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Ob in Pop-Songs, bei Netflix oder in Bestsellern – der Teufel fasziniert bis heute. Doch wer ist eigentlich der Teufel? Die Kirche hat sich nur selten offiziell mit ihm beschäftigt. Der Bibelwissenschaftler Simone Paganini und der Historiker Sebastian Huncke begeben sich auf eine packende Spurensuche. Sie beginnt im alten Orient und führt über Adam und Eva, die Zeit Jesu, Augustinus und Werwolf-Legenden bis in die Goethe-Zeit. Dabei zeigen sie: Religiöse und zivile Autoritäten benutzten die Vorstellung vom Teufel, um Menschen einzuschüchtern. In Krisenzeiten hatte der Teufelsglaube Hochkonjunktur. Ein spannendes Buch über die Hintergründe einer uralten Faszination.
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Seitenzahl: 149
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Sebastian Huncke • Simone Paganini
Sebastian Huncke • Simone Paganini
Die Faszination des Bösen in Bibel und Geschichte
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2023
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Sabine Hanel, Gestaltungssaal, Rohrdorf
Umschlagmotiv: Christian Wischnewski, Berlin
Die Übersetzungen der Zitate aus Bibel, Koran und antiken Quellen sind von den Autoren eigenhändig angefertigt.
Einzelne Textpassagen von Sebastian Huncke sind zuerst in seinem Buch Dämonenhonig. Von Menschen und Monstren (Eine kulturwissenschaftliche Betrachtung), Verlag Lektora 2019, erschienen. Wir danken dem Verlag Lektora für sein freundliches Einverständnis.
Zeichnungen: Christian Wischnewski, Berlin
E-Book-Konvertierung: Daniel Förster
ISBN Print 978-3-451-03344-5
ISBN E-Book 978-3-451-83037-2
Die Eigenschaften des Teufels: Eine Einführung
1. Ursprünglich und weiblich
Böse Kräfte im Alten Orient
Grausame Gottheiten der Unterwelt
Die Frau als Verkörperung des Bösen
2. Verführerisch und anklagend
Der gefallene Engel
Der Fürst der Finsternis
Die teuflischen Verführungskünste
3. Besessen und risikobereit
Der Teufelspakt
Die Beschwörung
Schatzgräber und Selbstdarsteller
4. Gestaltenreich und organisiert
Der Name Gottes
Die Namen des Teufels
Die Hierarchie der Teufel
5. Tierisch und abwertend
Tierverwandlungen
Der Teufel als Tier
Tierische Symbolik
6. Monströs und warnend
Eindrucksvolle Mitteilungen
Teuflische Monster
Gegenmaßnahmen
7. Manipulativ und gefährlich
Teufelsaustreibungen
Besiegt und doch allgegenwärtig
Jesus, die Römer und 2000 Schweine
8. Magisch und paranoid
Die verbotenen Künste
Ketzer und Schwarzkünstler
Die Zaubereiattentate
9. Trügerisch und unsicher
Holzwürmer auf der Anklagebank
Tierprozesse
Die Rolle des Teufels
10. Beheimatet und erlösend
Ewige Höllenstrafen
Der Ort der Läuterung
Das Fegefeuer glüht
Nicht im Detail, sondern im Menschen – ein Abschlussgespräch
Sebastian Huncke (Historiker) und Simone Paganini (Theologe) über den Teufel in der Gegenwart
Zum Weiterlesen
Die Autoren
Der Zeichner
In einer seiner ersten Stellungnahmen nach dem Tod von Papst emeritus Benedikt XVI. sprach dessen persönlicher Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, einen Satz aus, der viele überraschte, den aber in seiner Wirkmächtigkeit nur wenige wirklich verstanden. Josef Ratzinger habe – so der Monsignore – gegen den Teufel im Vatikan gekämpft. Dabei gibt Georg Gänswein auch einen sehr schönen Einblick in die philologische Herkunft der Bezeichnung »Teufel«, was, von dem griechischen Verb diabállo abstammend, so etwas wie »derjenige, der spalten will« bedeutet. Monsignore Gänswein stellte sich dabei – hoffentlich – keine rötliche Gestalt mit Hörnern und Fledermausflügeln vor, die auf