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In diesem Buch wurde die bisher umfassendste Darstellung der Allversöhnungslehre aus biblisch-heilsgeschichtlicher Sicht vorgenommen. Zugleich wird die Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel, mit den Nationen und der Gemeinde Jesu dargestellt und gezeigt, dass sich die Allversöhnungslehre harmonisch in die Heilsgeschichte einfügt.
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Seitenzahl: 1006
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Die Allversöhnungslehreaus biblischer Sicht
von
Roman Nies
© 2022 Roman Nies
ISBN Softcover: 978-3-347-52174-2
ISBN Hardcover: 978-3-347-52179-7
ISBN E-Book: 978-3-347-52182-7
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Die Allversöhnungslehre
aus biblischer Sicht
Vorbemerkungen
1. Kapitel
Zwei Positionen und zwei Weltanschauungen
Bilanzen - Heilsgeschichtliche Handlungen Gottes - Gottes Ziel und Erfüllung - Der freie Willen
2. Kapitel
Zur Gerechtigkeit
Gerechtigkeitssinn und Gerechtigkeitsunsinn - Gottes Wesen garantiert Gerechtigkeit - Monströse Unvernunft - Wirkungen der Liebe und Fürsorge - Strafen Gottes
3. Kapitel
Die Hölle und die Barmherzigkeit Gottes
Höllische Gesinnungen - Ein anderer Gott - Zielverkennung ist Wegverfehlung - Heidnische Vorstellungen - Im Namen des Kreuzes - Zweifelhafte Moral - Wunschbild der Eigensucht - Strafmaß - Die gründliche Hölle - Die sterbliche Hölle - Das unauslöschliche Feuer
4. Kapitel
Wo sich die Geister scheiden
Kein Geist der Versöhnung - Unausgereiftes Menschtum - Gottes Zorn - Gottes Licht und menschliche Verdunkelung - Heilsgeschichte und kirchliche Tradition - Drohung oder frohe Botschaft
5. Kapitel
Sünde und Versöhnung
Die Macht der Sünde - Der Sieg über die Sünde - Der unfreie Wille - Aufrichtig oder treulos - Die Macht des Telos - Gericht für Gerechtigkeit - Wahre Größen
6. Kapitel
Die Reichweite des Kreuzes
Die ganze Fülle - Auf Gott vertrauen - Keine Übertreibungen - Die Verweigerer - Ehrwürdige Gedankenhöhe - Adam abgelöst
7. Kapitel
Das Ziel der Schöpfung und ihr Erfolg
Eine gestörte Himmelswelt - Das vollkommene Gottesbild - DualistischeVerirrungen - Von der Botschaft des Ruins - zur Botschaft des Sieges
8. Kapitel
Das rechte Wollen lernen
Mit Gottes Weisheit rechnen - Ein guter Willen muss reifen - Freiheit für alle - Es geht ums Ganze - Nicht durch Zwang, durch Berufung – Der Mensch bleibt ohne Gott ein Sklave - Vorherbestimmt, um zu wollen
9. Kapitel
Durchlichtungsliebe
Wahrhaftigkeit und Ehre - Gott liebt nicht weniger - Kein bleibendes Dilemma - Der Heiland und die Hölle - Das Gotteswillensfähige
10. Kapitel
Die Ersten und die Letzten
Ganz Israel - Kompromissloses Heil - Wer zuletzt kommt… - Meine Gerechtigkeit, nicht eure!
11. Kapitel
Die ursprüngliche Lehre
Die Anfänge - Kirchengeschichtliche Fakten - Der babylonische Wandel - Die menschliche Ursache - Die Entdeckung der unendlichen Qualität – Zeitlose Zeugnisse - Weichenstellungen - Der alte Adam setzt sich durch - Der unliebe Augustin - An ihren Früchten…
12. Kapitel
Wahrheit und Moral
Fatale Zusammenhänge - Fremde Lehren, Lügen und Legenden - Die biblischen Geheimnisse - Täuschungsstrategien und ihre Früchte - Alles zu seiner Zeit - Die Äonen - Das Strafrecht
13. Kapitel
Allversöhnung im Alten Testament
Die universalistischen Psalmen - Die universalistische Prophetie - Gottes richtendes Abzielen - Die Beseitigung der Schuld
14. Kapitel
Allversöhnung im Neuen Testament
Das Wort erreicht das Ziel - Würde und Reichtum Gottes – Die Antwort auf alle „Warum-Fragen“ - Heilsgeschichtliche Ordnungen - Die Allversöhnungslehre bei Paulus
Anmerkungen
Literaturverzeichnis (Auswahl)
Vorbemerkungen
Die Allversöhnungslehre enthält uraltes biblisches Gedankengut über Gottes heilsbegründendes Handeln mit den Menschen und fasst sie zu einem Gesamtkonzept zusammen, wonach Gott Sein Ziel mit der Menschheit insgesamt erreichen wird. In der jüngsten Theologie ist die Thematik wieder stärker beachtet worden und die Forderung, wonach die Allversöhnungslehre eine ernsthafte Betrachtung verdient, hat manche Fürsprecher gefunden. Es fehlte bislang eine umfassende, systematische Abhandlung, weil meist nur Teilfragen gestellt wurden. Gegner der Sichtweise, dass Gottes Wollen, alle zu retten, Seinem Ratschluss entspricht und daher der Erfolg gewiss sein müsse, wissen sich in der Gesellschaft der christlichen Kirchen und der ihnen angehörenden Theologen, wo diese Lehre nicht mehrheitsfähig ist. Sie können sich auf jahrtausendealte kirchliche Tradition berufen und ihre betont sich zur Bibel bekennenden Brüder im Glauben verweisen neuerdings auf einen Zusammenhang mit den irreführenden Strömungen des Zeitgeistes. Doch die Lehre ist so alt wie die Bibel selbst und wurde auch immer wieder von Theologen, jüdischen und christlichen Gläubigen vertreten, auch wenn sie meist in der Minderzahl waren. *1 Vor allem darf sie nicht mit den Lehren außerchristlichen Denk- und Glaubensrichtungen verwechselt werden. Dass sie ganz im Gegenteil viele biblischen Fragen beantwortet, die sonst offenbleiben müssen, soll auch in diesem Buch aufgezeigt werden.
Aus biblischer Sicht steht die Versöhnung Gottes mit den Menschen näher am Anfang eines langen gemeinsamen Weges als am Ende. Versöhnung geschah und geschieht fortlaufend und trägt Früchte, die wiederum weiteren heilsgeschichtlichen Ertrag erbringen. Das Endergebnis dieses Prozesses ist die Allvollendung, wenn der Sohn Gottes alles dem Vater ordentlich, Ihm selbst untergeordnet, übergibt (1 Kor 15,22-28). Die Allvollendung ist der Vollzug der Verherrlichung Gottes durch die Verherrlichung Seiner Schöpfung, die Er von Anfang an geplant hat und die sich unter Seiner Anleitung und Begleitung durch die Äonen vollzieht.
Am Beispiel des Gleichnisses vom verlorenen Sohn kann man das Thema des Unterschieds zwischen Versöhnung und Vollendung aufzeigen. Die Versöhnung war besiegelt, als der Sohn in die Arme des Vaters zurückkehrte. Aber dann setzt das Gedeihen und die Optimierung der Vater-Sohn-Beziehung mit diesem neuen Zusammenleben in gegenseitiger Achtung, Liebe und gemeinsamer Zielsetzung an. Der Vater und der Sohn leben nun in einer fruchtbringenden und liebevollen Einheitsverbindung zusammen. Sie ist vergleichbar mit dem wachstumsmäßigen Einssein eines Gliedes des Leibes Jesu Christi mit seinem Haupt, die von Paulus in Aussicht gestellt worden ist. Die Unterordnung unter das Haupt ist eine Einordnung zur beidseitigen Erbauung. Beim Vater mag die Freude über die Fortschritte darüber eher einsetzen als bei dem, der noch unter den Wachstumsprozessen Gesundungsschmerzen hat.
Wenn in diesem Buch von Allversöhnung gesprochen wird, wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass vor der Allvollendung die entscheidende Weichenstellung zur Vollendung der Pläne Gottes mit der Versöhnung zwischen Gott und dem Menschen geschehen ist, nämlich am Kreuz Jesu Christi. Es steht auch für die nun möglichen, fortlaufenden Versöhnungsprozesse, weil fortan auch immer deutlicher wird, dass es keine endgültige Verdammung geben können wird.
In einem Flyer mit dem Titel „Allversöhnung" der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen, reduziert man die Frage nach der Allversöhnung auf das Entweder-oder und zeigt dabei schon einen Gegensatz, dem möglicherweise ein Denkfehler zugrunde liegt. Die Formulierung „In vielen landes – wie freikirchlichen Predigten und Stellungnahmen ist oft von der unendlichen Liebe Gottes in allen Lebenslagen die Rede. Was aber ist dann mit dem Jüngsten Gericht, auf das alles zuläuft? Braucht es das eigentlich noch?“ lässt einen Gegensatz erwarten, der nicht überbrückbar zu sein scheint.
