12,99 €
Biblisches Tierleben unterhaltsam präsentiert
Wussten Sie, dass in der Bibel Einhörner vorkommen? Und dass nicht nur die Schlange sprechen kann? Und warum manche Tiere eben nicht in der Heiligen Schrift auftauchen, obwohl die Menschen der Bibel sie sehr genau kannten?
Claudia und Simone Paganini nehmen ihre Leserinnen und Leser mit in eine Welt phantastischer Tierwesen und lüften hier die oft übersehenen Geheimnisse im biblischen Bestiarium. Eine ebenso unterhaltsame wie lehrreiche Lese-Safari durch das Buch der Bücher.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 163
Wussten Sie, dass in der Bibel Drachen und Einhörner vorkommen? Und dass nicht nur die Schlange sprechen kann? Und warum treten manche Tiere in der Heiligen Schrift nicht auf, obwohl sie im Leben der Menschen damals allgegenwärtig waren?
Claudia und Simone Paganini nehmen ihre Leserinnen und Leser mit in eine Welt fantastischer Tierwesen und lüften hier die oft übersehenen Geheimnisse im biblischen Bestiarium. Eine unterhaltsame Lese-Safari durch das Buch der Bücher!
Dr. Claudia Paganini wurde nach einem Studium der Theologie und Philosophie 2005 mit einer kulturphilosophischen Arbeit promoviert.
2001 publizierte sie ihren ersten Roman, dem weitere literarische Veröffentlichungen folgten. Derzeit ist Claudia Paganini an der Hochschule für Philosophie in München als Professorin für Medienethik tätig.
Dr. Simone Paganini studierte katholische Theologie in Florenz, Rom und Innsbruck. Nach Stationen in Wien und München ist er seit 2013 Professor für Biblische Theologie an der RWTH Aachen. Beide haben auf Science Slams schon ein großes Publikum begeistert und gemeinsam erfolgreiche Sachbücher veröffentlicht. Claudia und Simone Paganini sind Eltern von zwei Töchtern und einem Sohn.
Esther Lanfermann absolvierte 2019 ihren Master of Education an der RWTH Aachen. Sie ist in ihrer Freizeit passionierte Zeichnerin und hat in Zusammenarbeit mit Simone Paganini bereits einige Bücher illustriert.
Simone und Claudia Paganini
Die Biester der Bibel
Warum es in der Heiligen Schrift keine Katzen, aber eine Killer-Kuh gibt
Mit Illustrationen von Esther Lanfermann
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber an den aufgeführten Zitaten ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall nicht gelungen sein, bitten wir um Nachricht durch den Rechteinhaber.
Copyright © 2022 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
Umschlag- und Innenillustrationen: © Esther Lanfermann, Heinsberg
ISBN 978-3-641-28775-7V001
www.gtvh.de
Für Sarah
und ihre First Amie, die ein
wunderbares Einhorn
gewesen wäre
Die bunte Tierwelt der Bibel ...