Ziegenfüßen durch die Hallen des Vatikans spaziert. Ein durch Gänsweins Satz wohl etwas verwirrter Journalist der großen italienischen Tageszeitung La Repubblica versuchte, dessen Aussage auf zwischenmenschliche Auseinandersetzungen zu reduzieren. Er verstand den Teufel als Metapher, als Bild für die Gegner des ehemaligen Papstes oder für Kräfte, die angeblich den Monolithen der katholischen Kirche auseinanderbrechen wollten. Mit einem etwas gezwungenen Lächeln sprach er den Erzbischof darauf an, in der Hoffnung, diesen sogenannten Teufel ein wenig konkreter fassen zu können. Als Journalist wollte er dem ehemaligen Sekretär des Papstes natürlich die Namen gewichtiger Prälaten der römischen Kurie entlocken, die Josef Ratzinger das Leben besonders schwer gemacht hatten. Doch Georg Gänswein blieb ernst. Er schaute den Journalisten an und wiederholte nach einem kurzen Moment der Stille: »Es war der Teufel.«
Monsignore Gänswein ist mit Sicherheit nicht der Einzige innerhalb der katholischen Kirche, der an den Einfluss des Teufels auf die Menschheitsgeschichte glaubt. Eine derartige Vorstellung hat ohne großen Erklärungsbedarf auch Einlass in den Katechismus gefunden. Auch im Judentum und vor allem im Islam spielt der Höllenfürst eine gewaltige Rolle. Doch zeigen Nachrichten von satanistischen Ritualen immer wieder, dass der Teufel keine Exklusivgestalt von bestimmten religiösen Gemeinschaften ist. Im Gegenteil, in den letzten Jahren erlebt der Teufel eine regelrechte Wiederentdeckung, auch in der Pop-Kultur. Erfolgreiche Fernseherserien und Bestseller-Romane befassen sich mit modernen Formen des Teufels. Zunehmend sind in den letzten Jahren neben einigen TV-Dokumentationen auch mehrere wissenschaftliche Studien und erfolgreiche populärwissenschaftliche Abhandlungen zu diesem Thema publiziert worden. Von okkultistisch-esoterischen Schriften bis hin zu regelrechten »Biografien« des Teufels findet man sehr viel Material im Handel und im Netz.
Die verschiedenen Kirchen haben in Predigten und Katechesen sehr häufig Dämonen und Teufel als Mittel gebraucht, um den Menschen Angst einzujagen und sie empfänglicher für ihre eigene Botschaft zu machen. Doch obwohl inzwischen seit Jahren die Anzahl der Christen massiv zurückgeht, lässt sich beobachten, dass die Anzahl der Menschen, die an eine reale Existenz des Teufels glauben, erstaunlich stabil bleibt. In Deutschland hat sich eine Quote um die 25 %-Marke etabliert – zumindest laut einer Statistik aus dem Jahr 2021, die vom Spiegel in Auftrag gegeben wurde. Es gilt: Je höher der Bildungsgrad, desto geringer die Bereitschaft, an Teufel, Dämonen und die Hölle zu glauben (bei Personen mit Abitur sind es etwa 16 %). Bei Muslimen und Mitgliedern von Freikirchen ist dieser Glaube deutlich häufiger vertreten (40 %) als bei Katholiken und Protestanten (20 %).
Natürlich hat eine solche Erhebung nicht die Möglichkeit zur Differenzierung. Sie pauschalisiert, und so ist es beinahe unmöglich herauszufinden, was für ein Teufelsbild sich tatsächlich hinter der Aussage »Ich glaube, dass es einen Teufel gibt« verbirgt.
Der Teufel ist – auch wenn manche Menschen ihn ganz real wahrnehmen und ihn sich extrem plastisch und haptisch vorstellen – vor allem eine Projektionsfläche. Das wird in den Quellen, die uns von der Antike über das Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit zur Verfügung stehen, deutlich. Auch hat er ursprünglich kein durchweg negatives Image. Erst mit der Zeit sammeln sich in der Teufelsgestalt alle bösartigen Eigenschaften, mit denen die Menschen in den jeweiligen Epochen konfrontiert sind.