Aber, gibt es wirklich einen unauflösbaren Gegensatz zwischen Himmel und Gericht? Es stimmt, niemand sollte in „die Sackgasse des Liberalismus“ laufen. *2„Gott ist heilig und deshalb auch zornig. Er widersteht der Sünde und richtet sie. Niemand kommt leichtfüßig und automatisch in den Himmel. Das Jüngste Gericht findet statt.“*3 Das alles ist biblisch gesichert, wenn man einmal davon absieht, dass die Formulierung „Jüngstes Gericht“ nicht in der Bibel vorkommt. Aber folgt daraus zwingend: „Die Weltgeschichte hat einen doppelten Ausgang.“? Und, wo hört die „Weltgeschichte“ auf? Diese Fragen sind wichtig, denn mit menschlicher Sicht und menschlichem Wollen kommt man nicht weit. Da fehlt es an Durchblick und Vorausblick. Das müsste jedem einleuchten. Im 19. Jahrhundert hat es noch kaum jemand für möglich gehalten, dass es bald wieder einen jüdischen Staat Israel geben würde. Man weiß ja nicht einmal wie die nächste Wahl ausgeht!
Die Bibel lässt die Geschichte Gottes mit den Menschen nicht mit dem Weltgericht beschließen. Die Bibel breitet das Gerichtshandeln Gottes über vergangene und künftige Äonen aus *4 und klar ist auch, dass sie von einer neuen Welt, von einer neuen Erde und von einem neuen Himmel redet. *5
Als Beispiel für den doppelten Ausgang der Weltgeschichte aus dem Alten Testament wird Dan 12,2 betrachtet. Doch dort wird lediglich gesagt, dass das Volk Israel eine Auferstehung erleben wird. Die einen werden zum äonischen Leben eingehen, die anderen zur äonischen Schmach und Schande. In der Geschichte Israels ging es immer um das messianische Reich, in das man hineinkommt oder nicht. Eine rückwärts gerichtete Projektion kirchlicher Gedanken, wonach die einen in den Himmel und die anderen in die Hölle kommen, ist hier ein anachronistischer Ansatz für eine heilsgeschichtliche Aussage, die dann doch wieder nur die kirchliche Dogmatik stützen soll. Selbst wenn hier die gesamte Menschheit gemeint wäre, änderte sich nichts daran, dass es im Alten Testament immer in erster Linie um Israel geht und erst in zweiter Linie um alle anderen Nationen.
Auch das Buch Daniel zeigt das klar. Vor Dan 12,2 wird von Gottes Volk Israel geredet. Dann heißt es: „Und viele von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden aufwachen; die einen zu ewigem Leben und die anderen zur Schande, zu ewigem Abscheu.“*6
Wie lautet die angebliche Aussage zum doppelten Ausgang im Neuen Testament? Man nimmt dazu Mt 25,41. Der Kontext zeigt, dass Jesus seinen Jüngern erklärt, wie es sein wird, wenn Er zurückkommt, um das messianische Reich einzuläuten (Mt 25,31). Auch hier wieder geht es um Israel und die Nationen zu Beginn des messianischen Reiches. Die einen „erben“ das Reich (Mt 25,34), das heißt sie werden für den Dienst im messianischen Reich zugelassen und mit dem Messias regieren. Die aus Israel, die dieses Ziel nicht erreichen, verpassen dieses Reich und gehen für das kommende Äon verloren. Die „Verdammnis“ sagt zunächst einmal nur, dass man vom Messias und Seinem Reich abgeschieden wird. Deshalb kann auch Paulus sagen, dass er dieses Schicksal auf sich nehmen würde, wenn dafür seinen jüdischen Volksgenossen die Verfluchung erspart bliebe. Sie sind, wie es dann in Mt 25,41 heißt, „Verfluchte“, die in das äonische Feuer gehen. „Denn mich hungerte, und ihr gabt mir nicht zu essen; mich dürstete, und ihr gabt mir nicht zu trinken.“ Wer den Messias nicht zu sich lässt, wie sollte er berechtigterweise einen Platz im messianischen Reich haben dürfen?
Dieser Zusammenhang zwischen Durst als Leidensdruck infolge des Feuers, das wie die glühenden Kohlen aufs Haupt des Ungerechten brennt (Spr 25,22), sobald er bemerkt, dass das von ihm begangene Unrecht nun sein Gewissen schmerzlich erhitzt, ergibt sich auch aus dem Gleichnis mit dem Reichen, der im Hades ist und den dürstet, weil es ihm heiß ist und keine Tränke ihn zufrieden stellen könnte (Lk 16,23).
Ob es einen Ausgang aus diesen Qualen gibt, ist eine ganz andere Frage. Wenn Jesus nach Seinem Erdenleben in den Hades hinabgestiegen ist und den dort befindlichen Menschen das Evangelium von der Umkehr und der Erlösung gepredigt hat (1 Pet 3,19), scheint es diese Möglichkeit der Umkehr auch nach dem Ableben noch zu geben. Wäre es nicht so, dann hätte Jesus sich die Predigt auch sparen können. Außerdem kann man daran erkennen, was einem schon der gesunde Menschenverstand sagt, dass eben nicht alle Menschen das Evangelium zu ihren Lebzeiten gehört haben. Damit ist schon einmal ausgeschlossen, dass unmittelbar nach dem irdischen Tod ein zweifacher Ausgang einsetzt, der auch Ausgang bleibt. Die Pforten der Hölle können schließen, wenn der letzte hinausgegangen ist. Der Gerichtsaal ist leer, wenn der letzte die Tür hinter sich zugemacht hat.
Die letzten Ziele Gottes
Nach 1 Tim 2,4 will Gott, „dass alle Menschen gerettet werden“. Die Christen beten ja auch: „Dein Wille geschehe!“ Und Gott antwortet darauf: nichts ist Ihm zu schwer, Er vermag alles (Hiob 42,2), bei Gott sind alle Dinge möglich, *7 Er vollführt seinen Ratschluss und kein Mensch kann Ihm wehren. *8 Klar, Gott ist allmächtig, allgütig und allbarmherzig. Paulus greift diese Thematik in 1 Tim 4,10 nochmals auf. Dort heißt es, dass Gott „ein Retter aller Menschen ist“.
Nun sagen manche, dass doch aber Gott den Menschen nicht zwinge und dass der Mensch einen freien Willen habe. Dann wird Gott den Menschen aber auch nicht auf die Knie zwingen, denn Er hat nichts von Heuchelei und bloßen Lippenbekenntnissen. Er will die Herzen der Menschen gewinnen. Wer auf die Knie gehen will vor Gott, tut dies für Gott wohlgefällig nur aus der Gesinnung der Anbetung. Aber abgesehen davon, dass ein Mensch, der unter der Sünde ist, gar nicht frei sein kann, denn er wird ja von seiner Sündhaftigkeit in die Sünde versklavt, kann kein Mensch wissen, dass es Menschen gibt, die „immer nicht“ so wollen wie Gott will, und Gott betont, dass Sein Wille verwirklicht wird. Diesem Umstand wird in der Theologie viel zu wenig Rechnung getragen.
Wenn Gott versichert, dass Sein Wille Wirklichkeit wird, kann man schließen, dass einst alle so wollen werden wie Gott will. Jedenfalls ist das nicht auszuschließen. Es kommt auch nicht darauf an, ob man sich das vorstellen kann oder nicht. Es gibt viele fromme Christen, die vielleicht auch viele Opfer gebracht haben, ein langes, vom Willen zum Gehorsam beseeltes und bemühtes Leben geführt zu haben, die sich aber empören, wenn sie hören, dass sie vielleicht sogar ihre Peiniger, zusammen mit anderen Ex-Verbrechern im Himmel treffen sollen. Das ist verständlich, aber nicht gründlich durchdacht. Schon Jesus griff diesen Widersinn zwischen zwei konträren Wünschen auf: Da ist der Wunsch, Gott gefallen zu wollen, der bei den Christen im besten Fall mit der Erkenntnis zusammenläuft, dass man Gott am besten gefällt, wenn man so will wie Er will und so ist wie Er ist. Und da ist der andere Wunsch, dass Gott mit anderen Menschen nicht so widerfahren solle, als ginge es um ewige Entzweiung, wo doch Gott die Einheit will. Was bringt den Menschen immer wieder dazu, sich auch auf Kosten anderer Mitmenschen in den Vordergrund zu stellen? Das ist ja gerade auch bei den „unschuldigen“ Kindern zu beobachten. Eine übermäßige Nächstenliebe scheint es nicht zu sein!
Da gibt es das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1ff). Viele Arbeiter sind erst spät zur Arbeit gekommen und bekommen den gleichen Lohn. Aber anstatt, dass sich die Arbeiter, die schon den ganzen Tag arbeiten durften, darüber freuen, dass sie schon den ganzen Tag ihrem Herrn dienen durften, und dass es ein Herr ist, der so großzügig ist, dass er alle reichlich entlohnt, bauen sie künstliche Konkurrenzen auf, die ihnen selber den Zugang zu mehr Ebenbildlichkeit mit ihrem Herrn versperren. Auch Kirchengläubige dürfen sich fragen, ob es ihnen keine Freude macht, viel länger ihren Herrn Jesus zu lieben, als die Spätberufenen und ob es ihnen lieber wäre, wenn ihr Herr und Gott weniger großzügig wäre. Soll sich Gott nach dem Liebesmaß der Menschen richten? Das wäre der Untergang der ganzen Menschheit. Umgekehrt wird die Erlösung der ganzen Menschheit daraus, wenn man einen Gott hat, der nach Gottes Art liebt!
Wen Gott rettet und wann Er jeden gerettet haben wird, darüber kann kein Mensch Gott Vorschriften machen. Gott ist kein Erfüllungsgehilfe des Menschen, dass er Ihm sagen könnte: „Ich möchte im Himmel keinem Katholiken oder Protestanten oder Reichen begegnen!“ Wer will, dass er von Gott besser behandelt wird als andere Menschen, begibt sich auf die Seite der Pharisäer. Die schauten auf den reuigen Sünder deshalb herab, weil sie nur nach äußeren Merkmalen der Gerechtigkeit schauten und nicht durchschauten wie Gott in den Herzen der Sünder wirken kann (Lk 18,10). Sie waren gut darin, Verbote zu beachten, aber sie versäumten es, auch gut darin zu sein, die Gebote zu beachten, die mehr Aktivität, Zugehen auf den Anderen, tätige Nächstenliebe und auch das Hoffen und Wohlwollen für andere, die noch nicht dem erlauchten Kreis der „Frommen“ angehörten, verlangten.
