich habe darauf verzichtet, heikel erscheinende Sachverhalte mit Wortgirlanden zu umkränzen, mich jedoch um Sachlichkeit bemüht - die Ergebnisse sind anstößig genug.
Deutschland ist, wirtschaftlich gesehen, in der Spätphase eines goldenen Zeitalters, das um 1950 begann und langsam zu Ende geht. Das Realeinkommen des einzelnen Erwerbstätigen steigt schon seit 20 Jahren nicht mehr, spätestens in 10 Jahren wird es sinken, und das wird infolge der demografischen Verschiebungen ein nachhaltiger Trend sein. Solche Prognosen scheinen nicht zu den aktuellen Exporterfolgen der deutschen Volkswirtschaft zu passen, nicht zur Exzellenzinitiative an den deutschen Universitäten und nicht zu den vielen guten Nachrichten, über die wir uns täglich freuen dürfen. Doch das nützt alles nichts, wenn wir die Grundlagen künftiger Wohlstandssteigerung aufzehren, und genau das tun wir, quantitativ und qualitativ:
• quantitativ, weil seit 45 Jahren jede neue Generation etwa ein Drittel kleiner ist als die vorhergehende, während gleichzeitig die Lebenserwartung steigt,
• qualitativ, weil sich die Bildungsfähigkeit und die Bildungsvoraussetzungen der Neugeborenen kontinuierlich verschlechtern und die Mentalität zu verkümmern scheint, die die Grundlage jeden produktiven Aufbruchs ist.
Ich war lange genug Fachökonom, Spitzenbeamter und Politiker, um zu jeder meiner Thesen den besten Anwalt aller nur denkbaren Gegenthesen abzugeben. In Form von Vorlagen, Vermerken, Redeentwürfen und Aufsätzen habe ich in den letzten 35 Jahren Tausende von Seiten mit Gegenthesen gefüllt. Meine Chefs mussten politisch überleben, und ich war dazu da, ihnen dabei zu helfen. Das hatte seinen Preis: Oftmals konnten subjektiv empfundene Wahrheiten nur dosiert vorgetragen werden. Immer wieder habe ich die Erfahrung gemacht, dass es in verantwortlicher politischer Position zwar nicht unmöglich, aber sehr schwierig und auch nicht üblich ist, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Es liegt ja durchaus ein Stück politischer Weisheit darin, sich auf lösbare Probleme und mehrheitsfähige Vorschläge zu konzentrieren. Aber das erschwert sowohl die klare Analyse als auch die passende Therapie, und wenn man nicht aufpasst, wird einem das Gehirn bis zum Verlust der Urteilskraft vernebelt. Das geht allen Spitzenpolitikern so; viele flüchten sich leider ins Seichte. Dabei besteht ein großes gesellschaftliches Bedürfnis nach ungeschminkter Wahrheit, aber wer dieses stillt, lebt politisch gefährlich und wird leicht zum Opfer der Medienmacht, die die politisch Korrekten ausüben.
Von meinen 39 Berufsjahren habe ich sieben Jahre als aktiver Politiker in einem Stadtstaat, sechs Jahre als Staatssekretär in einem westdeutschen Flächenland und 16 Jahre in den unterschiedlichsten Funktionen auf verschiedenen Ebenen der Bonner Ministerialbürokratie verbracht. Erst gegen Ende meiner Amtszeit als Finanzsenator in Berlin, nachdem ich durch finanzpolitische Erfolge ein gewisses Renommee erworben hatte, habe ich auch außerhalb des ganz engen Finanzbereichs den einen oder anderen offeneren Vorstoß gewagt, etwa zum Thema Hartz IV oder zu Energiesparmaßnahmen. Trotz aller Erfahrung hat es mich sehr verblüfft, welche Resonanz es auslöst, wenn eine Person des öffentlichen Lebens elementare Lebenszusammenhänge knapp und klar auf den Punkt bringt. Und es hat mich erschreckt, welche Flut von hasserfüllten Mails ich empfing, sobald ich ganz konkret - gesunde Ernährung vom Hartz-IV-Einkommen, Pullover gegen hohe Energiekosten - vorführte, dass Eigenverantwortung und Selbstbestimmung möglich und vor allem notwendig sind. Aber es scheint, als würde die Gruppe derer, die sich aus der Verantwortung für sich selbst und für ihr eigenes Leben verabschieden möchte, immer größer. Diese Entwicklung ist keineswegs beschränkt auf bestimmte Einkommensgruppen oder gesellschaftliche Schichten, und sie ist keineswegs neu. In der Rückschau kann man nämlich einen Trend ausmachen, der sich seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kontinuierlich entwickelt hat.
Die Bundesrepublik der frühen fünfziger Jahre war ein sehr modernes Staatswesen. Nach den zwei verlorenen Kriegen hatten sich katastrophale Folgen gezeigt: Die Institutionen waren zerstört, die Traditionen in Frage gestellt und die Bevölkerung durch Flucht und Vertreibung durcheinandergewirbelt. Doch die spezifischen deutschen Stärken - ein hoher Standard in Wissenschaft, Bildung und Ausbildung, eine leistungsfähige Wirtschaft und eine qualifizierte Bürokratie - waren durch die Katastrophe des Krieges und die Zerstörung der Infrastruktur erstaunlich wenig beeinträchtigt worden. Die Angehörigen der Führungsschichten und der Bürokratie waren zu 90 Prozent willige Helfer der Nazidiktatur gewesen; das wirkte sich aber keineswegs auf ihre Effizienz beim Wiederaufbau aus.
Ganz und gar ungebrochen und durch die Katastrophe und die Chance zum Wiederaufbau sogar noch angestachelt waren der traditionelle deutsche Fleiß und der Hang zum Tüfteln und Verbessern. Gerade die Flüchtlinge und Vertriebenen taten sich hier hervor. Sie waren in derselben Situation wie die Auswanderer des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten, nämlich fremd und mittellos, und sie konnten nur mit besonderem Fleiß vorankommen. Und sie waren fleißig, so fleißig, dass sie den Alteingesessenen in der jungen Bundesrepublik bald kräftig Beine machten.
Damit das deutsche Wirtschaftswunder möglich wurde, mussten aber noch weitere Umstände hinzukommen:
• der Ost-West-Gegensatz, der aus dem besiegten Land plötzlich einen begehrten Partner machte, den es zu fördern und zu stützen galt
• die stürmische Erholung der westlichen Welt nach 20 Jahren Krieg und Weltwirtschaftskrise
• die schnelle Befreiung der westdeutschen Wirtschaft von zahlreichen administrativen Fesseln in den Jahren 1948 bis 1951, Ludwig Erhards großes und bleibendes Verdienst.
Die »soziale Marktwirtschaft« war das große Versprechen, das letztlich das ganze Volk hinter dem Wiederaufbau vereinte: Alle sollten einen fairen Anteil am gemeinsam Erwirtschafteten bekommen, alle sollten vor Hunger, Kälte und drückender Armut geschützt sein, wer arbeiten wollte, sollte auch Arbeit finden. Dieses Versprechen wurde eingelöst, und wie!
• Von 1950 bis 1960 wuchs die westdeutsche Wirtschaft mit einer Jahresrate von acht Prozent.
• Die Arbeitslosigkeit sank von 11,0 Prozent im Jahre 1950 auf 1,3 Prozent im Jahre 1960.
• Das Realeinkommen pro Kopf der Bevölkerung stieg in zehn Jahren um fast 70 Prozent. 1955 erwirtschaftete Deutschland ein ebenso hohes Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt wie Frankreich, bereits 1952 war das Pro-Kopf-Sozialprodukt der Siegermacht Großbritannien übertroffen worden.
