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Diese Hitze, diese Sehnsucht … Gabe Moretti wird von nie gekannter Begierde überwältigt, als die schöne Kat sein Büro betritt. Dabei dürfte er eigentlich nichts als Verachtung für die berüchtigte Femme Fatale empfinden. Was ist bloß mit ihm los? Er sollte Kat sofort hinauswerfen! Doch leider besitzt sie etwas, das Gabe um jeden Preis haben will - das Diamanthalsband seiner Mutter. Und Kat wäre nicht Kat, wenn sie keine Bedingungen stellen würde: Gabe bekommt Heart’s Desire nur zurück, wenn er sich als ihr Verlobter ausgibt! Und so beginnt ein gefährlich heißes Spiel …
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Seitenzahl: 202
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2012 Day Totton Smith Originaltitel: „Becoming Dante“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1851 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Petra Lingsminat
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733720872
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Die Tür zu Gabe Morettis Büro wurde aufgerissen, und herein rauschte eine der schönsten Frauen, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Als er sie sah, überlief ihn ein merkwürdiges Kribbeln, ein Gefühl, wie er es noch nie erlebt hatte. Es störte ihn auf aus seiner Ruhe und versetzte all seine Sinne in Alarmbereitschaft.
Sie gehört dir, vernahm er eine heimtückische Stimme. Nimm sie dir!
Gabe schob den aberwitzigen Gedanken beiseite und konzentrierte sich stirnrunzelnd auf die Frau. Sie war groß, beziehungsweise sie wirkte groß durch ihre acht Zentimeter hohen Absätze, sie war zart, beinahe zerbrechlich. Unter einem offenen schwarzen Wollmantel trug sie ein grauweißes Dior-Kostüm, das ihre weiblichen Rundungen betonte. Das rote Haar hatte sie im Nacken zu einem schweren Knoten zusammengefasst.
Doch sie war mehr als eine reine Schönheit. In ihrer Erscheinung spiegelten sich Charakter und Willensstärke, Intelligenz leuchtete in ihrem Blick, ihre Augen, so unglaublich hellgrün, ließen einen nicht mehr los … und wirkten doch selbst gefangen. Sie verliehen ihr eine beinahe schmerzliche Verletzlichkeit, auf die Gabe mit erschreckender Heftigkeit reagierte.
Nimm dir diese Frau!
Diese Sehnsucht überstieg jede Vernunft. Die Zeit kam zum Stillstand, er verlor beinahe seine eiserne Selbstbeherrschung, alles, was ihn antrieb und zu dem Mann machte, der er war. Sein Begehren spitzte sich zu einem Befehl zu … diese Frau, jetzt, in diesem Augenblick. Unerträgliche Hitze erfasste ihn, pulsierte mit jedem Herzschlag durch seine Adern. Und dann löste sich die Zeit aus ihrer Erstarrung, und er wurde ins Hier und Jetzt zurückgestoßen.
Die Frau hielt in ihrer Bewegung inne, als hätte sie seine innere Unruhe verspürt. Sie zögerte, sah ihm in die Augen. Offenbar war er nicht das, was sie erwartet hatte, was ihn nur noch neugieriger machte. Wen oder was hatte sie wohl erwartet? Oder reagierte sie einfach nur auf ihn, genau wie er auf sie reagierte?
„Gabe Moretti?“, fragte sie mit tiefer, heiserer Stimme, die ihn nur noch mehr um den Verstand brachte.
Sie ist die Frau für mich!
„Entschuldigen Sie, Mr Moretti.“ Seine Assistentin kam ins Büro geeilt. „Sie hat darauf bestanden, Sie sofort zu sprechen.“
Gabe schloss die Akte, die er durchgesehen hatte, und stand auf. Er fixierte die geheimnisvolle Frau mit jenem stählernen Blick, der ihm unter Konkurrenten und Gegnern den Spitznamen „Iceman“ eingetragen hatte. Vielleicht reagierte er so heftig, weil ihm die innere Stimme keine Ruhe ließ – er hatte sie noch nie zuvor gehört und hoffte, sie auch nie wieder hören zu müssen. Vielleicht wollte er auch den Instinkt in Schach halten, der ihm entgegen jeden zivilisierten Benehmens zuraunte, sich zu nehmen, was er wollte, ohne an die Konsequenzen zu denken. Doch sie schaute ihn einfach nur an, und ihr Blick war ebenso brillant und leidenschaftlich wie Dantes Feuerdiamanten.