Es ist gefährlich, sich darauf zu versteifen, dass es einen doppelten Ausgang geben muss, als könnte nicht sein, was nach eigener Meinung nicht sein dürfe. Es ist von dieser Haltung nur ein kleiner Schritt dazu, sich über andere zu überheben, wie der Pharisäer im Gleichnis mit dem Zöllner, der auch kein Herz für den Sünder hatte, welchen Gott schon längst angenommen hatte (Lk 18,10) und wie der zu Hause geblieben Sohn im Gleichnis vom verlorenen Sohn, der sich gar nicht freuen konnte, dass dieser wieder in die Arme seines vergebenden Vaters zurückkehrte (Lk 15,11-32).
Paulus vertritt diese Sichtweise, denn er erklärt, durch die Sünde Adams kam zwar die Verdammnis zu allen Menschen und alle Menschen leiden darunter. Aber ebenso kam auch das Heil durch Jesus zu allen Menschen, *9 so dass einst sich alle Knie in Anbetung Gottes beugen können (Phil 2,10; Röm 11,14) und alle Dinge zu Gott hin gerichtet sein werden (Röm 11,36) und dabei Christus untergeordnet sind, wie es in 1 Kor 15,22-28 gesagt ist (Vgl. Eph 1,9-10). In Kol 1,20 heißt es sogar ausdrücklich, dass durch Christus alles zu ihm hin versöhnt worden ist! Demnach war der Sieg Jesu am Kreuz also ein totaler Sieg, kein Teilsieg. So heißt es ja auch, dass alle Feinde besiegt sein werden (1 Kor 15,26), „der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz“ (Of 21,4).
Wenn Gott etwas sagt, verdient Er mehr Glaubwürdigkeit als Menschen, denn: Gott irrt sich nicht, der Mensch irrt sich. Gott ist allmächtig, der Mensch nicht. Der Mensch ändert seinen Willen ständig, Gott nicht. Gott ist allwissend, der Mensch weiß wenig. Gott kennt die Herzen der Menschen besser als die Menschen selber und daher kann auch Gott ein gerechter Richter sein, der Mensch nicht. Man sollte daher nicht über Menschen urteilen, die man noch nicht einmal kennt. Wer sagt, dass jemand nie bereut, hat über ihn prophetisch geurteilt. Man soll weder ein falscher Prophet, noch jemand sein, der andere verurteilt. Davor warnt die Bibel und daher sollte man auch die warnen, die von einer nicht enden sollenden Hölle reden.
Wenn Gott also sagt, dass Sein Willen zur Ausführung kommt, hat Er gute Gründe dafür, die in seinen unveränderlichen vollkommenen Wesen liegen. Gott zu ehren und auf Ihn zu vertrauen, bedeutet, Ihm das zuzutrauen, was Er ankündigt. Und so beten auch Christen: „Dein Wille geschehe!“ Bei Gott bleibt es nie bloß beim Wollen, das ist der Unterschied zum Menschen! Gott tut es! Was? Er versöhnt sich mit den Menschen und Er bringt ihnen das Heil.
Das Gerichtshandeln Gottes
Nicht wenige Theologen haben nach dem Studium der Bibel erkannt, die Gerichte Gottes dienen dazu, die Menschen versöhnungsbereit zu machen. Ein äonenlanges Gerichtshandeln Gottes schließt die Zielsetzung Gottes nicht aus, sondern ganz im Gegenteil mit ein! Die Sündhaftigkeit und Bosheit der Menschen ist groß. Ob die Lebenszeit eines Menschen ausreicht, um sich davon abwenden zu wollen und zu können, diese Frage kann sich jeder einmal stellen, auch angesichts der Tatsache, dass viele Menschen nicht sehr alt werden und bereits sterben, noch ehe sie sich selber richtig kennen gelernt haben. Gerichte sind sinnvoll und notwendig, unabhängig von ihrer Dauer.
Menschen müssen lernen,
wer und wie Gott ist und wer und wie sie sein müssen!
Gerichte müssen sein. Bei Gott wird man vergeblich auf eine billige Gnade hoffen. Der Richter, den man hat, hat nicht das eine mal einen guten Tag und dann einen schlechten. Er ist und bleibt gerecht und Seine Gnade ist nicht billig, denn für jeden Menschen hat Jesus Sein Blut gegeben und mit jedem Menschen geht Er einen steinigen und steilen Weg durch Seine Lehranstalt. Wer sich gegen die Gnade stellt, geht erst recht ins Gericht. Das Gericht hat die Funktion der Zurechtbringung. Der Gottlose begegnet dem rettenden Wort Gottes, nachdem er in der Not nach ihm schrie und er dankt Gott am Ende doch noch (Ps 107,10-21). Das zeigt, Gott geht es nicht darum, die Menschen zu quälen, sondern sie zurechtzubringen. Dass dazu schmerzhafte Prozesse notwendig sein können, haben gerade viele Christen erlebt und verstanden.
Den Theologen und den Bibellesern ist bekannt, dass Gottes Zorn und die Gerichte Gottes auf Zurechtbringung abzielen. Zitiert sei hier Adolf Schlatter: „Aber auch das Walten seines Zornes, dass uns unsere Geschiedenheit von ihm erfahren lässt, dient seinem auf unsere Errettung zielenden Willen. Auch durch sein Richten will er retten.“*10
Gott sucht im Alten Testament die Nationen und Völker mit Seinem Zorn heim, *11 um sie zurechtzubringen und zu heilen. Das sieht man vor allem an Israel, das Gott so oft gestraft hat, aber am Ende rettet Er ganz Israel (Röm 11,26). Man schaue dazu im Vergleich auf Israels Gegenspieler Ägypten. Gott sagt zu, Er wird die Ägypter „schlagen, schlagen und heilen. Und sie werden sich zum HERRN wenden, und er wird sich von ihnen erbitten lassen und sie heilen.“*12 Gott hört also mit dem Schlagen auf, weil Er heilt. Die Freiheit des Menschen besteht darin, sich schlagen und heilen zu lassen! Israel wird einst zusammen mit den beiden Erzfeinden Ägypten und Assur als „ein Segen inmitten der Erde“ bezeichnet. *13
Für die gute Nachricht der „Allversöhnung“ gibt es also biblische Gründe, denn eine lange äonische („ewige“) Verdammung, schließt keine Zurechtbringung aus. Dass es äonenlange Verdammungen geben wird, sagt die Bibel deutlich. Es gibt daher keinen Grund, die Gerichte Gottes, die auch schrecklich genannt werden (Heb 10,31) zu verharmlosen. Wer in Christus geborgen ist, muss diese Gerichte nicht fürchten. Die Anti-Christen und die Ungläubigen werden ihre Gottlosigkeit bitter bereuen müssen. Und es bleibt dabei, nur über Jesus Christus ist das Heil zu erlangen. Und das soll geglaubt und verkündet werden. Das ist das Evangelium.
Das menschliche und das göttliche Interesse
Nicht erst Charles Darwin verblüffte es, dass irgendjemand überhaupt wünschen könnte, dass das Christentum, so wie er es kannte, mit dem doppelten Ausgang, wahr sein sollte. Angesichts der Aussichten, wenn man nicht gläubig ist, für immer für eine noch nicht endgültig gewordene Verweigerungshaltung bestraft zu werden, scheint das Christentum ja eine Pflicht zum Glauben zu fordern und damit etwas Unmögliches, denn Glauben kann man nicht erzwingen, allenfalls Lippenbekenntnisse. Wer sagt „Liebe deinen Nächsten“ und „Liebe Gott mehr als alles andere!“, um das Geforderte einmal auf die zwei wichtigsten Gebote des Christentums und des Judentums herunterzubrechen, und dann hinzusetzt: und wenn nicht, wirst du für immer das Gegenteil von Liebe erfahren, beleidigt das Wahrnehmungsempfinden kluger und gütiger Menschen maßlos. Die vielen wunderbaren Aussagen, die es im Christentum gibt und die sich, wenn man sich einmal mit der Bibel beschäftigt hat, in Hülle und Fülle ergänzen lassen, werden überschattet durch die Androhung ewiger Höllenstrafe für die Zögerer. Der Mensch ist ja, aus biblischer Sicht, solange er noch nicht die Ruhe in Christus gefunden hat, immer nur ein Zögerer. Er zögert immer noch, sich von Christus im positiven Sinn „überwältigen“ zu lassen und heim zu gehen und seine wunderbare Bestimmung dankbar anzunehmen. Er zögert, weil er böse ist, aber, er zögert auch, weil er unwissend ist.
Dass also Menschen diesem Konzept von der ewigen Hölle nichts Positives abgewinnen können, ist verständlich. Der Intellekt und die Psyche wenden sich mit Grausen ab.
