Die bekanntesten Krimis von Hans Hyan - Hans Hyan - E-Book

Die bekanntesten Krimis von Hans Hyan E-Book

Hans Hyan

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Beschreibung

In 'Die bekanntesten Krimis von Hans Hyan' werden Leser in die faszinierende Welt des Kriminalgenres eingeführt, das von Hyan meisterhaft beherrscht wird. Seine Geschichten sind geprägt von raffinierten Plots, unerwarteten Wendungen und tiefsinnigen Charakteren. Der literarische Stil des Autors ist geprägt von einer detaillierten und prägnanten Sprache, die den Leser in den Bann zieht. Die Krimis von Hans Hyan sind fesselnd und bieten eine gelungene Mischung aus Spannung, Mystery und psychologischer Tiefe. Sie sind ein Muss für alle Liebhaber des Genres und bieten einen einzigartigen Einblick in die facettenreiche Welt des Verbrechens und der Ermittlungsarbeit. Hans Hyan, ein renommierter Kriminalschriftsteller, ist bekannt für sein Talent, komplexe und fesselnde Geschichten zu erzählen. Seine Erfahrung und Expertise im Krimigenre spiegeln sich in seinem Werk wider und haben ihn zu einem der führenden Autoren auf diesem Gebiet gemacht. Hyan ist bekannt für seine akribische Recherche und sein Gespür für detailreiche Charakterdarstellungen, die seine Bücher zu wahren Pageturnern machen. 'Die bekanntesten Krimis von Hans Hyan' ist ein Buch, das jedem Leser, der sich für spannende und anspruchsvolle Kriminalliteratur interessiert, wärmstens empfohlen werden kann. Es bietet eine vielseitige Sammlung von Hyan's besten Werken und wird sowohl neue als auch erfahrene Leser gleichermaßen fesseln und begeistern.

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Hans Hyan

Die bekanntesten Krimis von Hans Hyan

Der Rächer, Strafsache van Geldern, Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-2391-6

Inhaltsverzeichnis

Der Rächer

Strafsache van Geldern

Das Rätsel von Ravensbrok

Mord im Bankhaus Lindström

Der Rächer

Inhaltsverzeichnis

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

1

Inhaltsverzeichnis

Der Regulator schlug gerade sechs, als Heinz Marquardt erwachte. Es war noch stockfinster, aber er war, wie stets, wenn er die Augen aufschlug, sofort vollständig munter und sprang auch gleich aus dem Bett.

»Trude,« sagte er, »es ist sechs.«

Sie antwortete nicht und drehte sich im Halbschlaf auf die andere Seite.

Nun zündete er das Licht an und ging an die Waschtoilette, wo er sofort unter vielem Prusten und Plantschen seine Toilette begann. Das alles ging schnell und mit der raschen Beweglichkeit eines Menschen vonstatten, dem seine Nerven keine Schwierigkeiten bereiten und der zu jeder Zeit seine Gedanken und Kräfte beieinander hat.

Als er sich gewaschen hatte, ging er wieder an das Bett seiner Frau und fing, auf der Bettkante sitzend, an, schmeichelnd in sie hineinzureden.

Der gelbe Schein des Lichtes tanzte flackernd und tiefe Schatten werfend über die Kissen, und in der spärlichen Beleuchtung war eigentlich nur das reiche hellblonde Haar, ein kleines rosiges Ohr und ein Stück des weißen Halses von der jungen Frau zu erkennen.

»Willst du denn gar nicht aufstehen, Trude?« Er versuchte, ihr ins Gesicht zu blasen, das sie im Bett vergrub.

»Nicht doch! Ich bin ja noch so müde ... laß mich ...«

Aber er gab nicht nach.

»Also ich muß mir allein meinen Kaffee kochen?«

Dabei kitzelte er sie leise.

»Steh doch auf, Trude ... Ich muß dir auch noch was erzählen!«

Jetzt war sie auf einmal munter.

»Was denn?« fragte sie neugierig und hob ihren hübschen Kopf.

Er legte seinen Arm um ihren Hals und küßte sie:

»Dummchen! ... Gar nichts ... ich wollte bloß mal sehen, ob du wirklich noch schläfst.«

»Du! ...« Sie faßt das eine Ende seines langen schwarzen Schnurrbarts und zog ihn ein bißchen:

»Nun schlaf ich gerade noch!« und rasch drehte sie sich nach der Seite, wo das Licht stand, und zog das Deckbett bis übers Kinn hinauf. Aber nun störte sie die zuckende Flamme des Lichtes, sie blinzelte, und wie er das sah, meinte er etwas ernster:

»Es ist wirklich nicht hübsch von dir, wenn du mich allein Kaffee trinken läßt!«

Da wandte sie den Kopf, schlang ihre schönen weißen Arme, von denen die Ärmel des Nachthemdes herabglitten, um seinen Nacken und flüsterte leise, zärtliche Worte in sein Ohr.

Er faßte mit seinen beiden Händen über die Schultern, machte sich sanft los und sagte:

»Du weißt doch, Herzblatt, daß ich heute sehr viel zu tun habe, da will ich möglichst schon um halb acht Uhr im Büro sein ... die andern ärgern sich zwar darüber, aber wenn einer sich was abwimmeln kann, dann tut er's ... und ich bin nicht so, ich arbeite eben, wenn Arbeit da ist ...« Und schon stand er wieder vorm Spiegel, knöpfte seinen Kragen um und band sorgfältig die kleine schwarze Schleife. Während er dann sein Haar mit großer Akkuratesse scheitelte und bürstete und dabei den neuesten Walzer pfiff, war seine Frau leise aufgestanden und hatte, ohne daß er darauf aufmerksam wurde, ihren Schlafrock übergeworfen.

Nun bemerkte er sie und lachte. Sie aber ging schnell in ihrer leichten huschenden Weise in die Küche hinaus, und als er wenige Minuten später nachkam, hatte sie schon den Gaskocher, auf dem das Wasser stand, angezündet und war gerade dabei, den Kaffee zu mahlen.

»Siehst du,« lachte er, »es geht alles, wenn man nur will!«

Wirklich stand, als er fertig angezogen war, der Kaffee auf dem Tisch. Die junge Frau schenkte ihrem Manne ein, strich eine Buttersemmel und quälte ihn, da Heinz wie gewöhnlich nichts essen wollte, doch wenigstens ein halbes Brötchen zu nehmen.

Er aß schließlich, aber sie hatten während des Frühstücks soviel miteinander zu plaudern und zu lachen, daß er plötzlich auf die Uhr sehend rasch aufstand und sagte:

»Ich muß fort, Kind ... Wenn ich nur die Bahn um 45 noch kriege ...«

Sie holte ihm geschwind seinen Spazierstock, denn er wußte nie, wo er ihn am Abend hingestellt hatte, und begleitete ihn mit der Lampe bis zur Entreetür.

»Aber du hast ja das Halstuch nicht um, Heinz! Es ist doch draußen so kalt, du mußt dich ja erkälten.«

»Ich habe wirklich keine Zeit mehr, Trude!«

»Damit du mir nachher krank wirst! ...«

Und es blieb ihm nichts übrig, er mußte warten, bis sie das weißseidene Cachenez herbeigeholt und um den Hals gelegt hatte.

Dabei sah er, wie ihre großen dunkelgrauen Augen in Liebe auf ihn gerichtet waren. Ihre Lippen, deren feuchtes Rot scharf gegen den weißen Teint absetzte, waren nie fest geschlossen, und der Reiz dieser weichen, nachgiebigen Züge bestand zum großen Teil in einer gewissen Lässigkeit, die sich auch in ihrer ganzen schlanken Gestalt ausdrückte. Sie sah noch gar nicht wie eine Frau aus, und trotzdem er es eilig hatte und sein Kopf sich bereits mit der Arbeit beschäftigte, die seiner im Büro harrte, erinnerte er sich jetzt doch plötzlich und wie im Fluge in jene Zeit, da er und Trude noch nicht verlobt miteinander waren und er selbst eigentlich nie daran gedacht hatte, die Trude Kaiser zu seiner Frau zu machen.

Mit einem langen, langen Kuß nahmen sie Abschied voneinander, und sie stand, die Lampe über das Treppengeländer haltend, so lange an ihrem Platz, bis sie unten das Haustor gehen hörte.

Dann kam es auf dem dunklen Treppenflur plötzlich wie Furcht und Erschrecken über sie, und sie eilte so schnell hinein, daß sie sich ein wenig an der Tür die Schulter stieß ...

Als Heinz Marquardt die bei der Potsdamer Bahn belegenen Büros der Güterexpedition erreicht hatte, war noch niemand anwesend.

Um acht Uhr kamen seine Kollegen. Einige grüßten ihn freundlich, die anderen, meist nicht allzu gewissenhafte Arbeiter, gingen mit scheelen Blicken und mokantem Lächeln an ihm vorüber. Er kümmerte sich absolut nicht darum und sagte in genau derselben gleichgültigen Weise »guten Tag«, wie er ihm geboten wurde.

Punkt neun Uhr trat der Betriebsdirektor ins Büro.

Herr Weckerlin, der, die breite Brust vordrängend und die Hüften zurückschiebend, auf seinen kleinen und elegant beschuhten Füßen ein wenig knickebeinig einherstolzierte, sagte mit leicht näselnder Stimme:

»Na, schon tüchtig gearbeitet? ... Hm? ... Liebe das, wenn ich Eifer sehe bei meinen Beamten ... Mir nichts unangenehmer, als wenn man so gewissermaßen mit der Uhr in der Hand arbeitet, hab's mir seinerzeit auch nicht so leicht werden lassen! ... Nur immer flott! Immer flott! ...«

Mit diesem seinen Lieblingswort berührte er ganz leicht, eigentlich nur symbolisch, die Schultern des jungen Angestellten und verließ das Büro, in dem die Kopie aller Beamten sich tief über ihre Arbeit beugten.