A. Tiere, die in der Bibel nicht vorkommen sollten, es aber dennoch tun
1. Und Gott erschuf den großen Dinosaurier ...
2. Wer fürchtet sich vor dem weißen Einhorn?
3. Drachenzähmen leicht gemacht?
4. Ein Hahn mit Schlangenschwanz
5. Der teuflische Ziegenbock
6. Wenn Schlange, Eselin, Adler und Blutegel sprechen
B. Tiere, die in der Bibel vorkommen sollten, es aber nicht tun
7. Wer fing die Mäuse beim Volk Israel?
8. Der Wal, der den Propheten Jona verschlungen haben soll
9. Ochs und Esel und die Weihnachtskrippe
10. (Nicht) Auf den Hund gekommen
C. Tiere, die in der Bibel in besonderen Rollen vorkommen
11. Es war einmal eine Killer-Kuh
12. Ein Gott oder doch ein Tier?
13. Jagen, fischen und opfern: das Fleisch der Tiere
14. Bienen, Heuschrecken und andere »vierbeinige« Insekten
15. Animalische Leidenschaft
Tiere im Neuen Testament – Von Ethik keine Spur: Ein Schlusswort
In der zweiten Schöpfungserzählung, die im zweiten Kapitel des Buches Genesis in der Bibel zu finden (Gen 2,4 ff) und die zugleich der ältere der beiden Erzählungen über die Weltschöpfung ist, erschafft Gott den Menschen, indem er ihn wie ein Töpfer aus Erde – auf Hebräisch: adamah – formt. Doch dieser Mensch, der damals noch kein Mann, sondern ein geschlechtsloser »Erdling« – auf Hebräisch: adam – ist, fühlt sich in dem prächtigen Garten, den Gott für ihn hat wachsen lassen, nicht wohl. Denn er ist dort ganz allein. Also trifft Gott eine Entscheidung: Er macht dem Adam eine Hilfe und formt aus derselben adamah alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels. Diese sind der erste Versuch Gottes, den »Erdling« nicht ganz auf sich allein gestellt sein zu lassen. Erst später, so erzählt die Bibel, wird Gott dann auf die Idee kommen, den ursprünglich geschlechtslosen Menschen in zwei Teile zu spalten. Aus der einen Seite des Erdlings macht er den Mann, aus der anderen die Frau. Von der berühmt gewordenen Rippe ist im hebräischen Original dabei nirgends die Rede. Ihr Auftreten dürfte einem Übersetzungsfehler geschuldet sein, der sich in der ersten griechischen Wiedergabe des hebräischen Originaltextes eingeschlichen hatte.
Die Teilung der Menschen in zwei Geschlechter hat, ausgehend vom biblischen Text, die abendländische Welt jahrtausendelang massiv beeinflusst und tut es noch immer. Auch der skizzierte Unterschied, den die Bibel zwischen Mensch und Tier macht, sollte im Laufe der Kulturgeschichte eine wichtige – und nicht besonders rühmliche – Rolle spielen. Daran ist jedoch nicht der biblische Text schuld, sondern vielmehr seine – fehlerhafte – Interpretation. Während die von Aristoteles geprägte griechisch-abendländische Philosophie sich nämlich seit der Antike bemühte, Argumente für einen Wesensunterschied zwischen Mensch und Tier zu finden und das Mensch-Sein in erster Linie als ein »Nicht-Tier-Sein« verstand, vertreten die biblischen Schriften von ihrem Ursprung her eine ganz andere Haltung. Tiere und Menschen bestehen nämlich nach der Schöpfungserzählung aus der gleichen Materie, der adamah. Und damit nicht genug: Die Tiere (behemah) sind die ersten Gefährten für den Ur-Menschen, ja, sie sind die ersten Hilfen, die Gott ihm schenkt. Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier wird im biblischen Text zwar nicht idealisiert: Die erste Aufgabe des Menschen ist es, diesen Tieren Namen zu geben und damit gewissermaßen seinen Herrschaftsanspruch über sie geltend zu machen, aber sie stehen einander dennoch von Beginn an sehr nah. Mensch und Tier, sie haben denselben Schöpfer und sie sind sozusagen »aus demselben Holz«.
Gewiss: Die Bibel schildert auch Konflikte, Herrschaftsverhältnisse müssen geklärt werden und der Erdling sehnt sich schlussendlich auch nach einer Hilfe, die ganz so ist wie er selbst und also kein Tier. Trotzdem werden Mensch und Tier auf den ersten Seiten der Bibel zunächst als ebenbürtig dargestellt. Sehr deutlich wird das in den von Gott verkündeten Vorschriften darüber, was der Mensch essen darf: »Hiermit übergebe ich [Gott] euch [den Menschen] alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen«, heißt es im Buch Genesis (Gen 1,29). Davon, dass auch die Tiere den Menschen zur Nahrung dienen ist hier nicht die Rede. Erst nach der – als Strafe für die Bosheit der Menschheit einsetzenden – Sintflut erlaubt Gott dem Menschen auch das Essen von Fleisch, denn die ideale Situation des Paradieses lässt sich nach der Flut nicht mehr wiederherstellen. An die Stelle der Partnerschaft ist jetzt Dominanz getreten.