Und sie fragen, was einen Menschen, der die ewige Hölle verteidigt, antreibt. Sie stoßen dann auf einen psychologischen Aspekt, der ihnen hilft, mit größerer Milde auf sie zu blicken. Wer im Rettungsboot sitzt, vermag die anderen, die es nicht geschafft haben, zu bedauern, aber er spürt ihren Schmerz und ihre Not nicht und er möchte, wie ein Arzt, nur weiter funktionieren, denn das eigene Leben bleibt schwierig, insbesondere wenn man es selber noch nicht ganz im Griff hat. Das rechtfertigt jegliches Ausblenden von Mitleiden und Identifikationen womöglich. Es ist dabei gleichgültig, ob man seinen Standpunkt unter Verweis auf die Bibel - sie lehrt die ewige Hölle, sagt man - verteidigt, oder sich selbst gegenüber im Stillen, denn wer an die ewige Hölle glaubt, hat ein unlösbares Problem: er kann diesen Glauben bis in alle Ewigkeit nicht ohne Preisgabe seines Mitgefühls für das Richtige oder das Beste für diese Menschen halten, denn es bleibt ewig wahr: es ist besser für einen Menschen im Himmel zu sein, als in der Hölle. Aber selbst diese Preisgabe könnte niemals ganz gelingen. Mit anderen Worten, die Menschen, die ewig im Himmel bei Gott sind, hätten das gleiche Problem wie Gott, der heilig ist und dabeibleibt, das Gute zu wollen. Sie nun sind geläutert, sie haben keine Boshaftigkeit mehr, sie sind gereinigt vom Blut Jesu, sie lieben vollkommen und unterliegen keinen Denkfehlern mehr - und doch und gerade deshalb: die Unerlösten stoßen mit ihren Schreien - stummgeschaltet oder nicht spielt keine Rolle - weiter auf ihre Ohren, die immer offenstehen, weil es keine Verhärtungen mehr gibt.
Vielleicht kann man, solange man mit einem Bein noch nicht im Himmel steht, nur an so eine Art Hölle glauben, die in einem selbst ist? Ein Menschenschinder wird sich eine schlimmere Hölle vorstellen können, als ein Mensch, dem noch nicht einmal ein unanständiges Wort über die Lippen kommt. Jesus sagte, da wo euer Schatzhaus ist, da ist auch euer Herz (Mt 6,21). Das Herz befasst sich mit den Dingen, die es angehäuft hat. Der König von Babylon erhob sich zuerst über die Menschen und dann sah er sich wie einen Gott bereits im Himmel, wie der Prophet Jesaja warnend verkündet (Jes 14). Das kann auch Christen passieren, die sich, bildhaft wie bei Jesaja, selbst neben Gott sitzen sehen, während alle anderen irdisch oder sogar unterirdisch bleiben sollen. Der König von Babel wurde, nicht mehr bildhaft, sondern wirklich, doch nur wie jeder andere Sterbliche ins Totenreich hinabgestoßen. Elitäres Denken ist gefährlich nahe bei einem ungesunden Hochmut, der tief fallen muss.
Dazu verteidigt sich der Hochmut mit denselben Krallen, mit denen er an seinen Dogmen über die Berechtigung seiner höhergestellten Position festhält. Zu allen Zeiten hat das Regime der herrschenden Meinung Kritiker mit härtesten Mitteln bekämpft. Zu früheren Zeiten hat die Kirche den Staat ermuntert, sich Abweichler mit Gewalt zu entledigen. Wer beispielsweise katholische Dogmen wie das vom endlosen Höllenfeuer leugnete, wurde als Ketzer quasi als Vorgeschmack auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder zumindest verbannt. *14 Heute begnügen sich die Verteidiger der kirchlichen Rechtgläubigkeit darauf, die Ketzer als Irrlehrer zu stigmatisieren, vor denen gewarnt werden müsse. An ihrem Glauben, dass solche Irrlehrer im Jenseits das bekommen, was sie verdient haben, hat sich nichts geändert. Schon diese Zusammenhänge sollten einen stutzig machen. Das Unrecht wächst sich oft und regelmäßig zu gewaltigen und gewaltsamen Exzessen aus! Zur Vervollständigung fehlt dann nur noch der Lynchmob! Und der steht immer bereit, wenn man ihn ruft!
Manche Kirchenvertreter warnen also besonders vor der Lehre der Allversöhnung, als gelte es darum, Pfründe des Bösen und Leidvollen zu verteidigen. Die Leier von der behaupteten biblischen Wahrheit könnte aber nichts weiter sein als die bekannte Propaganda, die besagt, dass das, was man behauptet, schon bewiesen sei und deshalb gar nicht der Überprüfung bedürfe. So schließt man sich lieber einer augustinischen Gräuelhysterie an, wonach man auch Babys unbedingt taufen müsste, damit sie nicht für alle Ewigkeit im Höllenfeuer schmoren müssen. Man fragt sich, was im Kopf dieser Leute sonst noch in Unordnung ist. Dante Alighieri war ein großer Dichter, aber leider scheint das in seiner abscheulichen Beschreibung der Hölle, die vor Widerwärtigkeiten angeblich nur so strotzt, verloren zu gehen. Die Phantasie des Bösen oder der Anstand der Geretteten? Wes` ist das Herz voll? Liebe und Schönheit der Gedanken passen vorzüglich zusammen! Und der große Missionar Ostasiens, Francisco Xavier meinte, den Verdammungsglauben des Katholizismus bei seinen japanischen Konvertiten stärken zu können, indem er sie über den hoffnungslosen Verbleib ihrer ungläubigen Eltern aufklärte. Na, wenigstens hatten sie, die Kinder, es geschafft!
Wie hatte doch einer der japanischen Fürsten, die das Übel des Katholizismus ausrotten wollten, gesagt? Man müsse das Volk rigoros schützen vor so einer herzlosen Religion. Wenn das Christentum als herzlos und ungnädig wahrgenommen wird, kann irgendetwas nicht stimmen! Waren es nicht Glaube, Hoffnung und Liebe, die bleiben? „Diese drei; die Größte aber von diesen ist die Liebe.“ (1 Kor 13,13) Bei Gott angekommen, wandelt sich der Glauben in Treue und die Hoffnung in Wohlwollen. Die reine Liebe muss sich nicht wandeln.
Und so knien Tag um Nacht viele fromme Christen weltweit im Gebet, um Gott doch gnädig zu stimmen, damit die Höllenqualen für die Höllenbewohner doch um einige Grad gemindert werden mögen, wenigstens bei den wenigen Leuten, die man besonders am Herzen hat. Zumindest sollte man das glauben, wenn man noch einen Rest an Sympathie für diejenigen hat, die sich dafür entschieden haben, die Menschheit in Brüder ihres Glaubens und ewig Verdammte einzuteilen.
Weder Jesus, noch die Apostel lehrten nach Art der späteren Kirche. Paulus hat nur zweimal von einem Feuer gesprochen. Das eine mal kommt Jesus als Richter der Welt im Feuer zurück (2 Thes 1,7-8). Paulus kannte ja die griechische Kultur und den weit verbreiteten Glauben, dass der höchste Erlösergott Helios, der Sonnengott, in einem Feuerwagen vom Himmel herkommen würde. Außerdem kennt Paulus nur noch ein eschatologisches Feuer, welches bei den Gläubigen reinigend wirkt (1 Kor 3,15). Was er aber besonders herausstellt, ist eben das, von was jede Theologie der Erlösung überstrahlt und durchdrungen sein soll und eine endlose Höllenstrafe in der biblischen Lehre gar nicht zulässt: „Wie nun durch die Sünde des Einen die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die Rechtfertigung gekommen, die zum Leben führt.“ Röm 5,18 lässt nichts anderes zu als die Erlösung für alle. „Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.“ (1 Kor 15,22)
Der Sieg Jesu Christi am Kreuz von Golgatha
ist ein vollgültiger und allumfassender.
Und das ist die Vervollständigung des Evangeliums.
Die ersten Christen vertraten den Höllenglauben nicht mehrheitlich. Die Ausbreitung des Höllenglaubens wurde erst zu einem Flächenbrand, nachdem die katholische Kirche im Römischen Reich Staatskirche geworden war. Das war nicht vor dem vierten Jahrhundert. Im Römischen Reich gab es eine staatliche Ordnung, die durch eine geregelte Gesetzgebung und Rechtsprechung gestützt wurde. Die Römer waren zwar um Gerechtigkeit bemüht, aber hart. Wer sich ihnen in den Weg stellte, wurde aufgefordert nachzugeben. Wer das nicht tat, den erwartete eine grausame Bestrafung. Das Volk, das den christlichen Glauben annahm, war das gleiche Volk, welches das römische Wesen verinnerlicht hatte. Jüdische Denker und Gläubige hatten bereits Ende des ersten Jahrhunderts keinen Einfluss mehr auf die Kirche. Je mehr die Kirche in den kommenden Jahrhunderten die Politik der Machthaber beeinflusste oder mitherrschte, desto mehr verbreitete sie Angst und benutzte sie als Unterdrückungsinstrument. Gott durfte nicht mehr alle retten, sondern nur noch katholische Gläubige.
Die Kirche erfand Sakramente, ohne die niemand das Heil sehen konnte. So wurde Gott immer mehr entmachtet, während die Kirche immer mächtiger wurde und schließlich über das Seelenheil aller Menschen entschied und über jeden Nichtkatholiken den Stab der Zauberei brach. Eine Zauberei, die sich sogar anmaßte, über Jesus Christus in der sogenannten Eucharistie zu verfügen, wie es der Kirche beliebte. Für das Evangelium blieb so kein Raum mehr. Es war also eine folgerichtige Entwicklung, dass die verweltlichte Kirche eine verweltlichte Theologie entwickelte, die dazu diente, die weltlichen Interessen der Kirche zu stützen. Die weltlichen Interessen der Kirche waren auf Machtausübung und Reichtum ausgerichtet.