Feuer und Eis, eine faszinierende Kombination.
„Warum fangen wir nicht am Anfang an?“, schlug er vor. Er war höchst beeindruckt, dass er so ruhig sprechen konnte, während in ihm die Leidenschaft brodelte. „Zum Beispiel, wer sind Sie?“
„Erkennen Sie mich denn nicht? Das sollten Sie eigentlich.“ Ihre Stimme klang amüsiert. „Ich bin Kat Malloy.“
Diese Aussage traf ihn wie ein Schlag. So viel also zu dieser albernen inneren Stimme. Diese Frau war nicht nur nicht die Frau für ihn, sie konnte sie auch niemals sein. So sehr er sie auch körperlich begehren mochte, sie wäre die letzte Frau auf Erden, mit der er ins Bett gehen würde. Er hatte sie erst ein einziges Mal zuvor gesehen. Damals hatte er ähnlich auf sie reagiert, wenn auch nicht so heftig. Vielleicht hatte seine frühere Reaktion damit zu tun, dass sie im Bett eines anderen gelegen hatte – und dieses Bett hatte dem Verlobten ihrer Cousine gehört.
Gabe sah zu seiner Assistentin und schickte sie mit einem leichten Nicken wieder hinaus.
Sobald sie allein waren, trat er näher und feuerte die erste Salve ab. „Vielleicht hätte ich dich leichter erkannt, wenn du keine Kleider getragen hättest.“
In ihrem Blick flackerte Zorn auf. „Wie reizend von dir, das anzusprechen. Wie immer, ganz der Gentleman.“
„In diese Richtung solltest du besser nicht weiterargumentieren“, sagte er sehr sanft. „Sonst sähe ich mich gezwungen, darüber zu diskutieren, in welchem Maße du der Definition einer Lady entsprichst.“
Sie tat diese Warnung mit einem lässigen Schulterzucken ab, obwohl die leise Röte auf ihren Wangen verriet, dass seine Bemerkung gesessen hatte. Gut. Diese Feindseligkeit verhinderte andere Gefühle – zum Beispiel Lust. Oder Leidenschaft. Oder das Bedürfnis, ihr die Kleider vom Leib zu reißen und sie zu verführen.
„Du könntest mir wenigstens die Höflichkeit erweisen, dir meinen Vorschlag anzuhören, bevor du mich rauswirfst.“
Er starrte sie nur an. Und die ganze Zeit redete diese furchtbare innere Stimme auf ihn ein, verlangte Dinge, die er sich nicht einmal anhören, geschweige denn erfüllen wollte.
„Ich bin dir nichts schuldig. Vielleicht meine verstorbene Frau. Schließlich warst du Jessas Cousine“, sagte er schließlich. Er hielt kurz inne, ehe er im Plauderton fortfuhr: „Wusstest du eigentlich, dass sie dich wie eine Schwester geliebt hat? Auch nach allem, was du getan hast, auch nach deiner kleinen Affäre mit Benson Winters, hat sie die letzten beiden Jahre ihres Lebens um den Verlust eurer Freundschaft getrauert.“
„Tatsächlich?“ Kat hob eine schmale Augenbraue. „Dann hatte sie aber eine höchst merkwürdige Art, das zu zeigen, denn sie hat unsere Großmutter gegen mich aufgehetzt und mich in der Presse verunglimpft. Irgendwie kann ich das nicht sehr schwesterlich finden.“
Er sah rot. „Vielleicht liegt das daran, dass du mit ihrem Verlobten geschlafen hast. Und obwohl ich letztendlich davon profitiert habe, war das von dir absolut widerwärtig.“
Kat Malloy hatte sich bewundernswert rasch wieder gefangen. „Das bekomme ich andauernd zu hören. Aus irgendeinem seltsamen Grund sehe ich die Geschehnisse in jener Nacht ein wenig anders.“
Sie schaute sich in seinem Büro um, betrachtete die großzügige Sitzecke, wo er seine Gäste empfing, und nahm auf dem Sofa Platz. Dann schlüpfte sie aus dem Mantel und machte es sich bequem, indem sie die Beine übereinanderschlug – herrliche, wohlgeformte Beine, wie er nicht umhin konnte zu bemerken. Beine, die er nur zu gern um sich geschlungen sähe.