Aber kaum war er hinaus, so fuhren sie mit einer Wuptizität ohnegleichen in die Höhe, und in das Lachen und Plaudern, das nun wieder begann, mischten sich spitze Redensarten, die Heinz Marquardt galten. Solange sein Name dabei nicht genannt wurde, überhörte Heinz das absichtlich. Als ihn aber jemand gar zu direkt anzapfte mit den Worten:

»Man sollte solchen Streber überhaupt nicht im Büro dulden!« da richtete er sich mit einem Male kerzengerade empor und sagte, den Sprecher, einen Bürogehilfen namens Maaß, mit seinen großen schwarzen, eng beieinander stehenden Augen anstarrend:

»Soll das etwa auf mich Bezug haben?«

Der andere, ein kleiner, schmächtiger Mensch mit rotem Haar und einem Gesicht voller Pockennarben, entgegnete mit impertinentem Achselzucken:

»Wem die Jacke paßt, der zieht sie sich an!«

Heinz Marquardt wandte sich an den Bürovorsteher.

»Herr Hintzefuß, da muß ich mich bei Ihnen über Herrn Maaß beschweren.«

Max Hintzefuß war ein außerordentlich tüchtiger Arbeiter. Aber auch nur dieser Eigenschaft hatte er es zu danken, daß er noch immer im Dienst war. Als sogenannter Quartalssäufer hatte er zu wiederholten Malen Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben, die um so größer war, als gerade sein Posten die höchste Zuverlässigkeit voraussetzte.

Der Bürovorsteher stand auf, ging zu dem kleinen Schreiber hin und sprach einige Worte mit ihm.

Der Rothaarige schien erst etwas zu zögern, bequemte sich dann aber, an Heinz Marquardt heranzutreten und sich mit ein paar nichtssagenden Worten zu entschuldigen.

Und Heinz, dem daran lag, nicht als Störenfried zu gelten, streckte ihm sofort die Hand entgegen zur Versöhnung.

Diesem kleinen Menschen war er sowieso eine Art von Revanche schuldig. Durch ihn hatte er seine Trude kennengelernt. Es war da nämlich so ein kleiner Beamtenverein, dem er selbst zwar nicht angehörte, zu dessen Festlichkeiten er jedoch durch Maaß mehrfach geladen war. Und einst bei einem Maskenball war der Kollege in Begleitung von Trude Kaiser erschienen, die er offenbar selber anhimmelte. Heinz Marquardt fiel die in diesem Kreise seltene Erscheinung des jungen Mädchens sofort auf. Sie hatte wenig von der spießbürgerlichen Gescheiteltheit der anderen jungen Mädchen, welche dort tanzten. Ein freierer, fast künstlerischer Hauch umwebte ihre schlanke Gestalt, und schon die einfache und nur durch ihren wirklichen Geschmack auffallende Kleidung ließ sie aus dem Kreise der übrigen hervortreten.

Kaum daß sie ihm vorgestellt war, hatte er ihren Kavalier, eben jenen rothaarigen Bürogehilfen, um die Erlaubnis gebeten, mit ihr tanzen zu dürfen. Dieser hatte mit einer etwas süßsauren Miene seine Einwilligung gegeben, und Heinz Marquardt benutzte die Erlaubnis zu einem einmaligen Tanze ohne weiteres für den ganzen Abend. Als ihn dann Trude bei der Damenwahl holte, legte er sich gar keine Schranken mehr auf und führte sie auch nicht wieder zu ihrem Herrn zurück. Mit diesem hatte er kurz darauf eine sehr energische Aussprache, bei der sich Maaß nur schwer auf sein älteres Anrecht berufen konnte, denn auch er war heute zum ersten Male mit Trude, die die Tochter seiner Logiswirtin war, ausgegangen, und das junge Mädchen, dessen Entscheidung man zum Schluß anrief, weigerte sich entschieden, ihm irgendwelche Ansprüche auf ihre Person einzuräumen.

Aber das Mädchen hatte seitdem merkwürdigerweise einen entschiedenen Widerwillen gefaßt gegen den jungen Menschen, dessen Begleitung sie damals angenommen und dem sie das Glück ihrer Liebe zu danken hatte.

An all das mußte Heinz Marquardt denken, als er jetzt, selbst bei der Versöhnung, die Augen des Kollegen voll heimlichen Grolls auf sich gerichtet sah.

Der Vormittag verging unter drängender Arbeit. Da mit der sogenannten englischen Tischzeit gearbeitet wurde, so frühstückten die Angestellten der Büros für gewöhnlich gegen ein Uhr, falls nicht allzu drängende Beschäftigung zwang, auch diese Pause aufzugeben. Heute war der Hauptstoß des Güterverkehrs bewältigt, und in solchen Fällen gab der unermüdliche Hintzefuß selbst das Zeichen zu einer gemütlichen Erholungspause. Und jetzt, wo der Erste eben gewesen war, verschwand der größte Teil der Beamten, um in dieser oder jener Gastwirtschaft ein Eisbein oder ein Stückchen warmen Braten zu verzehren.

Heinz Marquardt lockte etwas anderes hinüber in die kleine Restauration. Kaum hatte er sich ein Glas Bier bestellt, so begab er sich auch schon ans Telephon, um fünf Minuten lang mit seiner Liebsten zu schwatzen.

Das Telephon lag auf dem Korridor, man konnte dort ganz vertraulich plaudern. Und das benutzte dieser lange, schwarzhaarige Mensch mit einer Naivität und Zärtlichkeit, die ihm niemand zugetraut hätte; derselbe Heinz Marquardt, dessen Rücksichtslosigkeit die meisten Frauen empfinden mußten, die ihn geliebt hatten.

»Bist du da, Liebling?« fragte er, nachdem die Verbindung hergestellt war.

Und ihre weiche, wie von einem seidenen Schleier umhüllte Stimme erwiderte:

»Ja, mein Heinz! Wie geht es dir? Hast du viel zu tun?« ... Dann eine kleine Pause mit einem durch das Telephon hörbaren Seufzer. »Ach, wenn es doch erst Abend wäre!«

Er drückte einen Kuß auf die Membrane und sagte:

»Liebchen!«

Und plötzlich fiel es ihm ein:

»Aber es ist ja heute mein Skatabend! ...«

Sie ließ einige Augenblicke vergehen, ehe sie antwortete:

»Mußt du denn dahin gehen?!«

»Aber Trude! ... Sollen sie mich denn ganz und gar für'n Pantoffelhelden ausschreien ... Du weißt doch, das ist mein einziges Vergnügen! – Und wenn ich gewinne, gehen wir auch nächsten Sonntag ins Apollo!«

»Dann bin ich also wieder heute den ganzen Abend allein, du alter Bösewicht, du!«

»Ach, Trude, laß doch, ich komme auch früh nach Hause! – Du bleibst doch so lange auf, ja?!«

Sie erwiderte nichts, und er setzte rasch hinzu:

»Und sieh dich ja vor, mein Herz ... und lege auch bestimmt die Sicherheitskette vor! ... Du kannst lieber aufstehen und mir nachher aufmachen!«

Sie neckte ihn:

»Wenn du nicht kommst, dann lege ich auch die Sicherheitskette nicht vor!«

»Du, dann bin ich böse!«

Sie hörte durch das Telephon, wie er mit seinem Fuß die dicht an seiner Seite befindliche Tür aufstieß. Gleich darauf sagte er:

»Die anderen sind schon alle fort, eben geht Maaß ... und ein Gesicht macht der! ... geradezu unheimlich! ... Adieu, mein Herz, leb recht wohl und denk an mich!«

»Du an mich auch!«

»Ja, wenn ich nur nicht so viel zu arbeiten hätte! – Adieu, adieu! – Und du, hör' mal! – Trude! – Daß du mir ja nicht die Tür aufläßt, wenn du runter gehst und was einholst! ...«

Sie schwieg.

»Du hast es doch nicht etwa schon getan, Trude?«

»Ach, Heinz, vorhin, nur'n Augenblick, nur'n Augenblick, wie ich Butter holte unten aus'm Buttergeschäft ...«

»Aber du sollst doch vorsichtig sein, Geliebte! ... Ich sage es dir tausendmal! ... Nicht wahr, du tust es nicht wieder, du machst die Tür zu?! ...«

»Ja, ja, ich verspreche es dir! ... Also um halb elf, nicht wahr?«

»Na, schön, adieu, mein Liebling, adieu!«

»Adieu, Heinz!«

Dann ging er fort mit einem heißen Gefühl in der Brust und voller Sehnsucht nach seinem Weibe.

Als er ins Büro kam, waren die übrigen Beamten schon alle anwesend.

»Wo ist denn Maaß?« fragte Heinz den alten Stegemann, der Bürodiener und am längsten von allen im Dienst war.

»Hat sich krank gemeldet,« erwiderte der Alte, skeptisch seinen kahlen Kopf schüttelnd, »dabei hat a ausjesehn, als wollt er eenen erschlagen!« ...

Wenn so viel zu tun war wie heute, verging Heinz Marquardt die Zeit immer wie im Fluge. Ehe er sich's versah, wies der Zeiger der großen Bürouhr auf fünf, und schon standen die meisten der Herren auf, zogen ihre Schreibärmel herunter und begaben sich in die Ecke, wo die Waschtoilette stand, um in einer unglaublich kurzen Zeit mit Stock und Hut noch einmal an ihrem Platz zu erscheinen, die Pulte abzuschließen und in fluchtähnlicher Eile das Büro zu verlassen.