Knapp zweitausend Jahre später erleben die großen Traditionskirchen ihren Zusammenbruch. Sie haben sich zu einem nicht unerheblichen Teil vom Glauben von der Richtigkeit des Wortes Gottes verabschiedet und predigen mehr über die vermeintlich richtigen Flugschneisen des Zeitgeistes, der auch weht, wo er will, aber nicht, wo Gott will. Zum Teil wird auch ein falsches Verständnis von der Allversöhnung vertreten, was nicht verwunderlich ist, weil man das Bekenntnis zur einzigartigen Bedeutung Jesu Christi und Seines Heilsangebotes aufgegeben hat. Nun kann man sich in allen Religionen erlösen lassen oder es kommt jedenfalls nicht mehr auf das persönliche Verhältnis zu Jesus Christus an.
Der Alleinanspruch des Gottes Israels als Erlöser und Richter wird verneint, die Ernsthaftigkeit der Wege Gottes wird heruntergespielt oder ersetzt durch Menschenmeinung. Auch das gehört zur unseligen Kirchengeschichte. Zuerst hat man die Erlösung so sehr reglementiert, dass kaum noch einer für die Gnade Gottes in Frage kam, zum Schluss macht man die Erlösung zu einem profanen, wirkungslosen Ding, das jeder haben kann, obwohl es niemand haben will. Eine billige Kirche predigt auch eine billige Gnade und verstümmelt ihr Bild von einem dem neuen Zeitalter angepassten Jesus, der aus Rücksicht auf andere Religionen nur noch Menschensohn ist.
Es bleibt also dabei, nur wer Christus in all Seiner Fülle kennenlernt, hat auch eine umfassende Vorstellung von der heilsamen Weite und Tiefe dessen, was es heißt, wenn Jesus sagte: „Ich werde alle zu mir ziehen!“ *15
1. Kapitel
Zwei Positionen und zwei Weltanschauungen
Bilanzen
In der christlichen Theologie gibt es im Wesentlichen zwei Sichtweisen über Gottes Weg mit der Menschheit. Vereinfacht dargestellt, ohne auf die unzähligen Varianten eingehen zu wollen, sind das:
1. Sichtweise „Rette sich wer kann“:
Gottes Ziel ist seit dem Sündenfall die Menschen zu retten.
Die ganze Menschheitsgeschichte ist der Versuch Gottes, sein Gnadenangebot der Rettung zu Lebzeiten der Menschen möglichst vielen, zumindest aber den Auserwählten zugänglich zu machen.
Nach Ablauf der Lebenszeit erfolgt die Auferstehung zum endlosen Leben mit und bei Gott oder zum endlosen Leben in der Verlorenheit der Verdammnis.
Aus diesem Gerichtshandeln gibt es kein Entkommen.
Seit Christi Auferstehung kann man nur durch Annahme seines stellvertretenden Opfertodes gerettet werden.
Israel war Gottes Volk und ist, da es den Erlöser ablehnte, ersetzt worden durch das Volk der Christen.
2. Sichtweise „Von, durch und zu Gott“ (Kol 1,16):
Gottes Ziel ist seit Anbeginn Sich durch die Schöpfung zu verherrlichen. *16
Die ganze Menschheitsgeschichte ist die Durchführung dieses Verherrlichungsvorhabens. Damit ist die Menschheitsgeschichte Schöpfungsgeschichte und zugleich Heilsgeschichte. Heilsgeschichte ist aber Vollendungsgeschichte, nicht Verlustgeschichte.
Heilsgeschichte vollzieht sich in verschiedenen Stufen mit zunehmendem Offenbarwerden des Gnadenangebots nicht nur zur Befreiung von der Sündenschuld und von den Folgen der Trennung von Gott, sondern auch zur Vervollkommnung des Menschen und zur Verherrlichung Gottes.
Nach Ablauf der Lebenszeit erfolgt die Auferstehung als Leibesglied Christi, als Teilhaber am Königreich Gottes oder zum Gericht.
Das Gericht ist auf die Dauer angelegt, die zur Läuterung, Umkehr und Zurrechtbringung erforderlich ist.
Der Leib Christi, eine Auswahl von Menschen aus allen Nationen, ist mit Christus verbunden.
Alle Menschen, auch diejenigen, die zu ihren Lebzeiten nie etwas von Christus gehört haben, bekommen Gelegenheit, sich zu Ihm zu bekennen.
Zuletzt wird Gottes alles in allem sein, wenn alles Christus untergeordnet ist und Christus alles dem Vater untergeordnet hat.
Israel war, ist und bleibt das von Gott für die Verwaltung der Nationen vorgesehene und auserwählte Volk. Israel wird im kommenden Königreich Gottes das Volk des verheißenen Königs sein.
Die 1. Sichtweise wird in zahlreichen Varianten von der überwiegenden Mehrheit, die 2. Sichtweise wird von einer deutlichen Minderheit der christlichen Theologen und Bibelausleger vertreten. Ein gründliches Nachdenken über beide Sichtweisen ist aufschlussreich und kann auch für kritische Leser inspirierend sein. Einige Ergebnisse davon sollen im ersten Kapitel den Ausführungen zum Thema des Buches vorangestellt werden.
Sodann wird ein ausführlicher Versuch unternommen, zu zeigen, dass die 1. Sichtweise nur zum Teil biblisch belegbar ist und nur da richtig sein kann, wo sie mit der 2. Sichtweise übereinstimmt, wohingegen die 2. Sichtweise biblisch gut zu begründen ist, insbesondere auch, weil sie sich wunderbar in die Gesamtschau der biblischen Offenbarung einfügen lässt. Sie gibt viele Antworten auf die brennenden Fragen der Theologie und des gesunden Menschenverstands, wenn er sich mit Gottes Vorhaben mit den Menschen beschäftigt. Sie beleuchtet dabei den heilsgeschichtlichen Plan Gottes mit den Menschen, der sich in der Menschheitsgeschichte entfaltet.
Es lässt sich zeigen, dass sich bei der 1. Sichtweise eine unüberschaubare Zahl an Widersprüchen, mit dem was in Gottes Wort geschrieben steht, ergeben, während sich Gottes Wort widerspruchsfrei oder - je nachdem wie man die Argumente gewichtet - weitgehend widerspruchsfrei mit der 2. Sichtweise vereinbaren lässt.
Es ist geradezu ein Hauptmerkmal der 1. Sichtweise, dass sie Widersprüche erzeugt, wohingegen es ebenso ein Hauptmerkmal der 2. Sichtweise ist, dass dies eher nicht der Fall ist.
Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei weniger auf der in der 1. Sichtweise enthaltenen Lehre von der Allverdammung, die ich auch vereinfachend als Allverdammungslehre bezeichne. *17 Das Hauptinteresse liegt in der Hervorhebung und Durchleuchtung der in der 2. Sichtweise enthaltenen Lehre von der Allversöhnung, bzw. Allvollendung, weshalb ich die 2. Sichtweise auch als Allversöhnungslehre oder Allvollendungslehre bezeichne.
Sie ist aber nicht einfach nur eine „Lehre“. Die Allvollendung ist vielmehr ein von Gott offenbartes Gotteswerk, das bereits begonnen hat. Somit ist die Allvollendung eine historische Tatsache, die bedeutender ist, als alles, was die Weltgeschichte sonst noch beinhaltet. Dieses Buch ist so gesehen auch ein Enthüllungsbuch, da es wichtige Aspekte des Handelns Gottes zum Ziel hin erläutert und Gottes Beweggründe dazu versucht zu erlichten. Für den, der es nicht voll erfassen kann, kann es dennoch ein großes Hoffen auslösen. Die Welt steht sogar für Weltmenschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts am Abgrund und immer mehr werden einschneidende Maßnahmen geplant und umgesetzt, die Anlass für eine zunehmende Furcht und Unsicherheit unter den Völkern ist. Demgegenüber beinhaltet das Buch einen wesenhaften Zuspruch für alle Menschen.
In der Gegenüberstellung der 2. mit der 1. Sichtweise wird die Thematik reichlich durchleuchtet, so dass man auch erkennen wird, inwieweit die zugrunde gelegten biblischen Aussagen dem entsprechen. Die hier vorgestellten beiden Sichtweisen enthalten alle wesentlichen Merkmale, die für eine sinnvolle Gegenüberstellung notwendig sind. Die christlichen und nichtchristlichen Glaubensrichtungen mögen untereinander unterschiedliche Varianten ihrer Verdammungslehren anbieten, aber in den wesentlichen Aussagen stimmen sie doch überein. Verallgemeinerungen sind unter diesem Gesichtspunkt zu sehen.
Nach der Allverdammungslehre ist Gott mit dem Sündenfall ein Missgeschick passiert, das er bis ans Ende der Zeit nur ungenügend korrigieren kann. Die Bilanz fällt so oder so ungünstig aus. Gott hat einen großen Aufwand betrieben, er hat seinen Sohn geopfert und er hat Milliarden von Menschen über Jahrtausende mehr schlecht als recht Kriege, Hungersnöte, Seuchen, Leiden, Schmerzen und unerfüllte Wünsche ertragen lassen, um sie dann doch mit wenigen Ausnahmen der endlosen Verdammnis zu überliefern, wo sich ihr Leidensweg bis ins Unendliche fortsetzt.
Nach der Allversöhnungs- oder Allvollendungslehre *18 hat Gott Sein Schöpungs- und Verherrlichungsvorhaben sorgfältig geplant. Sündenfall, Leidens- und Gerichtswege der Menschen hat Er alle mitbedacht. Sie führen über viele Äonen mit äußersten Beschwernissen und ihrer Überwindung zur unendlichen Freude im Zusammensein mit Gott.