Andererseits – auch eine Giftschlange hatte einen geschmeidigen Körper. Was nicht hieß, dass er einer zu nahe kommen würde. Nicht dass seine innere Stimme nun Ruhe gegeben hätte. Anscheinend interessierte sie sich nicht für Schlangen, nur für diese Beine und wie eng sie ihn umschlingen konnten.
Mit bemerkenswerter Selbstbeherrschung sagte Kat: „Bevor du mich rausschmeißt, solltest du dir über ein wichtiges Detail im Klaren sein.“ Sie lächelte ihr Sirenenlächeln. „Ich habe etwas, was du willst.“
Er winkte ab. „Kann ich mir nicht vorstellen.“
Sie faltete die Hände im Schoß. So züchtig. So schicklich. So verdammt stilvoll. Und alles reine Lüge. „Das Detail, das ich meine, heißt Heart’s Desire.“
Er erstarrte. Verdammt! Jahrelang hatte er ohne Erfolg versucht, Matilda Chatsworth das Diamanthalsband seiner Mutter abzukaufen. Kats Großmutter wusste sehr wohl, wie viel ihm daran gelegen war, dass er buchstäblich alles getan hätte, um es zurückzubekommen. Zugegeben, das war nicht die beste Verhandlungsbasis für jemanden mit seiner Erfahrung. Aber damals war er sehr viel jünger gewesen und noch nicht so geübt darin, ein Pokerface zu wahren, vor allem wenn es um etwas ging, was mit so viel emotionalem Gepäck verbunden war.
Seine Mutter Cara hatte das Halsband kreiert, damals, als sie als Schmuckdesignerin bei den Dantes angefangen hatte. Während dieser frühen, aufregenden Tage hatte sie sich in Dominic Dante verliebt, den Sohn des Eigentümers. Ihre Affäre war leidenschaftlich und erfüllend gewesen, beinahe hätten sie geheiratet, aber dann hatte er doch nicht seine Mutter gewählt, sondern eine Frau mit genug Geld auf dem Konto, zweifellos auf Drängen seiner Eltern.
Nach diesem Verrat hatte seine Mutter eine Stellung bei Dante in New York akzeptiert und mit ihrem Leben weitergemacht – bis Dominic Jahre später wieder bei ihr aufgetaucht war. Sie hatte ihm nicht widerstehen können, und das Ergebnis dieses One-Night-Stands waren Dante und seine Zwillingsschwester Lucia. Daraufhin hatte Cara den Dantes endgültig den Rücken gekehrt.
Laut Dominic hatte er Cara nie vergessen können. Jahrelang hatte er verzweifelt nach ihr gesucht. Fünfzehn Jahre später hatte er sie schließlich gefunden und erfahren, dass sie Zwillinge geboren hatte. Diesmal machte er ihr einen Heiratsantrag, obwohl er immer noch mit seiner ersten Frau verheiratet war.
Er gab Cara ein Halsband, das sie für das Unternehmen entworfen hatte und das er ihr zu Ehren „Heart’s Desire“ getauft hatte, dazu einen Ring und das Versprechen, sie nach seiner Scheidung zu heiraten und seinen unehelichen Kindern seinen Namen zu geben. Natürlich war es nie dazu gekommen, alles, was Cara Moretti blieb, waren leere Versprechungen und das erlöschende Feuer der Diamanten, die Dominic ihr geschenkt hatte.