Das bedeutet aber nicht, dass nicht schon in der Bibel – wie man heute sagen könnte – auch tierethische Töne anklingen, wie zum Beispiel im Buch Kohelet im 3. Jahrhundert v. Chr. Grund dafür dürfte die Auseinandersetzung der jüdischen Traditionen mit der griechisch-hellenistischen Kultur gewesen sein. Dabei ist der Bezug zur eigenen Tradition klar erkennbar, verwenden die Autoren doch das gleiche Vokabular wie die Schöpfungserzählung des Buches Genesis: »Das Geschick der Kinder des Menschen (adam) und das Geschick des Tieres (behemah) – sie haben ja ein und dasselbe Geschick – ist dies: Wie diese sterben, so stirbt jenes [...]. Und einen Vorzug des Menschen (adam) vor dem Tier (behemah) gibt es nicht.« (Koh 3,19) In diesem Text spiegeln sich die Situation im Garten Eden und der Verlust dieses paradiesischen Zustandes wider. Obwohl es die Menschen sind, die – auf die Intervention der Schlange hin – vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, werden Mann, Frau und Tiere von Gott gleichermaßen zur Verantwortung gezogen.
Tiere können der Bibel zufolge außerdem – genau wie Menschen – ein Werkzeug der Heilsgeschichte Gottes sein. Der theologische Ort der Tiere ist für die biblischen Autoren dabei nicht nur die konkrete, weltliche Realität. Sie werden auch zu Protagonisten, wenn es gilt, künftige apokalyptische Zerstörungsszenarien in ein Bild zu setzen – man denke an die allesfressenden Heuschrecken im Buch des Propheten Joel oder an die Streitrösser in der Offenbarung des Johannes. Aber auch das Gegenteil kommt vor. Mit Tieren lassen sich ebenso eschatologische Friedensbilder für die messianische Welt entwickeln: »Der Wolf wird beim Lamm weilen und der Leopard beim Böckchen lagern«, heißt es im Buch des Propheten Jesaja, »das Kalb und der Junglöwe und das Mastvieh werden zusammen sein [...]. Kuh und Bärin werden miteinander weiden, ihre Jungen werden zusammen lagern. Und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind.« (Jes 11,6-8)
In der ländlich geprägten Agrargesellschaft des biblischen Israel waren Tiere allgegenwärtig. Domestizierte Haustiere teilten sich mit den Menschen den Lebensraum. Außerhalb der Städte und der Dörfer dagegen waren wilde Tiere eine ständige Bedrohung. Einige Tiere galten daher als Freunde und Gefährten, andere wurden gefürchtet oder eben auch bewundert. Ihre Eigenschaften wurden nicht selten bildhaft auf die Gottheit oder auf besondere Menschen übertragen. Tiere spielten im religiösen Kult eine große Rolle. Als Opfergabe waren sie das privilegierte Mittel, in eine Beziehung zu Gott einzutreten. Die religiösen Vorschriften, die das Leben der Menschen weitgehend bestimmten, teilten die Tierwelt gerade auf diesem religiösen Hintergrund in »rein« und »unrein« ein. Manche Tiere durften gegessen werden, andere nicht, weil sie die kultische Reinheit des Essenden gefährdeten. Nicht zuletzt – und für uns Heutige erstaunlich – galten Tiere in der Bibel als Rechtspersonen, die für ihre Arbeit auf dem Feld mit einem Teil der Ernte belohnt werden mussten. Im Fall eines von ihnen verursachten tödlichen Unfalls dagegen wurden sie zur Rechenschaft gezogen und konnten sogar wie ein Mensch, der getötet hatte, mit der Todesstrafe belegt werden.
Die Literatur zum Thema »Tiere in der Bibel« ist – was angesichts dieses vielfältigen Befundes nicht überraschen dürfte – beinahe uferlos. Auch die unterschiedlichen Kirchen haben dazu Stellung genommen. Während die evangelische Kirche bereits 1991 ein bahnbrechendes Dokument zur Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf veröffentlichte, werden Tiere spätestens seit der Enzyklika »Laudato si« von Papst Franziskus aus dem Jahre 2015 auch in der katholischen Kirche nicht mehr bloß als Werkzeuge für die Interessen des Menschen gesehen. Wenngleich in dieser Hinsicht noch viel Luft nach oben ist, entwickelt sich doch auch innerhalb der katholischen Kirche langsam eine glaubwürdige christliche Tierethik.