Gott hat zu keiner Zeit den Überblick verloren. Er war, ist und bleibt der Souverän, der Sein Ziel der Verherrlichung erreicht. Dies schließt die Rettung aller Menschen zur bleibenden Gemeinschaft mit Gott mit ein.
Heilsgeschichtliche Handlungen Gottes
Am Beispiel, warum in den Psalmen die Torah so oft gepriesen wird, während Paulus sie auch als heillos und sogar als Gegensatz zu Christus darstellt, wird der Unterschied der heilsgeschichtlichen Sichtweise aus dem Blickwinkel der Allversöhnungslehre und der bundestheologischen Sichtweise aus dem Blickwinkel der Allverdammungslehre deutlich *19. Wenn nach der 1. Sichtweise immer den Menschen Gnade angeboten werden sollte, musste das dem Leser der Psalmen vor Christi Geburt noch weitgehend verborgen bleiben, denn für David und seine Zeitgenossen gab es das Ereignis von Golgatha noch nicht. Und daher ist es verständlich, dass David nicht die Erlösungstat Jesu Christi pries, sondern das, was auf den Christus hinführen oder hinweisen sollte, *20 nämlich die „zielführende“ Torah *21.
Da Gott in verschiedenen, aufeinanderfolgenden heilsgeschichtlichen Abschnitten immer nur bestimmte Ziele verfolgte, wollte Er auch immer nur bestimmte Dinge offenbaren. Das ist auch der Grund, warum der Messias nicht schon zweitausend Jahre früher kam.
Gott kann es Sich leisten,
Wahrheiten und Erkenntnisse zurückzuhalten,
weil Er Seine Ziele stets erreicht.
Nach Sichtweise 1 kann er sich das nicht leisten. Er muss bereits Adam das volle Evangelium verkündigen, damit Adam und alle, die nach ihm kommen, nicht verloren gehen. Denn wer nie zu Lebzeiten das Evangelium hört, hat nach der Sichtweise 1 keine Chance, sich durch Christus von der Sünde befreien zu lassen. Das wäre die Konsequenz der bundestheologischen Sichtweise, wenn man nicht schriftwidrig behaupten will, dass es außerhalb des Bekenntnisses zu Jesus Christus Rettung gibt. Adam und David sind gestorben und haben Christus nie bis zum Zeitpunkt ihres Todes kennen gelernt. Theologen, die die Sichtweise 1 vertreten, nehmen an, dass die Günstlinge Gottes, die vor Cghristus gelebt haben, nach ihrem Tod an einen Ort kamen, wo sie auf die Auferstehung zu warten hatten, um dort dann Jesus noch kennen zu lernen und von ihm die Sündenvergebung erfahren können. Doch, warum sollte das für andere Verstorbene, die den Gott Israels nicht anbeteten, nicht auch gelten? 1 Pet 3,19-20 scheint genau dies sagen zu wollen. Die Stunde der Wahrheit kommt für die meisten Menschen erst nach ihrem Tod.
Strenggenommen müssten nach Variante 1 alle Menschen, die vor Christus gelebt haben, für immer verloren sein. Ebenso alle anderen, die niemals zu ihren Lebzeiten etwas von Christus gehört haben. Wollten Vertreter der Allverdammungslehre von der für ihre Annahme folgerichtigen Schlussfolgerung abweichen, weil sie gar zu streng erscheint, verwickeln sie sich in weitere Widersprüche.
König David wusste nichts von Jesus Christus. Nach dem Verständnis der Christen muss daher festgehalten werden:
Vor der Geburt Jesu gab es
noch keine vollständige Erlösung von der Sündenschuld,
sonst hätte Jesus nicht sterben müssen.
Die höchste Offenbarung war für David die Gültigkeit der Bündnisse, die Gott mit Israel und mit Abraham geschlossen hatte. Dazu spielte die Torah, aus der sich diese Bündnisse ergaben, die überragende Rolle. Die Menschen des Alten Testaments erbitten immer wieder die Gnade Gottes und die Sündenvergebung und hoffen auf sie, aber letztlich wissen sie nicht, ob sie erfolgt! Es ist mutig, behaupten zu wollen, dass ein Jude der damaligen Zeit, lange vor Christi Geburt, lange auch vor Jesaja, durch ein Gott hingegebenes Leben, welches einem der Torah Folge leistendes Leben entsprochen hätte, irgend etwas von Jesus Christus wissen konnte, geschweige denn Ihn, der hunderte Jahre später geboren werden würde, fragen zu können, ob Er ihm die Sünde vergibt. Aber es ist eine Spekulation, die weder in der Bibel noch durch logisches Denken bekräftigt wird. David und mit ihm alle anderen Menschen hatten bis zum Tag der Kreuzigung Jesu also keine Möglichkeit ihre Sündenschuld, wie es nach neutestamentlichem Verständnis zu verstehen ist, loszuwerden.
Um David und die „Gerechten“ des Alten Testaments dennoch nach Sichtweise 1 retten zu können, benötigt man einen Widerspruch zum herkömmlichen Verdammungsdogma.
Die Vertreter der Allverdammungslehre sind in dem Dilemma, sagen zu müssen, die „Gerechten“ des Alten Testaments sind zwar in Unkenntnis und im Unglauben an Jesus Christus gestorben, aber „irgendwie“ sind sie nach ihrer Auferstehung dazu bestimmt worden, von Gott gerecht gesprochen zu werden. Wenn aber eine bestimmte Personengruppe, die ohne Glauben an Jesus Christus gestorben ist, nach dem Tode noch die Möglichkeit der Bekehrung bekommt, ist bereits der Grundsatz, dass man nur bis zu seinem irdischen Ableben die Chance auf Bekehrung hat, bereits durchbrochen und es ist nicht einzusehen, warum das nicht ebenso für alle anderen Menschen gelten sollte *22
Für Vertreter der Allversöhnungslehre mit der Sichtweise 2 gibt es dieses Dilemma nicht, da sie sagen könnnen, wer von Gott nicht jetzt berufen wird, den beruft Er später und wenn es sein muss im Gericht oder infolge des Gerichts. Für sie ist das Gericht ein komplexer Vorgang der Berichtigung, kein Ort des bloßen Strafens.
Wäre nur im jetzigen Leben die Möglichkeit gegeben, Christus anzunehmen, dann erhielten die Menschen eine grausige Machtfülle, denn jeder Mensch, der vor seiner Bekehrung umgebracht würde, wäre für immer verdammt. Also nicht der Mörder wird verdammt, er hat zudem noch die Chance zu bereuen, sondern das Opfer! Gott hat die Menschen aber nicht mit dieser Machtfülle, andere und sich selbst zu verdammen ausgestattet, denn Er behält sich vor, wen Er wann errettet.
Gott behält sich vor, wen Er wannrettet.
Wäre mit dem Tod alles aus, dann könnten böse Menschen, die Menschen, die sie hassen, töten, und sie so in die endlose Hölle befördern. Damit hätten sie einen Anreiz, zu morden. Gott würde das abgesegnet haben, obwohl er doch will, dass alle Menschen zu Ihm finden. Das kann nicht sein, denn Gott ist sicherlich nicht schizophren, dass Er mit der linken Hand das einreißt, was Er mit der rechten Hand aufgebaut hat.
Gottes Ziel und Erfüllung
Gottes Schöpfungsplan hat zu keiner Zeit die endlose Verdammung des Menschen vorgesehen, sondern seine Vervollkommnung zur Verherrlichung Seiner Selbst. Es war von Anfang an klar, dass zu diesem Zweck die Macht des Menschen eingeschränkt werden musste. Auch für ein unreifes Kind wäre Machtfülle selbstzerstörerisch, weshalb verantwortungsbewusste Eltern Vorkehrungen treffen. Gott erlaubt den Menschen Freiheiten, damit sie eigenmächtig handeln können, aber die Schlusstriche zieht Er.
Gott beschränkt die Freiheiten der Menschen,
damit Macht und Ohnmacht sich die Waage halten.
An beidem, Macht und Ohnmacht, lernt der Mensch. Gott bestimmt, wen Er wann zu sich zieht. Über das „Wen“ erfährt der Mensch aus dem Wort Gottes. Das „Wann“ erlebt das Individuum an sich selber. Jeder weiß, wann es bei ihm geschieht, weil er es dann erlebt. Er ist dabei! Andere, die noch nicht dabei sind, können diese Dinge nur zweifelnd oder abweisend beurteilen.
Daraus ist auch zu schließen, dass das Dogma der römischen Kirche *23, dass sie darüber bestimmt, wer in den Himmel kommt und wer nicht, unbiblisch ist. Der Anspruch der Kirche, das Heil zuzuteilen und über den endgültigen Verbleib eines Menschen zu entscheiden ist anmaßend. Allein Gott ist der Richter. Modernisierte Anlehnungen an Wirkweite und Wirkweise altorientalen Götzenreligionen gehören einer ganz anderen Realitätskategorie an. Die Bibelstelle, auf die sich die römische Kirche beruft, um ihre abwegigen Ansprüche zu rechtfertigen, belegt wiederum das mangelnde Schriftverständnis der römisch-katholischen Vertreter der 1. Sichtweise. Das zeigt sich vor allem im Bereich der Heilsgeschichte Gottes. Auf der einen Seite wird Israels Bezug zum Heilsweg Gottes mit den Menschen negiert, auf der anderen Seite eignet man sich das Erbe Israels an. So auch bei Mt 16,19: „Ich werde dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was immer du auf der Erde binden wirst, wird in den Himmeln gebunden sein, und was immer du auf der Erde lösen wirst, wird in den Himmeln gelöst sein.“
Jesus sagte zu Petrus, dass ihm die Schlüssel gegeben werden - zu was? Darüber zu bestimmen, wer in den Himmel kommt? Nein! Zum Himmelreich! So nennt der um jüdische Keuschheit in der Ausdrucksweise in Bezug auf den Namen Gottes bemühte Jude Matthäus das Königreich Gottes! Sein Evangelium ist vor allem an Juden gerichtet, was für Theologen unzweifelhaft ist. Auch, dass es sich bei dem „Himmelreich“ stets um das bereits im Alten Testament vorausgesagte Königreich Israels unter dem König und Messias Jesus handelt, it bei den meisten nichtkatholischen Theologen unumstritten.