Gabe war zwanzig gewesen, als seine Mutter krank wurde. Da er unbedingt Geld brauchte für die medizinische Versorgung, hatte er das Diamanthalsband an Matilda Chatsworth verkauft. Das Geld hatte ihm außerdem einen Start im Leben ermöglicht. Obwohl er immer gewusst hatte, dass ihm gar nichts anderes übrig geblieben war, als das Halsband zu verkaufen, hatte er immer gehofft, es eines Tages zurückkaufen zu können. Er hatte lange gebraucht, um zu erkennen, warum das für ihn einen so hohen Stellenwert hatte.
Schließlich hatte er sich eingestehen können, welche symbolische Bedeutung das Halsband für ihn hatte. Es stand für den Mann, der ihn gezeugt hatte. Die Familie, die ihn zurückgewiesen hatte. Und die Mutter und Schwester, die immer für ihn und füreinander da gewesen waren, in guten, schlechten und unglaublich schrecklichen Zeiten.
Bis er schließlich so weit war und über die finanziellen Mittel verfügte, das Halsband zurückzukaufen, hatte Matilda nicht mehr verkaufen wollen. Selbst als er ihre Enkelin Jessa geheiratet hatte, war das Halsband außer Reichweite geblieben. Ihm war es ein Rätsel, warum Matilda jetzt nach all den Jahren beschlossen hatte, das Halsband ihrer missratenen Enkelin zu übergeben, statt es an ihn zu veräußern. Warum hatte sie sich so gegen ihn gewandt, vor allem, nachdem sie Kat für ihren Verrat an Jessa von Herzen verachtete?
Gabe konzentrierte sich wieder auf Kat und sagte mühsam beherrscht: „Du hast es?“ Nur diese drei Worte, doch darin lagen Gefühle, die seine ganze Lebensgeschichte einschlossen. Die den Kern seines Wesens und seiner Persönlichkeit berührten.
Kat zögerte und antwortete dann indirekt. „Meine Großmutter hat vor Kurzem Kontakt zu mir aufgenommen und mich gebeten, nach Hause zu kommen. Ihr geht es nicht gut. Sie hat versprochen, mir das Halsband zu geben, wenn sie …“ Ein schmerzlicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht. „Danach.“
„Dann komm zu mir, wenn du es wirklich hast. Und jetzt, wenn es dir nichts ausmacht …“ Er deutete mit dem Kopf zur Tür. „Ich habe zu tun.“
„Leider geht es um etwas mehr.“ Sie blickte sich um, sah die Hausbar und fragte etwas heiser: „Könnte ich wohl ein Glas Wasser haben? Ich komme um vor Durst.“
„Bereitest du dich darauf vor, die Rolle der trauernden Enkelin zu spielen, die sich über den Tod ihrer Großmutter grämt, Kat? Samt Krokodilstränen, möchte ich wetten. Tut mir leid, meine Süße, ich falle nicht drauf rein.“
Er sah Schmerz in ihrem Blick, doch im nächsten Augenblick war ihre Miene wieder verschlossen. „Jede Träne, die ich wegen meiner Großmutter vergieße, wird echt sein. Meine Eltern sind gestorben, als ich fünf war, und Gam hat mich großgezogen. Ich schulde ihr mehr, als ich sagen kann. Aber mach dir keine Sorgen, dass ich vor dir zusammenbrechen könnte. Ich weine nie.“
Gabe machte sich nicht die Mühe, um den heißen Brei herumzureden. „Wie viel? Wie viel für Heart’s Desire?“
Sie verzog keine Meine. „Es ist nicht zu verkaufen.“
Fluchend sprang er auf. „Weißt du, du bist wirklich das Letzte! Erst schläfst du mit Benson Winters, Jessas Verlobtem. Und jetzt hast du eine Methode gefunden, dich bei Matilda lieb Kind zu machen und das Halsband in die Hände zu bekommen. Warum? Was spielst du für ein Spiel?“
Ihre Antwort kam ebenso prompt. „Das ist kein Spiel. War es nie.“
Er kam sofort auf das Wesentliche zu sprechen – oder das, was er dafür hielt. „Ich gebe dir den vollen Wert. Mehr als den. Geld spielt keine Rolle.“ Wie immer, wenn es um das verdammte Halsband ging, verließen ihn all die Geschäftstaktiken und Verhandlungsstrategien, die er sich in den letzten zehn Jahren angeeignet hatte.