Es überrascht daher nicht, dass für eine westlich, europäisch geprägte Gesellschaft, die in den letzten Jahren von zahlreichen Krisen geplagt wurde – Flüchtlinge, Klima, Pandemie, Krieg, um die großen zu nennen – der Teufel als Erklärungsmöglichkeit wieder ins Spiel kommt. Besieht man sich die Geschichte des Teufels von Anfang an, wird schnell deutlich, dass dieses Phänomen nichts Neues ist. Sie beginnt mit den ersten Versuchen, das Böse in der Welt zu erklären, was die Menschen im Alten Orient in Bild und Schrift festhielten und was im Judentum und Christentum durch die »Erfindung« des Ein-Gott-Glaubens und des einen widergöttlichen Prinzips weiterentwickelt wurde. Ein kleines Buch mit dem Titel Das Testament des Salomo lieferte in der Spätantike die erste systematische Darstellung der dämonischen Hierarchie und sprach von einem Ring, der die Dämonen kontrollieren könnte. Damit war der Startschuss für den modernen Okkultismus, die Dämonologie und den Satanismus gefallen.
Das vorliegende Buch hat nicht den Anspruch, eine neue »Biografie des Teufels« zu schreiben oder eine wissenschaftlich systematische Darstellung zum Thema »Teufel« und seiner Eigenschaften zu geben. Es versteht sich auch nicht als historisch-soziologische Studie zur Teufelsgestalt und schon gar nicht als Leitfaden zum tieferen Verständnis von Okkultismus und Dämonenlehre. Dieses Buch nähert sich der Thematik aus einer etwas anderen Perspektive: der Betrachtung seiner mannigfaltigen Erscheinungsformen und Eigenschaften, die durch die Menschen, ihre Taten und ihre Lebenswelt im Laufe der letzten 2500 bis 3000 Jahre geprägt worden und in ihre Vorstellungen eingegangen sind.
So wurde der Teufel als ursprünglich und weiblich, als trügerisch und unsicher, monströs, anklagend, gefährlich und manipulativ, aber auch als magisch, paranoid, besessen, risikobereit, tierisch, abwertend oder auch als verführerisch und anklagend, gestaltenreich und organisiert, beheimatet und ja, sogar als erlösend beschrieben. Der Teufel fasziniert und bleibt stets eine geheimnisvolle Entität, die sich nicht mit gewöhnlichen Kategorien beschreiben lässt. Denn die Vielfältigkeit des Teufels erklärt sich vor allem in der Art und Weise, wie die Menschen ihn zu verstehen versuchen, wie er von ihnen wahrgenommen und rezipiert wird.
Aus diesem Grund endet dieses Büchlein mit einem Gespräch der beiden Autoren, einem Historiker und einem Theologen. Und trotz unterschiedlicher Methoden im Zugang zu den Quellen sowie in ihrer Beschreibung und Auswertung bleibt vieles unausgesprochen und kann lediglich erahnt werden. So bleibt es letztendlich dem Einzelnen überlassen, sich sein eigenes Bild von dieser furchterregenden und zugleich faszinierenden Gestalt zu machen: Wer zur Hölle ist der Teufel?
Auf den Rücken zweier Löwen steht eine weibliche Figur. Ihr dominanter Blick zieht den Betrachter sofort in ihren Bann. In zwei Zöpfen geflochten fällt ihr langes dunkles Haar auf die Schultern herab. Ihren Kopf schmückt eine Krone mit acht Hörnern – ein Zeichen ihrer zerstörerischen Macht. In ihren ausgebreiteten Händen hält sie die Herrschaftssymbole, einen Ring und einen Stab. Statt Füßen hat sie Krallen wie ein Raubvogel und die herabhängenden, ursprünglich mehrfarbigen Flügel umschmeicheln ihren wohlgeformten nackten Körper. Flankiert wird die Frauengestalt von zwei Eulen, die zusammen mit den beiden liegenden Löwen den Eingang zum Totenreich bewachen. Der schwarze Hintergrund verlegt die Szene auf dem brillant bearbeiteten Terrakottarelief in die dunkle Nacht, wo die Dämonin ihre Macht ausüben kann. Ihr anmutiger, schlanker Körper betont zudem die sexuelle Gefährdung, die von ihr ausgeht.