Dem Angehörigen des Volkes Israel, der aufgrund der Evangeliumsverkündigung des Petrus in das kommende Gottesreich hineinkommen wollte, wurde in der Zeit der zwölf Apostel das Himmelreich, also das kommende messianische Reich aufgeschlossen. Petrus (wie die anderen elf Jünger) war beauftragt, dem Volk Israel anzubieten, an ihren Messias gläubig zu werden, um dann als Mitglied des Priestervolkes Israel im kommenden Reich Gottes über die Nationen mitregieren zu dürfen. Darum ging es in der Verkündigung vom Reich Gottes. Wer Christus nicht folgte, würde an dieser Regentschaft keinen Anteil haben. Die Verkündigung der Jünger Jesu und Jesu selber knüpfte ganz genau da an, wo die Propheten des Alten Testaments vom messianischen Reich gesprochen hatten. Um einen Himmel, in dem man auf einer Wolke sitzend Harfe spielt ging es zu keiner Zeit.
Die römische Kirche hat in völliger Verkennung ihres unheiligen, weil nicht von Gott beauftragten Standes, sich angemaßt, die Rechte und Verheißungen Israels an sich zu reißen. Das erweist sich als fruchtlos, denn Röm 11,29 bleibt bestehen: „Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.“ Gott lässt sich von Menschen nicht das Heft aus der Hand nehmen. Die biblische Rechtfertigung der Kirchengeschichte ist auf grundlegenden biblischen Auslegungsfehlern aufgebaut, weil man auf die Täuschung vertraut hat, dass die Kirche Israel ersetzt hätte. Dieser bundestheologische Ansatz ist irreführend. Er ist gezwungen, Aussagen, die für Israel gelten, auf die Kirche umzudeuten. Daraus kann nichts Gutes erwachsen und die Kluft zwischen Fiktion und Realität vertieft sich zu einem nicht mehr erklimmbaren Graben. Wer zu tief drinsteckt, kann kein Licht mehr erkennen. Das ist der Grund, warum weite Teile der herkömmlichen Theologie sich überall verrannt hat und nicht mehr zur Wurzel zurückfindet.
Die 2. Sichtweise hat die biblisch nachvollziehbare Erklärung, weil sie die heilsgeschichtlichen Besonderheiten beachtet, dass dem Volk Israel andere Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche zugeordnet sind als beispielsweise den Nationen oder dem Leib Christi, um einmal die drei hauptsächlichen Heilskörperschaften zu nennen. Daran wird ersichtlich, dass die 1. Sichtweise viele heilsgeschichtlichen Aussagen entweder außer Acht lässt oder in einen unrichtigen Zusammenhang bringt. Am Ende kommt viel Widersprüchliches und Abwegiges heraus. Und dies wird in der Welt offenbar und zur Kenntnis genommen, weshalb Weltmenschen dem Ganzen auch mit einiger Berechtigung kritisch gegenüberstehen. Das ist eigentlich eine Schande für das Christentum, wenn sie „unchristliche“, weil unbiblische Lehren verbreitet. Doch tatsächlich ist es noch schlimmetr, denn es gibt noch eine zusätzliche Schande: Die durchgreifend „unchristliche“ Geschichte des Christentums, und diese ist eine Folge dieser ersten Schande. Wer Mitmenschen bis aufs Blut quält und es damit rechtfertigt, dass alle Mittel Recht sind, um jemand vor der Hölle zu bewahren, oder, wahlweise, weil es ja ohnehin nur ein Vorgeschmack auf die Hölle ist, liefert den unbezweifelbaren Beweis, dass ein solches Glaubensgebäude zu einer Lebensweise führt, die andere darunter erschlägt und begräbt.
Und deshalb muss man auch sagen, die 1. Sichtweise von der endgültigen Verlorenheit derer, die bis zu ihrem oft genug von Kirchenchristen herbeigeführten Tod nicht recht „glauben“ können, ist keine gute Nachricht – griechisch εὐαγγέλιον - Evangelion - sondern erweckt den Eindruck einer absurden, menschenfeindlichen Verfälschung des Evangeliums. Somit ist es eigentlich gar kein „Evangelium“. Es ist eine schlimme Botschaft, griechisch - κακ-αγγελία, kak-angelia. Gott wird es richten, was unberichtigt ist. Der Mensch wird es verstehen lernen müssen, sonst bleibt er stehen in seiner Entwicklung. Jede Form der Entfernung von Gott ist ein Zustand höllischer Unvollkommenheit, die weiter brennende Schmerzen bereitet, sobald man sich nur bewusstwird, dass man seine Bestimmung noch lange nicht erreicht hat. Und es besteht der Verdacht, dass auch das Festhalten an der Verdammungstheologie noch Feuer auf das Haupt erzeugt.
Die 2. Sichtweise ist die einzige gute Nachricht, die jedem Menschen eine gute Nachricht bringt. Sie verdient zu Recht die Bezeichnung „Evangelium“.
Der freie Willen
Die Allversöhnungslehre erklärt auch, warum es kein Dilemma mit dem freien Willen des Menschen gibt. Das vermag die Allverdammungslehre nicht. Die römische Kirche, Luther, Calvin, Erasmus und andere waren alle Anhänger der Lehre von der endlosen Verdammnis. Es ist ihnen unerkannt geblieben, dass sie die Wurzel vieler gedanklicher und lehrmäßiger Verwirrungen ist. Wer A denkt, muss auch B denken. So auch in Bezug auf die Bibelaussage von der „Erwählung vor Grundlegung der Welt“ aus Eph 1,4: „Wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt“, die auch die Frage nach dem freien Willen betrifft. Was diese altehrwürdigen Vertreter der Allverdammungslehre nicht verstanden zu haben scheinen, ist, dass diese Aussage dem Leib Christi galt, dem alle, die in Christus sind, angehören. *24 Paulus spricht an die Gläubigen in Ephesus, die er als Leibesglieder Christi betrachtet (Eph 5,30).
Das Dilemma, mit dem sich die Gegner der Allversöhnungslehre nach ihrer Sichtweise in Konfrontation sind, ist folgendes: Da die Menschen mit dem Tode dem Himmel oder der Hölle zugewiesen werden, muss entweder der Wille Gottes oder der Wille des Menschen dafür den Ausschlag gegeben haben. Nach der biblischen Aussage „vor Grundlegung der Welt“, so wird behauptet, habe der Wille Gottes bereits alles entschieden, ehe der Mensch überhaupt das Licht der Welt erblickt hat. Daher sagt Calvin, es sei alles vorherbestimmt. Bei Calvin ist Gott souverän und sein Wille geschieht. Allerdings können dann Aussagen wie in 1 Tim 2,4, wonach Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden“ nicht ernst genommen werden, abgesehen davon, dass Calvins Gottesvorstellung Gott nicht sonderlich freundlich oder menschenlieb erscheinen lässt. Man bedenke, Calvins Gott erschafft Menschen, um sie für immer zu quälen! Nach 1 Tim 2,4 will Gott alle Menschen retten, damit scheidet Calvins Lehre aus. Sie stimmt nicht mit den Aussagen der Bibel überein und Calvins Gottesbild ist falsch. Dieses Phänomen trifft man bei Theologen und Bibelauslegern überraschend häufig, dass sie eindeutige Bibelaussagen einfach ignorieren.
Wenn also Gott die Menschen nicht zu beidem bestimmt hat, Rettung oder Verdammnis, hat dann der Mensch sein Schicksal zu bestimmen? Es gibt noch weitere Bibelstellen, die so ausgelegt werden können, als habe der Mensch die freie Wahl der Entscheidung. Daher sagte ein Erasmus, der Mensch entscheide über sein Heil. Das ergibt ein anderes theologisches Problem. Bei Erasmus ist Gott nicht mehr souverän, er hat Macht abgetreten, denn der Wille des Menschen geschieht und Gottes Wille bleibt auf der Strecke. Auch die Lehre von Erasmus und mit ihm die der römischen Kirche steht im Widerspruch zu vielen Aussagen der Bibel. Hiob sagt zu Gott in Hiob 42,2: „Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer.“
Und Gott sagt selbst in Jes 46,10: „Ich habe von Anfang an verkündigt, was hernach kommen soll, und vorzeiten, was noch nicht geschehen ist. Ich sage: Was ich beschlossen habe, geschieht, und alles, was ich mir vorgenommen habe, das tue ich.“ Ist der Gott der Bibel ein Aufschneider und Gernegroß?
Bei Calvin und Luther hat man einen chancenlosen Menschen und deshalb ist ihrem Gott unmoralisches Verhalten und Machtmissbrauch vorzuwerfen. Das widerspricht den Aussagen der Bibel und den Selbstbezeugungen Gottes, wonach Gott Liebe, Güte und Heiligkeit ist.