Die Laternen schimmerten rötlich in der kalten Luft, und am Himmel, der schwarzblau und wolkenlos war, standen mit ihrem glimmenden Leuchten einzelne Sterne.

In der Flottwellstraße, die vom Lärm der Eisenbahnzüge und dem Gerassel der Wagen erfüllt war, drängten sich heimkehrende Arbeiter, Geschäftsangestellte, die zur Post und mancherlei Besorgung liefen.

In dem kleinen Lokal in der Steglitzer Straße, wo Marquardt und seine Bekannten an jedem Freitag abend zusammentrafen, war er bei seinem Eintreten der einzige Gast.

Der Kellner, der ihn gut kannte, behandelte ihn mit der Vertraulichkeit, wie solche Leute sie stets zeigen Gästen gegenüber, die nicht viel verzehren.

Heinz Marquardt nahm die wohlgemeinten Erkundigungen des Ganymeds mit Humor auf, dann holte er sich eine Zeitung und erwartete bei einem Glase Bier die Bekannten, die bald darauf eintrafen.

Die Skatpartie verlief wie immer, angeregt und heiter, und die drei anderen Herren waren nur deswegen ungehalten, weil sich der junge Beamte schon vor zehn Uhr, trotz ihrer Einreden und Bitten, er möchte doch noch bleiben, entfernte.

Noch in der Tür winkte er ihnen ein lachendes Lebewohl zu und ging, ohne sich durch ihre etwas anzüglichen Bemerkungen im mindesten verletzt zu fühlen, durch die fast ausgestorbene Gegend schnell nach der nächsten Haltestelle seiner Elektrischen.

Von der Ecke, wo er herunterstieg, hatte er noch gut fünf Minuten bis zu seinem Hause. Die rannte er fast.

Vor dem Tor der sehr ausgedehnten Mietskaserne trieben sich wie gewöhnlich einige Frauenzimmer mit ihren Begleitern umher. Furcht kannte Heinz Marquardt nicht. Und so wollte er, ohne sich im geringsten um diese unheimlichen Gestalten zu kümmern, eben aufschließen, als eine von den Mädchen sagte:

»'s ist offen ... Lassen Sie bitte auf!«

Er ging hinein und schloß dessenungeachtet zweimal hinter sich ab.

Drinnen riß er ein Streichhölzchen an, weil es ihm schon zu wiederholten Malen passiert war, daß er auf Betrunkene getreten hatte, und ging schnell über den Hof in den Seitenflügel hinein und erstieg, immer drei Stufen auf einmal nehmend, die vier Treppen.

Oben kam er mit dem Öffnen der Tür nicht gleich zurecht. Es hatten sich offenbar ein paar Krümel oder etwas Wolle in der Tasche in die Höhlung des Drückers hineingesetzt, und da er sicher war, daß die Trude noch auf ihn wartete, klingelte er. Aber sie kam nicht.

»Nun ist sie doch eingeschlafen«, dachte er und bemühte sich, mit einem Streichhölzchen den Schlüssel auszubohren.

Endlich! Er schloß auf. – Die Sicherheitskette hatte sie doch nicht vorgelegt! ...

Wie stets ging er in seiner Wohnung, wo er ja genau Bescheid wußte, zuerst in die Küche, um dort ein kleines Lämpchen anzustecken.

Dabei stolperte er über einen auf dem Boden liegenden Gegenstand und stieß sich, lang hinfallend, das Knie.

Wie Ameisen in einem Haufen, in den plötzlich der Stock eines Wanderers hineinfährt, stürzten seine Gedanken von allen Seiten zusammen ... Wie kam der umgefallene Stuhl hierher? – Wer hatte ihn umgeworfen? War Trude nicht mehr in der Küche gewesen? Hatte sie's nicht gesehen? ... Das war doch sonst ihre Sache nicht!

Und plötzlich schrie er laut in die Dunkelheit hinein: »Trude, Trude!«

Nichts antwortete ihm.

Durch den düsteren Hof der Mietskaserne, in deren Fenster noch hier und da Licht schimmerte, hallten furchtbare Schreie:

»Zu Hilfe! Hilfe! Mörder! Mörder! Hilfe ... Hilfähh!«

Und dann ein krachendes Poltern die Treppe herab und immer wieder das markerschütternde Gebrüll eines Menschen, der mitten ins Leben hineingetroffen ist.

Die Bewohner, schon im Begriff, zu Bett zu gehen, stürzten aus ihren Wohnungen auf den dunklen Flur, Lampen in der Hand, in Nachtkleidern; aber der, der da so gräßlich schrie, war längst vorbei an ihnen, über den Hof gestürzt, dessen Mauern noch bebten von der Wucht seiner Hilferufe. Und nun riß er an der Haustür, die er selbst vorher verschlossen hatte, und wußte nicht, daß man aufschließen mußte, um hinauszukommen.

Endlich wurde von draußen geöffnet. Ein Wächter stand vor ihm; er stieß den Mann fast über den Haufen und schrie, vorwärts stürzend:

»Meine Frau! ... Meine Trude!! ... Um Gottes willen, Hilfe! ... Hilfe ... meine arme Trude! ...«

Sein Schreien wurde zum Schluchzen, und plötzlich, wie er zwanzig Schritte in die Nacht hineingerannt war, kehrte er wieder zurück nach dem Haustor, wo sich jetzt plötzlich allerlei Menschen sammelten, aus der Nacht herkommend, neugierig und von Grauen geschüttelt beim Anblick dieses vor Verzweiflung heulenden Mannes.

Eines der Mädchen, die da standen, die ihr trauriges Gewerbe festhielt nachts auf der Straße – eines von diesen armseligen Geschöpfen kam an den in seinem irren Schmerz hin und her laufenden Mann heran und sagte, selber weinend:

»Was ist denn, Herr Marquardt? ... Ich wohne ja da oben, und ich kenn' se doch auch, Ihre Frau! ...«

Heinz Marquardt hatte nie acht gegeben, wer in seiner Nähe wohnte; jetzt sah er das Mädchen an, als könne von ihr das Heil kommen, als könne sie ihm helfen, sein Liebstes, das er da oben tot, ermordet gefunden hatte, wieder zu erwecken.

»Einen Arzt!« stieß er hervor, »einen Arzt!« und rannte davon wie gehetzt, und hinter ihm das Mädchen, rufend:

»In der Koloniestraße, da wohnt einer, bei den geht meine Wirtin immer!«

»Wo denn? Wo denn?« ächzte er.

Nun führte sie ihn, beide im Laufschritt, atemlos, keuchend, er ganz seinem Schmerze hingegeben und sie vor Mitleid mit ihm schluchzend.

Es dauerte lange, bis der Arzt herunterkam.

Wie er aber hörte, was geschehen war, da ließ er sich selber erst nicht lange nötigen zum Laufen.

Durch die menschenleeren, schlecht beleuchteten Straßen stürmten sie alle drei dahin, als hinge von ihrer Eile jetzt noch Leben und Sterben ab.

Wie sie die schmalen, steilen Treppen hinaufkamen, stand alles voller Leute. Bis an die Wohnungstür, die Heinz Marquardt hinter sich offen gelassen hatte. Und alle diese Menschen, in deren Gesichtern sich Neugier und Entsetzen stritten, traten schweigend zurück, als jetzt der Mann der Ärmsten, die da oben ermordet lag, an ihnen vorüber wollte. In die Wohnung hinein hatte sich niemand getraut.

Man sah durch die offene Tür den Korridor erhellt von der kleinen Küchenlampe, die am Nagel hing, und die Augen der draußen Stehenden suchten fieberhaft nach dem Opfer.

Unten auf der Treppe wurden schwere Schritte hörbar, und gleichzeitig wurden Befehle laut, wer hier nichts zu suchen hätte, solle Treppe und Haus verlassen.

Die Polizei kam. Ein Leutnant und mehrere Schutzleute.

Der Arzt war um die Ermordete beschäftigt. Aber all seine Kunst blieb vergeblich. Die arme Trude hatte nur zwei Stiche mit einem scharfen Instrument, wahrscheinlich einem Dolch oder Stilett, von hinten empfangen. Aber offenbar war schon der zweite Stoß des Mörders überflüssig gewesen. Der Tod hatte sie vollständig unvorbereitet überrascht.

Im Wohnzimmer war der Mord passiert. Dort mußte das arme Wesen, nachdem es den ersten Stich bekommen, der beide Herzklappen durchschnitten hatte, zusammengebrochen sein und den Veloursteppich, dessen ursprünglich helle Farbe jetzt ganz dunkel war, mit seinem Blute durchtränkt haben.

Der Arzt erklärte es für ganz unmöglich, daß die Ermordete danach noch einen einzigen Schritt gemacht haben könnte.

Er selbst hatte sie auf dem Bette liegend gefunden, und es war nicht aus Heinz Marquardt herauszubringen, ob er die Tote dorthin gelegt hatte.

Der Polizeileutnant, ein noch junger Mann, dem es schwer wurde, seine tiefe Ergriffenheit zu verbergen, schüttelte, mit dem Arzte redend, den Kopf.