Es handelt sich um eine der ältesten Darstellungen einer Wüstendämonin. Sie stammt aus der altorientalischen Welt und wurde um 1800 v. Chr. auf dem sogenannten Burney-Relief festgehalten. Dies hat zumindest die Thermolumineszenz-Untersuchung ergeben, die vor einigen Jahren im British Museum in London durchgeführt wurde. Meist wird diese schön und verführerisch dargestellte Frau als Ereškigal, Herrin der sumerischen Unterwelt, gedeutet.
Obwohl Ereškigal gefährlich ist, ist sie nicht mit dem Teufel, wie er in unserer heutigen Vorstellung existiert, gleichzusetzen. Andersherum aber haben Darstellungen wie die zuvor beschriebene ihren Anteil an unserem heutigen Bild vom Teufel. Als sich nämlich etwa zwei Jahrtausende später zuerst jüdische und später christliche Theologen bemühten, ihren Teufel auch physisch zu beschreiben, spielten die mesopotamischen Vorstellungen mit ihrem reichhaltigen und fantasievollen Material eine große Rolle.
Zunächst gilt: Sumerische und später auch assyrisch-babylonische Dämonen sind gezeugt bzw. wurden erschaffen. Die beiden Hauptgottheiten Anu und Ki, Himmel und Erde, haben sie als Helfer und Helferinnen ins Leben gerufen, um das Gleichgewicht auf der Erde zu bewahren. Dämonen sind auch grundsätzlich für die Einhaltung der Gerechtigkeitsprinzipien zuständig, sie können dementsprechend Positives bewirken und beispielsweise besonders geplagte Menschen schützen und unterstützen. Solche Fälle bilden jedoch die Ausnahme. Im Normalfall treten Dämonen immer dann in Erscheinung, wenn die Bestrafung von bösen Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise ansteht; sei es durch Krankheit, Gift, Schlaflosigkeit, sonstige qualvolle geistige Zustände oder natürlich den Tod.
Die Vielfalt an Strafen bedingt auch die mannigfaltigen Formen, in denen diese Dämonen unter den Menschen aktiv werden. Die größte und mächtigste Gruppe ist die der Utukku. Überliefert ist sie in einem Abwehrzauber, der sicherheitshalber (man kann ja nicht wissen, welche Sprache ein Dämon versteht!) zweisprachig, in Akkadisch und Sumerisch, aufgeschrieben wurde. Er beschreibt ein Utukku als bösartig und von einschüchternder Statur: »Obwohl er kein Gott ist, ist sein Geschrei groß und seine Ausstrahlung unermesslich, er ist dunkel, sein Schatten ist pechschwarz, und in seinem Körper gibt es kein Licht, er versteckt sich immer […]. Seine Klauen triefen von Galle, er hinterlässt Gift in seiner Spur […], in allen Ländern kann sein Kampfschrei nicht zurückgehalten werden.«
Weitere Dämonen sind die Asakku. Sie können mit ihrem Atem vor allem Fieber und Krankheiten auslösen. Die sogenannten Alu stören den Schlaf, während die Gallu vor hinterhältigem Mord und brutalen Bluttaten nicht zurückschrecken. In der altorientalischen Mythologie treten solche bösen Geister meist in Siebenergruppen auf. Zudem sind sie unsichtbar, wenngleich oft ein gewaltiger Gestank ihre Anwesenheit verrät.