Das Staatswesen und die Gesellschaftsordnung erreichten in der Bundesrepublik um 1960 einen Legitimationsgrad und eine Akzeptanz wie niemals in den 150 Jahren zuvor und niemals danach. Die SPD hatte im Godesberger Programm 1959 die Konsequenzen daraus gezogen und Frieden mit dem zur »sozialen Marktwirtschaft« gezähmten Kapitalismus gemacht. Doch die Idylle währte nur kurz:
• 1966/67 weckte die erste deutsche Nachkriegsrezession Zweifel, ob Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung quasi permanent zu sichern seien. Diese waren aber bald wieder zerstreut dank der gloriosen Wachstumsraten der Jahre 1968 bis 1971.
• 1968 begann ein Teil der Nachkriegsgeneration gegen ein Gesellschaftsmodell zu protestieren, wonach die wesentliche Legitimationsgrundlage der Gesellschaft und ihre hauptsächliche Zielsetzung in der Erhöhung der Güterproduktion zu bestehen schien.
• 1972 wies der erste Bericht des Club of Rome unter dem Titel »Die Grenzen des Wachstums« auf die Endlichkeit der Ressourcen dieser Erde hin. Das war der Auslöser für die Umweltbewegung. Von diesem Bericht führt ein direkter Weg zur heutigen Diskussion über die Klimakatastrophe.
• 1973 löste die erste Ölkrise die zweite große Nachkriegsrezession in Deutschland aus. Der Vollbeschäftigungsgrad der sechziger Jahre wurde seither nicht mehr erreicht.
• 1979 folgte nach dem Umsturz im Iran die zweite Ölkrise, die zur dritten Nachkriegsrezession und zum Sturz der sozialliberalen Koalition unter Helmut Schmidt führte.
• In den achtziger Jahren gelang die Stabilisierung der Weltwirtschaft; eine weltweit veränderte Geldpolitik brachte die Inflation nachhaltig in tolerable Bereiche. Die deutsche Wirtschaft wuchs wieder, wenn auch wesentlich langsamer als in den sechziger und siebziger Jahren. Die Arbeitslosigkeit sank, blieb aber grundsätzlich höher als zuvor.
• 1989 bis 1991 veränderten der Zusammenbruch des Ostblocks und die Auflösung der Sowjetunion die politische und ökonomische Weltkarte radikal. Die Übernahme der Marktwirtschaft im ehemaligen Ostblock, vor allem aber die Übernahme der Marktwirtschaft in China und Südostasien leiteten eine starke und noch anhaltende Veränderung der Gewichtsverteilung in der Weltwirtschaft ein. Dies stellte das deutsche Versprechen der »sozialen Marktwirtschaft« so nachhaltig in Frage wie keine Entwicklung zuvor. Ob es weiterhin eingehalten werden kann, ist fraglich.
Globalisierung und Marktwirtschaft bedeuten letztlich, dass in allen marktwirtschaftlich verfassten Ländern, die ergänzend die nötigen öffentlichen Güter in Bildung und Infrastruktur bereitstellen, vergleichbare Arbeit auch vergleichbar entlohnt wird. Für den Ökonomen heißt das: Grenzkosten (zusätzliche Kosten der jeweils letzten produzierten Einheit) und Grenzprodukt (Zuwachs des Ertrags, der durch den Einsatz einer jeweils weiteren Einheit eines Produktionsfaktors erzielt wird) des Produktionsfaktors Arbeit tendieren in den globalisierten offenen Marktwirtschaften weltweit zur Angleichung. So wie es in der globalisierten Welt den Welteinheitszins als Grenzentlohnung des Kapitals gibt, so gibt es tendenziell auch eine einheitliche Entlohnung des Produktionsfaktors Arbeit. Es ist ganz folgerichtig, dass die realen Stundenlöhne in Deutschland - genau wie beispielsweise in den USA und in Italien - heute nicht höher sind als 1990. Sie werden auch nicht mehr steigen, bis Staaten wie China, Indien und Thailand das westliche Lohnniveau erreicht haben. Diese Entwicklung trifft Deutschland in einer Phase, in der seine Kraft aus ganz anderen Gründen erlahmt, und auch davon handelt dieses Buch.
Der Keim für diese Fehlentwicklungen, die unsere Zukunft verdüstern, ist bereits in den triumphalen späten fünfziger Jahren gelegt worden. Damals begann eine Kette institutioneller Reformen, von denen jede einzelne wohlgemeint war und sicher individuell auch viel Gutes gebracht hat. Die kombinierte Wirkung dieser Reformen leitete aber einen gesellschaftlichen Substanzverzehr ein, der unsere Zukunft bedroht. Im Kern geht es um vier Themenkomplexe, die miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen:
• um die seit 40 Jahren eingetretenen demografischen Verschiebungen und generativen Verhaltensänderungen sowie deren Weiterwirken in die Zukunft1
• um die in unserem Sozialsystem liegenden Anreize, ein selbstbestimmtes Leben zu führen - oder dies eben nicht zu tun
• um Sozialisation, Bildung und lebensweltliche Motivation der Menschen
• um die Qualität, die Struktur und den kulturellen Hintergrund der Migranten in Deutschland.
Für mich ist es eine offene Frage, ob und inwieweit es überhaupt möglich ist, Reformen gegen strukturelle Veränderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und deren beständig sich ändernde Rahmenbedingungen durchzusetzen. Es bleibt niemals etwas so, wie es ist, und kein gesellschaftlicher Zustand ist konservierungsfähig. Andererseits ist es überhaupt nicht möglich, zu Urteilen zu kommen, Zustände zu bewerten und notwendige Veränderungen zu formulieren, wenn man sich kein eigenes normatives Bild von der Gesellschaft macht. Doch warum, so könnte man fragen, beschäftigen wir uns überhaupt mit Gedanken um die Zukunft, und was wird damit impliziert? Sollte sich nicht jede Generation mit ihren Problemen befassen und die Probleme späterer Generationen den dann Lebenden überlassen?
Bei all diesen Fragen sind wir von Paradoxien, die wohl grundsätzlich nicht auflösbar sind, geradezu umzingelt: Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass nur Individuen eine Persönlichkeit und eine Identität zukommt. Gemeinschaften, Gesellschaften, Völker dagegen, überhaupt alle sozialen Organisationsformen haben nach der herrschenden Auffassung keinen über das Individuum hinausweisenden Wert - jedenfalls nicht, wenn man die Idee einer göttlichen Weltordnung oder ein entsprechendes geschichtsphilosophisches Pendant zurückweist. Paradox nur, dass wir uns dann über die Umwelt so viele Gedanken machen. Wir nehmen als unvermeidlich hin, dass Deutschland kleiner und dümmer wird. Wir wollen nicht darüber nachdenken, geschweige denn darüber sprechen. Aber wir machen uns Gedanken über das Weltklima in 100 oder 500 Jahren. Mit Blick auf das deutsche Staatswesen ist das völlig unlogisch, denn beim gegenwärtigen demografischen Trend wird Deutschland in 100 Jahren noch 25 Millionen, in 200 Jahren noch 8 Millionen und in 300 Jahren noch 3 Millionen Einwohner haben. Warum sollte uns das Klima in 500 Jahren interessieren, wenn das deutsche Gesellschaftsprogramm auf die Abschaffung der Deutschen hinausläuft?2
In einer Welt ohne Gott hat der Zustand der Natur keinen Eigenwert, höchstens als Lebensumwelt der Menschen, also aus einer aus dem Individuum abgeleiteten Rechtfertigung heraus. Diese Rechtfertigung entfällt jedoch mit den Individuen selber. Tatsächlich ist es aber so, dass die meisten von uns entgegen aller Logik sozialen Organisationen gleichwohl einen über das Individuum hinausweisenden Eigenwert zusprechen: Viele Mitarbeiter lieben das Unternehmen, in dem sie jahrzehntelang gearbeitet haben, andere ihren Fußballverein, wieder andere ihre Stadt, ihr Land, ihr Volk. Dass wir diesen Entitäten einen Eigenwert zumessen, der über uns selbst hinausweist, motiviert uns, hebt uns, macht uns stolz, gibt uns Antriebskraft und lässt uns unsere eigenen kleinen Wehwehchen und größeren Leiden vergessen. Nur wenn es um Deutschland geht, haben viele eine Schere im Kopf:
• Heimatverbunden? Aber gerne!