»Das ist kaum zu glauben, Herr Doktor! – Denn selbst wenn man glauben wollte, der arme Kerl hätte soviel Geistesgegenwart in diesem fürchterlichen Augenblick noch besessen, so ist doch gar nicht anzunehmen, daß in der kurzen Zeit – denn es kann ja kaum eine halbe Stunde her sein, daß er sie gefunden hat – der Körper schon so erstarrt sein sollte.«

Der Arzt mußte dem beipflichten. Und daß er selbst nicht auf diesen Gedanken gekommen war, daran war wohl auch nur die Erschütterung schuld, die er selbst empfunden hatte beim Anblick dieses liebreizenden Geschöpfes, das eine Bubenhand niedergestreckt hatte. Es war jetzt auch die Stubenlampe angezündet worden, und das Schlafzimmerchen, in dem alles bis auf das eine zerworfene Bett so leuchtend ordentlich und nett war, glänzte von einer milden Helligkeit.

In den Kissen, die überall große dunkle Flecke zeigten, lag die Tote wie aufgebahrt. Sie trug noch immer das Morgenkleid, dessen Knöpfe am Hals aufgerissen waren. Und dieser Hals, dieser zarte, weiße Mädchenhals wies, als man die Lampe näher heranbrachte, deutlich die grausamen Fingermale des Mörders auf. Aber das Gesicht war nicht entstellt. Nur das Lächeln, die stille Liebenswürdigkeit war fortgewischt aus dem Antlitz des jungen Weibes, dessen blondes Haupt von einer starren Feierlichkeit umflossen war. Die schwachroten Lippen waren geschlossen, und die blauen Augen, deren Lider noch ein wenig offen standen, widerstrebten dem Fingerdruck des Arztes, als er sie schließen wollte.

Neben dem Bett war Heinz Marquardt auf einen Stuhl niedergesunken. Er hatte die schlaff herniederhängende rechte Hand der Toten in die seine genommen und streichelte mit der anderen die blutlosen Finger. Dabei liefen ihm die Tränen immerfort über die Wangen, aber er sagte nichts. Als der Arzt mit seinen Bemühungen aufhörte, hatte er diesen groß und fragend angesehen und aus den stummen, von Mitleid erfüllten Zügen des Mediziners ohne eine Frage sein jammervolles Schicksal gelesen.

Der Polizeileutnant war an ihn herangetreten mit der Absicht, ihm wenigstens ein Wort des Trostes zu geben. Aber vor den dunklen eng beieinander stehenden Augen, die Heinz Marquardt voll zu ihm aufschlug, vor dem unsäglich gramvollen Ausdruck dieses von brennenden Schmerzen verstörten Gesichtes verstummte der Beamte.

»Sie können doch hier nicht bleiben?« sagte er endlich.

Der Gatte der Ermordeten hörte gar nicht darauf.

»Die Fundstelle muß auch möglichst unberührt erhalten werden!« meinte der Polizeileutnant wieder.

»Das hier ist meine«, sagte Heinz Marquardt mit einem Unheil verkündenden Blick, und der Polizeileutnant wagte dem nichts entgegenzusetzen.

Inzwischen war nach dem Präsidium telephoniert worden, und eine ganze Anzahl von Kriminalbeamten hatte sich eingefunden. Der Chef selbst, Herr von Rhode, war erschienen und betrat soeben in Begleitung der Kommissare Hartmuth und Bendemann das Zimmer.

Der Polizeileutnant erstattete leise seinen Rapport und wies dann auf den noch immer neben seinem toten Weibe sitzenden Heinz Marquardt.

»Wir können ihn doch hier nicht lassen, Herr Geheimrat?«

»Natürlich nicht! ... Muß irgendwo im Hause 'n Unterkommen suchen, damit wir 'n morgen früh gleich wieder bei der Hand haben.«

»Er wird Schwierigkeiten machen«, erwiderte der Polizeileutnant flüsternd.

»Was heißt denn das?« ... Herr von Rhode sprach noch leiser mit seinem Untergebenen, und dann meinte er vernehmlicher: »Ich wer' mal mit dem Mann reden!«

»Herr ...,« er wandte sich an den Polizeileutnant, »wie heißt er?«

»Marquardt«, erwiderte dieser dienstbeflissen.

»Also, Herr Marquardt, äh, hm! ... es ist ja außerordentlich bedauerlich, und äh! wir verkennen keinen Augenblick den traurigen Ernst Ihrer Lage, aber, sagen Sie mal, können Sie uns denn nicht vielleicht 'n Anhaltepunkt geben? ... Ich meine natürlich nicht, daß sie uns was Positives sagen sollen über den Fall – Keine Ahnung ... Davon werden Sie ja ebensowenig wissen wie wir, aber sagen Sie mal, Herr Marquardt, hat denn Ihre Frau nicht ... äh, na ich meine, hat sie denn nicht so Bekanntschaften gehabt ... Bekannte, die, hm ... na, äh, was sollen wir uns da lange fürchten vor dem Wort, hier is ja nich der Augenblick, wo man sich gegenseitig Mätzchen vormacht, seien wir mal ganz ehrlich und aufrichtig, sind Sie der Treue Ihrer Frau immer ganz sicher gewesen? ... Ich höre nämlich, daß Sie Beamtet sind an der Staatseisenbahn, und da sind Sie ja natürlich den Tag über von Hause abwesend. Sagen Sie mal, Herr Marquardt, woher stammt denn Ihre Frau eigentlich?«

Heinz Marquardt hatte den hohen Beamten bis jetzt ohne ein Wort der Erwiderung immer nur schweigend angesehen. Aber in seinen Augen lag etwas, was den jungen Polizeileutnant bewegte, sich dicht neben seinen Vorgesetzten hinzustellen. Und plötzlich richtete sich der Büroschreiber mit einem Ruck straff empor. Und seinen blassen, von so unendlichem Weh zerwühlten Kopf dem Herrn entgegenstreckend, schrie er:

»Sind Sie verrückt, Sie? ... Meine Frau? ... Meine Frau? Einen Geliebten?! ... Ach!« ... Er brach mit einem Ruck in sich zusammen und griff taumelnd mit seinen beiden Händen nach dem Bettpfosten.

»Niemand auf der Welt hat sie so lieb gehabt als mich! Niemand! Den möchte ich sehen, der das sagen könnte.« Er erregte sich wieder. »Und ich sage Ihnen, Herr, sagen Sie das nicht noch einmal! Ich weiß nicht, wer Sie sind, und das ist mir auch ganz gleichgültig; aber ich schlage jeden zu Boden, der über meine arme geliebte Trude noch ein solches Wort sagt!«

Der Herr Geheimrat schien etwas erschrocken, und er war wohl nicht recht einig mit sich, ob er das, was ihm da eben so unverhohlen gesagt worden war, als Beleidigung auffassen oder ob er es dem schwergeprüften Manne zugute halten sollte. Dann entschied er sich für das letztere, wandte sich mit einem Achselzucken ab und ging zu den beiden Kommissaren, von denen der eine die Küchenlampe in der Hand hielt, und die jetzt mit Späherblicken die einzelnen Räume des Tatortes musterten, um vielleicht doch irgendeinen Anhaltepunkt zur Auffindung des Täters zu gewinnen.

Der Arzt war, sobald er erkannt hatte, daß hier seine Hilfe zu spät kam, gegangen. Auch der Polizeileutnant verließ das Zimmer aus irgendeinem Grunde.

Da schlüpfte ein Mädchen in die Tür. Dasselbe Mädchen, das Heinz Marquardt vorhin den Weg zum Arzt gewiesen hatte. Ein noch junges Geschöpf von kleiner, sehr voller Figur und mit einer schwarzen Mähne, die ihr wie ein Helm in die Stirne hineinwuchs. Darunter leuchteten ein paar blanke Augen, aber den Mund des trotz Puder und Schminke noch frischen Gesichtes entstellte eine schreckliche Narbe.

Heinz Marquardt erkannte sie kaum wieder.

Einen Augenblick blieb sie an der Tür stehen, dann aber wohl einsehend, daß sie sich beeilen müsse, wenn sie allein mit ihm reden wollte, ging sie schnell zu ihm hin, berührte die Schulter des armen Mannes, der noch immer mit vorgebeugtem Oberkörper, die Hand seiner toten Frau in der seinen haltend, auf das blutbefleckte Bett starrte, und sagte leise:

»Ich kann Ihnen vielleicht was sagen. Ich wohne drüben auf der anderen Seite bei Pfeffer.«

Er sah sie an und schüttelte den Kopf, als glaube er nicht, daß es noch irgend jemand auf der Welt geben könne, der ihm etwas zu sagen hätte ...

Das Mädchen aber, das draußen Schritte hörte, schlüpfte hinaus.

2

Inhaltsverzeichnis

Die kleine Kuckucksuhr, die zu Häupten des Lagers hing, auf welchem die Tote ruhte, schlug mit hastigen Klängen drei.

Heinz Marquardt blickte traumverloren auf ...

Wie die Zeit vorwärts ging, trotzdem die Trude nun nicht mehr lebte und die Schläge der kleinen Uhr, die sie so gern gehabt hatte, nicht mehr hören konnte ... Aber noch war sie ja bei ihm, und er wollte sie nicht von sich lassen! Nein, wenigstens den Anblick ihres süßen Gesichts wollte er behalten ...

Der Polizeileutnant trat wieder herein und sagte:

»Die Beamten ziehen sich jetzt zurück, Herr Marquardt, ich möchte Sie bitten, auch zu gehen, damit ich die Wohnung zuschließen kann, denn Sie können doch hier nicht bleiben.«

In dem Gesicht des jungen Beamten bewegte sich keine Muskel, als Heinz erwiderte:

»Ich bleibe hier. Und wenn Sie mich mit Gewalt entfernen, breche ich die Türen entzwei und komme wieder her.«

Er sprach das nicht etwa leidenschaftlich, sondern mit der Ruhe, dem kalten Gleichmut, der sich ihm mitgeteilt zu haben schien aus der Nähe des großen Unbekannten, der in diesem Zimmer weilte.