Tatsächlich haben die meisten Dämonen ursprünglich keinen individuellen Namen. Im Laufe der Zeit haben sich jedoch einige Gestalten derart profilieren können, dass sie sowohl ikonographisch als auch literarisch bezeugt sind und somit die Vorstellungen der Nachwelt maßgeblich beeinflussen konnten. Es handelt sich um Mischwesen, die zwar menschenähnlich sind, aber physische und andere Eigenschaften aus der Tierwelt aufweisen. Darunter Namtar, der manchmal als Ehemann, manchmal als Stellvertreter der Herrin der Unterwelt Ereškigal erwähnt wird und die vernichtende Sonnenhitze verkörpert. Ihm werden nicht nur Brände, Dürren und Hungersnöte, sondern auch Mensch und Vieh heimsuchende Seuchen und Krankheiten angedichtet. Neben Namtar steigt ab dem ausgehenden zweiten Jahrtausend vor Christus der furchterregende Pazuzu zum Oberhaupt der dämonischen Kräfte der Unterwelt auf. Bereits wenige Jahrhunderte später ist Pazuzu ikonographisch derart standardisiert, dass er mit keiner anderen dämonischen Gestalt verwechselt werden kann. Mitten in seiner menschlichen Gesichtsform prangt eine Hundeschnauze und seine Augen und sein Mund verzerren alles zu einer boshaften Fratze. Auch er hat anstelle von Füßen die Fänge eines Raubvogels und dazu passend zwei Flügelpaare; anstelle von Händen Raubtierpranken. Sein Körper ist wie der einer Schlange von Schuppen bedeckt; ja, seinen erigierten Penis krönt sogar ein Schlangenkopf. Sein Schwanz ähnelt dem eines Skorpions, inklusive Giftstachel. Nicht nur, dass Pazuzu alle Merkmale gefährlicher Tiere in sich vereint, er verkörpert auch die eines Windgeistes: Er weht von Südwesten heran, ist daher warm und trocken und verursacht Dürre. In seinem Gefolge sind häufig Heuschreckenschwärme, die ihrerseits alles kahl fressen. Ob so oder so, die Folge sind Hungernöte.
Paradoxerweise verleiht ihm seine einzigartige Autorität auch die Befehlsgewalt über die Mächte des Bösen. Daher ist er häufig auf Abwehramuletten oder Fluchtäfelchen abgebildet. Man wendet sich an ihn als Fürsprecher gegen die Attacken anderer Krankheitsdämonen. Vor allem aus dem 8. und 7. Jh. v. Chr. sind große bronzene Pazuzu-Darstellungen erhalten, die vermutlich im Wohnbereich oder in der Nähe der Eingangstüren von Häusern angebracht waren. Archäologen haben darüber hinaus eine große Anzahl von Amuletten, Siegeln und Fibeln mit dem Abbild seines charakteristischen Kopfes gefunden. Denn: Für einen sicheren Schutz war das ständige Tragen einer Pazuzu-Darstellung unverzichtbar.
Die Unterwelt und insbesondere die damit verbundene Nacht ist das Reich, in dem Dämonen besonders schädlich sein können. Eine Gruppe von Geistern der Dunkelheit hat eine besonders beeindruckende Wirkungsgeschichte. Sie stammen aus der altorientalischen Mythologie und beeinflussen die Teufelsvorstellungen bis heute. Das Einflussgebiet der drei Gestalten dieser Gruppe ist das Stören bei Zeugung, Geburt und Sterben. Sie bevorzugen die Nacht für ihre schadenbringenden Tätigkeiten und haben ähnliche Namen. Nach mesopotamischen Vorstellungen personifizieren die weiblichen Geister der Lilitu und der Ardad-Lili, sowie deren männliches Gegenüber Lilu, die Bedrohlichkeit, welche die Menschen mit der Nacht und der Dunkelheit assoziierten. Die drei sind eigenständige Wesen ohne familiäre Verbindungen und sie sind vor allem darauf bedacht, die Beziehungen zwischen Menschen zu zerstören.