In diesem Buch wird es allerdings nicht darum gehen, nach biblischen Ansätzen für eine Tierethik zu suchen, und auch nicht darum, die Tierwelt der Bibel unter historischen oder gar zoologischen Gesichtspunkten zu beschreiben. Vielmehr sollen wenig bekannte Texte über Tiere, die man in der Bibel nicht erwarten würde, in den Fokus rücken. Wir werden auch die Frage stellen, warum Tiere, die im Umfeld der biblischen Autoren mit Sicherheit heimisch waren, in der Bibel nicht erwähnt werden. Und wir werden andererseits sehen, wie ganz gewöhnliche Tiere in den biblischen Schriften eine ganz ungewöhnliche Rolle spielen.
Viele der Texte, die wir uns hier anschauen wollen, werden in der kirchlichen Liturgie nur sehr selten gelesen, sind mit wenigen Ausnahmen auch nicht Gegenstand des Religionsunterrichts oder gar ein zentrales Thema in theologischen Abhandlungen. Wenn sie doch einmal zur Sprache kommen, dann werden sie meist als seltsam fremd oder sperrig empfunden. Man behilft sich dann damit, das Unverständliche durch eine metaphorische Leseweise verständlicher erscheinen zu lassen, oder – schlimmer noch – mit Umdeutungen. Genau das soll im Folgenden nicht geschehen. Vielmehr soll die teils bunte, teils kuriose Tierwelt der Bibel um ihrer selbst willen Thema sein: die Drachen, Einhörner und sprechenden Tiere ebenso wie der wiederkäuende Hase oder die vierbeinigen Insekten.
Lassen Sie uns gemeinsam zu einer kleinen (literarischen) Safari in die unbekannte Tierwelt der Bibel aufbrechen!
A. Tiere, die in der Bibel nicht vorkommen sollten, es aber dennoch tun
Riesengroße, drachenartige Schlangen mit Flügeln, die danach lechzen, Säuglinge zu verschlingen; Dinosaurier mit langen Hälsen und massigen Schwänzen, die in sumpfartigen Gebieten hausen; bösartige Einhörner, vor denen selbst Jesus – trotz all seiner Wundermacht – Angst gehabt haben dürfte; eine Schlange, ein Adler, eine Eselin und eine Blutegel-Mutter, die wie Menschen sprechen; Hühner mit Schlangenschwanz, die unförmige Eier legen; und nicht zuletzt friedfertige Ziegen, die trotz ihrer Unschuld als vermeintliche Wüstendämonen in den Tod geschickt werden ...
Sie alle sind nicht gerade die Tiere, mit denen man in der Bibel rechnen würde. Trotzdem sind sie da, mehr noch: Ihre Erwähnung in den biblischen Schriften galt bis in die Neuzeit hinein sogar als Beleg dafür, dass derartige Tierwesen tatsächlich existieren. Heute hat sich das Blatt gewendet. Die eigenartigen Tiergestalten der Bibel werden den Gläubigen tunlichst verschwiegen. Sollte doch einmal die Sprache auf sie kommen, werden sie als Fabelwesen vorgestellt, die nichts mit den eigentlichen Aussagen der Texte, dem Wort Gottes also, zu tun haben. Denn immerhin ist die Bibel kein Märchenbuch, und mystische Wesen haben bei einer so ernsten Angelegenheit wie dem wahren Glauben nichts verloren. Oder etwa doch?
1.Und Gott erschuf den großen Dinosaurier ...