Der Polizeileutnant zuckte die Achseln; er wußte nicht, was er tun sollte.

Aber er hatte auch nicht das Herz, seinen Leuten zu sagen, da nehmt ihn und führt ihn hinaus. So entschloß er sich denn nach einigem Zögern zu der Äußerung:

»Wenn Sie es nicht anders wollen, so bleiben Sie! ... Ich werde Sie aber einschließen, und Sie dürfen nichts von der Stelle rücken und verändern, denn uns liegt daran, daß das Bild der Räume ganz so bleibt, wie wir es gefunden haben ... Es werden nämlich«, setzte er erklärend hinzu, »schon morgen in aller Frühe die Gerichtsphotographen kommen, um hier Aufnahmen zu machen.«

Heinz Marquardt schwieg.

Was der Polizeibeamte da sagte, interessierte ihn gar nicht. Auch dessen leisen Gruß erwiderte er nicht und blieb, als er allein war, noch lange Zeit in unveränderter Haltung neben dem Bette sitzen.

Die Lampe auf dem Nachttischchen fing an zu blaken, und ein übler Petroleumduft durchzog den kleinen Raum. Der Büroschreiber zog die Luft ein, stand auf, aber auf halbem Wege bis zum Nachttisch kehrte er wieder um, denn alles, was in seinem Kopf und Herzen noch lebte, riß ihn unwiderstehlich zurück zu seinem toten Weibe. Erst nachdem er eine ganze Zeit gesessen hatte, ging er hin und schraubte die Lampe herunter, um dann instinktiv das Fenster zu öffnen und sich wieder neben der armen Trude niederzulassen.

Und nun, wie er in ihr entfärbtes Gesicht starrte, von dem der Hauch des Todes das süße Rot gestreift hatte, und dessen kindliche Zartheit einer erhabenen Ruhe gewichen war, nun fing in seinem Kopfe, in dem vorher, wie durch eine gewaltige Explosion, alles über den Haufen gestürzt war, nun fing es sich wieder an zu regen, und die Gedanken erhoben sich, schlugen ihre Augen auf und begannen noch irr- und ratlos, aber doch schon forschend und tastend um sich zu blicken.

Trude war tot.

Wieso denn?

Wodurch?

Durch wen?

Durch wen? Durch wen? Durch wen? Durch wen? Durch wen?

Heinz Marquardt fuhr – als schnellten plötzlich in seinen Beinen Stahlfedern empor – so fuhr er mit einem Ruck in die Höhe.

Nun stand er da, ganz gerade, aber den Körper in einem leichten Winkel gegen den Erdboden vorgeneigt. Seine Arme streckten sich mit ihren Fäusten stracks herunter nach dem Erdboden, und unter seinem wirren, schwarzen Haar stierten die Augen mit plötzlich erwachendem Feuer drohend in den Schatten des Bettes hinein.

Die Trude war plötzlich wie weg, er sah nichts mehr.

Er suchte.

Wer? Wer? Wer? Wer? Wer hatte sie ermordet?

Und auf einmal fing dieser Mensch an, sich wieder zu bewegen.

Erst langsam mit schweren, plumpen Schritten, wie eine Maschine, die im Antrieb ist. Dann arbeiteten seine Glieder schneller, er ging nicht mehr, er rannte, er raste durch das Zimmer ...

Und plötzlich blieb er wieder stehen, mit seinen brennenden Augen auf die Tote hinabschauend.

Wer hat dich ermordet?

Das sagte er nicht, aber seine Augen schrien es in lauter heulenden Schmerzensschreien hinab auf den Leichnam.

Und wie er abermals auf den Stuhl sank, wie wieder Tränen über seine Wangen liefen, da endlich war der Bann in seinem durch dieses furchtbare Ereignis fast zerschmetterten Hirn gebrochen, der Gedankenapparat arbeitete wieder ruhiger, und wenn auch der Gang seiner Ideen noch oft von wilden Schmerzen unterbrochen wurde, so begann doch schon wieder die Logik sich seiner zu bemächtigen, und der bei ihm so hervorragend ausgebildete Spürsinn fing an, Fährten zu suchen und zu verfolgen.

Von den tausend Gedanken, die seinen Kopf durchkreuzten, hieß der erste: Du mußt dich der Polizei zur Verfügung stellen und mit tätig sein bei der Auffindung des Mörders ... Ob man ihn als Helfer willkommen heißen würde? Oh, keine Frage! Obgleich ... So ein ganz leises Mißtrauen störte ihn da in seiner Zuversicht. Er hatte die Fragen des Herrn Geheimrats von vorhin noch nicht vergessen.

Aber würde er ihnen denn helfen können? Diesen Leuten, die so bewandert waren in der Auffindung von Verbrechern? ... Das heißt auch von Mördern? ... Es war doch schon eine ganze Anzahl solcher Schurken unentdeckt geblieben ... Und der, der ...

Die Raserei des Schmerzes bemächtigte sich seiner wieder; er warf sich vor dem Bett nieder, daß ihm die Knie schmerzten, und vergrub seinen Kopf in die Kissen. Doch der Anfall hielt nicht mehr so lange an wie vorher. In seinem Herzen war etwas erwacht, eine Empfindung, die alle anderen zu Boden schlug und jedes Hindernis aus dem Wege riß: der Durst nach Rache.

Wer war es? Wer war es gewesen?!

Und diese Frage, die wild, wie ein Irrsinniger in das Wesenlose hinausstarrte, glättete sich allmählich und wurde vernünftig und zerlegte sich in tausend Kombinationen und Möglichkeiten.

Wer kam denn in Betracht? Wer konnte es denn gewesen sein?

Stehend beugte er sich nieder, nahm die eiskalte Hand der Toten in die seine und preßte sie lange Zeit an seine fiebernden Lippen.

»Ich finde ihn!« murmelte er. »Ich finde ihn, verlaß dich darauf, mein Liebling! ... Und hier, hier! ...«

Er hatte die Totenhand fallen lassen, und seine eigenen, zu Krallen gekrümmten Fäuste vor die Entschlafene hinstreckend, schrie er laut:

»Damit werde ich ihn zerreißen! Zerreißen werde ich ihn!«

Und die Frage kam wieder, die große Frage, die sich schon anschickte, mit blutigen Augen hinter dem Mörder her zu schleichen, und ließ die Arme schlaff herabsinken und ließ sein Auge, in dem noch eben der Mord flammte, nach innen schauen, wo die Bilder sich drängten, die sein und Trudes Leben umfaßten.

Da rannte sein Argwohn weiter bis zu dem verstörten und verdüsterten Gesicht seines Bürokollegen, des kleinen Maaß, hin.

Sollte der ...?

Heinz Marquardt schüttelte unwillkürlich den Kopf. Das konnte er sich nicht denken. Warum denn? Wenn der das beabsichtigt hätte, weshalb würde er so lange damit gewartet haben? Und dann, der Rothaarige erschien ihm dazu nicht mutig genug.

Aber wer? ... Einer war's doch, und den mußte er finden, er mußte ihn finden, und wenn er bis ans Ende der Welt laufen sollte! ...

So konnte sich keiner verstecken ... Oh, er hatte Zeit: Er würde nicht nachlassen, und wenn sein Leben darüber hinginge. Und wenn er ihn hatte, wenn er ihn eines Nachts in einer Schenke oder beim Laternenlicht am Ende einer dunklen Gasse zu packen kriegte, dann würde er ihn hinausschleppen in das dunkle Feld, bis dahin, wo kein Mensch mehr war, wo niemand einen Hilferuf hörte, und da würde er ihn mit seinem Messer quälen und peinigen, so lange quälen wollte er ihn, bis der Hund eingestanden hatte, und dann ihn zum Richter bringen ... Oder nein, lieber selber das Urteil an ihm vollstrecken, daß nicht etwa durch verfluchte Advokatenkniffe der Henker um sein Recht kam!

Heinz Marquardt schüttelte leise den Kopf, soweit war er ja noch nicht. Erst mußte er ihn suchen und finden. Denn sich auf die Polizei verlassen, das fiel ihm gar nicht ein. Gewiß, er wollte ihnen seine Hilfe anbieten, aber wenn sie sie nicht annehmen, wenn sie ihn nicht mit offenen Armen willkommen hießen, dann würde er allein hinauswandern in die Nacht und würde diese Riesenstadt durchsieben wie eine Hand voll Erde und würde sich nicht Schlaf und Ruhe, nicht Speise und Trank gönnen, bis er den hatte, der ihm alles genommen!

Seine Augen irrten im Zimmer umher, er wußte nicht, was er da suchte, aber sein Instinkt lehrte ihn, daß man hier vielleicht irgendetwas finden könne, und daß, wenn man etwas finden würde, es von unglaublicher Wichtigkeit wäre.

Aber er sah nichts, und wieder sprangen seine Blicke hinauf zu ihr, die sie kaum verlassen hatten und liebkosten ihre blassen Wangen und die entfärbten kleinen Hände.

Und wie er sie so mit immer wieder feuchten Augen ansah, da fiel ihm plötzlich etwas ein ... Die Polizeibeamten hatten ja gesagt, sie hätte gar nicht hier gelegen auf dem Bett, als er sie fand ... aber er hatte sie doch hier gefunden! ... Hier auf dem Bette liegend ... wo denn sonst?!