„Mir geht es nicht um Geld.“ Sie winkte ab und lächelte kühl. „Ich dachte, du wolltest mir etwas zu trinken geben?“
Verdammt, verdammt, verdammt! Da hatte er keine fünf Minuten mit dieser Frau verbracht, und schon hatte sie seine jahrelangen Bemühungen um Selbstbeherrschung untergraben. Es musste daran liegen, dass er sie begehrte. Weil sie zu ihm gehörte. Er erstarrte, fassungslos. Du lieber Himmel, was zum Teufel war nur mit ihm los?
Wortlos ging er zur Hausbar. „Mit oder ohne Kohlensäure?“
„Ohne.“
„Eis?“
„Danke. Das wäre eine nette Abwechslung.“
„Allerdings.“ Das Eis klirrte im Glas. „Du hast dich die letzten fünf Jahre in Europa versteckt.“
„Ich habe mich nicht versteckt“, protestierte sie.
Interessant. Offenbar hatte er schon wieder einen wunden Punkt getroffen. Erstaunlich, dass eine Frau wie Kat ihre Verletzlichkeiten nicht besser schützte. „Unsinn. Du hast das Land doch fluchtartig verlassen, nachdem rauskam, dass du etwas mit dem Senatskandidaten Benson Winters hattest, dem Verlobten deiner Cousine! Und seither bist du nicht mehr hier gewesen, nicht mal zu Jessas und meiner Hochzeit, geschweige zu ihrer Beerdigung.“
Er reichte ihr das Glas und bemerkte befriedigt, dass es in ihrer Hand ganz leicht zitterte. „Aber sobald dir klar wird, wie du Heart’s Desire in die Hände kriegst, kommst du nach Seattle zurück.“
Sie nahm rasch einen Schluck Wasser, zweifellos, um ein paar kostbare Sekunden zu gewinnen und sich zu fassen. „Hast du dich deswegen immer geweigert, mich zu sehen? Weil ich nicht zu Jessas Beerdigung gekommen bin?“
„Das passt als Grund genauso gut wie jeder andere, findest du nicht?“
„Wenn es stimmen würde.“ Sie trank etwas von ihrem Wasser. „Tut es aber nicht.“
Wenn er sich auf seinen Zorn konzentrierte, würde das Begehren vielleicht verschwinden. Oder zumindest nachlassen. Das war alles, was er brauchte, ein paar Augenblicke Pause von den Wellen heftigen Verlangens, die in seinem Innersten anbrandeten und jede Selbstbeherrschung zu unterhöhlen drohten. Er verstand es nicht. Für diese Frau hätte er nichts anderes empfinden dürfen als tiefe Verachtung. Und doch … Er fühlte etwas ganz anderes. Warum?
„Was stimmt nicht?“, stieß er hervor. „Dass du dir nicht die Mühe gemacht hast, zu Jessas Beerdigung zu erscheinen? Oder dass du nur zurückgekehrt bist, um Heart’s Desire in die Hände zu bekommen?“
Lässig zuckte sie mit den Schultern. „Jessa hätte nicht gewollt, dass ich komme.“
„Keine Frage. Und trotzdem kehrst du zurück wie ein Aasgeier, sobald du erfährst, dass Matilda krank ist. Oder täusche ich mich da ebenfalls?“
Kat hatte keine Ahnung, was Gabe Moretti mit ihr angestellt hatte.
Ein Kuss. Nur ein Kuss. Mehr hätte es nicht sein sollen.
Doch sobald seine Lippen die ihren berührten, war sie von einer Begierde überwältigt worden, wie sie sie noch nie erfahren hatte. Sie erkannte sich nicht wieder in dieser Person, die vor Leidenschaft glühte. Sich vor Sehnsucht verzehrte.
So hatte sie noch kein Mann berührt. Weder körperlich noch seelisch. Sie hatte sich solche Mühe gegeben, Schutzwälle zu errichten, damit ihr ja niemand zu nahe kam. Und doch, ein Kuss von diesem Mann – ihrem zukünftigen Verlobten – hatte die Wälle eingerissen, als wären sie aus Pappe. Wie war das nur möglich?