Ganz gleich, ob in Kinofilmen, im Freizeitpark oder als Spielfiguren, Dinosaurier faszinieren und lassen sich gut vermarkten. Und auch die Wissenschaft hat ihre Freude mit ihnen. Denn die Ergebnisse der paläontologischen Forschung sind eindeutig: Für eine Zeitspanne von ungefähr 160-170 Millionen Jahren – und zwar von der Trias vor ca. 235 Millionen Jahren bis zum Ende der Kreidezeit vor etwa 65 Millionen Jahren – bevölkerten unterschiedliche Arten der Saurier das Festland und die Meere. Erst als ein gewaltiger Meteorit auf der Erde aufschlug, endete ihre Herrschaft. Durch den Aufschlag geriet so viel Staub und Materie in die Atmosphäre, dass die Sonneneinstrahlung drastisch reduziert wurde. In der nun einsetzenden langen Eiszeit starben fast alle Saurierarten aus. Die Ära der Säugetiere begann.
Dinosaurier, Säugetiere und das Alter der Erde
Die ersten Primaten – winzige Affen, die sich von Insekten ernährten – entstanden vor ca. 55 Millionen Jahren. Bis sich aus ihnen der sogenannte Ur-Mensch, der Australopithecus, entwickelte, vergingen weitere gut 50 Millionen Jahre; die Geburtsstunde des Homo sapiens war noch einmal 4 Millionen Jahre später. Alles in allem dürften zwischen dem Zeitalter der Dinosaurier und dem Auftreten der ersten Menschen in der Erdgeschichte an die 60 Millionen Jahre liegen. Das ist ein extrem langer Zeitraum, der nicht nur unsere Zeitvorstellungen, sondern auch die der Bibel sprengt. Diese erzählt nämlich die Abfolge der Ereignisse ganz anders.
Am Beginn des Alten Testaments werden die Geschichte des Universums, die irgendwann vor ungefähr 14 Milliarden Jahren begonnen haben dürfte, die Geschichte der Erde, die etwa 10 Milliarden Jahre nach dem Urknall beginnt, und die Geschichte des erstmals vor etwa 40.000 Jahren auftretenden homo sapiens in einer sich über sieben Tage erstreckenden Erzählung zusammengefasst. Im Zeitraum von einer Woche erschafft Gott die Erde und mit ihr das Universum – mehr oder minder – aus dem Nichts. Und das ist, folgt man dem Wortlaut der Bibel, vor ziemlich genau 6.000 Jahren noch gar nicht so lange her. Mithilfe einer etwas aufwändigen, aber durchaus nachvollziehbaren Berechnung aus allen Jahresangaben, die in der Genesis, dem ersten Buch der Bibel, enthalten sind, wurde in der Vergangenheit der Zeitpunkt für die göttliche Schöpfertätigkeit berechnet: Dieser liegt im Herbst 2022 genau 5.783 Jahre zurück. Legt man nun die Erdgeschichte, wie sie die Wissenschaft erzählt, und die biblische Erzählung übereinander, dann trennen die Dinosaurier und die Bibel demnach an die 65 Millionen Jahre. Wenn das aber so ist, warum hat es dennoch den Anschein, als würde die Bibel in manchen Texten von Sauriern sprechen?
Das Wort »Dinosaurier«, das aus dem Altgriechischen stammt und auf Deutsch »schreckliche« oder »gewaltige Eidechse« bedeutet, wurde zum ersten Mal 1841 vom damaligen Leiter des Britischen Museums in London, Sir Richard Owen, gebraucht. Er war ein gläubiger Kreationist, war also der Meinung, dass die Welt genau so entstanden ist, wie es die Bibel beschreibt, durch das schöpferische Handeln (lat.: creatio) Gottes also. Und er teilte die Meinung von James Ussher (1581-1656), dem Vorsitzenden der Church of Ireland, der den 23. Oktober 4004 vor Christus als ersten Tag der Schöpfung berechnet hatte. Sir Richard Owen sollte seinen Überzeugungen zeitlebens treu bleiben, selbst als Charles Darwin, der als Begründer der Evolutionstheorie gilt, 1859 sein bahnbrechendes Werk – »On the Origin of Species« – veröffentlichte.