Er streichelte ihre blasse Wange und murmelte:

»Armes Herz, was werden sie noch alles reden!«

»Nebenan? ... Im Eßzimmer? ... Weshalb denn da ...?«

Er nahm die Lampe und ging zögernd bis an die Tür, die nur angelehnt war. Aber davor blieb er stehen, als fürchtete er, die Tote da drinnen noch einmal ermordet zu finden.

Nun stieß er die Tür mit einem Ruck auf, und im Entsetzen suchte er mit der freien Linken nach einem Stützpunkt. Seine Augen wurden groß und hafteten voller Angst auf dem Teppich, dessen ihm so wohlbekannter ganz hellgetönter Grund jetzt wie schwarzgefärbt erschien ...

Da hatte sie gelegen? ... Da hatte er sie gefunden? ... Aber nein doch, im Schlafzimmer ... auf dem Bett ... Das Grauen in ihm wurde fortgedrängt durch den eigenen Zweifel ... war es nebenan im Schlafzimmer gewesen? Oder hatte er selbst, wie der Polizeikommissar vorhin gesagt, so sehr seine Fassung und Besinnung eingebüßt, angesichts dieses herzzerreißenden Bildes, daß er nicht mehr wußte, wo er den geliebten Leichnam aufgefunden und in seine Arme gerissen hatte? ... War das möglich, daß man so sehr vergessen konnte? ... Sie mußte doch hier gelegen haben, hier war ihr teures Blut in dunklen Strömen über den Teppich geflossen, und hier hatte ihr Haarkämmchen gelegen, die Kämmchen, die er ihr selbst geschenkt hatte! ... Denn wenn er das auch nicht mit eigenen Augen gesehen hatte oder sich dessen wenigstens nicht recht erinnern konnte, so kamen ihm doch jetzt die Worte der Polizeibeamten, die vorher spurlos an seinem Ohr vorbeigestrichen waren, deutlich ins Bewußtsein ... Und in diesem langsamen Heraufdämmern des vorhin Gehörten begann er schon persönliche Erinnerungen an jenen gräßlichen Moment, den furchtbarsten, den ein Mensch überhaupt erleben kann, zu erblicken.

Denn wie wäre sie sonst von hier nach dem Bett gekommen?! Laufen hatte sie doch nicht mehr können ...

Er schluchzte wild auf bei der Vorstellung, wie sein Weib, sein alles auf der Welt, zusammenbricht unter dem Dolchstoß des Mörders.

... Aber gelitten hatte sie auch nicht mehr, Gott sei Dank! Das hatte der Arzt ausdrücklich gesagt. Und das sah man auch an ihrem lieben Gesicht, das so friedlich leuchtete und keine Spur von Todesangst und Furcht erkennen ließ.

Also mußte er, er selber sie doch aufs Bett getragen haben, wiewohl er sich absolut nicht darauf besinnen konnte ... Der Mörder wird das doch nicht tun! ... Und die Beamten sicher auch nicht.

Er sah wieder auf die ungeheuren Blutflecke und stellte die Lampe auf den kleinen Bauerntisch. Dann brachte er, erst widerstrebend, seine Finger an die dunklen Stellen des Teppichs ... er war noch ganz feucht ... seine Finger wurden rot ...

Da weinte er hell auf und ging zurück und küßte seine Tote. Kam aber gleich wieder herein, als hätte er noch etwas vergessen. Was, fiel ihm nicht ein. Aber seine Blicke suchten, suchten überall an den bekannten Möbeln umher ... nichts ... nichts war zu finden ...

Neben dem Tisch war der eine der vier Nußbaumstühle etwas schief gerückt. Ordentlich wie immer stellte ihn Heinz Marquardt gerade.

Da! ... Was war denn da? ... Ganz unten in dem Rohrgeflecht der Rückenlehne hing etwas. Aha, eine Schlipsnadel! ... Eines der kleinen silbernen Zwanzigpfennigstücke, die längst nicht mehr im Kurs sind, aufgelötet und mit einem Namenszug graviert ... E. Z. ...

E. Z.? ... Des Büroschreibers Gesicht spannte sich in allen Muskeln.

Wer war »E. Z.« ...

Die kleine Uhr verkündete mit sechs hurtigen Schlägen den Anbruch der Morgenstunde, da erwachte Heinz Marquardt, den seine Gewohnheit, um diese Zeit aufzustehen, nicht länger schlafen ließ, aus schwerem Traum.

Vornübergesunken auf dem Stuhl neben dem Totenbett, hatte er mit dem Kopf neben dem grellweißen Gesicht der Leiche gelegen.

Ihm war gewesen, als stände er unten auf dem Hausflur und seine Frau beugte sich über das Geländer hinab und bat ihn, doch heute gleich nach Hause zu kommen. Er wollte nicht, und während sie noch miteinander hin und her sprachen, kam es ihm vor, als stürze sie plötzlich herunter, als breite er seine Arme aus, um sie noch aufzufangen – da erwachte er mit einem Angstruf.

Die Lampe schwelte, ein matter Schein fiel ins Fenster, den die erblaßte Nacht hineinwarf.

Heinz Marquardt durchschritt ruhelos ein paarmal die Wohnung; sein Gehirn bemühte sich, der widerstrebenden Eindrücke Herr zu werden, die dieses furchtbare Ereignis hatte auf ihn eindringen lassen, aber es gelang ihm noch nicht so recht, sich zu sammeln.

Jetzt hatte er das Bedürfnis, hinauszugehen, frische Luft zu schöpfen. Ihn fror. Wie er wieder zurückkam in das Schlafzimmer zu der Toten, strich er zärtlich und mitleidsvoll über das starre Antlitz und flüsterte so leise, daß nur die Tote ihn verstand, wenn, wie man sagt, die Toten hören können.

Es war eine merkwürdige Veränderung mit dem jungen Beamten in den wenigen Stunden vor sich gegangen. Sein immer schon ernstes, auf ein festes Ziel gerichtetes Wesen schien jetzt finster und versteinert, seine Bewegungen waren hastig und von einer wilden Leidenschaft erfüllt. Und die schwarzen, eng beieinander stehenden Augen hatten einen harten, mitleidslosen Schein bekommen.

Er zog seinen Paletot an, setzte sich den Hut auf und wollte die Wohnung verlassen. Wie er an der Korridortür war, merkte er, daß man ihn eingeschlossen hatte ... Warum? Sollte er etwa gefangen werden? Wer durfte es wagen, ihn seiner Freiheit zu berauben? Wahrhaftig, er hatte nicht übel Lust, mit den Fäusten gegen die Tür zu donnern, sie einzutreten, um hinauszukommen.

Doch er zwang sich zur Ruhe, und er hatte nicht mehr lange zu warten, da war auch die Polizei wieder da.

Zuerst kamen die Photographen vom Präsidium, um ihre Aufnahmen vorzubereiten. Dann die beiden Kommissare, von denen der eine, namens Bendemann, den Büroschreiber sofort ins Verhör nahm.

»Also Sie sind gestern frühmorgens schon früher als sonst fortgegangen, sagten Sie gestern? Warum taten Sie das?«

Heinz Marquardt, von einer rasenden Ungeduld erfüllt, irgendetwas zu hören oder selbst zu unternehmen, das ihn der Entdeckung des Verbrechens näherbringen könnte, entgegnete unwirsch:

»Weshalb ich früher fortgegangen bin? ... Na, sehr einfach, weil ich zu tun hatte im Büro!«

»Was hatten Sie zu tun?«

Marquardt sah den Beamten an, als zweifle er an dessen Geistesfähigkeiten, dann sagte er, sich gewaltsam beherrschend:

»Ich hatte zu arbeiten, wie jeden anderen Tag auch, nur daß die Arbeit sehr drängte.«

»Gehen Sie häufiger so früh weg?«

Heinz Marquardt schüttelte den Kopf, er wußte nicht, was er aus diesen Fragen machen sollte, dem gab er denn auch ganz offen Ausdruck.

»Weshalb fragen Sie mich denn das? ... Das hat mit der Sache hier nicht das geringste zu tun! Hier handelt es sich doch ganz allein darum, so schnell als möglich auf die Spur dieses verdammten Lumpen zu kommen, der mein armes Weib ermordet hat! Das hat doch nichts damit zu tun, daß ich ins Büro gehe.«

»Beruhigen Sie sich,« sagte der Kommissar, einen raschen Blick mit seinem Kollegen wechselnd, »bei der Beurteilung eines derartigen Falles ist der kleinste Umstand wichtig.«

Und der nun auch hinzutretende Kommissar Hartmuth bestätigte das, indem er wohlwollend sagte:

»Sie müssen nicht etwa glauben, daß wir Sie zu dem Verbrechen in Beziehungen bringen!«

Heinz Marquardt sah ihn mit einem ungewissen Ausdruck im Gesicht an.

»Mich?! ... Mich?! ... Ja, was soll ich denn dabei?« Mit einem Male lachte er wild auf.

»Ach, Sie meinen, ich hätte es getan?! ... Ja, meine Herren, wenn Sie imstande sind, das auch nur einen Moment anzunehmen, dann ist allerdings wenig Aussicht vorhanden, daß Sie den Schuft jemals kriegen werden! ... Dann hat es auch gar keinen Zweck, daß ich Ihnen meine Hilfe anbiete!«

Der Kommissar Hartmuth lächelte skeptisch.