Noch bestürzender war der Kuss selbst gewesen, ein Kuss, der brannte, ein Kuss, dem sie sich geöffnet, sich ohne nachzudenken, ohne zu zögern hingegeben hatte. Hätte er ihr hier in der Eingangshalle die Kleider vom Leib gerissen, dann hätte sie nichts dagegen unternehmen wollen. Wollen? Können. Sie hatte ihre Reaktion auf ihn genauso wenig unter Kontrolle wie die Gezeiten oder den Lauf der Sonne.
Er vertiefte den Kuss, und sie gab ihm nach, ließ sich von diesem Wahnsinn fortreißen. Sie wollte, dass er sie überall berührte, sie verführte.
Ihr zukünftiger Verlobter. Ihr Gefährte.
Ihr Mann.
Sobald ihr dieser Gedanke in den Sinn kam, wehrte sie sich dagegen. Sie befreite sich aus Gabes Armen und stolperte einen Schritt zurück. Und dann noch einen, bis sie die Eingangstür im Rücken spürte.
Nein. Oh nein, nein, nein. Wie sollte sie einen Neuanfang machen, wenn sie sich diesem Mann hingab? Er gehörte zu ihrer ungeliebten Vergangenheit, wie Jessa und der Skandal. Kats Plan hatte vorgesehen, all diese Bindungen zu zertrennen und die losen Enden zu vernähen. Die Verlobung mit Gabe war Teil dieses Plans, allerdings nur vorübergehend und ohne Gefühle. Stattdessen wanden sich die alten Bindungen um sie, wurden enger, drohten sie zu ersticken. Irgendwie hatte sie vergessen, wer sie war und was sie werden wollte, sie hatte sich in Gabes Netz aus dunkler Lust und Sehnsucht verfangen.
„Was hast du eben mit mir gemacht?“, fragte sie leise.
„Ich habe dich geküsst.“
Sie schüttelte den Kopf und spürte, wie sich der Knoten in ihrem Nacken löste und ihr das Haar schwer auf den Rücken fiel. Aus irgendeinem Grund war das für sie der endgültige Verrat, eine ungewollte, aber unvermeidliche Kapitulation. Ein Verlust der schlimmsten Art … ihrer selbst. Ihr Kuss hatte kaum mehr als ein, zwei Momente gedauert und doch eine solche Wirkung auf sie gehabt. Sie war immer so stolz auf ihre kühle Beherrschung gewesen, eine Haltung, bei der andere ihr nichts anhaben konnten, weil sie sie gar nicht nahe genug an sich heranließ. Und Gabe hatte ihr das mit einer einzigen Berührung genommen.
„Das war kein Kuss.“ Sie hob die bebenden Finger an den Mund. Handfläche und Lippen pochten. „Es hat gebrannt. Wie hast du das angestellt?“
Etwas flackerte in seinem Blick, als hätte er eine unerwartete Erleuchtung. „Es ist einfach passiert. Keine Ahnung, wie oder warum.“
„War es …“ Sie befeuchtete sich die Lippen. „War es mit Jessa genauso? Ist das bei den Morettis so?“
Er hob eine Augenbraue. „Bei den Morettis?“, wiederholte er amüsiert und schüttelte den Kopf. „Nein, wenn überhaupt, dann bei den Dantes.“
„Den Dantes?“ Meinte er dieselben Dantes, von denen das Halsband seiner Mutter stammte? Die Dantes, für die sie eines Tages zu arbeiten hoffte? Das ergab keinen Sinn. „Verstehe ich nicht.“
„Ich jetzt auch noch nicht.“ Er tat einen Schritt auf sie zu, und sie verkrampfte sich. Zu ihrer Erleichterung kam er nicht näher. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich brauche einen Drink.“
„Es ist noch nicht mal Mittag“, protestierte sie.