• Lokalpatriot? Natürlich!
• Europäer? Sowieso!
• Weltbürger? Klar doch, das gehört sich so!
• Deutscher? Nur bei der Fußballweltmeisterschaft, sonst eher peinlich!
Sich um Deutschland als Land der Deutschen Sorgen zu machen, gilt fast schon als politisch inkorrekt. Das erklärt die vielen Tabus und die völlig verquaste deutsche Diskussion zu Themen wie Demografie, Familienpolitik und Zuwanderung. Ich glaube, dass wir ohne einen gesunden Selbstbehauptungswillen als Nation unsere gesellschaftlichen Probleme aber nicht lösen werden.
Das wirtschaftlich vereinte und außenpolitisch handlungsfähige Europa wird auch in 100 Jahren noch aus Nationalstaaten bestehen, die dezidiert polnisch, dänisch, französisch, niederländisch oder britisch sind. Nur auf dieser Ebene gibt es eine wirkliche demokratische Legitimation, und nur dort kann man die Kraft zur gesellschaftlichen Erneuerung finden - oder eben auch nicht. Die Hoffnung, der Nationalstaat werde sich in Europa auflösen, ist ein spätes Produkt deutscher Weltflucht mit durchaus ambivalenten Zügen, denn sie projiziert letztlich den Reichsgedanken auf die europäische Ebene - übrigens nicht ganz ohne historischen Bezug: Das Europa der Sechs entsprach in seinen regionalen Grenzen ziemlich genau dem Frankenreich unter Karl dem Großen.
Sobald man den Lauf der Geschichte beklagt und als ungünstig empfundene Trends umkehren möchte, ist man in Gefahr, unhistorisch zu werden, der Nostalgie zu verfallen und wichtige Momente der richtigen Einflussnahme zu verpassen. Wie ein Fluss ändert sich der Strom der Geschichte beständig und kehrt niemals in sein altes Bett zurück. Doch vor der Nostalgiefalle muss sich auch jeder hüten, der Gutes bewahren will und nicht die Veränderung als solche gutheißt.
Der Realist akzeptiert, dass jeder historische Zustand eine Medaille mit zwei Seiten ist: Die traditionelle Idylle des Landlebens verträgt sich nicht mit der modernen Landwirtschaft. Die Sicherheit der Tradition und eines klaren Wertekanons verträgt sich nicht mit dem Tempo des technologischen Wandels. Das Aufgehobensein in der eigenen regionalen und nationalen Besonderheit verträgt sich nicht mit vielen Folgewirkungen großer Migrationsprozesse. Nirgendwo und niemals kann man den Kuchen essen und zugleich behalten. Realismus ohne Zugaben von rückwärtsgewandter Nostalgie und nach vorne gerichtetem Gestaltungswillen ist aber ziemlich platt und banal und von Fatalismus oder Wurstigkeit kaum zu unterscheiden. Natürlich läuft man leicht Gefahr, die länger werdenden Schatten des eigenen Lebens mit der Verdüsterung der Weltperspektive zu verwechseln. Auf meine hier vorgetragenen Überlegungen trifft das wohl nicht zu, denn diese Fragen haben mich über die letzten 30 Jahre intensiv und kontinuierlich beschäftigt.
Wer bestehende historische Trends beklagt und verändern will, sollte sich geschichtsphilosophisch ein wenig selbst vergewissern: Hängt man einfach nur an vergangenen Werten und Zuständen und beklagt die persönliche Entfremdung, die der Zeitenwandel mit sich bringt? Doch es ist keineswegs so, dass jedes Unbehagen an der Richtung und den Folgen gesellschaftlichen Wandels unter den Generalverdacht rückwärtsgewandter Nostalgie fällt.
Jede historische Gesellschaftsformation, wie lang sie auch immer andauern mag, besteht aus einem Set von Bedingungen, der sie überhaupt erst ermöglicht: Klimatische, geografische, technologische, kulturelle, machtpolitische und demografische Voraussetzungen müssen sich zu einem bestimmten Amalgam vermischen, damit gerade diese Gesellschaft entsteht. Wenn sich dieses Bündel von Bedingungen ändert, ändert sich auch die Gesellschaft. Mit dem technischen Fortschritt sowie der wachsenden Interaktion innerhalb von Gesellschaften und zwischen ihnen setzte mit dem Ausgang des Mittelalters eine Beschleunigung des Wandels ein.
Die Existenzbedingungen gesellschaftlicher Formationen ändern sich unablässig, wenig bleibt, wie es ist. Nicht immer sind es Änderungen zum Positiven, wie die schrecklichen Verirrungen des 20. Jahrhunderts zeigen. Aber es gibt auch zähe Elemente gesellschaftlicher Stabilität, die über lange Zeiträume dem Wandel trotzen. Dazu zählen die regionalen und nationalen Eigenheiten der Völker. Es ist eben nicht dasselbe, wenn zehn Sizilianer und zehn Friesen das Gleiche tun. Solche zähen Elemente sind ferner der Einfluss der Religion,3 die überkommenen Gebräuche, die Bande der Familie und der Respekt vor dem Alter. Dieser Kitt wirkt stabilisierend gegen die Tendenz zur Entfremdung nicht nur des Einzelnen, sondern großer gesellschaftlicher Gruppen, ganzer Gesellschaften und ganzer Völker. Doch kommt es zu kritischen Situationen, ergeben sich ideale Voraussetzungen für politische Umstürze und kriegerische Auseinandersetzungen. Die Entfremdung ist ausgeprägter in Zeiten starken Wandels oder katastrophaler Umbrüche, wozu Kriege, Epidemien wie die mittelalterliche Pest oder Naturkatastrophen zählen.
Neben den Zeiten starken Wandels gab es immer wieder Zeiten, in denen man sich über mehrere Generationen hinweg sicher aufgehoben fühlen durfte im Kreislauf einer nur von Krankheit und Tod bedrohten und scheinbar unveränderlichen, wohlgeordneten Welt. Wer in solchen Verhältnissen lebte, wähnte sich in einer natürlichen Ordnung geborgen und der besten aller Welten zugehörig, auf einem Niveau, von dem aus es nur noch bergab gehen könne. Das waren die goldenen Zeitalter, von denen immer wieder berichtet wird. Es gab viele davon, mal über zwei, mal gar über zehn Generationen andauernd - Epochen, in denen es örtlich begrenzt so schien, als stehe die Geschichte still, weil etwas Perfektes, nicht mehr Verbesserungsfähiges geschaffen war.
Über Richtung und Qualität des gesellschaftlichen Wandels entscheidet neben den äußeren Anstößen, die nicht weiter beeinflussbar sind, die Mischung aus Beharrung und Veränderung. Die ganz unterschiedliche Entwicklung zwischen der britischen und der russischen Gesellschaft ist ein extremes Beispiel dafür. Beide Reiche wurden einst von Wikingerstämmen gegründet (die Waräger im Falle Russlands, die Normannen im Falle Englands), und doch nahmen sie sehr unterschiedliche Wege.
Die berühmten »goldenen Zeitalter« haben sich stets dadurch ausgezeichnet, dass ihr Fundament die jeweils richtige Mischung aus Stabilität und Elastizität aufwies, denn ohne Stabilität gibt es keine Dauer und ohne Elastizität keine Überlebensfähigkeit.4 Aber nichts bleibt eben, wie es ist. Gerade unter dem schönsten Baum sitzt immer schon der Wurm, der an der Wurzel nagt und später die Krone zum Welken bringt. Der späte Willy Brandt sagte einmal sehr schön: »Nichts kommt von selbst, und nur wenig ist von Dauer.« Auf ganz lange Sicht ist sowieso alles menschliche Tun vergeblich, aber hilflos den historischen Geschicken ausgeliefert sind wir auch nicht.