Unangefochtene Herrscherin der Unterwelt ist und bleibt aber Ereškigal. Wie eine Tyrannin herrscht sie in der Unterwelt, befehligt sieben Totenrichter und eine unendliche Schar von Dämonen. Unter den Menschen verbreitet sie Unfrieden, Krankheit und Tod. In dieser besonderen Position verwundert es nicht, dass Ereškigal als Nebenfigur in einer mesopotamischen Erzählung auftaucht, welche die biblische Schöpfungsgeschichte maßgeblich beeinflusst hat: Es wird überliefert, dass sich die Götter zu Beginn der Schöpfung, als die Erde erschaffen wurde, um ihre Zuständigkeiten stritten. Inmitten der jungen Welt wurde deshalb in einem heiligen Garten ein Baum gepflanzt, der mit Wurzeln, Stamm und Krone die Aufteilung der Wirkungsebenen – Unterwelt, Erde und Himmel – symbolisierte. Später wollten die Götter diesen sogenannten Huluppu-Baum fällen, um aus seinem Holz die Insignien der Himmelsgötter – die als Sinnbild für die Kulturwelt zu verstehen sind – anzufertigen. Dafür mussten alle Tiere, die in der Zwischenzeit im Baum ihr Zuhause gefunden hatten, zum Beispiel der Vogel Anzu, der Geist Lilith und eine Ereškigal treu ergebene Schlange, weichen. Während Anzu und seine Vogelkinder den Baum verließen, weigerte sich die Schlange, ihr Nest, welches sie in den Wurzeln des Baumes gebaut hatte, zu verlassen. Aus dem Kampf zwischen der Schlange als Dämonin der Dunkelheit und dem Sonnengott Utu ging Letzterer schlussendlich als Sieger hervor. Die Schlange und Lilith mussten, trotz Unterstützung der Göttin der Dunkelheit, den Baum als Lebensraum aufgeben und bewohnen seither unerschlossenes Gebiet.
Die Schlange stellt sich als Vertreterin Ereškigals der kulturellen Entwicklung der Menschheit entgegen und versucht aktiv, deren Entfaltung zu boykottieren. Einige Jahrhunderte später wird innerhalb der jüdisch-christlichen Religion die Vorstellung vom Teufel als Ankläger und Stolperstein im Weg der Menschheit ein wichtiges Element werden. Auch das Motiv, dass der Teufel nicht unbedingt selbst agiert, sondern sich von anderen diabolischen Wesen, wie etwa der Schlange, helfen lässt, ist hier bereits angelegt. Und wie die Schlange im mesopotamischen Mythos wird auch der jüdisch-christliche Teufel am Ende besiegt.
Lassen sich an dieser Stelle auch die Details sehr gut einander gegenüberstellen, so ist grundsätzlich die Vorstellung doch sehr alt, dass sich der Gott oder die Göttin der Dunkelheit einen Kampf mit dem Gott oder der Göttin des Lichts und des Himmels liefert. Dies ist auch in der mythischen Tradition aus der Stadt Ugarit, deren reichhaltige Kultur erst 1929 wiederentdeckt wurde, belegt. Der den Tod verkörpernde Gott Mot wird stets im Kampf mit Baal, dem Gott des Lebens und der Fruchtbarkeit, dargestellt. Mot ist gefräßig, er verschlingt alle Lebewesen, die ihm in den Weg kommen, und bringt Dürre und Unfruchtbarkeit über das Land. Das Böse ist nicht nur den Dämonen vorbehalten, auch gute Götter können Unheil anrichten, entscheidend ist die Perspektive des Betrachters. Dass der in Ugarit noch positive Gott Baal in der jüdischen Tradition zum Anti-Gott schlechthin gewandelt wurde und als Baal-Pegor oder Baal-Zebub später sogar zum Namensgeber teuflischer Gestalten wurde, zeigt einmal mehr die evozierende Kraft dieser alten Mythen.
Das Böse ist vielfältig in seinen Darstellungsweisen, und ebenso vielfältig ist die Wahrnehmung durch den Menschen. Das ist der Grund dafür, dass die auf dem eingangs beschriebenen Burney-Relief dargestellte Figur nicht nur als Ereškigal interpretiert wird. Einige Forscher sind der Ansicht, dass es sich bei der Figur um eine Darstellung von Ereškigals Schwester Ištar handelt. Sie war die mächtigste Göttin im altorientalischen Pantheon und galt als Göttin der Fruchtbarkeit. Dank ihrer Verführungskünste hatte sie häufig auch da noch Erfolg, wo alle anderen Götter bereits gescheitert waren. Lediglich ihre Schwester Ereškigal war eine zu mächtige Gegnerin für sie, denn die weibliche Dämonin (die, nebenbei bemerkt, oft in Schlangenform dargestellt wird) war den guten Göttern stets überlegen. Diese Erzählung ist bemerkenswert, denn normalerweise überliefern die altorientalischen Mythen den Sieg des Guten über das Böse.