»Ihre Hilfe bieten Sie uns an? Mein Gott, im Grunde genommen, wundert mich das nicht, denn derartige Anerbieten werden uns bei solchen Gelegenheiten sehr oft gemacht, aber ich versichere Ihnen, Herr Marquardt, die Sache hat gar keinen Zweck, ein Laie kriegt in solchen Sachen nie was raus! Ich glaube auch nicht, daß Herr Geheimrat von Rhode darauf eingehen würde. Bis jetzt hat er wenigstens solche Anerbietungen immer kurzerhand zurückgewiesen ... Nein, was Sie in der Sache tun können, das ist einzig und allein, daß Sie mit der größten Präzision die Auskünfte erteilen, die wir von Ihnen brauchen. Sehen Sie mal, das Publikum behauptet immer, wir finden die meisten Mörder nicht. Aber daran ist niemand anders wie das Publikum selber schuld. Teilweise wollen sie uns nicht sagen, was sie wissen, und andernteils sind sie auch nicht imstande dazu, ihre Gedanken im geringsten zusammenzunehmen. Von Ihnen kann man dagegen erwarten, daß Sie dazu imstande sein werden, und nun bitte ich Sie nochmals, uns genau anzugeben, was Sie über die Beziehungen Ihrer Frau, über ihr ganzes Vorleben usw. wissen.«

»Meine Frau«, sagte Heinz Marquardt mit erzwungener Ruhe, »ist die beste und folgsamste Gattin gewesen, überhaupt der liebste Mensch, den es gibt ...«

Er wollte dadurch ähnlichen Erkundigungen, wie sie gestern schon der Geheimrat von Rhode an ihn gerichtet hatte, von vornherein aus dem Wege gehen. Aber das gelang ihm nicht.

Der Kommissar Bendemann nahm jetzt wieder das Wort und sagte, seinen Kollegen ablösend:

»Wir verstehen wohl, daß es einem Ehemann, besonders, wenn es ein anständiger Mensch ist, schwer sein muß, etwas Ungünstiges über seine Frau auszusagen. Aber es sind ganz bestimmte Beobachtungen unsererseits, die uns diese Frage auch heute wieder nahelegen. Regen Sie sich doch bitte nicht so auf!« setzte er hinzu, als er das Wetterleuchten in Heinz Marquardts Gesicht sah, der schon wieder wütend auffahren wollte.

»Wenn wir an den Schauplatz eines derartigen Verbrechens gerufen werden, so haben wir uns jedesmal zuerst die Frage vorzulegen: welcher Art der Mord ist, der hier begangen wurde. Ein Mord kann begangen sein aus Rache, aus Eifersucht, im Affekt, wo er sich dann als Totschlag charakterisiert, aus Wollust und, das ist wohl das häufigste, es kann ein Raubmord sein.«

»Zuerst haben wir natürlich hier auch an einen Raubmord gedacht. Aber dem widerspricht der Befund der Leiche. Es wäre ja freilich denkbar, daß der Mörder sich in einer Zeit, wo die Tote sich nicht in der Wohnung aufgehalten hat, hier eingeschlichen hätte und dann plötzlich aus dem Hinterhalt sein Verbrechen begangen hätte. Aber hierfür fehlen uns alle Anhaltspunkte ... Oder wissen Sie etwas darüber, daß Ihre Frau die Wohnung eine Zeitlang unbeaufsichtigt gelassen?«

»Ja, jawohl,« fiel ihm Heinz Marquardt rasch ins Wort, »das hat sie gestern nachmittag!«

Die beiden Kommissare sahen sich abermals bedeutungsvoll an, dann sagte Hartmuth in weit kühlerem Tone:

»Woher wissen Sie denn das so genau?«

Marquardt schüttelte unwillkürlich den Kopf, als wollte er damit den lächerlichen Verdacht, der schon wieder in den Beamten aufzutauchen schien, ein für allemal beseitigen.

»Ach, ich habe doch gestern mittag noch mit ihr gesprochen! Ich sagte ihr noch extra, sie solle die Kette vorlegen und da ...« Das Schluchzen brach plötzlich wieder wie ein Strom aus seiner Brust hervor, daß er eine ganze Zeitlang nicht sprechen konnte.

Die Kommissare sahen ein bißchen ungeduldig drein, schwiegen aber, durch diesen elementaren Ausbruch schmerzlichen Gefühls mehr als durch jedes Wort abgebracht von ihrem ersten Verdachte.

Endlich sagte Heinz Marquardt, noch immer von Schluchzen unterbrochen:

»Da habe ich sie gefragt, ob sie auch nicht etwa die Tür aufgelassen hätte, weil sie das öfter tat, und da sagte sie ja, sie hätte es getan, aber 'n Augenblick ...«

»Das ändert allerdings die Sachlage«, meinte Bendemann und besann sich eine Weile.

»Aber trotzdem, es fehlt absolut nichts in der Wohnung ... Mit Ausnahme des Portemonnaies, und da sagen Sie selbst, daß nur wenige Mark drin gewesen sein können.«

»Ja,« meinte Heinz Marquardt, »aber ich weiß bestimmt, daß meine Frau einige kleine Ersparnisse hatte, mit denen sie bei Gelegenheit unser Meublement vervollständigen wollte. Wo sie das Geld hingetan hat, das weiß ich auch nicht, aber da war's; sie hat's mir neulich noch erst gezeigt ... es lag in solchem Pappkasten von Zigaretten ...«

»Na, wieviel war's denn?« fragte der Kommissar Hartmuth.

»Ganz genau sagen kann ich es nicht, aber es war ein Zwanzigmarkschein dabei, das weiß ich.«

Hartmuth schüttelte immer wieder den Kopf.

»Ich kann nicht sagen, was mir den Anlaß dazu gibt, aber ich habe solch Gefühl, als spielte das Geld jedenfalls nicht die Hauptrolle bei der Tat.«

»Sie kommen also schon wieder darauf«, sagte Heinz Marquardt wütend.

»Ich bedaure,« sagte der Kommissar kalt, »ich bin Beamter und muß als solcher meine Pflicht tun. Persönliche Rücksichten können mich dabei nur insoweit beeinflussen, als ich freien Blick behalte für das, was mir Tatsache zu sein scheint.«

Er nahm ziemlich rücksichtslos den Kollegen beiseite, flüsterte mit diesem eine Weile und sagte dann, wieder zu Heinz Marquardt hintretend:

»Ich mache Sie darauf aufmerksam, Herr Marquardt, daß Sie alles das, was Sie hier sagen, später zu beschwören haben werden. Und die Eidesformel lautet außerdem noch »daß ich nichts hinzusetzen und nichts verschweigen werde!« Sie werden also einsehen, daß Sie gesetzlich gezwungen sind, alles, aber auch alles zu sagen, was Sie wissen. Und darum frage ich Sie jetzt noch einmal: ist Ihnen irgendetwas hinsichtlich Ihrer Frau bekannt, was die Vermutung nahelegen könnte, daß die Ermordete früher oder später zu irgendeinem Manne in unerlaubten Beziehungen gestanden hätte?«

Heinz Marquardt biß die Zähne aufeinander.

»Nein,« stieß er hervor, »nein, ich weiß nichts, meine arme Trude war mir treu! Sie war das beste, das geliebteste Wesen unter der Sonne! Und nun lassen Sie mich in Frieden! Quälen Sie mich nicht so furchtbar!«

Er wandte sich ab und verhüllte von neuem sein Gesicht.

»Der arme Kerl tut mir leid,« sagte der Kommissar Hartmuth leise zu seinem Kollegen, »und doch bin ich fest überzeugt davon,« er dämpfte seine Stimme noch mehr zum Flüstern, »ich bin fest überzeugt, daß bei der Sache irgendetwas nicht in Ordnung ist. Sieh mal, Bendemann, so sieht 'n Raubmord nicht aus! Der Mensch, der jemand tötet, um ihn zu berauben, bedient sich zunächst nicht des Dolches. Es ist nicht so leicht, jemand mit einem Dolchstich zu töten ... 'n Schlächtermesser, ein Beil, ein Hammer, das alles laß ich gelten, aber ein Dolch? ... Nein! ... Und dann, nachdem der Raubmörder seine Tat vollbracht hat, da läßt er keinen Korb, keine Kommode, keinen Schrank undurchsucht! Er schmeißt die Kleider, die Sachen, die Wäsche, alles schmeißt er auf 'n Boden und hat natürlich gar keine Zeit, wieder was einzupacken. Hier war alles so ordentlich, als hätte überhaupt kein fremder Fuß die Wohnung inzwischen betreten.« Und mit einer leichten Bewegung des Kopfes nach Heinz Marquardt, der am Fenster stand und in den grauenden Morgen hinausstarrte, setzte er hinzu: »Versuche du doch noch mal, ob du nicht irgendeine Form findest, um etwas aus dem Manne herauszuholen. Der arme Kerl kann einem ja leid tun, aber es hilft doch alles nichts, wir sollen und wollen den Mörder haben.«

Darauf ging Bendemann noch mal an den Büroschreiber heran, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte freundlich:

»Sind Sie denn schon lange verheiratet, Herr Marquardt?«

Sich umschauend und den Beamten anblickend, so fremd, als hätte er ihn nie vorher gesehen, meinte Heinz:

»Ja, 'n halbes Jahr ...«

»Wo haben Sie denn Ihre Frau kennengelernt?« fragte der andere ganz harmlos.

Heinz Marquardt wurde auf einmal dunkelrot.

Der Kommissar begriff sofort und meinte mit gespannter Miene:

»Meine Frage scheint Ihnen nicht angenehm zu sein?«

Heinz Marquardt zuckte die Achseln.

»Was heißt: nicht angenehm? ... Ich habe Trude auf 'n Ball kennengelernt, sie war da mit 'm Kollegen von mir aus meinem Büro.«

»Ach, und dem haben Sie sie weggeschnappt?« Bendemann lachte.