Wie das meiste im Leben ist auch der Inhalt dieses Buch ambivalent: Die hier beschriebenen Trends nagen an den Wurzeln von materiellem Wohlstand und gesellschaftlicher Stabilität, aber es gibt immer Ansatzpunkte, manches zum Positiven zu wenden. Man muss es nur tun!
1 Staat und Gesellschaft
Ein historischer Abriss
Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen.
JOHANN WOLFGANG GOETHE, Faust I
Es ist ein rätselhafter Mechanismus, der Wirtschaft und Gesellschaft antreibt: Einerseits unterliegt er keinen starren Regeln, andererseits ist er von Gesetzmäßigkeiten geprägt, die zum Teil örtlich und historisch an bestimmte Gesellschaften gebunden sind, sich teilweise aber auch aus stabilen Elementen der menschlichen Grundverfasstheit ergeben.
Reden wir von der Gesellschaft oder versuchen wir gesellschaftliche Verhaltensweisen zu typisieren, so tun wir dies meist aus einem implizit gesetzten Normengefüge heraus, über dessen normativen und historisch geprägten Charakter wir uns nur selten wirklich Rechenschaft ablegen. Diese soziologischen, religiösen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stehen in ständiger Wechselwirkung mit den langfristig wirkenden Normen und Verhaltensweisen in einer Gesellschaft.
Das vielfältige Scheitern entwicklungspolitischer Ansätze hat gezeigt, dass man Gesellschaften und Volkswirtschaften nicht einfach »machen« kann. Die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung nimmt in Zentralafrika und in den islamischen Ländern des Nahen Ostens einen anderen Verlauf als in Ostasien. Der kommunistisch beherrschte Teil Europas schlug einen anderen Weg ein als die westlichen Marktwirtschaften. Auch unter diesen gab und gibt es große Unterschiede, und zwar nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch innerhalb derselben. Norditalien funktioniert auf andere Weise als Süditalien. In Schwaben wird es immer mehr Maschinenbau und mehr Unternehmertum geben als in der Uckermark - und damit auch deutlich mehr Wohlstand. Dieser Wohlstand hat Wanderungsbewegungen ausgelöst und dazu geführt, dass die in Schwaben lebenden Menschen durchschnittlich einen höheren Intelligenzquotienten haben als jene in der Uckermark - wenn man glauben kann, was die Tests der Bundeswehr an ihren Rekruten ergeben haben.1
Zwar gibt es keine wissenschaftlich vertretbare Methode, Gesellschaften mit unterschiedlichen Entwicklungswegen und unterschiedlichen Kulturen in ein Ranking zu bringen,2 doch es lässt sich wohl leicht Einigkeit darüber herstellen, dass die Verhältnisse in Deutschland generell denen in Rumänien vorzuziehen sind, und auch darüber, dass das Leben in Rumänien gegenüber dem Leben im Sudan vorzugswürdig ist. Ferner wissen wir, dass die Lebensbedingungen im Sudan gar nicht so schlecht sein können, dass sie nicht immer noch besser wären als in Somalia.3
Setzt man voraus, dass die Menschen - abgesehen von genetisch bedingten Unterschieden in Intelligenz und Temperament - mit grundsätzlich ähnlichen Dispositionen zum Leben geboren werden, dann sind die Möglichkeiten, Institutionen und Systeme zu gestalten, nicht schrankenlos. Mit Edward O. Wilson kann man davon ausgehen, dass die biologische Evolution dem Menschen eine angeborene Disposition und Verhaltensbreite mitgegeben hat, die sich nur langsam auf dem Wege der weiteren biologischen Evolution ändert, dass aber innerhalb dieses der menschlichen Natur von der Biologie gesetzten Rahmens eine sehr variationsreiche kulturelle Evolution stattgefunden hat und weiter stattfinden wird.4 Eine Erklärung des menschlichen Verhaltens und seiner Entwicklung ist nur möglich, wenn man beide Elemente betrachtet, denn menschliche Gesellschaften und der Mensch als Gattung beeinflussen ihr Schicksal vor allem über die Steuerung der kulturellen Evolution.
Sucht man das Gemeinsame aller menschlichen Gesellschaftsformen seit Beginn der bekannten Geschichte, so stößt man auf folgende Konstanten der Menschheitsgeschichte:
• Es gab stets soziale Organisationsformen, die über den bloßen Familienverband hinausgingen.
• Es gab in diesen Organisationsformen stets eine Hierarchie.
• Die Hierarchie der Organisationsformen beruhte stets wesentlich auf der Möglichkeit zur Gewaltausübung. Sie war stabiler, wenn sie religiös oder materiell legitimiert wurde, am besten war es, wenn beides zutraf.
Stabile Gesellschaftsformen verbanden die Bereiche Politik, Kultur und Wirtschaft und zwar folgendermaßen:
1. Politik: Klärung der äußeren Sicherheit durch militärische Gewalt sowie Klärung der internen Machtfrage, sei es durch Gewalt, sei es durch Tradition, sei es durch institutionelle Regeln; meist handelte es sich um eine Mischung dieser Elemente
2. Kultur: Legitimation von Herrschaft und Hierarchie durch einen religiösen Überbau oder durch einen allgemein anerkannten Wertekanon
3. Wirtschaft: Legitimation durch Gewährleistung von Sicherheit und der Möglichkeit zu materiellem Erwerb
Je besser diese Bereiche organisiert und miteinander verzahnt werden konnten, umso stabiler waren die Gesellschaft und ihre staatliche Organisationsform, umso eher überstand sie Phasen interner Unruhen und externer Erschütterungen. Dazu einige Beispiele:
Ägypten
Der Wohlstand dieser 3000 Jahre währenden Hochkultur erwuchs aus der künstlichen Bewässerung des Niltals, deren allmählicher Ausbau eine komplexe staatliche Organisation hervorbrachte. Die äußere Sicherheit war leicht zu gewährleisten, weil das Land ringsum von Wüsten umgeben war. Die interne Machtfrage war geklärt durch die hierarchisch organisierte Diktatur des Pharaos. Die Legitimation wurde dadurch gesichert, dass weltliche und religiöse Herrschaft zusammenfielen. Der Pharao war gleichzeitig Gottkönig und damit der oberste Vermittler zu überirdischen Mächten. Die aufgrund der künstlichen Bewässerung hochentwickelte Landwirtschaft sorgte für einen im Vergleich zur umliegenden Welt der Nomadenvölker beispiellosen Wohlstand und schuf die Voraussetzungen für eine Jahrtausende währende Stabilität, die verschiedentliche Einfälle fremder Völker, militärische Niederlagen und innere Umstürze überstand.
Römisches Reich
Die Basis für die Entstehung und lange Stabilität des Römischen Reiches bildete die strukturelle Überlegenheit des römischen Militärwesens. Dank dieser Überlegenheit konnte das Reich 700 Jahre lang wachsen und dann 400 Jahre lang in seiner größten Ausdehnung stabil bleiben.
Das römische Militärwesen stand für starke Institutionen. Die Römische Republik, aus einem Stadtstaat entstanden, fand immer wieder einen Weg, unter den vornehmen Familien, die den Staat trugen, eine Machtbalance zu schaffen und exekutive Macht nur auf Zeit zu vergeben. Gleichzeitig schaffte die Verrechtlichung der sozialen Beziehungen Sicherheit und setzte Entwicklungskräfte frei, die durchaus an unsere heutige vollentwickelte Marktwirtschaft erinnern. Das interne Machtmonopol wurde zwar brutal durchgesetzt, aber die Römer ließen den Unterworfenen ihre eigene Kultur, boten ihnen das Römische Recht sowie eine gut entwickelte Infrastruktur, und sie ließen sie teilhaben an der wirtschaftlichen Entwicklung des gemeinsamen, durch die Pax Romana gesicherten Wirtschaftsraums.