„Ich brauche einen Drink“, wiederholte er. Er wies auf einen Raum, der von der Eingangshalle abging. „Wenn du im Arbeitszimmer auf mich warten würdest, ich kümmere mich um den Lunch.“
„Ich möchte mich gern frisch machen.“ Sie schaute sich um. „Wo …?“
„Vom Arbeitszimmer geht ein Bad ab.“
Zögernd betrat sie das Arbeitszimmer, einen überraschend hübschen Raum. Doch so gern sie das Parkett und die Antiquitäten näher betrachtet hätte, ging sie weiter ins Bad. Ein Blick in den Spiegel bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen.
Sie sah nicht nur aus wie eine Frau, die bis zur Besinnungslosigkeit geküsst worden war. Sie sah entblößt aus. Exponiert. Hilflos. Das war ihr erst ein Mal passiert, und sie hatte sich geschworen, dass es nie wieder vorkommen würde. Und doch war es passiert. Irgendwie hatte Gabe Moretti einen Weg gefunden, die Büchse der Pandora zu öffnen, die sie im tiefsten, dunkelsten Winkel ihrer Seele versteckt hatte. Und er hatte es mit einem einzigen Kuss getan. Wie war das möglich?
Und was war das für eine merkwürdige Hitze, die zwischen ihnen aufgeflammt war? Leidenschaft allein war es nicht gewesen. Es war mehr gewesen. Etwas, was sie nicht unter Kontrolle hatte, das im Gegenteil sie kontrollierte, als hätte das Schicksal ihr Leben auf einen völlig neuen Weg gebracht. Und dieser Weg, daran hatte sie keinen Zweifel, würde sie direkt in Gabes Arme führen – den einen Ort, an den sie sich gewiss nicht begeben würde und den sie gleichzeitig so gern erforscht hätte.
Die glückliche, glückliche Jessa.
Kat hob die Hand an die Lippen, erschrocken, wie sehr ihre Finger zitterten. Und ihre Augen … dunkel, voll Schmerz. Dazu das offene Haar … Gott, sah sie mitgenommen aus. Und das nach nur einem Kuss. Was würde wohl geschehen, wenn er über einen bloßen Kuss hinausging?
Sie schob den Gedanken beiseite. So ging das nicht. Sie öffnete ihre Handtasche und baute rasch die Barrieren auf, mit denen sich Frauen zu allen Zeiten schützten. Nachdem ihr Knoten wieder fest im Nacken saß und ihr Make-up makellos aufgetragen war, fühlte sie sich besser. Noch besser würde sie sich fühlen, wenn sie den Ausdruck ihrer Augen irgendwie hätte kaschieren können.
Sie schloss sie und erinnerte sich. An alles, was sie durchgemacht, was sie bisher erreicht hatte. Was sie noch in Zukunft zu erreichen gedachte. Sie erinnerte sich an die Vergangenheit, wie sehr sie ihrer Großmutter verpflichtet war, die sie nach dem Tod ihrer Eltern aufgenommen hatte. An ihre Schwierigkeiten in den letzten fünf Jahren und wie sie gnadenlos jeden Penny ihres Erbes umgedreht hatte. Das Leben war unglaublich hart gewesen, bis ihre Finanzen vor achtzehn Monaten plötzlich einen raschen Aufschwung genommen hatten, genug, um sich ein paar Designerklamotten zu gönnen.
Aber im Vordergrund stand für sie der verzweifelte Wunsch, sich mit der Frau auszusöhnen, die vor fünf Jahren ihre gesamte Welt ausgemacht hatte. Und natürlich ihr eigentliches Ziel … San Francisco und ein Job als Schmuckdesignerin bei den Dantes. Das gab ihr Halt wie sonst nichts.
Als sie wieder in den Spiegel schaute, erblickte sie eine Frau, die selbst Herrin über ihr Schicksal war. Eine Frau, die Gabe Moretti widerstehen konnte. Sie atmete tief durch und betete, dass Gabe sie ebenfalls so sah.
Sie kehrte ins Arbeitszimmer zurück, wo er bereits Drinks eingoss. Er musterte sie, und ein wissendes Funkeln trat in seine goldbraunen Augen. „Geht es dir jetzt besser?“, fragte er.