Peinlich berührt meinte Heinz Marquardt:

»Weggeschnappt? Wie Sie wollen ... Der betreffende Kollege wohnte damals gerade bei Trudes Mutter, die inzwischen verstorben ist, und da ging Trude eines schönen Tages mit ihm auf 'n Ball, wo ich auch war ... irgend'n Verhältnis hat zwischen den beiden niemals bestanden ...«

»Wenigstens wissen Sie nichts davon«, warf der Kommissar ein.

»Nein,« meinte Heinz Marquardt, sich wieder ereifernd, »es hat keins bestanden! Denn wenn eins bestanden hätte, dann hätte es mir Trude gesagt! Die verschwieg mir nichts. Von der wußte ich alles!«

Der Kommissar erwiderte darauf nichts, er fragte nur: »Wie hieß denn der Mann?«

»Maaß«, antwortete Marquardt zögernd. Er sah deutlich, daß er jetzt seinem Kollegen Unannehmlichkeiten bereitete.

»Und ist er noch bei Ihnen im Büro?«

»Ja.«

»Wissen Sie auch zufällig, ob er gestern während der Zeit, wo ... wo das Verbrechen etwa passiert ist, wo sich der Herr Maaß da aufgehalten hat?«

Heinz Marquardt schwieg.

»Also er war nicht im Büro?« fragte Bendemann lauernd.

»Nein«, erwiderte Heinz, der das Wort mühsam herausbrachte.

Der Kommissar wandte sich um nach seinem Kollegen, als wollte er fragen:

»Hast du gehört, Hartmuth?«

Der andere Beamte, der am Tische stand und aufmerksam lauschte, nickte mit dem Kopf. Statt seines Kollegen nahm er jetzt das Wort.

»Haben Sie denn ein besonderes Interesse an diesem Maaß, Herr Marquardt?«

»Das nicht,« sagte Heinz, »aber ... der arme Kerl ist heute noch traurig darüber, daß er damals den kürzeren gezogen hat, ich möchte ihm nun nicht obendrein noch Unannehmlichkeiten machen.«

Kommissar Hartmuth lächelte ironisch.

»Das werden nicht die schlimmsten Unannehmlichkeiten sein ... War er gestern den ganzen Tag nicht im Büro?«

»Nein, vormittags war er da ... Erst nach dem Frühstück, was wir für gewöhnlich so um eins, halb zwei halten, wir gehen da manchmal runter und trinken 'ne kleine Weiße, und ich habe dann oft in der Budike an meine arme Trude telephoniert ... wie wir wieder oben kamen gestern, war er nicht da. Er hatte sich entschuldigt, sagten die anderen, er wäre krank.«

»Und ist auch nachmittags nicht wiedergekommen?« fragte Bendemann.

Heinz Marquardt schüttelte den Kopf.

»Na, den werden wir uns vor allen Dingen mal langen«, meinte Bendemann. »Du könntest mal gleich runterfahren, Hartmuth. Nimm dir aber für alle Fälle noch jemand mit.«

Kommissar Hartmuth winkte mit der Hand und wollte eben das Zimmer verlassen, als es klingelte. Gleich darauf betrat der Geheimrat von Rohde das Zimmer.

»Jetzt können Sie gleich Ihren Wunsch vorbringen«, sagte Bendemann leise zu Marquardt, und dieser besann sich auch nicht einen Augenblick.

Mit einer Verbeugung gegen den Geheimrat brachte er sein Anliegen vor.

Der Geheimrat betrachtete ihn eine Weile durch seine scharfen Brillengläser, über die die borstigen Augenbrauen noch etwas hinauswuchsen, dann sagte er:

»Das macht Ihrem Herzen alle Ehre, junger Mann, was Sie da wollen. Aber es jeht nich! Jeht absolut nich! ... Würde den janzen Betrieb erschüttern ... Nee, wahrhaftig, können wir nich machen! ... Wir haben Vigilanten, das sind ehemalige Verbrecher, die können uns hin und wieder was verraten, und dann bezahlen wir se, und wenn's mal im Reichstag zur Sprache kommt, dann schimpft die sojenannte Linke schon so wie so darüber ... Nu noch 'n anderes Laienelement reinbringen, nee, junger Mann, 's jeht wirklich nich ... Is ja sehr nett von Ihnen, aber das müssen Sie nun schon uns überlassen ...«

Heinz Marquardt erwiderte kein Wort. Er ging wieder zurück ans Fenster, sah hinaus, hinüber zur anderen Seite, wo neben dem Giebel des Seitenflügels die Felder sich hinbreiteten, die im grauen Nebeldunst verschwammen, dann wandte er sich an den Kriminalkommissar und fragte diesen mit einer gleichgültigen tonlosen Stimme, ob er jetzt gehen könne.

»Ja, vorläufig werde ich Sie wohl nicht brauchen,« meinte Bendemann, »aber später müssen Sie wieder hier sein.«

Heinz Marquardt nickte, setzte seinen Hut auf und verließ das Zimmer.

3

Inhaltsverzeichnis

Alfred Maaß lag nach einer durchzechten Nacht noch im Bett, als seine Wirtin anklopfte und ihm zurief, draußen wären zwei Herren, die ihn zu sprechen wünschten. »Gleich,« sagte er übellaunig, »ich komme gleich!«

Dann erhob er sich mit schweren Gliedern und wüstem Schädel und dachte mit trostlosen Empfindungen an die gestrige Nacht und an das Geld, das ihn seine Kneiperei gekostet hatte.

Er war absolut nicht imstande gewesen, gestern nachmittag wieder ins Bureau zu gehen. Das Renkontre mit Marquardt hatte ihn zu sehr verstimmt. Er haßte diesen Menschen. Und obwohl seine Vernunft ihm riet, diesen im Grunde doch törichten Groll fahren zu lassen, bekam er es nicht fertig, dem Kollegen ein freundliches Wort zu gönnen, und ergriff jede Gelegenheit begierig, wo er dem andern schaden konnte.

Das alles ging ihm durch den Kopf, als es jetzt wiederum klopfte und eine ihm fremde Stimme gebieterisch Einlaß forderte.

»Machen Sie auf!«

»Wer ist denn da?« fragte Alfred Maaß verwundert.

»Sie sollen aufmachen!« wiederholte der andere sehr energisch, »wenn Sie nicht wollen, daß ich durch einen Schlosser öffnen lasse.«

Nun fuhr Alfred Maaß, der noch immer in mißmutigem Nachdenken auf der Bettkante gesessen hatte, rasch in seine Beinkleider und schob erschrocken den Riegel zurück.

Der erste der beiden Männer, die ins Zimmer traten, hielt ihm eine ovale Blechmarke entgegen und sagte:

»Ich bin Kriminalbeamter, Sie sind verhaftet.«

Alfred Maaß wurde totenbleich. Der Kater, der ihn peinigte, machte ihn unfähig, diesem ganz unerwarteten Ereignis mit Fassung standzuhalten. Seine Knie schlotterten, er lief im Zimmer hin und her und suchte an Plätzen, wo sie gar nicht lagen, seine Sachen.

Plötzlich blieb er stehen, sah den Kommissar Hartmuth, der mit ernstem Gesicht die Tür flankierte, voll an und fragte;

»Weshalb denn? Was soll ich denn gemacht haben?«

»Das werden Sie selbst wohl am besten wissen ... Übrigens machen Sie keine Umstände und ziehen Sie sich an! Sonst muß ich Sie mitnehmen, wie Sie sind.«

Nun fing Maaß, dessen ängstliches Gemüt besonders in der überreizten Stimmung, in der er sich augenblicklich befand, den Ausweg nicht fand aus dieser ihn so sehr überraschenden und bedrohlichen Situation, an zu weinen.

Der Kriminalkommissar nickte seinem Unterbeamten, dem Schutzmann Westrang, zu, als wollte er ihm sagen: Den haben wir!

Aber Alfred Maaß besann sich gleich wieder auf sich selbst, er fuhr mit dem Hemdärmel über das Gesicht und sagte, halb lachend:

»Ach, ich bin ja verdreht! ... Was rege ich mich denn da so auf! ... Ich habe doch nichts getan? ... Meinetwegen verhaften Sie mich, wenn Ihnen das Spaß macht, Sie werden mich bald genug wieder freilassen müssen!«

Und nun fand er auch seine Ruhe wieder, zog sich flink an und folgte den Beamten, die ihn in ihre Mitte nahmen, hinab zur Droschke.

Sie brachten ihn nach dem Alexanderplatz. Auf dem Präsidium, wo mittlerweile auch Kommissar Bendemann eingetroffen war, wurde er von diesem und Hartmuth sofort verhört.

Vorher hatte man ihn, als des Mordes verdächtig, in einer besonders festen Zelle untergebracht, die ein Aufseher fortwährend zu observieren hatte.

Und dem kleinen Bureaugehilfen war es eine Erleichterung, als ihm endlich mitgeteilt wurde, weswegen er sich hier befand.

Blaß, aber mit entschlossenem Gesichtsausdruck, trat er, von dem Aufseher geführt, in das Zimmer der beiden Kriminalbeamten.

»Na,« sagte Bendemann, »wollen Sie nun nicht lieber von vornherein ein offenes Geständnis ablegen, glauben Sie mir man, das Leugnen nutzt hier gar nichts, und Sie sind ja auch schon so gut wie überführt ...«

»Darf ich fragen, welchen Verbrechens?« fragte der Bureauschreiber mit großer Ruhe.