Doch je mehr das Reich an Größe gewann, desto stärker sank die Funktionsfähigkeit der Institutionen des ursprünglichen Stadtstaates. Als die Unübersichtlichkeit infolge der Ausdehnung zunahm und der Einfluss des römischen Adels schwand, schuf der Übergang zum (Gott-)Kaisertum für 400 Jahre eine zweckmäßige Organisationsform, die römisch-demokratische und orientalische Herrschaftsformen miteinander vereinte. Den Römern gelang mit Cäsar und Augustus ein elastischer Übergang ins Kaiserreich, der durch die großzügige Gewährung des römischen Bürgerrechts noch gestützt wurde. Je mehr die Legitimität der Republik ihre Wirkung einbüßte, entwickelte sich als neue Legitimationsgrundlage das Gottkaisertum. Das aufkommende Christentum wurde in diese Legitimationsgrundlage einbezogen, indem es mit dem Toleranzedikt Konstantins des Großen im Jahre 313 Duldung erfuhr und später Staatsreligion wurde.
Das System war also flexibel genug, sogar einen Wechsel in der Staatsreligion zu vollziehen. Es war über Jahrhunderte auch flexibel genug, die Völkerschaften, die seine Außengrenzen bedrohten, nicht nur militärisch unter Kontrolle zu halten, sondern kulturell und zivilisatorisch zu integrieren. Die Römer haben sich beispielsweise die militärische Tüchtigkeit der Germanen zunutze gemacht, indem sie diese seit dem 3. Jahrhundert einen ständig wachsenden Anteil der Soldaten und Offiziere in den römischen Legionen stellen ließen.
Der Zusammenbruch des Reiches kam nicht von innen, sondern wurde von außen angestoßen, allerdings unterstützt durch interne Tendenzen - vor allem durch die Dekadenz und Geburtenarmut der ehemals führenden Schichten. Das Weströmische Reich ging militärisch unter im Sturm der Völkerwanderung (476 Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus). Das Oströmische Reich dagegen wurde in einem viele Jahrhunderte sich hinziehenden Prozess Opfer der Islamisierung des Orients und fand erst 1000 Jahre später - mit der Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 - sein formales Ende.
Europäisches Mittelalter
Der Zusammenbruch des Weströmischen Reiches bewirkte einen zivilisatorischen Rückfall, der erst 700 Jahre später - im Hochmittelalter - wieder aufgeholt wurde. Diese Entwicklung förderte das junge Christentum, denn es stärkte seine Bindungskraft. Die neuen Herren, meist regionale germanische Stammesfürsten, beeilten sich, durch Übertritt zum Christentum einen Legitimationstransfer vorzunehmen, denn bis zum Ende des Mittelalters speiste sich die weltliche aus der religiösen Macht. Für die meisten Menschen waren diese Mächte untrennbar miteinander verbunden.
Der allgemeine zivilisatorische Rückschritt in den Jahrhunderten nach der Völkerwanderung änderte den Charakter der Staatlichkeit. An die Stelle der staatlichen Institutionen trat das germanische Prinzip der Gefolgschaftspflicht gegenüber dem militärischen Führer, das Ausdruck fand im Lehnssystem. Weltliche Gewalt wurde vom Lehnsherrn an Gefolgsleute verliehen und konnte von diesem auch wieder eingezogen werden. Im Lehnsprinzip vermischte sich germanische Gefolgschaftstreue mit der Idee der römischen Staatlichkeit und der Legitimation aus dem christlichen Glauben. Der christliche Legitimationstransfer fand symbolischen Ausdruck in der Kaiserkrönung Karls des Großen durch Papst Leo III. im Jahre 800 in Rom. Im Mittelalter war damit grundsätzlich alle Herrschaftslegitimation von Gott beziehungsweise von seinem Stellvertreter auf Erden, dem Papst, abgeleitet und weltliche Herrschaft untrennbar mit der Gottesherrschaft verwoben. Im Investiturstreit kämpften Papst und Kaiser um den machtpolitischen Vorrang in diesem Gefüge. Kaiser Heinrichs IV. Gang nach Canossa im Jahre 1077 beendete den Streit im Sinne Gregors VII., also des Papstes: Die weltliche Herrschaft blieb der geistlichen grundsätzlich untergeordnet, aber sie bezog aus der christlichen Religion ihre Legitimation.
Der Sprung in die Moderne
Das kombinierte System von christlicher und weltlicher Herrschaft bei reduzierter Staatlichkeit eröffnete große Freiräume für unterschiedliche regionale und zivilisatorische Entwicklungen. In diese Zeit fallen entscheidende Fortschritte und Erfindungen:
• die Übernahme des eisernen Pfluges und des Kummets um das Jahr 1000 aus China
• die Einführung der Dreifelderwirtschaft um 1100
• die Erfindung des Kompasses im 12. Jahrhundert
• die Erfindung der mechanischen Uhr im 13. Jahrhundert
• die Einführung des Schwarzpulvers und die Erfindung der Feuerwaffen im 14. Jahrhundert
• die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert
• die Entdeckung des Kopernikus im Jahre 1543, dass sich die Planeten um die Sonne drehen. (Mit der Kopernikanischen Wende erfolgte der Abschied vom geozentrischen Weltbild.)
Die Entwicklung zwischen 1000 und 1500 zeugt von einer voraussetzungslos dem Tatsächlichen zugewandten Geisteshaltung, deren Quellen bis heute Rätsel aufgeben. Im Mittelalter, das über lange Zeit das wirtschaftliche Niveau des Römischen Reiches nicht annähernd erreichte, wurden letztlich die technischen und wissenschaftlichen Grundlagen für die explosionsartige Entwicklung in der Neuzeit gelegt.5
Reformation, Aufklärung und Absolutismus
Die Entdeckung der Neuen Welt, die Weltreisen der spanischen und portugiesischen Seefahrer und die Auswirkungen der Reformation beschleunigten den Wandel der Verhältnisse. Die Handelswege verschoben sich, das Gold und Silber aus der Neuen Welt versetzte dem Warenfluss und der Produktion einen gewaltigen finanziellen Impuls. Vor allem aber leitete die Reformation die Emanzipation des Denkens von religiöser und staatlicher Bevormundung ein. Die Beziehung zu Gott wurde persönlich und damit abstrakt und den Zuständigkeiten von Kirche und Staat grundsätzlich entzogen.
Die Reformation schuf die geistigen Voraussetzungen für die Philosophie der Aufklärung und damit die Säkularisierung der Welt. Die Aufklärung aber entzog der erblichen politischen Herrschaft die Legitimationsgrundlage. Während die Monarchie in der erblichen Herrschaft des Absolutismus im 17. und 18. Jahrhundert ihre höchste und reinste Ausprägung erfuhr, wurde ihre religiöse und philosophische Begründung zunehmend in Frage gestellt: Wenn jeder Mensch unmittelbar zu Gott sein kann, was braucht er dann noch die Zwangsmitgliedschaft in einer Staatskirche, und weshalb soll er sich einer Herrschaft fügen, die ihm qua Erbfolge vorgesetzt wurde?
Die Philosophie des Gottesgnadentums, die unmittelbare Legitimation des absoluten Herrschers aus der göttlich-christlichen Weltordnung, überdauerte unter diesem Druck kaum 150 Jahre. Sie wurde seit dem 17. Jahrhundert durch Hobbes, Hume, Voltaire, Rousseau und andere, letztlich auch durch Kant, philosophisch untergraben. Damit standen die überkommenen monarchischen Regierungen vor einem Legitimationsproblem, das 1649 in England - nach dem Bürgerkrieg zwischen König und Parlament unter Führung Oliver Cromwells - Karl I. den Kopf kostete. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 postulierte dann erstmals in aller Radikalität, dass alle Menschen gleich geboren sind und das gleiche Recht haben, nach Glück zu streben. Aus dieser Sicht war die demokratische Regierungsform die einzig legitime. Konfessionen und Glaubensüberzeugungen dienten der Letztbegründung individuellen Handelns, aber nicht der Legitimation des Staates. Die Französische Revolution inszenierte wenige Jahre später dasselbe mit mehr Blut, mehr Pomp und mehr Umwegen.