Bei Erasmus und der sog. katholischen Kirche haben wir einen ohnmächtigen Gott, der zusehen muss, wie seine geliebten Menschenkinder verloren gehen. Das widerspricht den Aussagen der Bibel, wonach Gottes Willen geschieht. Auch Erasmus` Gott hat einen Mangel an wirkmächtiger Liebe, denn auch er lässt die Verlorenen in der Hölle quälen. Dazu reicht seine Macht wiederum aus. Gottes Macht ist groß genug, dass er alle in der Hölle eingesperrt halten kann, aber nicht, dass sie aus diesem endlosen Gefängnis herauskommen. Man könnte auch umgekehrt formulieren:
Wenn Gottes Macht groß genug ist,
dass Er alle in der Hölle eingesperrt halten kann,
dann ist sie auch groß genug,
dass er sie wieder herauslassen kann.
Soweit überzeigt die 1. Sichtweise in Bezug auf die Willensfreiheit des Menschen über den endgültigen Verbleib des Menschen nicht. Beide, Luther und Calvin, ebenso die römisch-katholischen Lehrmeister, verwickeln sich deshalb in anscheinend unlösbare Widersprüche, weil sie von falschen Glaubensgrundlagen ausgehen. Und ihre Nachfolger, Calvinisten, Lutheraner, Katholiken haben die Tradition der Irrlehrenpflege aufrechterhalten. Wer die Tradition gegen Gottes Wort setzt, hat unrecht! Wer unrecht hat, befindet sich bereits im Gericht. Die 1. Sichtweise befriedigt ihren Denksinn, der auch sonst für Gerechtigkeit ist und deshalb von dem auch in der Bibel immer wieder angezeigten Lohnprinzip bestimmt ist. Jeder soll das bekommen, was er verdient hat. Aber genau dieses Lohnprinzip durchbricht die Bibel aufs Nacchdrücklichste, wenn sie Jesus Christus als Gnadenverwalter und Gnadenzuweiser darstellt.
Die 2. Sichtweise von der Allversöhnung löst diese Probleme der Vertreter der 1. Sichtweise, welche zuhauf Widersprüche produziert, ohne Anstrengung. Nach der Allversöhnungslehre hat Gott vor Grundlegung der Welt bestimmt, welcher Mensch aufs Erste zum Dienst erwählt wird, welcher später und wer zum Schluss, nachdem er bedient worden ist, sich freiwillig Gott unterordnet. Wer auserwählt worden ist, wird zu einem Vorzugsdienst erwählt. Das aber bestimmt Gott allein. Daher bezieht sich die Erwählung „vor Grundlegung der Welt“ auf die Leibesgemeinde und alle weiteren Ordnungen, die nachgeordnet sind.
Gott verstockt auch, wen Er will. Das hat zur Folge, dass diese Menschen unbekehrt in den Tod gehen, wenn die Verstockung vorher nicht aufgelöst wird. Das ist Gott moralisch nur deshalb nicht vorwerfbar, weil er in jedem Fall noch dafür sorgen wird, dass alles erstattet und jede Träne getrocknet wird. Es heißt also nicht Gott hat`s gegeben, Gott hat`s genommen, sondern:
Gott hat`s genommen, Gott wird es auch wieder geben.
Und Er gibt mehr als Er genommen hat. Das ist Sein Prinzip. Der „Gott“ Calvins und Luthers und der „Gott“ der Katholiken bleiben der Schöpfung etwas schuldig, nämlich dass sie noch heil wird. Sie muss ja so lange heillos bleiben, wie Gott sie nicht heil macht. Gott erschaffe die Menschen und verdamme sie dann, sind die Allverdammer gezwungen zu postulieren, wenn sie ihrer Sichtweise treu bleiben. Klein Mariechen hätte Gott bei seinem Schöpfungswerk unterbrochen und ihm geraten: „Besser ist es, die Menschen gar nicht zu erschaffen!“ Der Gott der Traditionalisten ist nicht gerechtfertigt. Nicht durch sein Ansinnen und nicht durch seine Taten. Das Kreuz bleibt bei ihnen Stückwerk. Der Gott der Bibel ist hingegen gerechtfertigt, denn Er bleibt nichts schuldig und rechtfertigt Sich Selber, indem Er alle rechtfertigt.
Der Gott der Bibel ist gerechtfertigt,
denn Er bleibt nichts schuldig
und rechtfertigt Sich Selber, indem Er alle rechtfertigt.
Wir können allenfalls bei unserem eigenen Fall angeben, wie Gott das mit uns fertiggebracht hat, nachdem wir vollendet sind. Vorher und bei anderen bleibt es rätselhaft und nicht nachvollziehbar, weil Gott mit jedem Menschen Seinen eigenen Weg geht. Es ist anmaßend und verwerflich zu behaupten, dass Gott das bei einzelnen Menschen nicht so macht und sie der Verdammung überlässt.
Rechtfertigung ist nicht nur das Angebot der Rettung, sondern auch die Hineinführung in die Rettung und die Herstellung des vollen Heilsstandes, den der Mensch bei Gott haben soll, weil genau das der Absicht Gottes entspricht. Deshalb sagt Gott auch in Jes 45,23- 24:
„Ich habe bei mir selbst geschworen, und Gerechtigkeit ist ausgegangen aus meinem Munde, ein Wort, bei dem es bleiben soll: Mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen schwören und sagen: Im HERRN habe ich Gerechtigkeit und Stärke. Aber alle, die ihm widerstehen, werden zu ihm kommen und beschämt werden.“
Vermutlich werden auch alle die beschämt, die Gott der Allverdammung bezichtigten. Hier ist ausdrücklich aus dem Munde Gottes zu vernehmen, dass alle Menschen in Bezug auf sich selber sagen werden: „Ich habe Gerechtigkeit“. Das ist biblisch nur in Christus möglich. Im Alten Testament konnte man das noch nicht wissen. Es wurde erst im Neuen Testament offenbart.
Rechtfertigung ist nicht nur das Angebot der Rettung,
sondern auch die Hineinführung in die Rettung
und die Herstellung des vollen Heilsstandes.
Die Rechtfertigung umfasst auch Gottes Werke der Erstattung. Erstattung bedeutet, dass zum Beispiel eine Mutter, die ihr Kind verloren hat, es auf eine Weise zurückbekommt, dass ihre Freude und ihre Zufriedenheit so groß sein werden, dass an den einstigen Verlust nicht mehr zurückgedacht werden muss. Es bleiben Dankbarkeit und Gotteslob. Unverdientes Leiden bringt Erstattung. Verdientes Leiden bringt Erziehung.
Die Erstattungen Gottes führen zu Dank und Gotteslob.
Die Allversöhnung wie sie die 2. Sichtweise vorsieht, ist nur dann eine All-Versöhnung und All-Vollendung, wenn jeder Mensch mit jedem in jeder Hinsicht versöhnt ist. Alles andere wäre nur eine Teil-Vollendung, was schon ein sprachlicher Widerspruch ist. Sein Ratschluss und Seine Allmacht erlauben Gott jeden Handlungsraum einschließlich des Zulassens großer Katastrophen und zum Himmel schreiender Ungerechtigkeiten, ganz gleich ob sie ganze Völker oder auch nur einzelne Individuen betreffen. Und auch ganz gleich wie lange Gottes Gerechtigkeit auf sich warten lässt, denn hinterher ist immer mehr Zeit als vorher! Gott ist der Herr und Souverän. Gott ist Herr und Souverän auch über Seine Güte.
Die All-Versöhnung ist nur dann vollendet,
wenn jeder mit jedem in jeder Hinsicht versöhnt ist.
Das Prinzip der Erstattung wird von Jesus in Mt 19,29 erläutert: „Und ein jeder, der Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker um meinen Namen willen verlassen hat, wird hundertfach empfangen und ewiges Leben erben.“ Es ist ja kein Verdienst, wenn man etwas erduldet. Man hat nichts geleistet, sondern ertragen und Gott vermag es zu erstatten.
An anderer Stelle sagt Jesus, dass es darauf ankommen kann, Brüder, Schwester, Vater, Mutter oder Kinder aufzugeben, wenn sie in Konkurrenz zu Ihm stehen (Lk 14,26). Das bleibt unbefriedigend, wenn es nicht auch für diese Menschen ein gutes Ende gibt. Erstattung betrifft also auch die Menschen, die ins Unrecht gesetzt worden sind.
Für den freien Willen des Menschen bedeutet die 2. Sichtweise, dass er von dem abhängt, was Gott an Durchblick gewährt. Was kann ein Mensch wollen, dem Gott Seinen Willen nicht offenbart? Niemals das, was Gott will! Das ist einfach so einfach zu vertehen, dass es schon sonderbar anmuten muss, wenn Generationen von Theologen daran vorbei gedacht haben. Der Mensch wird ja seit dem Sündenfall schon in eine verdunkelte Welt hineingeboren. Das Licht, für das er geschaffen und bestimmt ist, muss ja erst noch in ihn hineinscheinen. Aus ihm selber kommt es nicht. Um ihn herum ist es dunkel und von Gott sieht und hört er nichts. Was ist von so einem Menschen anderes zu erwarten, als dass er seinen Mitmenschen nacheifert und sich bei ihnen erkundigt, was er glauben soll. Er hat kein Licht von Gott, wenn es Gott ihm nicht gibt. Doch darauf kommt es an, im Licht zu stehen und im Licht zu gedeihen. Das ist gleichbedeutend damit, zu wollen, was Gott will.
Gott kann erst wollen wie Gott will, wenn er Gottes Willen kennt.
Der Mensch muss warten, bis Gott sich ihm zuwendet, sonst bleibt er in der Finsternis, auch der Finsternis seines eigenen, unreifen Wollens.
Ohne Gottes Offenbarung befindet sich der Mensch
in der Finsternis seines eigenen, unreifen Wollens.