So wundert es nicht, dass Richard Owen auch in einen heftigen Streit mit dem englischen Arzt Gideon Mantell geriet, der in einer Höhle in Sussex einige sehr große Zähne und andere ungewöhnliche Knochen gefunden hatte, die er keiner bekannten Spezies zuordnen konnte. Es waren, wie wir heute wissen, sterbliche Überreste eines Megalosaurus und eines Iguanodon. Mantell konnte das nicht wissen, vermutete aber, die Fossilien von sehr alten, eidechsenartigen Lebewesen vor sich zu haben, die sich nicht so ohne Weiteres in den von der Bibel vorgegebenen Ablauf der Erdgeschichte einordnen ließen. Owen hielt dagegen: Diese großen Eidechsen, die Dinosaurier also, mussten ausgestorben sein, weil sie auf der Arche Noah keinen Platz gefunden hatten. Er nahm eben nicht nur die Schöpfungserzählung wörtlich, auch die Geschichte von der Sintflut war seiner Meinung nach kein Mythos, sondern die Erinnerung an Ereignisse, die tatsächlich so stattgefunden hatten. Heute wissen wir: Selbst wenn Noah die Arche tatsächlich gebaut hätte, hätte er die Dinosaurier nicht wegen Platzmangels von der Mitfahrt ausschließen müssen. Sie waren schon seit Millionen von Jahren ausgestorben.
Wie also verhält es sich tatsächlich mit den Dinosauriern und der Bibel? Gewiss, ein Fachbegriff, der erst im Jahr 1841 eingeführt wurde, wird sich schwerlich in Texten wiederfinden, die vor mehr als zwei Jahrtausenden entstanden sind. Das bedeutet aber nicht, dass dort nicht von anderen »schrecklichen und großen Eidechsen« die Rede ist, die dem nahekommen, was wir heute als »Dinosaurier« bezeichnen würden.
Dinosaurier in der Bibel
Tatsächlich stößt man in der Bibel auf einen hebräischen Begriff, der auf Griechisch mit drákon und auf Deutsch mit »Drache« wiedergegeben werden kann. Dieser hebräische Terminus tannijn, den man nicht – wie es häufig geschieht – mit tannijm, der Pluralform von »Schakal« verwechseln sollte, kommt im Alten Testament 14-mal vor. Mit einem Drachen, wie man ihn als Fabelwesen kennt, hat er aber nicht viel zu tun. Das wird klar, wenn man diese 14 Textpassagen etwas genauer unter die Lupe nimmt und sich die Eigenschaften des Tieres anschaut.
Ein tannijn lebt in erster Linie auf dem Land (Jer 51,34, Ps 91,13), wird dem ersten Buch der Bibel (Gen 1,21) zufolge aber auch im Wasser angetroffen, weshalb ihn Luther in seiner 1545 veröffentlichte Bibelübersetzung auch einen »Walfisch« nannte. Auch in anderen Texten wird das Wasser – bald das Meer, bald Flüsse – als Lebensraum des tannijn angegeben (Ijob 7,12, Ez 29,3 oder 32,2). Psalm 74,13 und das Jesajabuch beschreiben einen Ur-Kampf zwischen Gott und diesem Ur- bzw. Untier. Wie ein tannijn genau aussieht, wird allerdings in keinem der Texte im Detail beschrieben. Das Wesen kann sich am Land wie im Wasser fortbewegen und ähnelt einer Schlange. Die Autoren der Bibel scheinen sich eine Art amphibisch lebendes Reptil vorgestellt zu haben. Dabei haben aber nicht alle dasselbe Bild vor Augen. Wenn wir das Wort tannijn als einen allgemeinen Begriff für sehr große Reptilien verstehen, lassen sich unter diesem Oberbegriff drei dinosaurierartige Wesen unterscheiden, von denen in der Bibel die Rede ist.
Dinosaurier Nummer 1
Das erste derartige Tier heißt »Rahab« und trägt in allen sechs Texten, in denen es vorkommt, eindeutig mythische Züge. Rahab ist ein Seeungeheuer, das möglicherweise ein mesopotamisches Vorbild hatte. Die akkadische Sprache kennt nämlich den Begriff rūbu bzw. rubbu