Die Legitimation des Staates im Abendland war damit endgültig ihrer religiösen Grundlage beraubt, an ihre Stelle trat die Legitimation durch den allgemein als verbindlich erachteten Wertekanon der Menschenrechte, wofür die »Bill of Rights« aus der amerikanischen Verfassung von 1791 das erste politische Beispiel ist. Mit der Entgöttlichung der staatlichen Legitimation war die philosophische wie die tatsächliche Grundlage geschaffen für Politik- und Gesellschaftsentwürfe jenseits des christlichen Weltbildes, der individuellen Menschenrechte und der abendländischen Demokratie. Davon sah das 20. Jahrhundert reichlich. Der Nationalsozialismus und die Stalin-Diktatur waren die perversesten Beispiele. Ihre Attraktion entfalteten sie auch deshalb, weil sie auf der emotionalen wie auf der erzählenden Ebene die Jahrtausende alten Bilder der nationalen und religiösen Traditionen aufnahmen, so dass die Diktatoren zu entrückten Lichtgestalten mit einem quasi religiösen Heilsversprechen wurden (Herrschaftstypen nach Max Weber). Dieses Muster hat in der Welt nach wie vor Konjunktur, ob bei Kim Il Sung in Korea, Naserbajew in Kasachstan, in den achtziger Jahren bei Bokassa in der Zentralafrikanischen Republik oder bei den wechselnden Caudillo-Charakteren in Südamerika.6
Soweit der historische Ausflug.
Betrachtet man die Stabilitätsbedingungen und Legitimationsgrundlagen von Staat und Gesellschaft, dann schälen sich bei allen erfolgreichen Staatsmodellen drei wesentliche Merkmale heraus:
• Sie garantieren ein gewisses Maß an innerer und äußerer Sicherheit.
• Sie basieren auf einer Legitimationsgrundlage jenseits des Individuums - sei es die Religion, sei es die Idee der Volksherrschaft, sei es eine Ideologie, die als Religionsersatz dient.
• Ihr wirtschaftlicher und materieller Erfolg hängt ab von ihrer Fähigkeit, dem Erwerbsstreben des Individuums einen gesicherten Raum zu geben.
All dies erklärt nicht, warum der wiederkehrende Aufstieg und Fall von Zivilisationen und Kulturen bei nur allmählichem technischen Fortschritt oder stationärer wirtschaftlicher Entwicklung ausgerechnet im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa unterbrochen wurde und in die Beschleunigung der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung mündete. China dagegen, das bis gegen Ende des europäischen Mittelalters Europa technisch und zivilisatorisch deutlich voraus war, stagnierte auf hohem Niveau.
Der von Europa ausgehende Schub in Wissenschaft und Technik hatte die gewaltige Bevölkerungsexplosion der letzten Jahrhunderte zur Folge: Um das Jahr 1000 lebten auf der Welt rund 300 Millionen Menschen, das waren nicht mehr als bei Christi Geburt. Um 1500 waren es 500 Millionen, 1800 schon eine Milliarde, 1930 dann 2 Milliarden, gegenwärtig 7 Milliarden, und wenn alles so weitergeht, wird die Weltbevölkerung nach Schätzung der UNO im Jahr 2050 mit über 9 Milliarden ihr Maximum erreicht haben. Dies wirft zwei Fragen auf:
• Kann die Erde rein physisch auf die Dauer so viele Menschen ernähren und kleiden?
• Können so viele Menschen auf dem Wohlstandsniveau der westlichen Industriestaaten leben, ohne die natürlichen Ressourcen zu überfordern?
Beide Fragen werden in diesem Buch nicht beantwortet. Allein schon die Meinungen darüber, ob eine nachhaltige Veränderung des Weltklimas noch zu verhindern sei oder ob der point of no return nicht längst überschritten ist, gehen weit auseinander und können hier nicht diskutiert werden.7 Dagegen soll eine im Verhältnis zur Klimakatastrophe und den Folgen der weltweiten Bevölkerungsexplosion belanglose, für die Lebensverhältnisse in Deutschland aber entscheidende Frage behandelt werden: Gelingt es uns, in Deutschland dauerhaft genügend Intelligenz, Fleiß und Einsatzfreude (auf Neudeutsch Human Resources) zu mobilisieren, um das erreichte Niveau zu halten, im weltweiten Wettbewerb zu verteidigen und fortzuentwickeln?
Zu prüfen ist, ob jene sozialen Rahmenbedingungen, die wir uns auf der Grundlage des erreichten Wohlstands geschaffen haben, diesen Wohlstand nicht auch gefährden können, weil die speziellen Mentalitäten und Fähigkeiten, die den Entwicklungssprung Europas (ideell Nordamerika eingeschlossen) verursacht haben, ihrerseits jetzt beeinflusst werden durch die besonderen Rahmenbedingungen, die durch Wohlstand und Sozialstaat entstanden sind.
Zwar ist die genetische Ausstattung der Menschen aller Länder und Völker von großer Ähnlichkeit, nachweisbar vorhandene Unterschiede 8 sind jedenfalls wesentlich kleiner als die Unterschiede in den Entwicklungsständen von Staaten, Gesellschaften und Volkswirtschaften. Doch es gibt große Unterschiede in der Mentalität der Völker und Gesellschaften. Das betrifft nicht nur traditionelle Bindungen religiöser und anderer Art. Es betrifft auch die normative Innen- und Außenlenkung der Menschen, es betrifft die Loyalitätsstrukturen, die Maßstäbe sozialen Rangs sowie den Antrieb für Fleiß, Eigeninitiative und materielle Orientierung.9
Solche Mentalitäten und Traditionen sind - in dem weiten Rahmen, den die genetische Programmierung der Menschen zulässt - selbst historische Produkte. Sie wurden durch Rahmenbedingungen geschaffen und ändern sich, wenn diese sich ändern - wenn auch nur langsam und über Jahrhunderte.10 Steuerbar sind solche Änderungen kaum. Sie werden auch selten geplant. Umso wirkungsvoller können sie sein, wenn sie mit elementarer Wucht hereinbrechen und eine Fülle von Folgeänderungen nach sich ziehen.
In der Menschheitsgeschichte vollzogen sich solche wechselseitigen Beeinflussungen von Rahmenbedingungen und Mentalitäten zumeist nur ganz allmählich und ohne eine eindeutige Richtung erkennen zu lassen. Aber mit den Erfindungen, die fest im Kulturwissen der jeweiligen Gesellschaft verankert wurden, ergab sich ein neuer Entwicklungsstand, der die Gesellschaft dauerhaft veränderte. Im Laufe der Jahrtausende nahm diese Entwicklung an Dynamik zu. In Europa fielen schließlich die Befreiung des Geistes aus religiösen Zwängen, der neugierig objektive Blick auf die Natur und den Kosmos, die Entwicklung der bürgerlichen Freiheiten, die systematische Ausdehnung freier Märkte und die explosionsartige Zunahme der technischen Erfindungen zusammen.