„Viel besser.“
„Willst du einen Drink?“
Sie zuckte mit den Schultern. Warum nicht? „Danke. Aber bitte pur.“
„Ich habe den Lunch bestellt, dürfte nicht mehr lange dauern. Außerdem habe ich meinen Anwalt Tom Blythe angerufen. Er soll für uns eine Vereinbarung aufsetzen. Er ist diskret, kann ich dir versichern.“ Gabe kam näher und reichte ihr ein Glas. Ihre Fingerspitzen berührten sich dabei, worauf das brennende Kribbeln wieder einsetzte. Aus irgendeinem Grund konzentrierte es sich auf ihre Handfläche und ihre Lippen. Seltsam. Sehr seltsam. Und es lenkte sie ab. „Erklär doch mal, wie du dir das Ganze vorstellst. Dann können wir das Weitere ausdiskutieren.“
Sein geschäftsmäßiges Auftreten gab ihr Halt, wofür sie ihm dankbar war. „Ganz einfach. Wir vereinbaren, wo wir uns zum ersten Mal begegnen, irgendwo in der Öffentlichkeit, damit wir auch gesehen werden. Dann gehen wir ein paar Monate miteinander aus. Geben unsere Verlobung bekannt. Lassen der Verlobung ihren Lauf, bis …“ Sie nahm rasch einen Schluck, das Brennen des Alkohols in der Kehle half ihr, sich zu konzentrieren. Sie wiederholte das Wort, konnte sich aber nicht dazu durchringen, den Satz zu vollenden: Bis Gam gestorben ist.
„Ich glaube, es geht noch um mehr“, warnte Gabe.
Sie hob eine Braue. „Zum Beispiel?“
„Unseren Treffpunkt. Wie lange wir ausgehen sollten. Wie und wann wir die Verlobung bekanntgeben. Wie wir am besten mit Matilda umgehen. Wann die Eigentumsübertragung stattfindet.“ Er senkte die Stimme, und sein Blick wurde dunkel. „Ganz zu schweigen vom … Vollzug unserer Übereinkunft.“
Diesmal brauchte er sie nicht einmal zu berühren, dass sie die Fassung verlor. Sie nahm noch rasch einen Schluck. Warum er? Warum ausgerechnet Jessas Mann? Sie hoffte, dass ihre Stimme nichts von ihrem inneren Aufruhr verriet, und sagte: „Für die ersten Verabredungen sollten wir die schicksten Örtlichkeiten aussuchen. Ich bin da nicht mehr auf dem Laufenden, du weißt sicher besser, was da infrage kommt.“
„Einverstanden.“
„Was die Bekanntgabe der Verlobung angeht, so würde ich sagen, dass wir damit drei bis sechs Monate warten.“
„Einen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das kauft uns doch keiner ab.“
„Ich glaube schon.“ Er lächelte auf eine Weise, dass ihr ein Prickeln über den Rücken lief. „Vor allem wenn sie sehen, dass ich die Hände nicht von dir lassen kann.“
„Drei“, bat sie verzweifelt. „Drei Monate.“
„Einen.“
Sie kniff die Lippen zusammen. „Die Leute werden es nicht glauben. Und sie müssen es doch glauben.“
„Die Leute werden mich einfach für liebestoll halten“, erklärte er nüchtern. „Leider eilt dir dein Ruf voraus, daher werden sie bei deiner Beurteilung wohl nicht so großzügig sein. Und sobald ich unsere Verlobung gelöst und jeden Kontakt mit dir abgebrochen habe, ist es aus mit deinem Flirt mit der Ehrbarkeit.“
Nun verstand Kat es. Sie wurde kreidebleich. „Du hoffst, dass du das Urteil der Allgemeinheit bestätigst, indem du die Verlobung löst.“ Und heiser fragte sie nach: „Warum? Warum solltest du?“
Seine Augen funkelten. „Nennen wir es ein Verlobungsgeschenk von Jessa. Du kannst natürlich ablehnen, moralische Überlegenheit beweisen und unserem Geschäft den Rücken zukehren. Aber etwas sagt mir, dass du das nicht tun wirst, selbst wenn es bedeutet, dass du in einen weiteren Skandal verwickelt wirst und dein Ruf völlig ruiniert ist.“