Diese Dynamik und ihre Ursachen sollen hier nicht im Einzelnen aufgearbeitet werden.11 Aber die Folgen sind zu betrachten. Die Veränderung der Rahmenbedingungen baute sich allmählich vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert auf und leitete in Europa und Nordamerika eine beispiellose Bevölkerungsexplosion ein, die sich von Mitte des 18. Jahrhunderts an auf alle von den europäischen Mächten kolonisierten oder von ihnen gewaltsam geöffneten Regionen ausdehnte. Manche Regionen und Staaten nahmen das in der westlichen Technologie und Marktorganisation liegende Angebot schnell auf und entwickelten sich entsprechend schnell zu ebenbürtigen Konkurrenten (Japan). Andere brauchten lange, bis die traditionellen Strukturen sich so angepasst hatten, dass eine breit angelegte Industrialisierung möglich wurde (Indien). Wieder andere verharren im Zustand relativer Unterentwicklung bis zum Extrem der failed states.
Die von Europa ausgehende technische Revolution brachte dem Kontinent und mit ihm Nordamerika zunächst einen gewaltigen Entwicklungsvorteil mit entsprechenden Reallohnvorsprüngen. Hier holen mittlerweile große Teile der Welt, mit China an der Spitze, auf. Das bringt die Lohnsätze in den Industriestaaten überall dort unter Druck, wo kein neuer technischer Fortschritt erzeugt wird und damit keine neuen Wettbewerbsvorteile, was möglicherweise die ganze Lebensweise der frühindustrialisierten Staaten in Frage stellt.12 Die immer schnellere Verbreitung des Wissens, die Fortschritte in der Informationstechnologie und die sinkenden Kosten von Umschlag und Transport führen dazu, dass immer mehr Hochtechnologieprodukte immer seltener in den traditionellen Industrieländern produziert werden, sondern an qualifizierten Niedriglohnstandorten.
Die Ausbreitung von Wissen, Technik und industriellen Produktionsformen über die ganze Welt entspricht der Logik der Marktwirtschaft und ist förderlich für die Entwicklung der Menschheit als Ganzes. Es zeigt sich aber, dass Staaten und Gesellschaften nur sehr unterschiedlich in der Lage sind, die von der Industrialisierung und Technisierung ausgehenden Entwicklungschancen zu nutzen. Damit stoßen wir wieder auf das komplexe Zusammenwirken von institutionellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die einerseits Mentalitäten prägen, andererseits aber auch deren Folge und Ausdruck sind. Aus diesen Gründen wird die Welt wohl auch in 50 oder 100 Jahren noch große regionale Entwicklungsunterschiede aufweisen. Auf der anderen Seite schwinden die komparativen Vorteile allmählich, die die traditionellen Industriestaaten infolge ihrer besseren Kapitalausstattung, besserer Bildung und höheren Technisierungsgrads hatten.
Die Gesellschaft ist sich selbst Objekt und kann durch die Rahmenbedingungen, die sie sich selbst setzt, ihre Gestalt verändern. Wäre dies nicht so, dann wären alle menschlichen Gesellschaften wie die verschiedenen Schimpansenstämme im Urwald immer noch auf demselben Entwicklungsniveau, nämlich dem des afrikanischen Buschs. Alle Untersuchungen zeigen, dass Volkswirtschaften, Gesellschaften und Staaten umso erfolgreicher sind, je fleißiger, gebildeter, unternehmerischer und intelligenter eine Bevölkerung ist. Deutschland stand auf der Erfolgsleiter immer ziemlich weit oben. Zahlreiche Indikatoren lassen aber vermuten, dass es nach unten geht. Ob das so ist, wie sich das äußert, ob und wie man gegensteuern kann und soll, davon handelt dieses Buch.
2 Ein Blick in die Zukunft
Realitäten und Wunschvorstellungen
Es reden und träumen die Menschen viel Von bessern künftigen Tagen, Nach einem glücklichen goldenen Ziel Sieht man sie rennen und jagen, Die Welt wird alt und wird wieder jung, Doch der Mensch hofft immer Verbesserung!
FRIEDRICH SCHILLER, Hoffnung
Dank der menschlichen Erfindungskraft ist der Umfang des Verteilbaren im Laufe der Zeit immer größer geworden. Die Zahl der Menschen wuchs, aber noch schneller wuchs im Durchschnitt der letzten beiden Jahrhunderte das verteilbare Sozialprodukt. Dieses Wachstum stößt inzwischen an Grenzen.
Sofern ein Land keine Bodenschätze mehr erschließen kann oder maßgeblich von Transfers anderer Länder profitiert, ergeben sich seine Produktionsmöglichkeiten aus dem angesammelten Kapitalstock, aus Zahl und Qualität seiner Erwerbsbevölkerung und aus dem künftigen Produktivitätsfortschritt. Für uns heißt das: Wenn in Deutschland kontinuierlich investiert wird, dann stellt der deutsche Kapitalstock auch künftig keinen Engpass für die Wirtschaftsentwicklung dar. Hinsichtlich Quantität und Qualität der Erwerbstätigen muss man sich schon eher Sorgen machen. Die Quantität ergibt sich aus der demografischen Entwicklung, der Zuwanderung und der Erwerbsbeteilung der Bevölkerung, die Qualität aus deren Sozialisation, dem Bildungsgrad, dem Altersaufbau und - falls es Zuwanderung gibt - aus der Sozialisation und dem Bildunsgrad der Zugewanderten. Hier sind ganz unterschiedliche Entwicklungspfade denkbar, doch es besteht kein Grund, Trendbrüche in der Geburten- und darauf aufbauend in der Bevölkerungsentwicklung zu unterstellen, solange nichts Außergewöhnliches geschieht.
Die den folgenden Betrachtungen zugrunde gelegte Modellrechnung beruht auf der Annahme einer durchschnittlichen Geburtenziffer von 1,4 und eines jährlichen Wanderungssaldos (das ist die Differenz aus Zu- und Abwanderungen) von rund 50 000 Menschen. Was den Zuwachs der Produktivität pro Arbeitsstunde betrifft, so ist dieser in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich weniger geworden. Hier wird angenommen, dass sich der Produktivitätszuwachs bei einem Prozent pro Jahr einpendelt. Erstellt man auf dieser Grundlage eine Projektion bis zum Jahr 2050, so ergibt sich Folgendes:
• Das Wirtschaftswachstum läuft um das Jahr 2020 aus und stagniert danach mit Tendenz zur Schrumpfung, weil sich der Zuwachs der Produktivität und die Abnahme der Zahl der Erwerbstätigen gegenseitig kompensieren (Anhang Tabelle D).
• Relativ zur Zahl der Erwerbstätigen wird sich die Zahl der Menschen über 65 Jahre verdoppeln: Im Jahre 2005 kamen auf einen Erwerbstätigen 0,46 Menschen über 65 Jahre, 2050 wird auf einen Erwerbstätigen ein Mensch im Rentenalter kommen (Anhang Tabelle F).
• Da die Bevölkerungszahl sinkt, steigt das Sozialprodukt pro Kopf weiterhin. Die Rentner können daran aber nur teilhaben, wenn der Anteil der rentenbezogenen Ausgaben am Sozialprodukt verdoppelt wird. Ein Einfrieren der realen Versorgung der Rentner auf heutigem Niveau würde bedeuten, dass der Anteil der rentenbezogenen Ausgaben am Volkseinkommen von heute 16,5 auf 25,6 Prozent im Jahre 2050 steigt (Anhang Tabelle F).
Die Mehrbelastung aus der Alterung wird höher sein als die Entlastung durch weniger Kinder und Arbeitslose: Nach Berechnungen der Europäischen Kommission wird die altersabhängige Mehrbelastung für Rente, Gesundheit und Pflege bis 2060 etwa 5,5 bis 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausmachen, die Entlastung bei Bildung und Arbeitslosigkeit dagegen nur 0,7 Prozent betragen.1 Erheblich verbessern würden sich diese Aussichten bei einer deutlich höheren Zahl von Erwerbstätigen.2 Damit ist nicht zu rechnen. Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bei der Bundesagentur für Arbeit kommt bei seinen Projektionen hinsichtlich des künftigen Erwerbspersonenpotentials zu vergleichbaren Ergebnissen. 3 Daraus folgt: Künftige Verteilungs- und Finanzprobleme können wir gesamtwirtschaftlich nicht mehr durch Zuwachs lösen, sondern nur noch durch Umverteilung.
Wer diesem Befund vertraut, kann seine Lektüre mit Kapitel 3 fortsetzen. Wer sich näher dafür interessiert,
• wie sich unser Wohlstand in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat
• wo wir im internationalen Vergleich stehen
• wie sich die Arbeitsproduktivität in Deutschland weiterentwickeln wird
• was die absehbare demografische Entwicklung für Wachstum und Wohlstand bedeutet und welche Verteilungskonflikte zu erwarten sind,
für den bieten die folgenden Seiten eine interessante, allerdings zahlenlastige Lektüre.
Wohlstandsentwicklung
Deutschland hatte 2008 ein Bruttonationaleinkommen (Gesamtheit aller produzierten Güter und Dienstleistungen) von rund 2500 Milliarden Euro und ein Volkseinkommen (Nationaleinkommen abzüglich Abschreibungen) von rund 1900 Milliarden Euro. Davon entfielen 65 Prozent auf Arbeitnehmerentgelte und 35 Prozent auf Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Pro Kopf der Einwohner betrugen
• das Bruttonationaleinkommen 30 900 Euro
• das Volkseinkommen 23 000 Euro
• die privaten Konsumausgaben 17 100 Euro.
Rund 55 Prozent des Bruttonationaleinkommens beziehungsweise 74 Prozent des Volkseinkommens dienten also dem privaten Verbrauch. Unterstellt man bei einem gesetzlichen Transfereinkommen (Hartz IV oder Grundsicherung im Alter) eine Sparquote von null, so entfällt auf einen alleinstehenden Empfänger ein jährlicher Konsum von rund 8000 Euro (Regelsatz, Miete, Strom), das sind etwa 47 Prozent des durchschnittlichen privaten Verbrauchs. Im Jahr 2007 betrug das durchschnittliche Bruttoentgelt der Arbeitnehmer nämlich 27 100 Euro, pro Stunde waren das gut 20 Euro. Bei Steuerklasse 1 entspricht dies einem jährlichen Nettoeinkommen von 18 000 Euro.
Das reale (also inflationsbereinigte) Volkseinkommen pro Kopf ist in Deutschland gegenwärtig gut fünfeinhalbmal so hoch wie dasjenige in der Bundesrepublik im Jahr 1950. Aber das Wachstum hat sich über die Jahrzehnte stark verlangsamt, und so ist das reale Volkseinkommen pro Kopf in Gesamtdeutschland nicht höher als das in Westdeutschland im Jahr 1990. Gemessen am realen Volkseinkommen pro Kopf ist der Wohlstand in der westdeutschen Bundesrepublik während der fünfziger Jahre explodiert, in den sechziger Jahren erheblich gewachsen, in den siebziger und achtziger Jahren aber nur noch maßvoll und zunehmend langsamer gewachsen. In den letzten zwei Jahrzehnten hat Ostdeutschland im wiedervereinigten Deutschland stark aufgeholt, aber das gesamtdeutsche Wohlstandsniveau hat - gemessen am realen Volkseinkommen pro Kopf - 20 Jahre nach der Wiedervereinigung gerade einmal das westdeutsche Niveau von 1990 erreicht.
Dieser statistische Befund passt gut zu den konkreten Erfahrungen der westdeutschen Bevölkerung. Generell sind die Realeinkommen breiter Schichten in den letzten 20 Jahren eher gefallen als gestiegen. Zur wohlstandssenkenden Umverteilung von West nach Ost trat zudem der wachsende Lohndruck infolge der Globalisierung, denn immer mehr Wirtschaftsbereiche tendieren unter dem Wettbewerbsdruck zu einem weltweiten Gleichgewichtslohn.
Wirtschaftskraft im internationalen Vergleich
Deutschland ist immer noch ein reiches Land, es ist aber nicht mehr Weltspitze. Die wirtschaftlichen Folgen der Einheit und die allmählich einsetzenden wirtschaftlichen Auswirkungen der demografischen Alterung haben es in der Wohlstandsrangfolge zurückfallen lassen (siehe Tabelle 2.1). Folgende Kräfte wirken auf das BIP ein:
• der technische Fortschritt und die Investitionsintensität
• die Entwicklung der Arbeitsproduktivität
• die Zahl der Erwerbspersonen und ihr Beschäftigungsgrad
• die Entwicklung der Nachfrage des Staates, der Privaten und des Auslands.
Tabelle 2.1Wohlstand bei kaufkraftbereinigtem BIP pro Kopf der Bevölkerung
Quelle IWF. Zum Konzept der Kaufkraftbereinigung vgl. Annegret Sonnenburg:»Ergebnisse des Vergleichsprogramms von EUROSTAT und der OECD. Kaufkraftparitäten - BIP pro Kopf - Preisniveau«, in: Löhne und Preise, hrsg. vom schweizerischen Bundesamt für Statistik BFS, März 2008.
Nachfrageveränderungen haben aber eher Auswirkungen auf die zyklische Bewegung der Wirtschaft. Auf längere Sicht wachsen in jeder Volkswirtschaft Nachfrage und Angebot im Gleichschritt, wobei das Angebot an Kapital und Arbeit der Engpassfaktor ist.
Die Investitionsintensität und der technische Fortschritt wirken sich nicht direkt, sondern über die Arbeitsproduktivität auf das Wachstum aus. Die Investitionsintensität zeigt sich - gemessen am Kapitaleinsatz pro Einheit des Sozialprodukts - seit Jahrzehnten ziemlich stabil. Für den gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt gilt die Arbeitsproduktivität als wichtigster Maßstab. Ob sich die Betriebsorganisation verbessert, die Automation von Produktionsschritten zunimmt, die Zahlungs- und Buchungsvorgänge (etwa dank Scannerkassen im Handel) oder die informationstechnischen Abläufe rationalisiert werden: Die gesamtgesellschaftlichen Wirkungen lassen sich nur erfassen am Output je Arbeitsstunde. Auf die Arbeitsproduktivität wirken aber auch Motivation, Qualifikation sowie der Fleiß und generell die Qualität der Arbeitskräfte ein. Diese sogenannten weichen Faktoren, die sich meist nur indirekt messen lassen, sind bestimmend dafür, dass Deutschland, obwohl es ein Hochlohnland ist, seine starke Stellung in der verarbeitenden Industrie behaupten konnte. Wie sehr auf Deutschland die Bezeichnung Hochlohnland zutrifft, zeigt die Tabelle 2.2.
Die Arbeitskostenunterschiede sind großenteils durch die Produktivitätsunterschiede gerechtfertigt und erklärbar (siehe Tabelle 2.3). Auffällige Abweichungen zwischen dem Index der industriellen Arbeitskosten einerseits und dem Produktivitätsniveau andererseits gibt es in den USA, in Frankreich und in Italien. Erstere haben nach der Dollarabwertung der letzten Jahre produktivitätsbereinigt deutliche Lohnkostenvorteile gegenüber Deutschland; Frankreich und Italien dagegen haben produktivitätsbereinigt deutliche Lohnkostennachteile gegenüber Deutschland. Aufschlussreich ist die Gegenüberstellung der Indizes für das BIP pro Kopf, die Lohnkosten und die Produktivität. Diese zeigt, dass Produktivitätsunterschiede zur Erklärung von Wohlstandsunterschieden nicht ausreichen (siehe Tabelle 2.4).
Natürlich sind die Zahlen nur beschränkt vergleichbar. Die im BIP zum Ausdruck kommende gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung umfasst mehr als das verarbeitende Gewerbe. Zudem sind Arbeitskosten und Produktivität zu geltenden Wechselkursen, das Volkseinkommen dagegen nach der Kaufkraftparität dargestellt.
12. Auflage 2010
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eISBN : 978-3-641-04898-3
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